Dienstag, 29. Januar 2019

Uncle Fester: grad gelesen Januar 2019


Ian McDonald - Luna - Wolfsmond (Band 2)
Adriana Corta ist tot und die McKenzies haben das Corta Imperium zerstört sowie das Geschäft mit Helium 3 übernommen. Die überlebenden Cortas haben sich gut versteckt, denn sie müssen immer noch den Zorn der McKenzies fürchten.
Lucas Corta zum Beispiel. Er konnte sich ins All zu den Woronzows retten und trainiert nun in der Schwerelosigkeit ein Jahr lang , um die Muskeln für einen Erdaufenthalt aufzubauen. Dr. Wolikowa betreut ihn während seiner Reise zur Erde. Lucas Corta ist gewillt, sich auf der Erde die Unterstützung zu holen, um das Corta Imperium auf dem Mond wieder aufbauen zu können. Für die Machthaber der Erde eröffnet sich so die Möglichkeit, ihre schwindende Macht auf dem Mond zu stärken.
Dennoch kann sich Lucas nur im Rollstuhl bewegen, als er die Erde erreicht und sich auf den Weg nach Rio begibt. Dort kommt, ungefähr zur Hälfte des Romans, mit Alexia Corta eine neue Hauptperson in die Handlung. Aus dem ursprünglichen Clan der Cortas stammend, hatte sie sich in den Slums ein Wasserimperium aufgebaut und wird von Lucas überredet, ihn zum Mond zu begleiten, der seinen Besitz von den McKenzies zurückholen will.
Robson Corta ist in Crucible, der verhassten Zentrale des McKenzie Clans, nach wie vor eine Geisel von Robert und noch mehr Bryan McKenzie. Robert stirbt gleich zu Beginn des Romans während eines „Eisenfalls“ auf Crucible durch die Hand seiner Frau Jade Sun. Crucible wird zerstört dank des Meteoritenschauers, der durch einen alten Corta Code im Asteroidengürtel ausgelöst worden war. Der paranoide Bryce glaubt, dass die Cortas hinter dem Anschlag auf Crucible stecken und will Robson töten lassen. Doch dessen große Liebe Hoang verhilft Robson zur Flucht, stirbt jedoch dabei.
Bryan, Roberts jüngerer Sohn, zettelt als Chef von McKenzie Helium, der Nachfolgefirma der Cortas, einen Bruderkrieg gegen Duncan, dem Präsidenten von McKenzie Metal, an. Wie in einem Bandenkrieg im guten alten Chikago schlachten sich die Männer der Rivalen gegenseitig ab.
Wagner Corta, der für den Sun Clan als Glasarbeiter (Ausbesserung der Schäden an den gläsernen Schutzkuppeln) untergekommen ist, findet mit seiner Arbeitscrew unzählige Leichen des Bruderkriegs. Er nimmt Robson bei sich auf und beschützt ihn mit der Hilfe seines Wolfrudels. Als er wieder aufs „Glas“ muss, verpflichtet er zudem Denny McKenzie, den Mörder seines Bruders, als Aufpasser für Robson.
Zusammen mit seiner Crew bekämpft er eine ganze Armada von automatisierten Maschinen (Killer Bots), die die Glaskuppeln von Twe, der Stadt der Asamoahs mit Regolith überschütten, damit die dort angebauten Pflanzen kein Sonnenlicht mehr bekommen und absterben.
Ariel Corta ist tief gesunken. Zusammen mit Marina hat sie sich in den Slums von Bairro Alto verkrochen. Immer noch sitzt sie im Rollstuhl, ist dem Gin verfallen. Der Mondadler engagiert sie als seinen juristischen Beistand, kurz bevor er den Vorstand der Lunar Development Corporation gewaltsam absetzt. . Marina indessen bereitet sich heimlich auf eine Rückkehr zur Erde vor. Sie traut sich nicht, dies Ariel zu erzählen. Am Ende verschwindet sie klammheimlich und lässt Ariel wütend zurück.
Lucasinho Corta befindet sich in Twe, der Metropole der Asamoahs. Nach wie vor lebt er in den Tag hinein, kümmert sich aber um seine kleine Schwester Luna. Als die Maschinen Twe mit Regolith überschütten und damit die Stadt zerstören, kann Lucasinho mit Luna in einen Rover fliehen. Nur dank der Hilfe von Kämpfern der McKenzies können beide nach Secchi fliehen, wo ein Auffanglager eingerichtet wurde. Als die Killer Bots auch dorthin kommen, fliehen Lucasinho und Luna weiter nach Joao de Deus. Lucasinho stirbt scheinbar auf dem Weg, da der Sauerstoff nicht für beide reicht. Doch als er schon bewußtlos ist, trägt Luna ihn zur Luftschleuse und hat Glück, dass einige Arbeiter da sind, die beiden das Leben retten.
Erst auf den letzten 100 Seiten stellt sich heraus, wer für den verheerenden Angriff der Killer Bots verantwortlich zeichnet: Es ist natürlich Lucas Corta, der mit der WTO Manaus kooperiert. Die World Trading Organisation will die Kontrolle über den Mond erringen, da der Mondadler die Macht nur für sich selbst bzw. einen unabhängigen Mond an sich gerissen hatte. Da kam Lucas Corta gerade recht.
Und machtvoll kehrt Lucas Corta auf den Mond zurück. Mit schwer bewaffneten Landungstrupps bringt er die nicht organisierten Kämpfer des Mondes schnell unter Kontrolle. Der Mondadler wird humorlos von einem Hochhaus hinuntergeworfen - tot. Jetzt ist Lukas der neue Mondadler, hat aber dank der Truppen die Macht tatsächlich inne.
Lucas will Joao de Deus zurück, dass von Bryce McKenzie gehalten wird. Er stellt Duncan McKenzie vor die Wahl, entweder seinen Bruder Bryce weiter zu bekämpfen und sogar das Helium 3 Geschäft zu behalten, auf das Lucas Joao de Deus zurückerhält, oder mit seinem Bruder unterzugehen.
Ariel verweigert die Zusammenarbeit mit Lucas. Denny McKenzie muss Wagner einen letzten Wunsch erfüllen. Deshalb liefert er Robson nicht an Duncan McKenzie aus. Auf der letzten Seite steht Lucas im noch zerstörten Joao de Deus. Die Stadt wird wieder aufgebaut.
Ein markanter Schluss, viele Cliffhanger. Da geht noch ein dritter Band. Den werde ich mir gerne durchlesen, denn die Geschichte war bislang gut und ich will jetzt auch das richtige Ende wissen. Ian McDonald schreibt es richtig packend. So kann Literatur fesseln. Die Science Fiction Elemente sind hier lediglich zweitrangig, das tut der Qualität aber keinen Abbruch.

