Montag, 30. August 2021

Uncle Fester: grad gelesen August 2021

Daniela Dahn / Rainer Mausfeld - Tam Tam und Tabu
Nach all de Romanen war es mal Zeit für ein Sachbuch. Für ein politisches obendrein, da in diesem Jahr eine wichtige Bundestagswahl stattfindet. Und da ist es nicht verkehrt, sich noch einmal mit der jüngeren Geschichte der Republik zu befassen. Im Besonderen gilt dies für die Wiedervereinigung, oder sollte ich sagen: Übernahme der ehemaligen DDR?
Daniela Dahn war Mitbegründerin der heute leider in Vergessenheit geratenen DDR Oppositionsgruppe „Demokratischer Aufbruch“ , nachdem sie Anfang der 80er Jahre als Fernsehjournalistin im DDR Fernsehen, u. a. fürs Wirtschaftsmagazin Prisma, tätig war, bevor sie hinschmiss, „um nicht die Selbstachtung zu verlieren.“
Rainer Mausfeld ist Professor für allgemeine Psychologie an der Uni Kiel und Kritiker des Neoliberalismus. Er beschäftigt sich vor allem mit der Rolle der Medien als Stütze des politischen Systems.
Und dafür ist er die ideale Ergänzung, denn Daniela Dahm beschreibt im ersten und Hauptteil des Buches akribisch die Beeinflussung der öffentlichen Meinung der DDR Protestler von der Grenzöffnung bis zur Wiedervereinigung. Allein anhand der Pressemeldungen und Überschriften der Bild in dem Zeitraum wird die Beeinflussung und Abänderung der öffentlichen Meinung in den „Beitrittsländern“ deutlich.
Mausfeld gibt hinterher noch seinen Senf dazu und zusammen ziehen sie dann Parallelen zu neueren Ereignissen wie der Finanzkrise, den Asylkonflikt 2015 und der jetzigen Corona Politik. Dies alles ist für den einen linke Fake Propaganda und für den anderen Anschauungsmaterial, wie die bewährten Methoden zur Steuerung der Bevölkerungsmeinung aus NS- und DDR Zeit weiter angewandt werden.
Je nach politischer Anschauung ist das Buch also Pflichtlektüre oder Scheiße.

                                                

Phillip P. Peterson - Transport 4
Vor knapp über 4 Jahren hatte ich die ersten drei Teile dieses noch nicht abgeschlossenen Zyklus gelesen. Damals dachte ich, dass dieser Zyklus mit drei Teilen abgeschlossen sei. Weit gefehlt! Jetzt sind die nächsten vier dran.
5 Jahre sind seit den turbulenten Ereignissen auf der kleinen Kolonie New California vergangen. Die kleine Schar Kolonisten sind immer noch von der Erde abgeschnitten, als aus dem zerstörten Transporter ein unbekannter Mann im Raumanzug heraus stolpert und bewusstlos zusammenbricht. Er fällt ins Koma, kann nur noch etwas von einer Gefahr für seine Leute stammeln.
Den Kolonisten gelingt es, aus einer vom Fremden mitgebrachten kleinen schwarzen Kugel einen neuen Transporter zu züchten. Um einer drohenden Gefahr für die Kolonie zuvorzukommen, begibt sich ein bewährtes Team in den Transporter und reist ins Ungewisse. Allen voran natürlich der Ich-Erzähler Russell Harris, begleitet von seinem Sohn Jim und der ewig aggressiven Kämpferin Candy.
Es stellt sich heraus, dass sich der Ziel Transporter auf dem Erdmond befindet. Unserem Protagonisten von New California gelingt es, auf der dortigen Basis etwa 30 Bewusstlose vor dem Tode zu retten. Adam Lang, der Leiter dieser Basis, kann anschließend berichten, dass er und seine Leute von der Hauptbasis des Mondes angegriffen worden waren. Sammy, der Administrator von New California, schickt Russel mit einem Trupp zur Hauptbasis.
Dieser Trupp wird angegriffen, Julian Morrow, Neffe des fiesen Generals aus den ersten drei Bänden, wird dabei mit dem Blut von einem der Aggressoren kontaminiert. Als als der bewusstlose Julian aus dem Koma erwacht, tötet er den ihn behandelnden Arzt. Jetzt stellt sich heraus, dass die Hauptbasis nicht von den Chinesen erobert worden war, sondern von Pilzsporen eines anderen Kolonialplaneten infiziert wurden.
Da hat die Hauptbasis gerade von einem ahnungslosen Versorgungsschiff der Erde angesteuert wurde, bestand die akute Gefahr, dass die von Sporen gelenkten Zombies die Erde übernehmen könnten. Am Ende des Romans gelingt es unseren Helden, dieses Fiasko zu vermeiden und die Zombies samt Sporen auszuschalten, weil sie gerade noch rechtzeitig eine Funkverbindung zum Versorgungsschiff herstellen konnten.
Endlich ist New California wieder mit der Erde verbunden, unser Held Russell konnte die Katastrophe verhindern. Peterson hat hier eine dünne Story in leichter Sprache heruntergeschrieben, so dass man sich hier in einem Perry Rhodan Roman wähnt. Jedoch gelingt es ihm, diese einfache Geschichte so spannungsvoll zu erzählen, dass der Leser das Buch einfach nicht weglegen möchte.
Nun will ich auch wissen, wie sich Russells beinamputierter Sohn Jim (beim Kampf um die Hauptbasis) im nächsten Band schlägt und ob Elise, Russells Frau, noch eine wesentliche Rolle spielen wird.

