Sonntag, 26. November 2017

Udorallala: Rock `n` Roll Altersheim

Irgendwann Mitte November fragte mich Pocke, ob ich mit zu CC Top am 18.11. in die Kubahalle nach Wolfenbüttel kommen würde. Gern auch noch einen Tag früher mit in die Hilde bei mir um die Ecke, um Dr. Rock und Touch zu bewundern. Leider konnte ich da nicht, weil ich zum Doko bei Biggi und Britt weilte. Insbesondere Touch, die alten Braunschweiger Hardrockheroen, hätten mich interessiert, da ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Und Dr. Rock ist auch immer wieder sehbar – Peter ist länger mit Glam unterwegs als Sweety Glitter.
Aber gut, es war mal wieder Zeit für etwas Livemusik. Und eh ich meinen Arsch hierzu gar nicht mehr hoch kriege… Meine Güte, in den 80ern hatte ich zwei- bis dreimal in der Woche ein Konzert gesehen. Erst ab den 90ern ließ mein Interesse spürbar nach; heutzutage reden wir da eher über zwei- bis dreimal im Jahr!
Stop! Aufhören zu jammern über „früher…“, schon Tage vorher freute ich mich auf das Konzert, das ist ja auch schon mal ein gutes Zeichen. In der Kubahalle war ich lange Jahre nicht mehr gewesen. Zuletzt war ich dort in einer Rocknacht-Party anwesend, die von Uli veranstaltet wurde und mit einer Liveschaltung nach Essen zur WDR Rocknacht mit Peter Rüchel glänzte. Die Schaltung hatte ich seinerzeit zwar nicht mehr erlebt, weil ich schon zu breit war und nach Hause musste, aber die Location war gut und die Booze Band gewohnt stilsicher gewesen.
Von daher… Eine ZZ Top Nachspielcombo passt da gut ins Bild und so bereitete ich mich zuhause dementsprechend vor. Pocke wollte mich um 19.00 Uhr abholen, also begann ich zwei Stunden vorher mit der Vorbereitung. Aus den Lautsprechern plärrten La Grange & Co und die kleinen grünen Flaschen wanderten erst aus dem Kühlschrank auf meinem Schreibtisch, wo sie dann zur Entleerung geöffnet wurden. 4 Pülleken hatte ich geschafft, dann waren wir auf dem Weg. Patti, der Lange und Tesla stiegen als nächste auch noch zu, dann ging die Reise ab nach Wolfenbüttel.
Dort angekommen, waren wir schon überrascht. Die Straße vor der Kubahalle war menschenleer. Auch vor dem Eingang gab es kein Gedränge; Lediglich 2 müde Gestalten lungerten rauchenderweise davor herum. Als wir dann innen die Treppe hinauf zum eigentlich Entree hinaufstiegen, fiel uns sofort die friedhofsmäßige Stille auf. Was war hier los? Ist das Konzert etwa ausgefallen?
Mitnichten. Oben an der Kasse wurden uns 15 Euro pro Nase abgenommen und dann juchhu! Wir bogen um 2 Ecken und standen in einem gut gefüllten Saal, in dem noch nicht einmal getuschelt wurde. Andächtig saßen (!) die Zuschauer in der bestuhlten Halle an ihren Tischchen und warteten auf den Beginn des Konzerts. Wir dachten schlichtweg, wir wären im falschen Film.
Sollten wir uns so getäuscht haben beim Termin? Publikum wie Saal riefen eher nach Roger Whittaker als nach den Ikonen des Südstaaten Rocks. Doch wir täuschten uns nicht, der Bühnenaufbau verhieß tatsächlich die von uns erhoffte Nachspielcombo. Und dennoch… So alt sind ZZ Top und damit wir noch nicht, als das wir auf ein Kurkonzert gehören würden. Oder etwa doch? Wir zeigten uns konsterniert, aber dennoch kampfbereit. Deshalb führte mich mein erster Weg direkt zur Theke, um eine Rutsche große Biere zu ordern. Wenigstens hier zeigte sich die Kubahalle auf der Höhe des Geschehens, obwohl ich diese Schnellzapfer nicht so mag.

Irgendwann fing die Band auch an zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich zu Patti an den linken Rand vor der Bühne gesetzt, während die Jungs standhaft bei der Theke stehen blieben. Nach geraumer Zeit gesellten sich Patti und meine Wenigkeit dazu, ist ja auch albern, bei dem Sound still zu sitzen und artig nach jedem Stück zu klatschen. Doch, genau so war die Reaktion des Publikums. Zumindest am Anfang.
Denn die Band namens CC Top war zwar nicht überragend und konnte sogar einige üble Schnitzer vorweisen, aber die beiden Frontleute hatten sich auch schöne Bärte in die Visagen geklebt. Mit gedämpfter Leidenschaft und unaufgeregt spielten sie die Stücke herunter; genau wie die Originale, die ich vor 20 Jahren in der Hanomaghalle in Hannover bewundern durfte. Natürlich nicht so druckvoll, aber es reichte immerhin, um den Einen oder die Andere gegen Ende des zweiten Sets zum Tanzen zu bewegen. Da stand dann auch der halbe Saal endlich vor der Bühne, wie es sich gehört.
Am Ende war ich sogar schon vor Mitternacht zu Hause, hatte einen schönen Abend mit meinen Freunden (Oh je, ich alter Sack. Netter Gig mit meinen Kumpels sollte es heißen) gehabt. Nach wie vor finde ich die bestuhlte Halle befremdlich, komme aber nicht umhin zu konstatieren, dass wir und die dort anwesenden Zuschauer der Rente und dem Altersheim näher sind als dem nächsten beruflichen Karrieresprung. So hoffe ich auf die Wirkung eines heilsamen Schocks, um die nächsten Konzerte entsprechend, also mit Anstand und Würde, angehen zu können.
Nächstes Mal fange ich schon 4 Stunden vorher an zu saufen!