Mittwoch, 23. Januar 2019

Hartmudo: Mutter


39
Am Montag rief ich Berta gleich nochmal an. Es ging jetzt schon um den Wohnungsflohmarkt, den Sunny und Reiner für den kommenden Samstag angeleiert hatten. Natürlich musste ich meiner Sestra noch von Reiners Anruf vom Sonntagabend berichten. „Jetzt schickt sie ihn schon vor", war Bertas spontaner Kommentar dazu.
Berta war in ihrer Abneigung gegen diesen Teil unserer Familie mittlerweile an dem Punkt angelangt, an dem sie den Namen von Reiner nicht mehr aussprechen wollte. Dies lässt auf unüberbrückbare Differenzen schließen. Meine Hoffnung, das wir uns alle irgendwann vielleicht doch noch einmal in die Augen schauen können, erhielt einen Dämpfer nach dem Anderen.
Aber zum Wohnungsflohmarkt. Berta würde natürlich zur Vorbereitung des Flohmarktes am Freitag mitkommen, doch am eigentlichen Flohmarkt am Samstag konnte sie nicht dran teilnehmen, weil sie da auf dem Braunschweiger Weihnachtsmarkt für die Rheumaliga alkoholfreien Punsch ausschenken würde. Jedoch würde Gundula oder Eveline für Berta als Vertretung einspringen.
Sowohl Berta als auch ich hatten nach dem ganzen Stress mit Sunny keine Lust zu der Aktion, zumal wir beide davon überzeugt waren, dass der Wohnungsflohmarkt nicht sehr viel bringen würde. Sunnys Einstellung, Mutter's Erbe nicht einfach so zu verschleudern, ist zunächst einmal löblich. Aber das Zerschlagen der Schmuckstücke unserer Mutter, welches vordringlich von Sunny betrieben wurde, entwertete das Engagement von Sunny vollkommen. Es ging jetzt lediglich noch darum, aus Mutters Wertsachen möglichst viel Kapital zu schlagen. Mutter hing an diesen Gegenständen, und wir wollten es jeder nur einfach nicht mehr sehen müssen, jeder von uns Dreien aus anderen Motivationen heraus.
Zum Schluss unseres Gespräches kam ich nochmals auf die Schlüsselszene beim Juwelier zurück, weil mich Bertas Meinung hierzu interessierte. Die verschwundene schwarze Abendtasche, die Berta ja angeblich unterschlagen haben sollte, hatte sich wie ein Wunder wieder angefunden. Sunny identifizierte sie auf der Theke beim Juwelier und Berta bekam es nicht mit.
Das hatte ich ihr am Vorabend erzählt, aber Berta war ja wie zugenagelt in ihrem Hass auf Sunny, das sie die Zusammenhänge gar nicht sehen konnte. Erst zum Schluss schien Berta es verstanden zu haben. In wieweit hatte Berta dies heute, einen Tag später, verarbeitet? So eine Information muss sich halt erst mal setzen.
Dachte ich und da dachte ich falsch. Berta wusste gar nicht, wovon ich überhaupt sprach. Sie verstand nur Bahnhof, als ich die Story noch einmal erzählte. Das gibt es doch gar nicht, nur einen Tag später hatte sie diese wesentliche Information einfach mal so eben vergessen. Nun war ich erst mal so richtig sauer und musste mich meinerseits extrem beherrschen, Berta nicht anzuschreien.
Der simple Zusammenhang zwischen der Abendtasche vom Dienstag mit dem Vorwurf der Unterschlagung und der schwarzen Tasche beim Juwelier am Samstag war von Berta offenbar nicht miteinander verknüpfbar. Ich war entsetzt über die geistige Verfassung von Berta; in diesem Zustand würde ich es mir dreimal überlegen, ob ich mich mit zu ihr in ein Auto setzen würde. Die ganze Chose hatte sie derartig übel mitgenommen, das sie selbst diesen einfachen Zusammenhang nicht mehr sehen konnte.
Ich würde das zumindest schon als eine Neurose betrachten. Sunny war für Berta vollkommen unten durch und ein schlechter Mensch. Berta konnte im Moment an nichts anderes mehr denken, so sehr hatte sie die Angelegenheit mitgenommen. Zwar schien Berta am Ende unseres Telefonates den Zusammenhang endlich begriffen zu haben, aber genau das hatte ich am Vorabend auch gedacht.
Da die Differenzen zwischen meinen Schwestern nunmehr unüberbrückbar waren, wollte ich mir noch rechtlichen Beistand sichern, um für alle Unwägbarkeiten gewappnet zu sein. Hierbei hatte ich nicht die Sorge, das Berta aus einem Dickschädel heraus querschießt. Bei Sunny hatte ich Sorge, das sie beim Verkauf der Wohnung auf den trüben Gedanken kommen könnte, das der Verkaufspreis zu gering sei.
Ihrer Ansicht nach waren Berta und ich aus Faulheit dazu bereit, Mutters Erbe einfach so zu verschleudern. Einen derartigen Spruch hatte sie zu diesem Zeitpunkt bereits abgesondert. Und obwohl Sunny mit diesem Vorwurf ein Stück weit Recht hat, kann ich den Vorwurf nicht so einfach durchgehen lassen. Sunny hörte irgendwo etwas von einem Marktwert von 145.000 € für die Wohnung von Mutter in dieser Gegend, aber das Angebotspreise keine Verkaufspreise sind, sollte nicht nur ein Briefmarkensammler wissen.
Sei es wie es sei. Für den Donnerstag, also dem 24. November, hatte ich einen Beratungstermin über meine Rechtsschutzversicherung bei einem Fachanwalt in Lebenstedt vereinbart. Dies erzählte ich Berta am Montagabend auch noch am Telefon, schließlich zogen zumindest wir beide an einem Strang. Selbst wenn ich mich mit Sunny noch gut vertragen hätte, aber nach den ganzen Aktionen wäre mir logischerweise nicht im Traum eingefallen, sie deshalb extra anzurufen.
Den Termin hatte ich am Donnerstag Nachmittag um 16.00 Uhr. Knapp zwei Stunden eher Feierabend an einem langen Donnerstag, das passiert mir sonst nie. Ich war dann auch pünktlich beim Rechtsanwalt und nach einer kurzen Wartezeit und einem ausgefüllten Fragebogen (wie beim Onkel Doktor!) saß ich am Schreibtisch, mir gegenüber ein entspannt wirkender Rechtsanwalt, der meiner Schilderung des Sachverhalts ruhig zuhörte und sich nebenbei fleißig Notizen machte.
Nachdem er den Sachverhalt erfasst hatte, schilderte er mir meine rechtlichen Möglichkeiten. Mir ging es doch in erster Linie darum, ein Blockieren des Verkaufs der Wohnung seitens Sunny verhindern zu können, weil die Wohnung angeblich mehr wert sein könnte, ohne dies konkret belegen zu können.
Meine Möglichkeiten sind hierbei stark limitiert. Da sagte mir der Anwalt nichts Neues, da ich mich vorher selbstverständlich im Netz informiert hatte. Ein vom Amtsgericht bestimmter Schlichter kostet zwar nichts, wird aber lediglich als Mediator tätig. Er hat keine Entscheidungsbefugnisse. Das bringt bei Sunny's Dickschädel gar nichts, das ist mit Jauch vergleichbar, wenn der Kandidat den Publikumsjoker statt des 50:50 nimmt.
Bleibt quasi nur eine Zwangsversteigerung, die aber richtig kostet. Wenn ich das wollen würde,müsste ich richtig Geld in die Hand nehmen. Die zu zahlende Vorleistung könnte ich hinterher nicht aus dem Verkaufserlös erstattet bekommen. Noch dazu wäre der wahrscheinlich erzielte Verkaufserlös in der Regel erheblich geringer als der Marktpreis.
Das waren ja schöne Aussichten. So blieben bei mir von dem Beratungsgespräch hauptsächlich zwei knackige Sprüche des Anwalts hängen. „Schnelles Geld ist gutes Geld" und „Ich habe kein Problem damit, für sie eine Erbstreitigkeit über Jahre zu führen. Ich verdiene gerne Geld."
So richtig erfreulich war dieses Gespräch ergo nicht gewesen, aber nichts desto trotz rief ich Berta abends erneut an, da ich ihr versprochen hatte, sie vom Ausgang des Gesprächs mit dem Anwalt zu informieren. Berta war leider nicht da, aber Bud konnte ich erreichen und ihm die Rechtslage schildern. Er zeigte sich nicht überrascht, aber zu meiner Freude hörte er aufmerksam zu. Ich konnte Bud anmerken, das auch er von der ganzen Angelegenheit genervt war und ein Ende herbeisehnte.
Zum dritten Mal erzählte ich jetzt die Geschichte mit der schwarzen Tasche. Bud verstand mich auch auf Anhieb, aber offenbar hörte er die Story jetzt zum ersten Mal. Meine Güte. Zweimal in den letzten Tagen hatte ich Berta diese Begebenheit beim Juwelier, wo Sunny die angeblich unterschlagene Tasche identifiziert hatte, erzählt. Beide Male schien Berta das doch noch verstanden zu haben.
Und jetzt müsste ich für mich notieren, das sie Bud hiervon wohl nichts erzählt hatte. Da hatte sie am Ende einfach nur signalisiert, das sie es verstanden hätte, bloß damit sie ihre Ruhe hat oder was. Ich war jetzt vollkommen entnervt und befürchtete für die morgige Vorbereitung des Wohnungsflohmarktes das Schlimmste.