Dienstag, 24. August 2021

Hartmudo Dienstjubiläum 2/2

2
Und seinerzeit war quasi jeder Donnerstagnachmittag stressig und nervig, da ich zumeist von 14 Uhr bis 18 Uhr durchgehend Publikum hatte. Streitereien mit nervigen Kunden waren die Regel; ständig waren Arbeitsplätze unbesetzt, weil wir unter einer hohen Fluktuation litten. Unter Kollegen galt ich mittlerweile als Störfall, weil ich an der Organisation ständig etwas auszusetzen hatte und dazu tendierte, bei Stress auszurasten und schon einmal Gegenstände durch die Gegend zu werfen.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich einmal einen Locher wütend über die Köpfe einer Familie hinweg in Richtung Tür geschmissen hatte. Ich entschuldigte mich zwar sofort, insbesondere das weinende Kind tat mir leid, aber so ein Verhalten ist schon bedenklich. Abgesehen davon waren in den 90ern aber auch Gestalten unterwegs, die kann man nicht erfinden.
Hier erzähle ich immer gerne eine Geschichte von Keule, dem ewig besoffenen Leader der Säufer Gang aus der Fußgängerzone. Der stürmte eines Tages in das Büro von Drolli, einer sehr netten wie coolen Kollegin. "Dich ficke ich auch noch" schmetterte er ihr entgegen, woraufhin sie nur gelangweilt entgegnete: "Raus, Keule, verpiss dich."
In den Neunzigern brauchten wir keine Gleichstellungsbeauftragte, welche sich schützend vor die Mitarbeiter*innen stellen musste. Die Weicheier nahmen erst in diesem Jahrtausend überhand, die alten Kolleginnen waren nicht aus Balsaholz geschnitzt.
Wie dem auch sei, Ende der 90er waren auch die fröhlichen Alkoholexzesse im Amt passe. Ich zog mich da von alleine raus, weil es mir leid und peinlich war, meinen Sachgebietsleiter dauernd etwas vorzuspielen. Zur Jahrtausendwende war mein Ruf quasi schon ruiniert, und das nicht zu unrecht.
Während ich in meinem Privatleben die Puppen und vor allem den Alk tanzen ließ, schleppte ich mich auf der Arbeit nur noch über den Tag und meckerte, meckerte, meckerte... Da war ich nicht alleine, etliche der "alten Hasen" fühlten sich nur noch unzufrieden und wollten weg - ich auch.
Das "großzügige" Angebot meines Arbeitgebers, mittels einer Rotation einen Arbeitsplatztausch in ein anderes Amt durchzuführen, scheiterte an der mangelnden Bereitschaft der Kollegen, ins Sozialamt zu wechseln. Schließlich meldeten sich 20 Kollegin für die Rotation, davon waren 19 aus meiner Abteilung. So konnte das ja nichts werden.
Als ich mich dann auf freie Stellen beworben hatte, musste ich feststellen, dass ich nicht weg kam, weil der Arbeitgeber unsere Arbeitsstellen nicht nachbesetzen konnte und ich bereits verbrannt war. So ähnlich wie Catch 22 halt. Jetzt waren junge und dynamische Kolleg*innen gefragt, nicht die alten Nörgler und Säufer wie ich.
Als ich mich privat dank meiner Löwin konsolidiert hatte, funktionierte die geballte Führungskompetenz im Amt doch noch: Sie outeten mich als Low Performer und boten mir eine Stelle in der Eingliederungshilfe an, die ich ohne zu überlegen sofort annahm.
In den vier Jahren, die ich dort verbrachte, hatte ich mich die ganze Zeit gefragt, wofür ich eigentlich die hohe Vergütung bekam. Ich nickte dort lediglich alles ab, was die Einrichtungen der Behindertenhilfe beantragten, da dies offenbar die politische Vorgabe war. Auch hier war ich dann unbequem geworden, so dass ich in die amtseigene IT wechselte.
Hauptgrund des Wechsels allerdings war der Umstand, dass ich bereits seinerzeit mit einer Homepage experimentierte und dies nicht "verheimlichte". Beim Wechsel hatte ich dann noch Blutdruck, weil meine Kollegin Fritzi, mit der ich schon seit Jahren gut zusammengearbeitet und mit der ich mich eigentlich immer gut verstanden hatte, ausrastete und mich anblaffte, ich sollte meinen Arbeitsplatz aufräumen, bevor ich gehe. Dass sie unter Psychopharmaka stand, wusste ich zu der Zeit nicht, sonst hätte ich da eher ruhig drauf reagiert.
In der IT wiederum war ich knapp über ein Jahr, bevor ich mich mit meiner Teamleiterin überworfen hatte. So nahe an der Amtsführung galt ich als "grüner" Kollege, obwohl ich schon damals, also 2005, die Linkspartei wählte und etwas später den NachDenkSeiten Gesprächskreis Braunschweig leitete. Ich galt - nicht zu unrecht - als störrisch und unberechenbar, aber durchaus als fachkompetent.
Um einen Jungen und beliebten Kollegen ins Amt zu bekommen, bot mir die Amtsleiterin einen Verpisser-Posten an. Die Aufarbeitung alter Sozialhilfeakten nach Einführung von Hartz IV. Zermürbt von den Streitereien mit der Teamleiterin nahm ich dankend an und genoss über ein Jahr lang die Zusammenarbeit mit Gonzo, einem jetzt schon lange in Ruhestand befindlichen Kollegen, der für seine Sturheit und geistige Unbeweglichkeit berüchtigt war. Um es hier mal ganz klar zu sagen: Gonzo wurde von allen, gerade auch von mir, stark unterschätzt. Ein feiner Mensch, den ich heute sehr vermisse.
Blick auf meine Arbeitsstätte
Irgendwann, im Jahr 2008, kam das Angebot, in die Grundsicherung zu wechseln. Ich war des Abhängens müde geworden und auch die Kolleginnen - zu der Zeit war ich der einzige Mann im Team - freuten sich, mich im Boot zu haben.
Meine Güte, 13 Jahre bin ich jetzt auch schon wieder hier. In den letzten fünf Jahren hatten wir über zehn Fälle von Burnout im Team und trotzdem läuft der Laden immer noch. In den letzten Monaten habe ich meine emotionalen Ausraster immer mehr in Richtung emotionslose Arschlochhaltung verschieben können.
Meine Löwin hat mich hierin bestärkt und ich hoffe, dass ich dies die nächsten sechs Jahre bis zu meiner Pensionierung durchhalte. Ich würde lieber heute als morgen in Pension gehen, aber noch fühle ich mich jung und brauche das Geld. Für mich, meine Löwin und die Katzen. Deshalb werde ich mich auch in den nächsten Jahren nach Salzgitter quälen, auch wenn der Zug das eine oder andere mal ausfällt.
An dieser Stelle möchte ich die Rückbesinnung auf 30 Jahre Sozialamt Salzgitter beenden. Nur noch eine Anmerkung: Wie in den harten Zeiten Ende der 90er Jahre sitze ich am späten Donnerstagabend nach einigen Bieren im Sessel und höre Dr. Feelgood. "Going back home" ist der Song, der jetzt passt. Nach dem SchlaDo, vor dem Wochenende.
Ein alter Freund meinte gestern, das die jungen Kollegen ihm keinen Respekt entgegenbringen würden. Der hat Probleme! Ich will und brauche keinen Respekt oder auch Altersbonus, die sollen mich einfach nur in Ruhe lassen und ihren Krams selber geregelt kriegen. Dann dürfen Sie mich auch gerne kritisieren wie ich sie umgekehrt auch kritisiere. 30 Jahre, die Hälfte meines Lebens... Scheiß drauf! Noch ein Bier und ab ins Bett.