Donnerstag, 23. November 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

16
Peter wartete anschließend schon im Zimmer der Pflegeleitung auf uns und erzählte noch etwas darüber, wie er Mutter in den wenigen Wochen, die sie in diesem Heim untergebracht war, erlebt hatte. Überdeutlich betonte er, das Mutter über uns Kinder nichts Schlechtes erzählt hatte. Normalerweise heißt das ja das genaue Gegenteil, aber angesichts des traurigen Anlasses verwarf ich jeglichen Gedanken in diese Richtung.
Gleich danach kam der exalminierte Altenpfleger Peter zur Sache. Das Zimmer musste ja geräumt werden. Wir hatten wohl noch bis zum Wochenende Zeit, um die persönlichen Gegenstände aus dem Zimmer zu nehmen. Andernfalls würde der Oktober noch bezahlt werden müssen. Das sollte ja nicht das Problem sein.
Was jetzt allerdings noch sofort geregelt werden musste, war der Abtransport der Leiche. Peter fragte uns nach dem beauftragten Bestattungsunternehmen. Da konnten wir ihm keines nennen, diesbezüglich hatte Mutter keine Vorkehrungen getroffen. Somit standen wir auf dem Schlauch, doch Peter hatte da natürlich eine Idee.
Doch vorher rief ich schnell den Bestattungsunternehmer in Steinhude an, der Walter seinerzeit betreut hatte. Der ging auch ans Telefon, zeigte aber wenig Interesse an einem Auftrag. Zurecht wies er mich darauf hin, das die Anfahrt nach Braunschweig ziemlich weit und damit teuer sei. Warum sein Vater (aha!) diesen Auftrag für Walters Beisetzung seinerzeit angenommen hatte, vermochte er nicht mehr nachzuvollziehen.
Nach dem Auflegen griff ich zu den gelben Seiten, die Peter mir gegeben hatte. Die brauchte ich jedoch nicht, denn wie gesagt: Peter hatte da eine Idee. Er empfahl uns das Institut „Zur Ruhe", welches ich hiermit namentlich erwähne, denn sie sollten ihre Sache gut machen, wie wir später feststellen durften. Soviel vorweg. Gesagt, getan. Ich rief das Unternehmen im Donnerburgweg an, gab den Hörer an Peter weiter, der dem Bestatter noch einige Einzelheiten erklärte, und schon war der Auftrag erteilt.
Ich bekam den Hörer zurück und vereinbarte mit dem Bestatter einen Termin für den späten Nachmittag an diesem Tag, um alles weitere zu regeln. Ob Vier oder Fünf Uhr weiß ich schon nicht mehr, aber ich würde dort mit meinen Schwestern auflaufen. Zum Abschluss gaben wir Peter noch die Krankenversicherungskarte in die Hand, den Personalausweis hatte er schon.
Zum Glück hatte ich schon vor Wochen eine Geburtsurkunde von Mutter von der Stadt Holzminden angefordert. Die bräuchte nämlich der Bestatter, wie er mir am Telefon schon erklärte. Die Heiratsurkunde würden wir nachreichen können. Wir drückten Peter zum Abschied noch die Flosse und gingen dann an den Debilen vorbei nach Draußen, wo Reiner mit meiner Löwin und Bud auf uns warteten.
Ganz kurz tauschten wir uns noch aus und fuhren dann erst einmal nach Hause. Wenn ich mich richtig erinnere, war Sunny nachmittags zum Bestatter nicht mitgekommen, weil Berta und ich dies auch zu zweit erledigen konnten. Sunny hätte dann wieder alleine nach Rüningen zu Berta fahren müssen. Da sie, genau wie Berta und ich, traurig und niedergeschlagen wirkte, mussten wir Sunny das nicht zumuten. Das kriegten wir auch alleine hin.
Zuhause beschäftigte ich mich irgendwie, suchte noch Papiere zusammen, vor allem die Geburtsurkunde. Zum Nachdenken, Trauern hatte ich nicht die Ruhe, jetzt waren die nächsten Schritte zu planen. Gerade erst vor 2 Tagen war ich bei der Trauerfeier von Jopi's Vater gewesen, daher hatte ich eine ungefähre Vorstellung von dem, was wir jetzt organisieren mussten.
Wie am Vormittag vor der Tür des Heims vereinbart, holte ich Berta aus Rüningen mit dem Polo ab. Es war eine ruhige, stille Autofahrt über die Tangente ins Siegfriedviertel. Auch der Sonnenschein und die milden Außentemperaturen besserten unsere Stimmung nicht. Berta und ich fühlten uns irgendwie niedergeschlagen, aber doch erleichtert, weil Mutter endlich erlöst wurde und nicht so ewig lange leiden musste wie die Mutter meiner Löwin.
Mutter hatte auch bei meinem letzten Besuch noch einmal betont, dass sie „keine Lust" mehr habe. All unsere Versuche, sie aus ihrer selbst auferlegten Lethargie zu reißen, waren vergeblich gewesen. Ohne ihre Reisen war sie des Lebens überdrüssig geworden. Sie wusste es wohl, das es zu Ende ging. Und an anderen Menschen hatte sie eh noch nie Interesse gezeigt, daher brachte sie die Energie nicht mehr auf, um sich im Heim zu integrieren bzw. Bekannte zu finden. Ewig nur das Reisen in ferne Länder, nicht der zwischenmenschliche Kontakt zu Familie oder Freunde (was ist das?), war ihr Lebensinhalt.
Dieses Lebenskonzept ist meiner Löwin und mir fremd, auch meine Schwestern nebst Anhang sind nicht so drauf. Zusätzlich haben wir - zumindest meine Wenigkeit - instinktiv ein Netzwerk von Freunden, meinetwegen auch Bekannten, aufgebaut. In diesen Gedanken versunken, fuhren wir beim Beerdigungsinstitut vor.
Würdevoll öffnete uns der Bestatter, ein großgewachsener Löke, die Tür und bat uns herein. „Zur Ruhe" - wie passend zu den Räumen. Betende Hände und die üblich christlichen Memorabilia hingen an der Wand. Wenigstens blieb uns die von mir befürchtete leise Klaviermusik im Hintergrund erspart. Das nervige Geklimper hätte nur einen nicht angemessenen Kitsch in dieses Treffen gebracht.
Der Bestatter war schon im schwarzen Anzug mit dunklem Schlips bekleidet, nervte aber wenigstens nicht mit einem gespielt traurigen Gesichtsausdruck. Er täuschte uns dankenswerterweise auch keine Trauermiene vor, sondern war sehr sachlich und ruhig. In einem etwas größeren Besprechungsraum setzten wir uns.
Zuerst berichtete er uns, was er zuvor schon alles veranlasst hatte. Mutter lag jetzt wohl im „Ruheraum", sprich Kühlschrank seines Beerdigungsinstituts. Wir übergaben ihm die notwendigen Papiere, die Urkunde über die Hochzeit würde Berta noch nachreichen müssen. Anschließend berichteten wir ihm von Mutters Wunsch einer Seebestattung.
Die führt er logischerweise nicht selbst aus, hat aber Partnerunternehmen in Travemünde und würde das in die Wege leiten. Er sagte uns auch gleich, das die Trauerfeier in Melverode, die von uns drei Geschwistern einhellig befürwortet wurde, spätestens Donnerstag oder Freitag stattfinden würde.
Er empfahl uns, das Gespräch mit dem Pastor möglichst kurzfristig anzusetzen. Den Sarg und den Kranz mit einem einfachen Text besprachen wir nicht sehr lange, denn in diesem Punkt hatten wir keine Sonderwünsche. Eine Todesanzeige war ebenfalls noch zu fertigen, hier zeigte er uns einige bewährte Muster. Wir entschieden uns hier auch für eine eher schlichte Variante, denn übertrieben schwülstige Bibelsprüche hätte Mutter sicherlich nicht gern gehabt. Und in der Anzeige musste der gesamte Familienstammbaum eben nicht aufgezählt werden.
Den genauen Text wollten wir uns später mit Sunny zusammen überlegen, auch wenn es wegen der kurzen Zeit nur telefonisch sein würde. Nachdem alles ungefähr geklärt war, verabschiedeten wir uns. Ich fuhr Berta nach Hause und machte selbst an dem Tag nicht mehr viel. Wahrscheinlich hatten meine Löwin und ich abends noch Fernsehen geguckt. Kein Zusaufen und Gespräche über die Verstorbene wie z.B. beim Tode meines Vaters, zumindest dem Tag, an dem ich von seinem Tod erfuhr, aber das ist eine andere Geschichte. Zumal mich mein Arbeitgeber am nächsten Tag wieder sehen wollte.