Sonntag, 20. Januar 2019

Contramann: Migration

https://www.heise.de/tp/features/Ich-migriere-wohin-ich-will-4232614.html
natürlich ist man als Deutscher im Ausland willkommen – weil man Geld mitbringt und spätestens dann wieder geht, wenn dies alle ist. Weil man aus einem reichen Land kommt und sicher nicht im armen Land bleiben möchte, welches auch nicht den gewohnten Lebensstandard sicherstellen oder gar verbessern kann.
Doch anstatt den Artikel selbst zu zerpflücken, gebe ich hier einen Mix von zwei Meinungen aus dem Forum wieder. Zitate des Kommentators in „Rot“.

Es ist interessant zu beobachten, wie jemand in einer Blase lebt und sich die Welt zurecht biegt.
„Diese zwei Privilegien machen mich aus Sicht der nationalen Behörden weltweit zu einem besseren Menschen als jemanden, der zum Beispiel aus Syrien, Iran oder der Türkei stammt. Komplett irre, oder?“
In dieser Fantasiewelt räumen Einreisebehörden Privilegien ein, in der Realität aber richten sie sich vernünftigen Kriterien: wird derjenige auch wieder ausreisen? Wer aus einem reichen Land in ein armes kommt, wird auch wieder zurückreisen. Hat der EInreisende ausreichende finanzielle Mittel? Wenn nein, kann er hohe Kosten verursachen. Wenn ja, bringt er Geld ins Land.
Genauso verquer ist es, sich zu denken, die Behörden machen aus manchen "bessere Menschen". Wie soll das gehen? Charakterliche Umerziehung in fünf Minuten an der Grenze?
„Sobald man das Pech hat, dass der eigene Name nicht deutsch klingt, schlägt der Alltagsrassismus mit voller Wucht zu.“
Alltagsrassismus ist genauso eine Erfindung wie Alltagssexismus. Er ist das Produkt von wohlstandsverwöhnten Prosecco-Linken, die in einem der gerechtesten Länder der Welt leben und sich aus Überdruss alles mögliche einbilden.
„In Istanbul lernte ich vor einigen Jahren eine syrische Studentin kennen, die vor dem Ausbruch des Krieges in die Türkei gekommen war [...]Durch den Krieg konnte sie nicht mehr zurückkehren. Ihre Heimatstadt war längst ein Trümmerhaufen. Die Türkei in Richtung EU verlassen konnte sie aber auch nicht. Sie saß im Niemandsland fest. Die europäischen Konsulate verweigerten ihr ein Visum. Warum? Einzig und allein, weil sie zufällig einen syrischen Pass hatte. Dass sie jung, gebildet und gut ausgebildet war, interessierte die Bürokraten nicht. [...] Und alles nur wegen einem Fetzen Papier, den man bei der Geburt erhält.“
In der Blase fallen dem Autor nicht die wichtigen Fragen ein. Warum ist die Frau nicht nach Syrien, in ihre Heimat, zurück? Weite Teile Syriens sind vom Krieg verschont geblieben. Warum wollte die Frau in die EU und nicht in der Türkei bleiben? Nun, sie hat ein besseres Leben gesucht und der Krieg hat ihr zum Glück einen Anlass geboten. Das ist ihr gutes Recht. Es ist aber auch das Recht von hochbevölkerten Ländern, wie es viele davon in Europa gibt, solche Ansinnen abzulehnen. Und welchen Beruf hat die Frau? Wird sie hier gebraucht? Oder ist sie Journalistin und würde sie einen eh prekären Arbeitsmarkt noch verschärfen?
Auch hier sind die Gründe nicht "ein Fetzen Papier, den man bei der Geburt erhält", sondern einfache rationale Gründe. Ich arbeite hier in Deutschland mit drei Mitarbeitern aus dem arabischen Raum. Sie hatten kein Problem, weil sie qualifiziert sind und extremistisch sind sie auch nicht.
„Es könne ja jeder behaupten, Schriftsteller zu sein, er solle Belege mitbringen. Die offizielle Einladung genügte als Beleg offenbar nicht, und die Mühe einer simplen Internetsuche überforderte die Beamten. Der Grund für all den überflüssigen Ärger: Der "falsche" Pass.“
Es obliegt dem Antragsteller, Belege einzureichen, nicht die Behörden müssen das für ihn tun. Und dann soll es daran liegen, dass er den "falschen Pass" hat.
„Weil wieder mal die Falschen über Migration debattieren, weil manch einer sogar so weit geht, das Grundrecht auf Asyl infrage zu stellen.“
Anscheinend ist diese Scheinwelt zutiefst undemokratisch. Die Botschaft: nur die "richtigen", das heißt: Befürworter der offenen Grenzen, dürfen darüber debattieren. Wer dem kritisch gegenüber steht, ist "der Falsche". Man fragt sich, was geschehen ist, dass sich in diesem Land solche totalitären Ansichten entwickeln konnten.
Dann wird noch ein Strohmann-Argument verwendet: fast niemand stellt das Grundrecht auf Asyl in Frage. Allerdings wird das Asylrecht durch Massenmigranten, die schon pro Forma und klar ersichtlich ein Anrecht auf Asyl haben, missbraucht. Ebenso missbrauchen es manche Aktivisten, die Massenmigration als vom Asylrecht gedeckt sehen.
Man muss schon arg in einer Blase leben, wenn man mit dem Asylrecht argumentiert, weil das ein Schuss nach hinten ist. Art. 16a Grundgesetz:
„(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.
(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist.“
Und dann weiter zum Migrationspakt:
„Weil in Kürze der UN-Migrationspakt unterzeichnet werden soll, der gerade zum großen Aufreger wird.“
Der wird also "zum Aufreger"? Und nicht: "viele Bürger regen sich darüber auf"? Der Pakt wurde von den Medien totgeschwiegen, bis eine größere Anzahl von Bürgern über die sozialen Medien erst davon erfuhren.
Aber das passt ja nicht in die Scheinwelt, also werden aus den sozialen Medien "rechtsradikale Verschwörungsspinnerkreise" gemacht:
„In rechtsradikalen Verschwörungsspinnerkreisen kursiert er schon lange - da wird er als Beleg für die Umvolkungsängste von AfD, Identitären, Pegida und all den anderen rassistischen Lautsprechern zitiert.“
Den Bürgern wirft er naive Allesgläubigkeit vor, zeigt sie aber nur bei sich selbst:
„Man könnte verstehen, dass dieser nicht bindende Pakt im Kern nur eines will...“
Der Pakt ist ein Vertrag und pacta sunt servanda. Man unterschreibt keinen Vertrag, der nicht bindend ist. Und die Grünen haben bereits die Umsetzung in nationales Recht gefordert. Wer das in seiner Scheinwelt ausblendet, dem ist wohl nicht mehr zu helfen.
„Und was wäre, wenn Deutschland mir nicht wirtschaftlich die Bedingungen liefern würde, unter denen ich ein gutes Leben führen kann? Würde ich bleiben und mich einfach meinem Schicksal ergeben? Nein, selbstverständlich nicht! Ich würde mir ein Land suchen, das bessere Bedingungen bietet und alles daransetzen, dorthin zu gelangen und dort Fuß zu fassen!“
Das ist richtig und das läuft so ab: man stellt im Wunschland einen Antrag auf Einreise und reist ein, wenn man ihn bewilligt bekommt. Und wenn man ihn nicht bewilligt bekommt, weil das Land vielleicht fürchtet, das Elend aus Deutschland zu sich zu holen, dann hat man Pech gehabt. Aber in ein Land, in dem man sich niederlassen und Teil der Gesellschaft werden will, illegal unter Verletzung der Gesetze des Landes zu betreten, ist keine Option.
„Und was das Auswandern betrifft: Sollte es so weit kommen, dass die rassistischen, von Hass zerfressenen Rechtsradikalen irgendwann wieder das Ruder in Deutschland übernehmen - ja, dann würde ich gehen, ohne mich nochmal umzudrehen, und ich würde diesem Land keine Träne nachweinen.“
Auch das ist Scheinwelt, in das man sich hineingesteigert hat. Viele "Aktivisten" wie der Autor bezeichnen doch jeden als "Faschist", "Rassist" oder "Nazi", der bei drei nicht die Grenzen öffnen will. Er sieht überall Faschisten wo keine sind und übersieht, dass gerade Linksextreme faschistische Tendenzen aufzeigen, indem sie keine andere Meinung gelten lassen und die eigene Meinung z.T. mit dem Prügel in SA-Manier durchsetzen.
Alles in allem tun die geistigen Verrenkungen, Gedankenfehler und Außerachtlassungen solcher Menschen, die in Scheinwelten leben, weh. Wenn sie an die Macht kommen, werden sie das Land innerhalb einer Generation abwracken. Nicht nur durch Migration, sondern durch Feminismus, Genderismus, Gleichstellung und Ökowahnsinn.
Damit hilft Deutschland nicht Kalkutta, es wird Kalkutta.
Fazit: Dümmer gehts immer...