Montag, 23. August 2021

Hartmudo: Mutter

73 Anhang 2 - Nachtrag 2021
Leicht und locker plauderte sie mit Oskar und Miriam, scherzte dazu noch mit deren Sohn Knut, welcher freudestrahlend seine Ninjago Sammelkarten präsentierte. Souverän halfen meine Löwin und sie mir beim Umgang mit dieser unangenehmen Spannungslage, während ich wie das Kaninchen vor der Schlange saß und stellenweise richtig gelähmt war.
Schließlich wurde in etwas entspannterer Atmosphäre der Tisch gedeckt. Reiner schmollte nicht mehr, er verhielt sich angenehm ruhig und bedankte sich sogar, als ich ihm den Senf reichte.
Oskar nannte es bayrische Burger, für mich sind das aber immer noch Leberkässemmeln. Ein aufgeschnittenes Weißmehlbrötchen, dazwischen eine dicke Scheibe frisch gebackener Leberkäse mit Händlmaier. Wie bei Eberhofer halt.
Sunny bekam ihre Semmel nach nebenan gebracht, so musste sie die Küche nicht betreten und konnte die angespannte Situation besser durchhalten. Das von Oskar gleich am Anfang angebotene Bier hatte ich abgelehnt. Ich wollte nüchtern bleiben und später am Nachmittag selbst zurückfahren.
Sicherlich hätte ich die Beerdigung von Tante Marga besoffen oder zumindest angesäuselt besser durchstehen können, aber das wäre lediglich eine Flucht gewesen. Und eigentlich wollte ich diesen Tag um jeden Preis cool und locker verbringen, denn schließlich habe ich es beruflich schon mit schwierigen Menschen zu tun. Irgendwann muss diese leidige Sache mit dem Geschwisterstreit mal abgeschlossen sein.
Außerordentlich positiv bei diesem Intermezzo vor der eigentlichen Beerdigung erwies sich die Anwesenheit der Eltern von Miriam, die vom Schliersee angereist waren. Der lockere Smalltalk mit den beiden befeuerte mich zusätzlich, sodass ich meine Verkrampfung auflösen konnte.
Ein weißes Hemd und den schwarzen Schlips hatte ich übrigens schon beim Bäcker auf der Toilette angezogen, denn auf der Fahrt wären diese Accessoires hinderlich gewesen. Die Trauergesellschaft geht normalerweise zu Fuß zum Gottesdienst, das heißt: Durch das Dorf und den Hügel zur Kirche mit dem Friedhof hinauf. Für Bertas schwaches Herz wäre dies nichts gewesen, so dass wir drei mit der Tradition brachen und mit dem Auto dorthin fuhren.
Gern überließen wir Sunny das Feld, die mit Oskar und seiner Familie zu Fuß aufbrach. Miriams Eltern folgten uns mit ihrem Auto, vor der Kirche sprach ich noch kurz mit Margas Schwester, die schon seit Urzeiten im Haus neben ihrer Schwester gewohnt hatte. Ihre Tochter und sie kannte ich noch aus der Kindheit, hatte sie aber seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesprochen.
Zum Geläut gingen wir alle in die Kirche und suchten uns Sitzplätze. Innen war alles coronagerecht ausgestattet, selbst an den Plätzen durften wir die Masken nicht abnehmen. Stört zwar beim Singen, aber die Coronavorschriften nehmen bekanntlich keine Rücksicht auf Traditionen, selbst bei religiösen Feiern.
Hinterher wurde die Urne von Marga draußen neben die ihres Mannes eingesetzt, dort traten die Trauernden noch einmal vor das Grab, um der Toten mit gefalteten Händen zu gedenken und eine Schaufel Erde hinein zu schütten.
Oskar bat dann den Pastor und seine Orgelspielerin zum anschließenden Beisammensein im nahe gelegenen Gasthof hinzu. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass Sunny dort an einem anderen Tisch saß. Zu Zuckerkuchen und Wurstbrötchen unterhielt sie sich angeregt mit Dieter, unserem Cousin aus Plößberg. Ein weiterer Verwandter also, den ich schon sehr lange nicht mehr gesprochen hatte.
Und während sich Sunny und Reiner bereits bestens unterhielten, saßen meine Löwin, Berta und ich alleine an einem großen Tisch. Aber erfreulicherweise setzte sich Oskar, der ja als Sohn der Verstorbenen quasi Gastgeber war, alsbald auf seiner Runde durch die bunte Gästeschar zu uns.
Und überhaupt fühlten wir uns bemüßigt, Oskar für sein Engagement und die Souveränität seines Auftritts während der gesamten Trauerveranstaltung ein großes Lob zu zollen. Dies war vor allem Berta und mir wichtig, da wir Oskar ja bereits als Kind bzw. jungen Erwachsenen kannten.
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass wir alle, inklusive Sunny, Oskar vor 30 Jahren dies nicht zugetraut hätten. Außerdem glaube ich, dass wir uns alle einig sind, dass Miriam ihn noch ein großes Stück weiter gebracht hat. Es ist halt immer wieder schön zu beobachten, dass Menschen sich auch positiv entwickeln können.
Apropos Sunny: Sie war aus dem Arbeitsspeicher meines Hirns spätestens in dem Moment verschwunden, als sich der Cousin aus Plößberg zu uns gesellte. Berta konnte sich noch genau erinnern, dass er Krippenfiguren geschnitzt hatte. Mir war das nicht mehr geläufig, aber sie fragte ihn danach.
Er erzählte etwas von einer alten Dame, um die er sich als Betreuer gekümmert hatte und die ihm nicht nur ihre Krippenfiguren, sondern auch ihr Haus vermacht hatte. Dies sollte eigentlich so nicht möglich sein, aber er hat wohl beste Kontakte zu Amtsgericht und Kreisverwaltung.
Weiter möchte ich dies hier nicht vertiefen, ich habe sowieso Schwierigkeiten gehabt, ihn akustisch zu verstehen. Seine fränkische Mundart ist noch stärker ausgeprägt als bei Oskar gewesen. Dennoch hatte ich mich gefreut, auch ihn wiederzusehen und etwas mit ihm zu plaudern.