Samstag, 18. November 2017

Hartmudo: Jersey 4/x

4
Als nächstes fiel uns beim Blick über die dem Meer zugewandte Mauer am Gorey Pier der Wasserstand ins Auge. Es gab nämlich keinen. Das Hafenbecken sah wie das Watt an der Nordsee bei Ebbe aus. Auf vielleicht 200 bis 300 Meter zur See hinaus war nur der schlickige Boden mit ein paar Pfützen zu sehen; in St. Helier hatten wir bereits am Tag zuvor selbiges Phänomen beobachten dürfen. Das kam uns schon etwas eigenartig vor, ob die hier wohl einen derart gewaltigen Tidenhub haben? Die Boote dieses zugegebenermaßen kleinen Hafens waren jedenfalls an langen Stangen, die im Hafenbecken verankert waren, vertäut und gesichert, lagen aber auf dem Trockenen.
auf dem Trockenen

Absoluter Blickfang dieses verschlafenen Ortes an der Ostküste Jerseys und damit in unmittelbarer Nähe zum französischen Festland ist jedoch Mont Orgueil Castle, welches die auslaufende Spitze der Bucht zum Meer hin dominiert. Diese Festung, deren Geschichte bis in die Eisenzeit zurückreicht, erhielt ihren Namen, als sich der Bruder des englischen Königs Heinrich V., des 1. Duke of Clarence, zu Beginn des 15. Jahrhunderts beim Anblick der Feste zum Ausruf „Mont Orgueil“ (Stolzer Berg) hinreißen ließ.
Denn die Festung thront wirklich imposant auf dem Hügel am Ausläufer dieser Bucht und galt nicht zu Unrecht während des hundertjährigen Krieges als uneinnehmbar. Die Franzosen bissen sich an der Festung jedenfalls die Zähne aus. Nur dank eines Verrats konnten die Franzosen Mont Orgueil Castle im 15. Jahrhundert kurzzeitig einnehmen. Erst mit der Erfindung der Kanonen verlor die Festung ihren Nimbus der Uneinnehmbarkeit.
An der Häuserzeile unterhalb des Castle gingen wir in Richtung des Aufgangs zur Festung. In nahezu jedem Haus war unten ein Cafe untergebracht, ganz am Anfang, also bei der Bushaltestelle, war ein Souvenirladen. Der einzige übrigens weit und breit. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Massentourismus in Jersey ein Fremdwort ist; das ist auch gut so. Die Cafes waren leer, die Häuser aber sehr ordentlich in Schuss. Hier auf der Insel scheinen nicht viele Leute arbeitslos bzw. arm zu sein, das konnten wir erfreulicherweise während unseres ganzen Trips auf Jersey wie Guernsey beobachten.
Am Ende der Häuserzeile bogen wir kurz links ab und standen vor dem Aufgang zum Castle. Über eine schmale und steile Steintreppe stiegen wir zum Castle empor und erreichten nach einer zweiten Treppe das Castle Green, einer parkähnlichen Umrandung unterhalb der eigentlichen Festung. Die Festung selbst wollten wir aber nicht betreten, zumal sie dort garantiert Eintritt verlangten. Da war auch schon so ein kleines Information Center…
Mont Orgueil Castle