Auch wenn ich diese Ansichten nicht zu 100% unterschreiben kann, weil die Fokussierung auf den „Sozialtourismus“ das Leid der Flüchtlinge zu sehr in den Hintergrund drängt, finde ich das Auseinandernehmen der in meinen Augen rassistischen Einstellung des Autors gelungen. Solche Fantasten mit ihrer streng dogmatischen Weltsicht a la „Böse 1. Welt, gute 3. Welt“ für gefährlicher als die AfD, welche sich selbst entlarvt, wenn man sie nur in Ruhe liegen lassen würde. Wie einen Harzer Käse in der Sonne.
Aber nein... Leute wie Gerrit Wustmann mit ihrer fatalen Fehlsicht treiben der AfD die Leute nur so zu, indem sie die Zusammenhänge zwischen Migration und Lohndumping einfach ignorieren.

Montag, 14. Januar 2019

Contramann: kurz gesehen im Januar


http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/5g-vergaberegeln-kanzleramtschef-helge-braun-bezeichnet-lte-als-ausreichend-a-1240305.html#ref=rss
Ein schöner Artikel, beschreibt er doch, dass 5G die Voraussetzung ist für z.B. autonom steuernde Fahrzeuge. Entsprechende Geräte verbrauchen dazu noch erheblich weniger Energie. Kanzleramtschef Braun hingegen hält diese Zukunftstechnologie für unnötig.
Deshalb verzichtet er liebend gern auf eine Verpflichtung der Netzbetreiber, ihre Infrastruktur auch der Konkurrenz zur Verfügung zu stellen. Das hat zur Folge, dass kein Betreiber auf dem Land seine Masten hinbaut, weil es sich dort eben nicht lohnt.
Was laufen da nur für unfähige Politiker in Berlin durch die Gegend?