Sonntag, 22. August 2021

Hartmudo Dienstjubiläum 1/2

1
Super, jetzt ist es mal wieder passiert! Der Zug nach Braunschweig ist wieder mal ausgefallen, diesmal waren sie ehrlich: Kurzfristiger Personalausfall, so die Begründung. Heute ist Donnerstag, der 19. August 2021. Und heute ist - nein war - mein 30jähriges Dienstjubiläum bei der Stadt Salzgitter.
Rein rechtlich habe ich natürlich mehr Dienstjahre, aber heute zählt nur eins: Seit 30 Jahren arbeite ich nun im blauen Bock mit einer kleinen Unterbrechung von ca eineinhalb Jahren, in denen ich in Salzgitter-Bad gebettet war. Da wird man natürlich etwas rührselig, und der ausgefallene Zug passt auch hervorragend zu dieser Story.
Ich könnte mich in den Popo beißen, da ich eben schon in dem Bus nach Braunschweig saß. Den nehme ich immer nur für eine Station: Vom Rathaus bis zum Bahnhof. Wenn ich es mir mal angewöhnen könnte, die scheiß App zu benutzen, dann hätte ich mir diese Wartezeit ersparen können. Sei es drum. So kann ich euch ein wenig über die 30 Jahre erzählen.
1991 war ich ziemlich fertig. Ohne weitere soziale Absicherung hing ich bei City Car ab und fuhr meine Schichten ohne Aussicht, dass sich daran etwas ändern könnte. Es waren Freunde wie Uli und Jenny, die mich aus meiner Lethargie rissen und mich ermunterten, mir einen festen Job zu suchen. Oder Unternehmer zu werden, aber das wollte ich nicht.
Waitin' for the Train
Jetzt regnet es auch noch, ganz große Klasse! Wo war ich noch mal? Ach ja, 1991. Vor 30 Jahren. Ich bewarb mich also bei verschiedenen Behörden und wurde letztendlich bei der Stadt Salzgitter fündig. Dank meiner Vorgeschichte beim Braunschweiger Sozialhilfeverein ergatterte ich einen Job als Sachbearbeiter im Sozialamt, dies entsprach meiner Ausbildung.
Dank der Grenzöffnung waren seinerzeit sehr viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung in den wilden Osten gewechselt, um Karriere zu machen. Für die ständig frei werdenden Jobs als Sachbearbeiter im Sozialamt gab es nie großartige Nachfragen, der Job war nicht gerade beliebt. Dies sollte ich in den nächsten Jahren am eigenen Leib erfahren.
Anders als heute bestand meine Einarbeitung seinerzeit lediglich aus der Vorstellung meiner Vorgängerin, die den letzten Tag da war. Kleiner Witz am Rande: Heute, 30 Jahre später, sitze ich in haargenau demselben Büro, in das ich damals von meinem Sachgebietsleiter hinein geführt wurde. "Pelzige Seegurke" war der Spitzname der Kollegin, mit der ich ein paar Jahre später auch mal nach Teneriffa geflogen war.
Detzer, der alte Schwerenöter, hatte ihr diesen Spitznamen verpasst. Aus meinen ersten Jahren bei der Stadt Salzgitter stammen auch meine beiden Spitznamen: Hartmudo und Udorallala. Vorher hatte ich nie Spitznamen, heute trage ich beide mit Stolz.
Apropos Detzer: In ihm und Alf fand ich sehr früh vertrauensvolle Ansprechpartner, auf alle Fälle trinkfest. Über beide wie auch andere nette Kollegen habe ich bereits an anderer Stelle mehrfach geschrieben, dass lasse ich jetzt mal aus. Anfangs war ich sehr gestresst und fuhr immer mit 80 km/h über die Autobahn nach Salzgitter, weil ich hier überfordert war. Ohne großartig eingearbeitet zu sein, musste ich schwierige Fälle entscheiden. Jeden Tag wurde mir ein anderer Ansprechpartner zugeteilt, eine geordnete Einarbeitung, wie sie heute üblich ist, konnte so nicht erfolgen.
Aber so nach und nach biss ich mich durch und wurde über die Jahre auch von den Kollegen akzeptiert. Mich mit Leuten herumzustreiten, ja andere Menschen überhaupt anzuschreien, das war mir zuvor nie notwendig erschienen. Ich konnte das vorher gar nicht, ich war immer ein ruhiger Typ. Für die Frauen zu ruhig, er schüchtern.
Dies hatte ich abändern müssen, andernfalls wäre ich untergegangen. Wenn du niemals in diesem Job gearbeitet hast, wirst du das eben Gesagte nicht verstehen können. Im Laufe der Jahre stumpfte ich zunehmend ab.
Als ich in meinem zweiten oder dritten Jahr in die Asylsachbearbeitung wechselte, war ich wahrscheinlich auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit und Akzeptanz bei meinen Vorgesetzten. Obwohl es da sehr stressig war, hatte ich bei dieser Tätigkeit meine schönsten drei bis vier Jahre im Sozialamt.
Sei es die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes oder die Betreuung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die Arbeit war anspruchsvoll und ich hatte die Chance, viel zu gestalten.
Als mir vom damaligen Amtsleiter die Federführung bei der Verwaltung der Unterkünfte angeboten wurde, lehnte ich ab, weil mir die Arbeit so viel Spaß machte und das Klima mit meinen Kollegen hervorragend war. Stattdessen bekam der mittlerweile stellvertretende Fachdienstleiter den Job, da kann man mal sehen, was für eine Karriere ich hätte machen können.
Heute trauere ich dem aber nicht mehr hinterher, denn wenn ich sehe, wie sich die Führungskräfte verbiegen müssen, da bin ich froh, lediglich Schütze Arsch geblieben zu sein. So kam es, wie es kommen musste: Bereits nach wenigen Jahren hatte ich meine Kräfte verschlissen, worunter dann auch die Arbeit litt.
Dank der Eskapaden in meinem Privatleben, durchaus auch gern mal mit den Kollegen, und dem zunehmenden Stress auf der Arbeit baute ich Rückstände auf, die aufzuarbeiten mir immer schwerer fiel. So hatte ich es mir Ende der 90er Jahre angewöhnt, an stressigen Donnerstag Nachmittagen auf dem Weg nach Hause an der Tanke zu stoppen und mir einen Zehnerträger mitzunehmen, welchen ich zu Hause allein und zügig leerte.

