Freitag, 13. August 2021

Sam Phillips

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An dieser Stelle passt die folgende, legendenbildende Begebenheit: John stellte sich Marion Keisker als Gospelsänger vor. Er wollte lediglich eine Chance, doch Marion sagte John, dass Sam Phillips keine Zeit für ihn hätte. Also setzte sich John auf den Bordstein vor dem Laden und wartete auf Sam, bis dieser endlich auftauchte. „Ich bin John Cash und ich habe meine Gitarre und ich will, dass Sie mich spielen hören“
„In Ordnung, komm schon rein.“ So die Antwort von Sam Phillips. Sam erkannte während der verschiedenen Gospelsongs das Potenzial und bat John, mit seiner Gruppe (zu der Zeit die Tennessee Two) sowie ein Uptempo-Liebeslied zu schreiben. Dann passte alles und Sam konnte Johnny Cash’s erste Single im Radio platzieren. Einen weiteren Rat nahm John von Sam noch an: Er änderte, wenn auch widerstrebend, seinen Vornamen in Johnny.
Johnny Cash erwies sich als Hitlieferant für Sun Records. „Hey Porter“ erschien am 21. Juni 1955 und kletterte auf Platz 14 der US Country Charts. „Folsom Prison Blues“ erreichte gar Platz 4 und der Übersong „I walk the Line“ stürmte an die Spitze der Country Charts und konnte sich darüber hinaus unter die Top 20 der Pop Charts platzieren.
Man kann hier unschwer den Wechsel der Veröffentlichungspolitik des Labels erkennen. Brachte Sam Phillips zu Beginn der Labelhistory noch die Musik seiner Kindheit bzw. schwarzen Blues und Rhythm `n` Blues heraus, so wendete er sich nun komplett dem Rockabilly und damit eher der „weißen“ Musik zu.
Zwar ist diese besondere Spielart des Rock `n‘ Roll sehr stark durch die schwarzen Vorbilder geprägt, wäre damals aber mit schwarzen Künstlern nicht darstellbar gewesen. Der explosionsartige Erfolg des Rock `n`Roll in den 50er Jahren stellt zwar den entscheidenden Schritt zur Gleichstellung der schwarzen Bevölkerung dar, aber es war eben nur der erste Schritt.
Und so veröffentlichte Sam Phillips, dem Trend folgend, den er selbst mit ausgelöst hatte, in der Folge fast ausschließlich Rockabilly. Johnny Cash wird bis heute zwar eher unter Country einsortiert, aber wenn Du Dir gerade die ersten Sun Singles von ihm anhörst, wird Dir eine sehr starke Nähe zum Rockabilly auffallen.
Ich meine: Hört Euch diese alten Aufnahmen von Carl Perkins und Johnny Cash einfach in Ruhe noch einmal an. Diese sparsame Produktion allein der bekanntesten Songs.... wie kann man da noch irgendwelchen Trash Metal hören?
Es war vor allem die Produktion der Aufnahmen bei Sun Records, die Sam Phillips und sein Label Jahre später und bis heute zur Legende werden ließen. Sein großes Plus blieb jedoch auch in den „großen“ Jahren des Rockabillys - also 1956 bis 1958 - die Entdeckung der Stars Elvis, Carl und Johnny. Und das zog eine Vielzahl weiterer begabter Künstler in das Studio von Sam Phillips, der dazu noch das Gespür für Talente hatte.
Sam mit Johnny Cash

Vorrangig möchte ich Roy Orbison erwähnen, der seine Karriere vor seinen schmalzigen Balladen Anfang der 60er Jahre in Memphis startete. Er spielte „Ooby Dooby“ bereits Anfang März 1956 bei Norman Petty in Clovis / New Mexico auf. Sam Philips mochte den Song, erkannte das Potenzial und nahm Roy Orbison unter Vertrag. Das am 27. März 1956 aufgenommene Remake des Songs in den Sun Studios erreichte im Mai 1956 Platz 59 der nationalen Charts.
Orbison verließ das Label, weil er lieber Balladen spielen wollte als den Rockabilly Sound, auf den Sam Phillips mittlerweile fixiert war. So fand 1956/57 ein spürbarer Umbruch bei Sun Records statt. Die Anfang der 50er prägenden schwarzen Künstler hatten quasi ausgedient und der pure Country Sound war hier auch nicht mehr zuhause.
Stattdessen veröffentlichte Sam Phillips in diesen Jahren noch eine Reihe von begnadeten Rockabillys, die auf ihren Ruhm noch 20 - 25 Jahre warten mussten. Erst mit dem Rockabillyrevival in Europa kamen sie hier zu ihren Ehren. Denn 1956 - 1958, als diese Spielart des Rock `n` Roll große Charterfolge feiern konnte, erwies sich die Struktur eines kleinen und unabhängigen Labels wie Sun Records als Nachteil bei der Vermarktung der vielen Talente.
Andererseits hätten diese Musiker bei den großen Labels nie eine Chance bekommen und wären wie so viele seinerzeit in den USA auf obskuren Kleinlabels gelandet und erst durch die Cramps wiederentdeckt worden.
Wir reden da über Leute wie Jack Earls, Sleepy LaBeef, Ray Harris, Charlie Feathers, Ray Smith, Slim Rhodes, Malcolm Yelvington, Warren Smith, Conway Twitty und vor allem Billy Lee Riley, auf den ich etwas später noch eingehe. Das Hitpotenzial der Sun Singles jener Jahre war enorm, aber im Schatten von Carl Perkins und Johnny Cash vermochten all diese Talente lediglich geringe Verkaufszahlen zu erzielen. Und das größte Talent, welches Sam Phillips entdeckt hatte, wurde bei Sun Records gerade erst vorstellig.

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