https://www.heise.de/tp/features/Eine-neue-CDU-mit-AKK-Wird-Gruen-das-neue-Schwarz-4246030.html
Oh je, Franz Alt. Jetzt macht er seinem Namen alle Ehre, wird sogar noch senil. Es ist ja schön, dass der ehemalige Starjournalist und Moderator der ARD im Alter sein Herz für die Umwelt entdeckt hatte. Aber dass er über die Wahl von Annegret Kramp(e)-Karrenbauer euphorisiert schwärmt und davon träumt, dass jetzt die Wirtschaftskompetenz (?) der CDU mit der Umwelt Deutungshoheit der Grünen zusammen geht und eine große Koalition schmiedet, hat mich jetzt doch richtig geschockt.
Ich befürchte fast, dass sich Franz Alt zukünftig noch als U Boot der Atlantikbrücke herausstellen könnte.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/gelbwesten-proteste-in-frankreich-der-unkalkulierbare-aufstand-a-1242718.html
So geht Protest, Leute! Dieser Artikel beschreibt wunderbar, wie sich die Wut und Verzweiflung der Franzosen über ihre neoliberale Regierung ausdrückt. Ausgestattet mit den gelben Warnwesten aus dem KFZ Erste Hilfe Kasten als Erkennungszeichen, gehen sie unorganisiert auf die Straße und protestieren.
Verabredet über Facebook und Co, aber ohne erkennbare Führungsstruktur, blockieren sie Straßen und legen den Verkehr lahm. Ausgangspunkt war hier eine geplante Erhöhung der Dieselsteuer, welche vor allem diejenigen trifft, die (noch) einen Job haben - wenn auch nicht gut bezahlt - und die Erhöhung der Benzinpreise eben nicht aus der Westentasche bezahlen können.
Dagegen setzt der Staat Altbewährtes: Polizei, Wasserwerfer und Tränengas. Sicherlich sind nicht alle Protestler friedlich, aber die Machthaber unserer Nachbarn haben dennoch nichts aus all den erfolgreichen Revolutionen ihrer Geschichte gelernt.
Bei den Franzosen können wir lernen, was es bedeuten kann, wenn man wirklich für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit eintritt. Die brauchen keine Pegida, um sich an Schwächeren abzureagieren. Die haben Cojones in der Hose und checken auch, wer für ihr Elend verantwortlich ist. Der Deutsche an sich ist dafür wohl zu dämlich.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/sahra-wagenknecht-wer-braucht-einen-aufstand-kolumne-a-1245331.html#ref=meinunghpmobi
Was ist das denn für ein bescheuerter Kommentar zu Weihnachten, Kuzmany? Dass sich Sarah Wagenknecht mit einer gelben Weste vor das Kanzleramt stellt und für die „Aufstehn“ Bewegung wirbt, kann man ja noch kritisieren.
Aber dann so arrogant und scheinbar, aber nur scheinbar, selbstweinerlich meinen, dass es einem selbst gut geht und er deshalb nicht weiß, wie es ist, „auf der Straße Passanten anbetteln zu müssen“, ist voll daneben.
In diesem Kommentar wird das ganze Elend des Nachrichtenmagazins Spiegel, der ehemaligen Speerspitze der Demokratie, sichtbar. Im Spiegel hat sich mittlerweile der einstige Erzfeind namens Springer Verlag eingeschlichen. Den Wechsel von Springer Leuten auf den Posten eines Chefredakteurs beim Spiegel hätte es unter Rudolf Augstein nicht gegeben. Selbst dessen Sohn Jakob beendete Ende Oktober letzten Jahres seine Spiegel Kolumne.
Man gut, dass die Deutschen immer erst eine Bahnsteigkarte kaufen, bevor sie den Zug stürmen. So oder so ähnlich äußerte sich bereits Lenin vor über 100 Jahren und dieser Satz hat bis heute Gültigkeit.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-fraktion-vor-klausur-die-angst-vor-dem-putsch-gegen-sahra-wagenknecht-a-1247243.html
Da schau an! Da hatten die Qualitätsmedien inklusive Taz und Neues Deutschland bereits monatelang geschrieben, dass die Pateivorsitzenden Kipping und Riexinger Sarah Wagenknecht stürzen wollen und sich mehr oder weniger direkt gegen Wagenknecht positioniert, indem sie sie in die rechte Ecke schieben wollten, da wird Anfang 2019 vollkommen überraschend zurückgerudert.
Gerade der Spiegel hatte in der Vergangenheit immer wieder Wagenknecht eines nationalen Sozialismus` verdächtigt - in diesem Artikel ist davon keine Rede mehr.
Doch im letzten Absatz hält sich der Spiegel eine Hintertür für zukünftiges Wagenknecht Bashing offen, indem der Redakteur auf die Vorstandswahlen im Herbst hinweist. Der ganze Artikel ist ein schönes Beispiel für das Agieren dieses Leitmediums, wenn die eigene Meinungsmache ins Leere läuft und man schnell noch einen Artikel hinterherschiebt, um von eigenen Irrtümern abzulenken.

Dienstag, 8. Januar 2019

H Lecter: Viktor


5