Nein, nein. Das Castle Green sah viel schöner aus. Alte Festungen und Burgen haben wir schon einige gesehen, eine derart schöne Parkanlage aber eher selten. Sehr nett waren hier die Steine mit den verschiedenen Schreibweisen des Namens der Festung anzusehen. 7 verschiedene Schreibweisen innerhalb von 150 Jahren lassen auf eine wechselvolle Geschichte dieses Ortes schließen. Der weitere Weg im Park verlief wieder zur Bucht zurück; über der Häuserzeile gingen wir dann aufs Landesinnere zu, ehe wir vorsichtig einen steilen und gepflasterten Weg hinabschritten, um wieder zum Pier zu kommen. Vorsichtig, weil es nass war und der Weg sehr rutschig wirkte.
Erneut machten wir uns dann auf den Weg an der Häuserzeile zur Spitze des Ausläufers auf, bloß um uns dann nach rechts zur Spitze der Kaimauer zu begeben. Rechts lagen immer noch die trocken gelegten Boote, links über der Mauer konnten wir in ca. 100 Meter Entfernung sogar das Meer sehen. Unten, auf dem Schlick, sahen wir 2 Männer, die Löcher in das nasse Erdreich gruben und dort nach irgendetwas suchten. Meine Löwin vermutete hier Austern oder Krebse. Ab und an warfen die Männer auch tatsächlich etwas in ihre Eimer.
Castle Green

Mittagszeit, Essenszeit. So langsam brauchten wir was zum Beißen. Nach ausgiebiger Suche an den ausgehängten Speisekarten der diversen Cafes entschlossen wir uns beim Rückweg zur Einkehr ins Cafe Lisbeth, nicht zuletzt war es dort wenigstens etwas gefüllt. Mit Einheimischen – ist ja eine alte Regel, das man dort isst, wo auch die Einheimischen speisen. Die junge Frau, die den Laden offensichtlich schmiss (Lisbeth?), wies uns einen schönen Zweiertisch zu.
Das Cafe wirkte auf den ersten Blick sehr einfach, aber die Qualität der Speisen war beachtlich. Damit meine ich nicht den Tee, der ist in britischen Locations immer gut. Die Kuchen und Pasteten in der Glasvitrine der Bar sahen an sich schon sehr edel aus. Alles war mit Cellophan abgedeckt, damit nichts vergammelt. Wir aber speisten herzhaft, war ja Mittag. Meine Thunfischsandwiches mit Mayo waren dank Salatbeilage schon sehr lecker, aber meine Löwin war ob ihres Crab-Meat zurecht aus dem Häuschen. Angerichtet in einer leeren Lobster Schale schmeckte ihr das angemachte Krabbenfleisch hervorragend. Die Kartöffelkes anbei sahen auch sehr lecker aus. Frisches Baguette dazu, meine Löwin war glücklich. Statt des Tees hätte ich vielleicht schon eine Pulle Bier trinken sollen, aber hinterher ist man immer schlauer. War auch für mich lecker genug gewesen.
Anschließend warteten wir nur knappe 10 Minuten auf die Linie 1 und fuhren nach diesem erstklassigen Mahl zufrieden nach St. Helier zurück. Die offensichtlich noch jungen Wirtsleute des Cafes haben Gastronomie wirklich auf dem Kasten, denn dank der hohen Qualität dieser eher klassischen Küche war der Laden auch richtig voll, als wir gingen.

Mittwoch, 15. November 2017

Hartmudo: Jersey 3/x

3
Nach gemütlichen zehneinhalb Stunden Schlaf stand ich am nächsten Morgen auf. So lange hatte ich in diesem Jahrzehnt wohl noch nicht gelegen, sieht man mal von meinen schönen Urlauben im Krankenhaus ab. Ich war kaum mit der Morgentoilette fertig, da wachte meine Löwin auch auf. Nach der anstrengenden Anreise hatten wir beide diese Auszeit sicherlich nötig gehabt. Es ist auch besser, den Tag ausgeruht anzugehen.
Und dazu gehört ein gutes Frühstück. Wir hatten dazu ja alles da. Zum Tetley gab es das sehr leckere (Toast)brot mit Pute und Leicester; ein Hotelfrühstück hätte nicht besser sein können, insbesondere ein englisches Frühstück. Jetzt konnten wir den Tag beginnen. Heute wollten wir mit dem Bus an die Ostküste zum Gorey Pier fahren.
Zuvor jedoch sahen wir uns das Liberty Wharf Shopping Center an. Denn nicht nur die Zentrale des Busunternehmens war in dem Komplex untergebracht. Das Shopping Center rundete das Ganze noch ab. Zugegebenermaßen wird uns davon allerdings nur das Seafish Cafe (mehr dazu später, viel später) und der größere Klamottenladen in Erinnerung bleiben. In diesem Shop, der sehr hochwertige Herbstbekleidung zu fairen Preisen – also nicht billig, aber gut – anbot, wurde meine Löwin fündig und leistete sich ein schönes Top und einen mehr als flauschigen Pullover. So stelle ich mir die Schmusedecke von Linus vor. Die schneeweiße Farbe des Pullis passt bestimmt zu jeder Gelegenheit. Ich war zu unentschlossen oder auch einfach nur zu geizig, um in diesem gut ausgestatteten Laden etwas zu kaufen.
Was uns architektonisch an dieser kleinen Mall noch auffiel, war das Gemäuer. Die Wände bestanden aus relativ glatt gehauenen, nicht geschliffenen Natursteinen. Das sieht gleich viel edler aus als Ziegel und schafft eine wohltuend altertümliche Atmosphäre. Diesen Baustil habe ich in der Masse weder in Schottland noch Irland beobachten können, wahrscheinlich wird man es in der Normandie oder Bretagne noch antreffen. Halt, jetzt fällt es mir wieder ein: Das Shopping Center im Hafen von Liverpool! Jedenfalls hebt sich dieser Baustil nicht nur im Liberty Wharf Shopping Center, sondern auch sonst auf der Insel an.

