Dienstag, 5. Juli 2011

Udorallala wird alt

So ist es! Ich trinke Mineralwasser und höre im Hintergrund Gunter Gabriel. Nein, ich habe meine Tabletten nicht vergessen. Und dass ich gleich zu Doc Holliday in die Bluesgarage fahre, steht da für mich nicht im Widerspruch. Udorallala ist halt 50 – deshalb aber noch nicht senil.
So komisch das auch klingen mag: Ich halte Gunter Gabriel, was Leben und Werk anbetrifft, für eine Art deutschen Calvin Russell (Gott sei seiner Seele gnädig), zumindest Johnny Cash.
Er fährt nen 30-Tonner Diesel“ und „Hey Boss, ich brauch mehr Geld“ habe ich aus den 70ern noch im Ohr. Das Gesicht des blonden Cowboyhutträgers kennt man ja noch aus der Hitparade oder Disco.
Arbeitslos, Keine Kohle, die Frauen und der Suff. Fernfahrerromantik pur. Das Alles vermittelte Gunter Gabriel schon in seinen frühesten Songs. Sicherlich waren die 70er seine kommerziell erfolgreichste Phase, dadurch aber auch für mich und eigentlich alle, die Rockmucke (schlimmer Begriff) damals hörten, unhörbar.
Das eigentlich seichte Countrygedudel im Schlagerrhythmus verhinderte einen näheren Blick auf die Textinhalte, die in ihrer Alltagsrealität Lindenberg, Marius oder ab Mitte der 80er Grölemeyer nicht nachstanden. Um nur die Bekanntesten zu nennen. Während letztgenannten für mich immer hörbar waren (Grölemeyer zugegebenerweise zeitweise für 4einhalb Wochen, das ist aber eine andere...), war Gunter Gabriel aus ideologischen Gründen nicht hörbar.
Dabei ist seine Biographie für einen Outlaw klassisch: Gewalttätiger Vater, die Mutter stirbt in seinem fünften Lebensjahr. Nach Schlosserlehre, Gelegenheitsjobs in mehreren europäischen Ländern schmeißt er auch noch das Maschinenbaustudium (FH) in Hannover. Danach arbeitete er als DJ und wurde schließlich Promoter bei Hansa, der Plattenfirma in Hamburg.
Er nahm ab 1973 nicht nur selber Platten auf, sondern schrieb auch Songs für andere Schlagersänger. „Wenn Du denkst Du denkst“ (Juliane Werding) oder „Ich trink auf Dein Wohl, Marie“ (Frank Zander) sind wohl die Bekanntesten. Aber dass er auch für Peter Alexander oder die Zillertaler Schürzenjäger Songs schrieb, hat mich dann jetzt doch überrascht.
In den 80ern ging es steil bergab. Scheiternde Ehen und die finanzielle Pleite nach einer Fehlinvestition lassen Gunter Gabriel zum Hobo werden, der 10 Jahre lang mit dem Wohnmobil durch Deutschland eiert.
Seit Ende der 90er ist er wieder seßhaft und wohnt in einem Hausboot in Hamburg Harburg. 2003 bat ihn sein guter Freund Johnny Cash um den Gefallen, einige seiner Songs in Deutsch in Memphis einzuspielen. Die Aufnahmen kamen kurz vor Johnnys Tod zustande, Johnny spricht auf der Platte noch ein kleines Intro. Eine bemerkenswerte Platte übrigens., aber kein Verkaufsschlager.
Denn „Ohne Moos nichts los“. Um seine Schulden begleichen zu können, bietet er in einer Fernsehshow an, auf Anruf überall für 1000 Euro aufzutreten.
Hierbei fiel er mir dann erstmals wieder auf, als er im Rahmen dieser Aktion im AWO-Altenheim in der Kreuzstraße auftrat. Wie kann man nur so tief sinken, habe ich damals gedacht. Aber ich hätte wohl hingehen sollen. Der Auftritt soll wirklich gut gewesen sein.
Und Anfang 2007 dann im Dschungelcamp. Da war er auch dabei. Ich hatte mir auch diese Staffel des Camps erspart.
Verschiedentlich taucht er bei RTL und Co als Promi mal auf, aber eins ist dann doch noch interessant und irgendwie passend:
Im Bühnenstück „Hello, I`m Johnny Cash“ spielte er Aug/Sep 2010 den „Blackman“. Dazu Helen Schneider als June Carter. Mit den Jahren ist er immer besser un d jetzt sogar richtig gut geworden, der Mann, der 1942 in Bünde/Westfalen als Günter Caspelherr geboren wurde.
Aber ich erwähnte anfangs ja Doc Holliday. Ein schönes Konzert in der Bluesgarage. Ich kannte sie vorher nicht und hatte eher 3 Gitarren a la Lynyrd Skynyrd erwartet. Weit gefehlt! An der Orgel ein Zappel wie John Lord, der Sänger und einzige Gitarrist sah aus wie der junge Freddy Quinn. Die Songs waren ausnahmslos gut, das Gefiedele hielt sich erfreulicherweise in Grenzen und der ganze Gig war einfach nur gut. Und Doc Holliday wird auch nach wie vor zur Outlaw-Bewegung gezählt.
Und da ist Gunter Gabriel auch angekommen. Hör Dir neuere Sachen von ihm an, und Du weißt, was ich meine.

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