Erst als der erste “Polizist” auf den Sprungturm kletterte und ins kühle Nass sprang, beruhigte sich mein Puls wieder. Meine Güte, das waren Studenten beim nächtlichen Besuch des örtlichen Schwimmbades! Wie wir anschließend beim gemeinsamen Sit-In mit der Mannschaft feststellen konnten, hatten diese uns ebenfalls für die Polizei gehalten und sich deshalb so geräuscharm wie nur möglich bewegt. Nach dem gemeinschaftlichen Leeren einiger Biere und natürlich der obligatorischen Friedenspfeife bzw. Großraumzigarette verabschiedeten wir uns voneinander.
Wie leicht wir uns ins Bockshorn jagen ließen! Nun gut, wenigstens zeigten wir genügend Schuldbewusstsein, um zu erkennen, dass man des Nächtens nicht so einfach ins öffentliche (zu der Tageszeit natürlich nicht) Schwimmbad einbrechen sollte. Ich würde sagen, heutzutage würde ich das niemals nicht machen. Ich würde beim nächtlichen Schwimmbadbesuch keine Großraumzigaretten mehr rauchen, denn das Zeug macht paranoid.
Nach dieser Aufregung gingen wir wohl noch aufgekratzt, aber immer mehr müde in die Wohnung von Viktor, Tesla und Aki-Bua zurück. Pocke und ich wollten dort vor der Rückfahrt nach Braunschweig unseren Rausch ausschlafen. Doch bevor wir uns hinlegten, verschwand Pocke im Badezimmer und unter der Dusche.
Wie sich herausstellte, war sein Fuß grün und blau angelaufen. Dazu verspürte er einen stechenden Schmerz, den er die ganze Zeit seit seiner Begegnung mit dem Grabstein nicht empfunden hatte. Da war er sicherlich zu breit und euphorisch ob der schönen Aktion gewesen, so dass er nichts gemerkt hatte.
Dies war der Moment, in dem sich Viktor geistesgegenwärtig zeigte. Er ergriff die Initiative, hing sich ans Telefon und sprach mit der Notaufnahme der Uniklinik. Kurze Zeit später schnappte er sich Pocke und fuhr in die Klinik. Wir anderen waren zu lethargisch gewesen, das muss ich leider konstatieren.
Stumpf saßen wir noch in der Wohnung herum und soffen weiter, als ob Pocke und Viktor nur mal so eben losgefahren wären, um einen Nachschub an Bier zu organisieren. Zu unserer großen Erleichterung kamen die beiden irgendwann zurück.
Pocke hatte einen frisch gezogen Gehgips an seinem linken Bein angelegt bekommen. Der Unterschenkel war gleich mit eingegipst worden und vorne schauten die Zehen heraus. Das Jod gab seinen Zehen noch eine interessante Färbung - so in etwa wie Nikotinfinger.
Pocke konnte aber schon wieder scherzen und vor allen Dingen noch ein Pils vertragen. In der seligen Runde kam irgend einer noch auf die glorreiche Idee, dass wir doch unsere Genesungswünsche auf den Gips schreiben könnten. So geschah es dann auch. Dann endlich war es Zeit für die Nachtruhe.
Vom nächsten Tag weiß ich noch, dass Pocke und ich im Laufe des Tages nach Hause gefahren sind. Wie Pocke mit dem Gehgips diesen grünen Renault 5 seiner Mutter nach Braunschweig zurück kutschiert hatte... Mann Oh Mann. Aber Pocke wollte mich nicht fahren lassen, weil das schließlich der Wagen seiner Mutter war. Er fühlte sich fahrtauglich und wir sind denn ja auch unfallfrei und ohne Probleme in Braunschweig angekommen.
Dieses Erlebnis hatte zugegebenerweise Viktor nicht zum Hauptakteur, sondern Pocke. Aber hier wird wieder deutlich, dass Viktor trotz aller kritikwürdigen Charaktereigenschaften (und wer hat die nicht...) ein Standing im Bereich des Gemeinsinns aufweisen konnte. Er kümmerte sich in Göttingen um Pocke wie auch später um Edith und dann auch Jürgen. Speziell für Edith war er da, als sie einen Freund brauchte.
Das meine ich hier und jetzt auch so. Anders als beim Camping nahe des Tankum Sees verhielt er sich ihr gegenüber wie ein Gentleman. Viktor kann ich nur als vielschichtigen Charakter bezeichnen und ich bin traurig, dass er von uns gegangen ist. Leider waren meine Versuche in den letzten Jahren, mit ihm näher in Kontakt zu treten, nicht vom Erfolg gekrönt.
Auch deshalb war ich nicht auf seiner Beerdigung. Vielleicht war das ja doch ein Fehler, vielleicht aber auch nicht. Da habe ich nach wie vor zwiespältige Gefühle zu. Wie merkwürdig das Leben doch so ist. Auf meinem 50. Geburtstag war er noch da gewesen. Witzigerweise war Viktor 1999 der erste Anrufer in meiner damals neuen Wohnung in der Gartenstrasse. Zu jenem Zeitpunkt hatte ich bereits 15 (!) Jahre nichts mehr von ihm gehört gehabt.
Allein das zeigt, das er doch irgendwie in mein Leben gehört(e). Machs gut, Viktor. Wir sehen uns am Tankum See.