Meine Löwin brachte kurz ihre Beute, also Pulli und Top, in unser Appartement, dann konnte die Fahrt losgehen. Die Busse fuhren an verschiedenen Bussteigen ab; wir brauchten einige Zeit, um das System mit den verschiedenen Steigen zu begreifen. Unser Bus nach Gorey Pier fuhr von einem Steig im Innenhof des Gebäudes ab. Wir hatten das zuvor nicht geschnallt, war von außen ja auch nicht sichtbar.
Haltestelle Gorey Pier

Denn dieser Innenhof, der mit den Bussen der Firma vollgestellt und dazu noch überdacht war, war natürlich genau unter den Appartements. Hinter der rückwärtigen Wand befand sich das Shopping Center und vorne eine große, bestuhlte Halle mit der Info und einer Menge Türen zum Innenhof. Diese präsentierten die meisten Gates, auch die von uns gewünschte Linie 1 zum Gorey Pier. Zur erwarteten Abfahrtzeit ging die Tür unseres Gates auf; sodann fuhr der Bus erst einmal vor. Einsteigen bitte.
Gezahlt wird direkt beim Fahrer des Jerseybusses, Euro werden nicht akzeptiert, auch keine Karten, nur bar. Jersey Pfund oder ersatzweise das englische Pfund. Jawohl, Jersey hat eine eigene Währung, welche aber 1:1 dem Kurs des englischen Originals entspricht. Dazu kommt noch, wie meiner Löwin auffiel, dass die Banknoten auf der Rückseite den Wert in französisch ausweisen. Welches Land außer Jersey (und Guernsey?) macht das noch? Laut meiner Löwin macht das sonst keiner.
Die Fahrzeuge von Libertybus vermag ich erst einmal nicht anders als niedlich zu beschreiben. Sie sind etwas kürzer als die Busse „bei uns“, dafür sind die Sitze schmaler. Auch die gewährte Beinfreiheit ist stark eingeschränkt. Die Kunstledersitze lassen es geboten erscheinen, einen Bus auch im Sommer mit langer Hose zu besteigen. Das Vehikel wirkte insgesamt etwas schmächtig und scheint eher für kurze Strecken ausgelegt zu sein.
Doch sobald wir nicht nur die Busstation, sondern auch die „brodelnde“ City von St. Helier verlassen hatten und auf der Küstenstraße in östlicher Richtung zum Gorey Pier fuhren, wussten wir, warum der Bus nicht nur schmal wirkte. Denn die Straßen auf Jersey sind, ähnlich wie auch sonst im Königreich, schmaler als deutsche Landstraßen und haben auch innerhalb geschlossener Ortschaften keine Gehwege an der Seite. Und wenn doch, dann sind diese schmaler als mein Schreibtisch, so dass Fußgänger höchstens schräg hintereinander versetzt denselbigen benutzen können.
Die flachen Mauern aus den glatt gehauenen Feldsteinen, die wir schon in St. Helier bewundert hatten, begrenzten die Grundstücke neben den Straßen; häufig ist nicht mal ein Gehweg vorhanden. Vereinzelt parkende Autos engten die Fahrrinne zusätzlich ein. Häufig musste der Bus den entgegenkommenden Verkehr erst noch vorbeilassen.
Auf der letzten Rückbank sitzend, rutschten wir schon bald etwas rastlos hin und her, denn die eingeknickten Knie ließen sich nicht einen Zentimeter strecken, was nach einer knappen halben Stunde zu den entsprechenden Wehwehchen führte. Doch zum Glück dauerte die Fahrt nicht mehr lange und wir erreichten die Endhaltestelle Gorey Pier. Ein erster Blick nach dem Aussteigen beruhigte mich sofort, denn die 1 fuhr alle halbe Stunde dieselbe Strecke retour. Gleichzeitig nahm ich die nur leicht kühle, nichtsdestotrotz frische Brise in mich auf. Jawohl, wir waren am Atlantik. Da weht ein rauer, salzhaltiger Wind, der mit Wassertröpfchen verfeinert wird. Für mein Wohlbefinden, erst recht das meiner Löwin, ist dieses Klima gesünder als ein sommerlicher Karibikaufenthalt.

Mittwoch, 8. November 2017

H Lecter: Onkel Hotte 11/x

11
Nach der glorreichen Versöhnung „bei Rosi" gingen wir durch die laue Luft an den mittlerweile geschlossenen Fresstempeln entlang in Richtung Taxistand. Es muss also schon weit nach Mitternacht gewesen sein, denn die Cita war richtiggehend tot. Alles war still, die Grillen zirpten friedlich vor sich hin. Ein sanftes Lüftchen umspielte unsere mit Jever gefüllten Astralkörper.
Da! Auf einmal hörte ich aus dem Basement vertraute Klänge. Erst ganz leise. Dann, beim Näherkommen, immer lauter, drang dieses bestimmte Stück in mein Ohr. Dieser Song, einer ihrer Besten. Ach, was sag ich: Der Beste!
„Gimme all Your Lovin', all your Hurts and Kisses too...". ZZ Top, da wurde ein Schalter in meinem Hirn umgelegt. Den ganzen Urlaub hatte ich nur Schlager oder übelsten Techno über mich ergehen lassen müssen. Und da erklang am späten Abend - oder frühen Morgen - einer meiner absoluten Lieblingssongs. Das war deutlich: Da musste ich jetzt hin. Sofort! Da gab es nichts zu überlegen, mein Entschluss stand unwiderruflich fest.
Es gibt diese Situationen im Leben, da musst Du dahin. Kein Überlegen, kein Zögern. Onkel Hotte und Wastl kamen sicherlich auch allein zurecht, da sie sich gerade ausgesöhnt hatten. Und auch ich würde nachher allein zum Taxistand finden, um mich zum „Balkon" zu meiner Matratze kutschieren zu lassen.
Überschwänglich verabschiedete ich mich von Onkel Hotte und Wastl und stieg zum Basement hinab. Beide wollte selbstverständlich nicht mit, denn Rockmusik war so gar nicht ihr Ding. Aber meins. Ach, was hatte ich gute Mukke die Tage über vermisst. Gleich würde ich endlich diese Kneipe entern. Mir war in diesem Moment klar, das eine solche Kneipe mir in diesem Urlaub noch gefehlt hatte.
So witzig es bisher auf Granni auch gewesen sein mag - es ist einfach nicht meine Welt gewesen. Ich war zwar nicht zum ersten Mal auf Granni gewesen; und auch nicht zum letzten Mal. Aber bei jedem Aufenthalt auf der Insel, besonders in den Kneipen, war Schlager angesagt. Wolle Petry, bis der Arzt kommt.
Überall nur diese Party-People, gerade auch in oder vor den Discos war das Techno Gewummer unüberhörbar. Für Onkel Hotte war das einfach nur Krach, keine Musik. Und er war, so schräg sich das heute auch anhören mag, mir näher als diese jungschen Spaßtouristen, die zwar soffen wie die Löcher, aber deren geistige Beschränktheit permanent durchschien.
Leider war nicht einmal Mike ein Freund der Rockmusik, er konsumierte Schlager als auch AC DC. Hauptsache, es gab Alkohol zu saufen. Und Spaß. Das war bei mir selbst in den 90ern noch anders gewesen, auch wenn ich zu der Zeit kaum noch Musik gehört hatte. Aber schließlich hatte ich mich über Rockmusik sozialisiert. Das legt man nicht mal so eben einfach ab. Ich denke, das Mike und mich diese Diskrepanz langfristig voneinander entfremdet hatte. Das Mike jetzt schon seit 7 - 8 Jahren tot ist, finde ich dagegen trotzdem schade. Am Ende seines Lebens hatten wir wenigstens bei Pedder noch alle zwei bis drei Monate eine Saufrunde. Doch das gehört hier jetzt nicht hin.
Wie elektrisiert nahm ich Stufe um Stufe zum Eingang in Angriff. Die Musik wurde immer lauter; es zog mich förmlich in den Laden. Ich war sozusagen im Auftrag des Herrn unterwegs. Die Musik allein berauschte mich noch einmal mehr. Und die Theke sog mich magisch heran. Jetzt endlich schloss sich der Kreis. Alle Erlebnisse in diesem Urlaub führten zu dieser Kneipe, dieser Theke... und dieser langhaarigen Blondine?
Doch gemach, zuerst brauchte ich einmal etwas zu trinken. Ich hatte jetzt auf einmal richtig Blut geleckt. Und... besondere Momente erfordern besondere Getränke. Mein Drink war jetzt Gin Tonic. Endlich, am letzten Abend dieses Urlaubs, ließ ich mir all die Geschehnisse noch einmal durch den Kopf gehen. In dieser Umgebung fühlte ich mich einfach nur wohl. Meine Fresse, was hatte ich diese Atmosphäre vermisst!