Dienstag, 17. August 2021

guterPlatzzumBiertrinken: Stress pur

Freitag, 4. Juni. Eine anstrengende Woche war vorübergegangen und ich musste nach dem Feierabend gleich hinaus ins Grüne. Mein Fahrrad hatte ich am Vortag in der Radstation gelassen, weil es anfing zu regnen, als ich aus der Bahnhofshalle kam. Den Bus hatte ich gerade noch erwischen können. Das bedeutete, dass ich mit dem Bus zum Bahnhof fahren musste.
Den leckeren Thunfischsalat, den meine Löwin an diesem Tag fabriziert hatte, ließ ich erst mal stehen. Denn von den letzten Arbeitstagen war ich so richtig genervt. Draußen begrüßte mich ein wolkenloser, blauer Himmel. 26° Celsius und kein Regen in Sicht, da war ich mit der neuen Stoffweste, die ich für 7,99 EUR von NKD erstanden hatte, genau richtig eingekleidet.
Für die ersehnte Bierpause im Park hatte ich mir das Buch mitgenommen, in dem ich aktuell lese. Ich nehme es vorweg: im Bus schaffte ich noch ein paar Seiten, aber auf der Parkbank kam ich gar nicht voran. Egal, ich nahm das Rad aus der Radstation und fuhr erst einmal zum Edeka Center im Brawopark.
Ich kaufte noch ein paar Sachen und fand sogar den Kühlschrank, welcher witzigerweise begehbar war. Es handelte sich hierbei um einen abgegrenzten Raum, in dem nur gekühltes Bier vorrätig gehalten wurde. Zwei Wolters, die ich zur Sicherheit in eine Plastiktüte wickelte, und schon konnte es weitergehen.
Die nächste Parkbank würde meine sein, bevor das Bier warm wird. Gleich am Anfang des Prinzenparks mit Blick auf die Georg-Westermann-Allee setzte ich mich nieder und machte die erste Dose auf. Gerade fing ich an, diesen Text zu sprechen, als eine Dame mit ihrem weißen Riesenpudel vorbeikam.
Mika hieß der Racker und legte sich auch sofort neben meinen Füßen ab, weil es ihm zu warm war. Kurz unterhielt ich mich noch mit der netten Frau, bevor sie dann weiter zog. Meine zwei Dosen waren zu schnell alle, das Buch hatte ich schon längst wieder eingepackt, da ich sowieso nicht zum Lesen gekommen war.
Manchmal muss es einfach Bier sein