Donnerstag, 3. Januar 2019

Hartmudo: Jahresabschlussbericht


4
Bereits in den Tagen vor der Fahrt nach Hamburg kursierte ein böses Gericht auf der Arbeit: Mein alter Kollege und Saufkumpan Alf sollte angeblich gestorben sein. Meine Güte, das konnte doch nicht wahr sein. Gerade erst vor zwei Monaten erst wurde er in Pension geschickt. Da Alf sich in den letzten Jahren aufgrund seiner Erkrankung (er hatte sich im Krankenhaus einen Keim im Bein zugezogen) immer rarer gemacht hatte, konnte niemand im Büro das Gerücht verifizieren.
Am Montag nach Hamburg, also nach dem zweiten Advent, erhielt ich die traurige Gewissheit. Alf war tatsächlich verstorben; am Samstag stand die Todesanzeige in der Zeitung. Nur wenige Tage später stand ich mit vielen alten Weggefährten wie Moritz, Buck oder auch Max vor seinem Grab und drückte seiner Witwe mein Beileid aus.
Zugegebenermaßen war ich etwas enttäuscht, dass Detzer und einige andere der alten Weggefährten den Weg zum Friedhof gescheut hatten. Aber jeder trauert auf seine Weise. Ich für mein Teil bin da auch bei größter Trauer für Flagge zeigen. Dass die bitter weinende Mutter von Alf in ihrem Gram die Handtasche ins offene Grab fallen ließ, möchte ich nicht unerwähnt lassen, weil es doch irgendwie zu dem verschmitzten Charakter dieses Urgesteins des Sozialamtes passte.
monatlich immer gut: Doko im Come In