Sonntag, 5. November 2017

Hartmudo: Jersey 2/x

2
Die Rezeption der Appartements befand sich im ersten Stock ( Erdgeschoss war leer) und ist 24 Stunden lang besetzt. Die Concierge präsentierte sich ausnehmend freundlich und zeigte uns das Appartement nach dem Check in persönlich. Nr. 217, im gewohnt langen englischen Hotelflur fast ganz am Ende. Aber das Appartement selbst war der Hammer: Badezimmer topp, selbst Handtücher liegen bereit. Das Wohnzimmer mit der niedlichen Essecke hatte eine angenehme Größe, die offene Küche daneben zeigte sich komplett ausgestattet, selbst eine Waschmaschine fehlte da nicht. Das King Size Bett im Schlafzimmer hatte zwar nur eine Decke, dafür aber eine hochwertige Matratze.
Um es klar zu sagen: Bei Ferienwohnungen im Ausland habe ich bislang schon viel Schrott erlebt. Zuletzt die Wohnung in Rejkjavik war zwar ausreichend gewesen und hätte meiner Löwin und mir in St. Helier auch gereicht, aber gegen dieses Appartement war das ne richtige Pimmelbude gewesen. AirnB halt. Die dazugehörige Terrasse bot uns leider nur einen eingeschränkten Blick auf den Hafen. Das eine oder andere Gebäude versperrt eben doch die Sicht.
Wir waren von unserem Appartement sofort bezuckert und tranken erst einmal einen von den bereit stehenden Teebeuteln. Tetley heißt die uns nicht bekannte Marke, deren Qualität uns aber sofort umhaute. Und da sich das Wetter in dem Moment sonnig und warm präsentierte, blieb uns gar nichts anderes übrig, als den Tee auf dem Balkon einzunehmen. Herrlich, diese Ruhe. All die Anstrengung der Anreise war vergessen; andächtig saßen wir auf den Holzstühlen und ließen uns die Sonne ins Gesicht scheinen. In diesem Moment hatten wir uns das Urlaubsfeeling eingefangen. Doch nach diesem sehr leckeren Schwarztee hielten wir uns aber nicht mehr weiter mit dem Eingewöhnen auf. Die nähere Umgebung wollte noch erkundet werden. Zudem brauchten wir Lebensmittel zum Frühstück als auch zur Abendgestaltung, da wir diese wie gewohnt angehen wollten. Das heißt Kartenspielen und anschließend TV zum Einschlafen. Die Action ist am Tage, da bist Du abends müde. Saufen im Pub bis der Arzt kommt ist auch nur mit den Kumpels schön. Mit meiner Löwin ist zumindest in dieser Hinsicht nichts zu machen, da streikt sie. Trinkt ja auch nichts.
Als erstes fiel uns draußen die Architektur ins Auge. In St. Helier stehen ältere und neue Gebäude bunt durcheinander, jedoch gut aufeinander abgestimmt. So wirkt die Szenerie in der größten Stadt der Kanalinseln in sich stimmig. Bei den neueren Gebäuden handelte es sich doch tatsächlich um Bankgebäude. Bekanntlich sind Jersey und Guernsey die Schwarzgeld Paradiese der Briten; und nicht nur der Briten, denn hier schätzt man das Bankgeheimnis noch mehr als selbst in der Schweiz.
Grundausstattung