Kurz nach 15.00 Uhr war es an der Zeit weiterzufahren. Kurz vor Riddagshausen nahm ich das Ringgleis und ritt es bis zu unserem Lidl ab, weil ich noch eine Sache einkaufen musste. Die saure Sahne fehlte. Kurz nach 16.00 Uhr war ich endlich zu Hause angekommen und das Wochenende konnte beginnen, der Stress war endlich vergessen.
Mittwoch, 9. Juni. Was war das heute nur für ein schlimmer Arbeitstag. Ich würde lügen, wenn ich jetzt behaupte, dass ich mit voller Motivation in mein Büro gefahren wäre. Aber ich hatte nicht viel Post aus dem Homeoffice einzutüten und abzuheften, Telefonate schienen auch wenig aufgelaufen zu sein, da müsste ich doch die Aktenberge, die ich auf dem Schreibtisch gestapelt hatte, abbauen können. Weit gefehlt!
Die Rückrufe der Telefonate auf meinem AB gestalteten sich als langwierig, zudem kamen zusätzlich noch frische Anrufe rein. Weil ich dazu noch Rückfragen an Kollegen zu meiner Post hatte, war ich den ganzen Vormittag lang an drei verschiedenen Vorgängen parallel involviert. Endgültig den Rest gab mir ein Streitgespräch mit einer Kundin, die meinte, das der Bundesminister für Arbeit und Soziales den Selbstständigen, die während der Corona Pandemie schließen mussten, nicht nur die laufenden Betriebskosten und den Lebensunterhalt, sondern auch den Lebensstil sicherstellen wollte.
Das die Grundsicherung bzw Sozialhilfe nicht den Lebensstil sichert, dass wollte sie nicht einsehen. Ca. eine Viertelstunde stritten wir uns freundlich, aber bestimmt. Dieses Gespräch gab mir den Rest, zumal ich dann auch meinen Teamleiter am Telefon unnötigerweise anbölkte. Obwohl ich daraufhin Schluss machen wollte, schleppte ich mich noch bis 2:30 Uhr hin.
Auf dem Rückweg im Zug fasste ich einen Entschluss: Ab mit dem Fahrrad ins Grüne auf eine Parkbank. Zwei kalte Dosen Wolters. Aber wohin? Ich überlegte fieberhaft, dann hatte ich die rettende Idee. Bei uns zu Hause um die Ecke ist doch der Hans-Jörg-Felmy-Weg mit diesem schönen Kinderspielplatz.
Gesagt, getan. Ich fuhr die übliche Strecke Richtung Heimat, bog aber auf die Sophienstraße und dann in den Ring ein. Ich wusste, dass dort auf der linken Seite eine Tankstelle ist. Und tatsächlich: Die Aral hatte kaltes Wolters. Meine schlechte Stimmung war wie weggeblasen, flugs radelte ich über die Kälberwiese zum Spielplatz.
Da ich wenigstens noch etwas Schamgefühl besitze, setzte ich mich auf die Parkbank abseits des Spielplatzes, um das Kindeswohl nicht zu gefährden. Nach den ersten drei Schlucken hatte ich endlich Feierabend bzw. das Feeling. Ich saß im Schatten, der Himmel war strahlend blau mit wenigen weißen Wolken. 24 Grad Celsius, ein sanfter und kühler Wind... Herrlich!
Die Mücken merkte ich erst während der zweiten Dose, so dass ich mich beeilte, um nicht vollkommen durchgestochen zu werden. Trotzdem hatte ich meinen Frieden gefunden und würde am nächsten Tag wieder weiterkämpfen, um den Wust an Arbeit zu bewältigen.
Aber ach wie friedlich ist es doch an diesem Ort. Zwitschernde Vögel und quakende Entlein bilden einen schönen Kontrast zum vereinzelten Kindergeschrei. Was wäre ich froh, wenn ich in knapp sechs Jahren in Pension gehe und dann die Ruhe jeden Tag genießen kann. Und nicht wie an diesem Tag um 5 Uhr aufzustehen und mich vollkommen unnötig wegen der Arbeit zu ärgern.
Bald war auch die zweite Dose alle. Zeit, nach Hause zu fahren und meine Löwin und die Katzen zu begrüßen. Die sind wichtig, nicht die Arbeit. Und je mehr ich mir das selbst aufsage, umso mehr glaube ich daran. Mal schauen, ob es hilft.

Freitag, 13. August 2021

Sam Phillips

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An dieser Stelle passt die folgende, legendenbildende Begebenheit: John stellte sich Marion Keisker als Gospelsänger vor. Er wollte lediglich eine Chance, doch Marion sagte John, dass Sam Phillips keine Zeit für ihn hätte. Also setzte sich John auf den Bordstein vor dem Laden und wartete auf Sam, bis dieser endlich auftauchte. „Ich bin John Cash und ich habe meine Gitarre und ich will, dass Sie mich spielen hören“
„In Ordnung, komm schon rein.“ So die Antwort von Sam Phillips. Sam erkannte während der verschiedenen Gospelsongs das Potenzial und bat John, mit seiner Gruppe (zu der Zeit die Tennessee Two) sowie ein Uptempo-Liebeslied zu schreiben. Dann passte alles und Sam konnte Johnny Cash’s erste Single im Radio platzieren. Einen weiteren Rat nahm John von Sam noch an: Er änderte, wenn auch widerstrebend, seinen Vornamen in Johnny.
Johnny Cash erwies sich als Hitlieferant für Sun Records. „Hey Porter“ erschien am 21. Juni 1955 und kletterte auf Platz 14 der US Country Charts. „Folsom Prison Blues“ erreichte gar Platz 4 und der Übersong „I walk the Line“ stürmte an die Spitze der Country Charts und konnte sich darüber hinaus unter die Top 20 der Pop Charts platzieren.
Man kann hier unschwer den Wechsel der Veröffentlichungspolitik des Labels erkennen. Brachte Sam Phillips zu Beginn der Labelhistory noch die Musik seiner Kindheit bzw. schwarzen Blues und Rhythm `n` Blues heraus, so wendete er sich nun komplett dem Rockabilly und damit eher der „weißen“ Musik zu.
Zwar ist diese besondere Spielart des Rock `n‘ Roll sehr stark durch die schwarzen Vorbilder geprägt, wäre damals aber mit schwarzen Künstlern nicht darstellbar gewesen. Der explosionsartige Erfolg des Rock `n`Roll in den 50er Jahren stellt zwar den entscheidenden Schritt zur Gleichstellung der schwarzen Bevölkerung dar, aber es war eben nur der erste Schritt.
Und so veröffentlichte Sam Phillips, dem Trend folgend, den er selbst mit ausgelöst hatte, in der Folge fast ausschließlich Rockabilly. Johnny Cash wird bis heute zwar eher unter Country einsortiert, aber wenn Du Dir gerade die ersten Sun Singles von ihm anhörst, wird Dir eine sehr starke Nähe zum Rockabilly auffallen.
Ich meine: Hört Euch diese alten Aufnahmen von Carl Perkins und Johnny Cash einfach in Ruhe noch einmal an. Diese sparsame Produktion allein der bekanntesten Songs.... wie kann man da noch irgendwelchen Trash Metal hören?
Es war vor allem die Produktion der Aufnahmen bei Sun Records, die Sam Phillips und sein Label Jahre später und bis heute zur Legende werden ließen. Sein großes Plus blieb jedoch auch in den „großen“ Jahren des Rockabillys - also 1956 bis 1958 - die Entdeckung der Stars Elvis, Carl und Johnny. Und das zog eine Vielzahl weiterer begabter Künstler in das Studio von Sam Phillips, der dazu noch das Gespür für Talente hatte.
Sam mit Johnny Cash