Ich hatte mich vorher über Google Maps nach den Standorten der nächsten Supermärkte informiert. Das hätte ich mir sparen können, denn bei der Suche durch die engen Gassen von St. Helier stießen wir schon nach kurzer Zeit auf einen Laden namens Foodhall. Eine Kette, die alles im Regal hatte, was wir im Urlaub brauchten. Als da wäre Brot in der Konsistenz von Toastbrot, denn anderes Brot haben die dort gar nicht im Angebot. Der abgepackte Putenaufschnitt sah auch gut aus, dazu englischer Scheibenkäse; Leicester statt Chester.
Selbstredend nahmen wir eine Packung Tetley gleich mit. Der Tee kann mit Twinings absolut mithalten. Dazu brauchte meine Löwin noch eine frische Milch; die im Kühlschrank hatte es wohl doch schon hinter sich. Bekanntlich konsumiert meine Löwin ihren Tee grundsätzlich englisch; ergo mit Milch. Und mein Lieblingsgetränk wird vorzugsweise im Kühlschrank gelagert und schäumt sehr schön, wenn man es in ein Glas schüttet. Oder besser gleich direkt aus der Dose. Ich entschied mich für ein schönes Viererpack von Halbliterdosen Fosters. Das war doch tatsächlich das einzige Lager auf Lager. OK, die hatten noch Cobra. Aber indisches Bier…
Für das Abendessen in unserem Appartement entschieden wir uns für abgepackten Salat. Ich nehme es mal wieder vorweg: Einfach nur noch geil, diese Salate. Meiner war z.B. mit Äpfeln und Walnüssen. Warum gibt es solch leckeren Salat nicht bei uns im Regal? Zwiebeln und Tomaten durften auch nicht fehlen, dann latschten wir in unser Appartement zurück.
Jetzt erst einmal Abendessen, wir hatten schon ein bisserl Schmacht. Der Salat war, wie schon erwähnt, sehr lecker. Auch meine Löwin war sehr angetan von ihrem Salat. Nach dem Tee war mein Fosters endlich kalt und rann auch gleich gut die Kehle hinunter. Lediglich 3,8% Alkoholgehalt hatte dieses Fosters für den englischen Markt. Oder doch keine Spezialabfüllung für die rothäutigen Stiernacken? Denn das Maß der Dose war kein Pint, sondern 0,5 Liter! Da sie im Foodhall auch Stella Artois verkauft hatten, scheint es naheliegend zu sein, dass auf Jersey der französische Einfluss doch höher ist als es zu erwarten war.
Hinterher beim „Take 5“, im Grunde genommen einer Streitpatience, gewann ich die erste Partie. Es sollte mein einziger Sieg auf dieser Reise bleiben. Meine Löwin ist in diesem Spiel bärenstark und schwer zu besiegen. Dennoch trete ich immer wieder gegen sie an und freue mich bereits, wenn ich sie wenigstens an den Rand einer Niederlage bringen kann.
Gegen 19.00 Uhr legten wir uns dann aber doch ab. Der „Jetlag“ mit der kurzen Nacht zuvor verlangte seinen Tribut. Da im TV – es gab 2 große Flatscreens in der Wohnung – lediglich BBC und ITV zu empfangen waren, wichen wir zum Gucken auf mein vorsorglich mitgebrachtes Tablet aus. Zu meiner großen Enttäuschung jedoch musste ich feststellen, dass Amazon Prime überhaupt nicht anwählbar war. Automatisch wurde Amazon UK angesteuert, wohl weil ich mich über das WLAN der Appartements und damit über einen englischen Server einwählte. Toll! Bei Netflix lief es nur geringfügig besser. Ich kam zu unserer großen Freude in meinen Account, musste jedoch bei „Big Bang Theory“ erleben, dass sich automatisch die englische Tonspur einstellte.
Das war mir dann auch nicht recht und so griff ich den Vorschlag meiner Löwin auf und probierte es mit der ARD Mediathek. Und zu unserer großen Freude flimmerte denn auch gleich der Tatort von vor 2 Tagen über den 10 Zoll Bildschirm. Richy Müller gab alles, um den Mordfall in dieser Story über eine alte RAF Terroristin aufzuklären. Hannes Jaenicke war hier endlich mal wieder in einer ernsten, gar bösen Rolle zu bewundern. Davon wie von den vielen historischen Originalaufnahmen aus der Zeit der Schleyer Entführung bekam meine Löwin schon nichts mehr mit, so dass ich mir das Ende dieses erstaunlich guten Tatorts allein anschauen durfte. Hinterher las ich noch ein paar Zeilen in dem mitgebrachten Buch, dann war es auch für mich an der Zeit, die Matratze zu kraulen.

Mittwoch, 1. November 2017

Contramann: kurz gesehen im November

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundespraesident-frank-walter-steinmeier-ein-mutmacher-gegen-die-angstmacher-a-1134212.html
Frank-Walter Steinmeier – ein Mutmacher gegen die Angstmacher. Au Weia! Ein Signal gegen die Rechtspopulisten? Meine Güte, ausgerechnet Steinmeier. Der Kommentator Kuzmany wollte nach der Wahl des Bundespräsidenten allen Leuten einen entschlossenen Steinmeier verkaufen, der den vielen Menschen, die die Aufnahme von Flüchtlingen durch ihr Engagement unterstützt hatten, Mut und Bestätigung gibt.
Jenen Frank-Walter Steinmeier, dem zuvor als Außenminister das Schicksal der syrischen Flüchtlinge, die seit Jahren in Lagern in der Türkei wie in Jordanien hocken, herzlich egal war. Als die UN bereits Ende 2014 vermeldete, dass die Mitgliedsstaaten ihren Obulus zum Unterhalt dieser Flüchtlinge nicht oder nur spärlich gezahlt hatten und die Unterstützung dieser Flüchtlinge derart zurückgefahren werden musste, das eine Versorgung nicht mehr gewährleistet war. Auch Deutschland war hier ein säumiger Zahler.
Desweiteren war Steinmeier auch am Deal Merkels mit Erdogan beteiligt; die offenen Arme Deutschlands entpuppten sich so als hohle Phrase, wenn Geld für die Zurückhaltung von Flüchtlingen gezahlt wird. Nein, Mut fällt mir bei Steinmeier eher nicht ein.
Ich denke eher an seine Beteiligung an der Hartz IV Gesetzgebung.

http://www.focus.de/politik/deutschland/kritik-an-den-linken-nahles-aeusserte-zweifel-an-rot-rot-gruenem-buendnis-im-bundestag_id_6667358.html
Kurze Zeit nach dem Kommentar kam noch Frau Nahles aus dem Dickicht nach vorne und äußerte ihre Kritik an einem rot-rot-grünem Bündnis im Bundestag. Hierbei bitte ich zu beachten, dass rein rechnerisch eine solche Koalition im alten Bundestag von 2013 bis 2017 eine Mehrheit gehabt hätte. Damit wären soziale Projekte, für die Frau Nahles in diesem Focus Artikel auch eintritt, mühelos durchsetzbar gewesen.
Mindestlohn und Begrenzung der Managergehälter werden von Frau Nahles hier benannt. Dies sind auf alle Fälle alte Forderungen der Linken, Frau Nahles. Aber halt, die Linke würde ja eher die SPD bekämpfen als die Konservativen. Ich war beim Lesen dieses Artikels schlicht erstaunt, mit welcher Selbstverständlichkeit Frau Nahles hier die Tatsachen verdreht.
Es war doch die SPD, die permanent auf die Linke eingedroschen hat. Wenn es nicht so wäre, hätte Frau Nahles mit der SPD z.B. den Mindestlohn schon sehr viel früher im Parlament durchsetzen können, wenn dies der SPD so wichtig wäre. Dazu hätte es allerdings Mut erfordert; eine Eigenschaft, die der SPD wohl abhanden gekommen ist.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/die-linke-klare-siegerin-im-fuehrungsstreit-ist-sahra-wagenknecht-a-1173514.html#ref=meinunghpmobi
In der Linken brodelt es nach der Bundestagswahl 2017. Die Partei konnte zwar leichte Zugewinne erzielen, ist aber nicht mehr drittstärkste Partei im Parlament, sondern die schwächste. Viele Linke geben hieran Sarah Wagenknecht die Schuld, weil sie angeblich „rechts geblinkt“ und in der Flüchtlingsfrage AFD Positionen angenommen hätte.
Nun wollten die Parteivorsitzenden Kipping und Riexinger ein vorrangiges Rederecht bei Beiträgen der Linken im Parlament bekommen, was eigentlich wohl doch eher Sache der Fraktionsführung im Parlament und damit von Wagenknecht und Bartsch, den beiden Spitzenkandidaten im Wahlkampf, wäre.
Und während insbesondere Wagenknecht für eine konsequent andere Politik mit klassischen linken Ansichten wie höherer Steuern, insbesondere einer „Reichensteuer“, steht und einen Austritt Deutschlands aus der NATO bei Einbeziehung der Russen in einen europäischen Nichtangriffspakt fordert, versuchen Kipping wie Riexinger die Linke mehr in Richtung einer Realpolitik zu ziehen.
Die Partei soll koalitions- und damit regierungsfähig werden. Dazu würde die Parteispitze auch Kompromisse eingehen. Wir haben hier also wie weiland bei den Grünen einen Richtungsstreit zwischen Realos und Fundis vor uns. Zunächst konnte Wagenknecht ihre Position unter Androhung ihres Rücktrittes behaupten. Was mich jedoch nachdenklich wie traurig stimmt, ist der Umstand, dass sich mit der TAZ und dem Neuen Deutschland die beiden führenden Medien in politischer Nähe der Linken auf Wagenknecht ungestört einhämmern.
Dass jemand wie Kuzmany dies auch tut – geschenkt. Aber die immer lauter werdenden Stimmen der Realos in der Partei, die eher eine SPD Linie anstreben, lassen mich um die meiner Ansicht nach letzte Möglichkeit fürchten, der Republik wieder eine Alternative zum bisher üblichen Mainstream zu geben. Als Mainstream gilt für mich die Sicherstellung und der primäre Schutz der Wirtschaftslobby, notfalls auf Kosten der Allgemeinheit. Die soziale Marktwirtschaft der 70er Jahre ist auf den Hund gekommen. Während für die Infrastruktur wie Straßen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen spätestens seit der Wiedervereinigung kein Geld übrig ist, brauchte der deutsche Bundestag 2008 keine 48 Stunden, um Milliarden an Bürgschaften für die stolpernde Finanzindustrie zu garantieren.
Für mich ist das schlichtweg Kapitalismus in seiner reinsten Prägung. Und Wagenknecht auf ihre Kritik an der Flüchtlingspolitik zu reduzieren und in die rechte Ecke zu stellen, ist genau die Methode, mit der sich die Linke ins Abseits stoßen wird. Leute wie Kipping oder Riexinger sind politisch eher farblos und werden problemlos die Reste der Linken in die SPD überführen bzw. sich selbst, um weiterhin im offenbar lukrativen Politikzirkus mitzuspielen.
Ich will jetzt nicht schon wieder über das Für und wieder der Aufnahme von Flüchtlingen spekulieren. Das führt zu nichts und lenkt von den wesentlichen Punkten ab. Wesentlich ist hier die zunehmende Abhängigkeit der Politik von der Wirtschaft; die Rückversicherung der notwendigen Regierungserklärung zum VW Skandal des Ministerpräsidenten Weil bei VW soll hier als sichtbarer Schocker genügen.
Ich für mein Teil möchte dies nicht. Sollte die Linke jetzt auch noch vorm Mainstream kapitulieren, bliebe als einzig wählbare Alternative wirklich nur noch die Partei. Wir reden da dann aber eher über ein Kritisieren politischer Begebenheiten a la Anstalt oder Heute Show statt alternativer Lösungsansätze für politisches Handeln.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/brasilien-83-politiker-unter-korruptionsverdacht-a-1138801.html
Abschließend noch ein Beispiel für die Folgen bei erfolgreicher Beseitigung missliebiger linker Politiker. 2016 noch wurde die eher links orientierte brasilianische Präsidentin Rousseff wegen Korruptionsverdacht ihres Amtes enthoben.
Anfang 2017 sind neben ihr noch 82 weitere Politiker wegen Korruptionsverdacht von Ermittlungen des brasilianischen Generalstaatsanwalt bedroht. Der Baukonzern Odebrecht hatte wohl Politiker in großem Maßstab bestochen. Mitte April wurde der Konzern dann in einem international koordinierten Verfahren von einem Gericht in New York (aha!) von über 2,4 Milliarden Dollar verdonnert.
Die Verfahren gegen die Politiker laufen wohl noch. Interessant finde ich, dass gerade Politiker, die Rousseff zu Fall gebracht hatten, selber in den Skandal verwickelt sind. Wenigstens konnten sie noch verhindern, dass Rousseff ihre Hilfsprogramme für die Favelas von Rio de Janeiro weiter fortführt.