Vorrangig möchte ich Roy Orbison erwähnen, der seine Karriere vor seinen schmalzigen Balladen Anfang der 60er Jahre in Memphis startete. Er spielte „Ooby Dooby“ bereits Anfang März 1956 bei Norman Petty in Clovis / New Mexico auf. Sam Philips mochte den Song, erkannte das Potenzial und nahm Roy Orbison unter Vertrag. Das am 27. März 1956 aufgenommene Remake des Songs in den Sun Studios erreichte im Mai 1956 Platz 59 der nationalen Charts.
Orbison verließ das Label, weil er lieber Balladen spielen wollte als den Rockabilly Sound, auf den Sam Phillips mittlerweile fixiert war. So fand 1956/57 ein spürbarer Umbruch bei Sun Records statt. Die Anfang der 50er prägenden schwarzen Künstler hatten quasi ausgedient und der pure Country Sound war hier auch nicht mehr zuhause.
Stattdessen veröffentlichte Sam Phillips in diesen Jahren noch eine Reihe von begnadeten Rockabillys, die auf ihren Ruhm noch 20 - 25 Jahre warten mussten. Erst mit dem Rockabillyrevival in Europa kamen sie hier zu ihren Ehren. Denn 1956 - 1958, als diese Spielart des Rock `n` Roll große Charterfolge feiern konnte, erwies sich die Struktur eines kleinen und unabhängigen Labels wie Sun Records als Nachteil bei der Vermarktung der vielen Talente.
Andererseits hätten diese Musiker bei den großen Labels nie eine Chance bekommen und wären wie so viele seinerzeit in den USA auf obskuren Kleinlabels gelandet und erst durch die Cramps wiederentdeckt worden.
Wir reden da über Leute wie Jack Earls, Sleepy LaBeef, Ray Harris, Charlie Feathers, Ray Smith, Slim Rhodes, Malcolm Yelvington, Warren Smith, Conway Twitty und vor allem Billy Lee Riley, auf den ich etwas später noch eingehe. Das Hitpotenzial der Sun Singles jener Jahre war enorm, aber im Schatten von Carl Perkins und Johnny Cash vermochten all diese Talente lediglich geringe Verkaufszahlen zu erzielen. Und das größte Talent, welches Sam Phillips entdeckt hatte, wurde bei Sun Records gerade erst vorstellig.

Mittwoch, 4. August 2021

Contramann: kurz gesehen im August

https://www.heise.de/tp/features/Identitaetspolitik-Woke-und-weltfremd-6057488.html
Bereits nach dem ersten Sätzen war mir klar, dass ich diesen Artikel verlinken muss. „Ich war einmal ein Linker“ - dieses traurige Bekenntnis und die nachfolgende Erklärung dazu haben mich zugegebenermaßen angesprochen. Allerdings will ich das „Linkssein“ doch nicht einfach aufgeben. Die Kernfrage, die Teseo La Marca aufwirft, lässt sich gut anhand folgenden Zitats des Artikels darstellen.
„Warum sollte ein schwarzer Homosexueller, der beruflich erfolgreich ist und ein hübsches Einfamilienhaus mit Garten bewohnt, allein aufgrund seines Minderheitsstatus mehr politische Aufmerksamkeit verdienen als ein weißer unterbezahlter Arbeiter, der nebenan im Plattenbau wohnt?“
Zurecht moniert der Autor, dass sich die modernen Linken lieber an ungefährlichen Symbolismen wie Gleichberechtigung, Migranten oder LGBT-Personen abarbeiten, statt die tatsächlich Unterdrückten wie z.B. Fabrikarbeiter der südlichen Hemisphäre zu unterstützen oder Kinderarbeit anzuprangern.
Dass er hierbei nicht die Systemfrage stellt, ist in Ordnung, denn das würde den Blick nur von dem momentanen Ärgernis ablenken: Die Ignoranz der neuen linken Bioladen-Bourgeoisie, denen mehr an einer korrekten Sprachregelung als an effektiver, sprich sozialökonomischer, Gleichstellung gelegen ist. Und das aus eher egoistischen Gründen.

https://www.cicero.de/innenpolitik/carolin-emcke-eklat-parteitag-gruene-antisemitismus
ääh... warum ich diesen Link hier vorgesehen hatte, weiß ich jetzt nicht mehr. Die Grünen werden kritisiert - das ist gut. Aber sonst? Was für ein Geschwurbel, nach dem vierten Bier wegen der 0:4 Pleite gegen Victoria Berlin kann ich da nicht mehr folgen.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-und-die-linke-ausschlussverfahren-wird-eroeffnet-a-7abf5b10-6155-41a5-9f2a-a1581b9ca958#ref=rss
Auf Spiegel Online gehe ich kaum noch, weil dort immer mehr hinter der Bezahlschranke verschwindet. Aber wenn das mittlerweile zum Springer Imperium (mit)zählende Magazin etwas reißerisch verkaufen kann (möchte), dann darf - nein muss - das jeder lesen können.
Da gab es einige (namentlich nicht genannte - Feiglinge!) Mitglieder der Linken, die Sahra Wagenknecht wegen ihres hervorragenden Buches „Die Selbstgerechten“ aus der Partei ausschließen wollten. Da kann der Spiegel natürlich nicht daneben stehen und das ganze objektiv neutral begleiten.
Sturm im Wasserglas - Sahra Wagenknecht ist immer noch bei den Grünen - ha ha, kleiner Scherz. Meine Güte, die Linke ist am Abkacken, weil sich die Parte von ihrer Existenzberechtigung - dem „kleinen“ Mann (oder auch Frau) - entfernt hat. Sahra Wagenknecht scheint als eine der wenigen aus der Partei bereit, dem fatalen Kurs der „SPD-isierung“ der Linken zu widersprechen.

https://www.heise.de/tp/features/Ist-Deutschland-noch-eine-Turniermannschaft-6124570.html
Ein schöner Abgesang auf den scheidenden Bundestrainer Joachim Löw und Kanzlerin Angela Merkel.
Abgekackt hamm se - alle beide! Nochn Bier!

https://www.neulandrebellen.de/2021/07/ausreden-der-lauterbach-wars/
Genau so, Dicker! Roberto de Lapuente bringt es auf den Punkt. So wie die Menschen nach dem Krieg alle im Widerstand gewesen waren und schon immer gegen die Nazis gearbeitet hatten, wird es in vielleicht 20 Jahren niemanden geben, der die Corona Schutzmaßnahmen mit all ihren Grundrechtseinschränkungen gutgeheißen hat.
Dieses allzu menschliche Verhalten war seinerzeit vielleicht nötig, um die Gesellschaft und vor allem die Wirtschaft nicht erstarren zu lassen, räumt Lapuente ein. So wird es 20 Jahre nach Corona wieder sein, glaubt er, allerdings mit einem Unterschied: Dank der sozialen Medien wird genau dokumentiert, wer sich heute wie und wo positioniert hat.
Rosstäuscher und Schönfärber sollten dann also keine Chance haben. Daran möchte ich glauben, falls ich die zukünftige Nachbetrachtung nicht mehr selbst erleben sollte.

Sonntag, 1. August 2021

Udorallala: Top Songs 14/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Abwärts - Computerstaat
Wir schreiben das Jahr 1980. Deutschland kurz vor Ende der sozialliberalen Koalition. In Hamburg, neben Düsseldorf eine weitere Hochburg des deutschen Frühpunks, schreit Frank Z. mit Abwärts die herrlichen Phrasen ins Mikro, die gerade heute (Covid-19 Pandemie, Russland und China Bashing) wieder aktuell sind.
„Montag klopft es an der Tür
Und Arafat steht neben dir
Dienstag gibt es Probealarm
Paranoia in der Straßenbahn
Mittwoch ist der Krieg sehr kalt
Breschnew lauert in der Badeanstalt
Donnerstag, du weißt es schon
Tausend Agenten in der Kanalisation
Freitag gehört der Mafia
Das Ravioli kommt aus Florida
Samstag Abend Irrenanstalt
Der KGB im deutschen Wald
Sonntag, da ist alles tot
Im Golf von Mallorca der Weltkrieg droht
Stalingrad, Stalingrad
Deutschland Katastrophenstaat
Wir leben im Computerstaat“
Diese Zeilen hatten mich seinerzeit durch die Ausbildung begleitet. An der (damals noch) Fachhochschule schrieb ich den Text während eines langweiligen Vortrags des Dozenten im Staatsrecht wie ein Mantra in meine Kladde. Das dieser Text knapp 40 Jahre später so schwer aktuell werden würde, hätte ich seinerzeit nicht gedacht.
Ist aber auch ein mächtiger Song. Der Einstieg mit dem Drumwirbel, danach der schnell gespielte Basslauf. Die Gitarre von Frank Z. steigt mit Rückkopplungen ein, anschließend hackt der Gitarrist den Rhythmus rein, um danach einen passenden Lick zu servieren. Erst sehr spät beginnt Frank Z. mit seinem Gesang. Der Text wiederum ist brutal kurz, dadurch aber leicht zu merken.

 

Nach heutigem Verständnis würde man Frank Z. als Wutbürger charakterisieren. Er schreit die Worte anklagend ins Mikro; der Text besteht aus Parolen, die die Punks seinerzeit wie eine Fahne vor sich hertrugen. Du kanntest den Text, Du wusstest Bescheid. Was so läuft, politisch gesehen. Die andere Seite der Friedensbewegung halt. Kein Birkenstock, sondern Hass auf Skins und die Staatsmacht.
Rockmusik mit deutschen Texten - nicht Lindenberg, Westernhagen oder Achim Reichel haben deutschsprachige Musik von den anglo-amerikanischen „Originalen“ emanzipiert, sondern Frank Z. und Abwärts mit diesem aggressiven Song. Die Erstgenannten waren auch prägend, keine Frage, aber wirklicher „Riot“ war 1979 Abwärts.
Auf der 1980 beim legendären ZickZack Label veröffentlichten EP befanden sich 5 Songs, u.a. ein Cover von „Moon of Alabama“.Innerhalb eines Jahren wurden 22.000 Exemplare verkauft, was für die damalige kleine Szene des deutschsprachigen Punk sensationell war. Udorallala war einer dieser 22.000, worauf ich heute noch stolz bin.
Und was war seinerzeit in den Hitparaden in Deutschland vorn? Die EP wurde im Februar 1980 aufgenommen; das genaue Veröffentlichungsdatum ist mir nicht bekannt. Sei es drum, nehmen wir die deutsche Hitparade im April 1980. Laut musikhimmel.de war da die Goombay Dance Band mit „Sun of Jamaica“ (würg!) auf Platz 1.
Bester deutscher Song auf der 12 war „Wie frei willst Du sein?“ von Howie. Meine Antwort: So wie Abwärts! Der Nippel von Mike Krüger auf 19, knapp vor „Touch too much“ von Atze Datze. „Computerstaat“ fehlt hier, keine Frage.
Auch in der „Szene“ erhielten Abwärts fortan nicht die verdiente Aufmerksamkeit; eine (nicht bestehende) Nähe zu rechten Kreisen wurde vermutet. Dieser Stempel reichte, um Abwärts ins Abseits zu schieben. Trotz weiterer guter Songs (2. LP, geil!) wird Abwärts nicht der verdiente Dank aus Kritikerkreisen gewährt.
„Sonn-tag-da-ist-al-les-tot“. Unerrreicht.