Ab Frühjahr wird Uncle Fester hierzu eine neue Serie auflegen.
Liebgewonnene Traditionen zum Jahreswechsel sind immer wieder kleinere Konfiefchen mit Kollegas. Da war dieses Mal zum Einen das Treffen mit den Jungs und Mädels vom Jobcenter im Charleston. Zwei Tage vor der Rutsche nach Wernigerode traf ich die üblichen Verdächtigen als da wären (u.a.) Max, Buck, Moritz und Holzer. Nach einer sehr entspannten und bierseligen Runde, im Angedenken an Alf, schiggerte ich anschließend mit Max und Frau – Buck natürlich auch an Bord – gen Braunschweig zurück. Buck war noch nicht ausgestiegen, da bat Max den Busfahrer, an der nächsten Haltestelle etwas länger zu warten.
Das tat dieser dann auch und so konnten wir beide schnell noch ein kleines Geschäft erledigen. Da merkt man wieder das Alter. Mit 30 konnte ich nicht nur viel länger aufhalten, sondern auch erheblich kraftvoller Blumen gießen. Aber ich will nicht klagen; solange ich nicht im Sitzen puschern muss, weil ich leider nur noch sitzen kann, geht das in Ordnung.
Meine Einladung bei Detzer und Nelling am Tag zuvor wollte ich an dieser Stelle nur kurz vermerkt wissen. Ich war hocherfreut, dass die beiden Rentner lediglich eine kleine Platte mit Wurst und Käse hingestellt hatten. Da ich mit der Landadelsfrau mittags dort auflief und diese schon davon ausging, dass es etwas zum Essen gäbe, war ich von den berühmten Rouladen ausgegangen. Deshalb aß ich zum Frühstück gar nichts und wurde vor Ort angenehm überrascht. Ach ja: Das Essen bestand aus Krombacher und Malteser Aquavit. Meine Rückfahrt im Zug wurde mir durch meinen MP3 Player versüßt.
Detzer - auch Nelling - rechne ich selbstverständlich zum Kreis der Kollegas; und einen habe ich trotzdem noch. Da hätten wir dann noch den ultimativen Jahresausklang am letzten Freitag des Jahres in der Jever mit Wittkamp. Wir reden hier über jene legendäre Kultstätte, in der Alf schon kaum noch mitkam und wo Onkel Hotte ungern gesehen war. Mit Wastl und Mike war ich früher dort häufig aufgelaufen. Und auch diesmal war alles lecker.
Als wir dann ins Papper la Pub weiterzogen, traf ich auch noch Günni, den ich vielleicht 2 - 3 Jahre zuvor kurz mal gesprochen hatte. Nach bald 20 Jahren! Gern waäre ich dort länger geblieben, aber ab 16.00 Uhr wurde ich zur Kartenrunde bei Dora und Herbert erwartet. Dort brachte mich ein Kaffee wieder auf Spur.
Zwischen all diesen Ereignissen lag noch das Weihnachtsfest, welches 2018 mit Montag bis Mittwoch äußerst arbeitnehmerfreundlich ausfiel. Eintrachts Saisonausklang mit einem 1:1 beim Tabellenführer aus Karlsruhe erlebten wir bei Charles zu Hause. Als Mary später auch noch dazukam, wurde es so richtig gemütlich. Charles packte den Jägermeister aus und wir spielten Skat. Dieser Abend endete für mich früh, wie ich Heiligabend erfahren sollte.
Am 24. tauchte ich bei Charles morgens kurz vor 11.00 Uhr auf, weil ich im Getümmel meine Eintracht Mütze nach dem Spiel und der Skatrunde vergessen hatte. Mary „beklagte“ sich etwas über das vorletzte Spiel beim Skat, welches ich ihr vermasselt haben sollte, weil ich lediglich noch eine Karte auf der Hand hatte, als meine Löwin und sie noch derer 2 in den selbigen hielten. Ich schwieg hierzu vornehm, konnte mich ja auch an nichts in dieser Richtung erinnern.
Skat und Jägermeister (links oben) bei Charles

Heiligabend verspachtelte ich anstatt der üblichen Gans lediglich etwas Klöße mit Soße und Rotkraut, so dass ich mit Phil den zehn Jahre alten Don Papa in Angriff nehmen konnte. Ich sag es mal so: Zuerst hörte ich auf, Bier zu trinken. Irgendwann fiel auch der Rum weg, weil dieser sich in meinem Magen unwohl fühlte. Und nein, ich konnte alles ohne Probleme bei mir behalten.
Leider meldete sich in der Nacht eine fiese Erkältung an, die mich am Schlafen hinderte., Noch bis um 13.00 Uhr blieb ich am 1. Feiertag liegen, ehe ich den 1. Feiertag begrüßen konnte. Irgendwie war mir fröstelig, doch abends beim Essen mit Bernhard und Bianca gingen schon wieder Wolters mit Mirabelle. Zum Glück handelte es sich wohl lediglich um eine einfache Erkältung und Weihnachten endete damit relativ beschwerdefrei mit dem Besuch von Berta und Bud am 2. Feiertag.
2018 hatte es sich also wieder mal gezeigt, dass Dezember ein wirklich anstrengender Monat ist.

Dienstag, 1. Januar 2019

Hartmudo: Jahresabschlussbericht


3
Die Hamburger Weihnachtsmärkte waren also ein voller Erfolg. Ein letzter Weihnachtsmarkt fehlt allerdings noch in meiner Aufzählung. Das ist der in Wernigerode und den besuchten wir am Samstag vor dem dritten Advent. Da stand die Fahrt mit einer Dampflok der Harzer Schmalspurbahnen von Wernigerode zum Brocken (und zurück) an. Es war das Geschenk von Pocke und mir (und unseren Frauen natürlich) an Tillmann zu seinem 60. Geburtstag.
Leider war Tillmann schwer verkockt unterwegs und gedanklich auch schon irgendwie auf seiner Kreuzfahrt, die er mit Ehefrau Heidi eine Woche später startete. Dennoch kamen Heidi und er zum Treffen am Bahnhof pünktlich an, Tillmann jedoch während der Zugfahrt nach Wernigerode nur schwer in Gang. Dort war es dazu bereits erheblich kälter als in Braunschweig.
Bizarr wurde es, als ich mit Tillmann vor der Toilette anstand. Auf dem gesamten Bahnhof gab es nur diese eine Toilette mit Zahlenschloss für Damen UND Herren. Das Zahlenschloss war augenscheinlich defekt, weshalb ein Rentner vor dem Klo stand und von den Bedürftigen jeweils 50 cent abkassierte. Nach Bezahlung gab er dann den Zahlencode ein, worauf sich am Kopf der Warteschlange ein Gefühl der Glückseligkeit ausbreitete.
Mein Fazit aus der Situation: Normalerweise hält der fertige Besucher für den nächsten Gast die Toilettentür auf, so dass dieser den kostenpflichtigen Code nicht mühsam erfragen muss. Da natürlich niemand von sich aus 50 cent hinterlegt, wenn er umsonst pinkeln kann, lohnt es sich für den Betreiber offenbar, einem Rentner dessen schmales Salär etwas aufbessern zu lassen.
Die Fahrt mit der Dampflok kostete 43 Euro für Hin- und Rückfahrt. Ein stolzer Preis für die doch unbequemen und engen Sitze in einem hoffnungslos überbelegten Zug, in dem noch nicht einmal genug Sitzplätze für alle Passagiere vorhanden waren. Da schmeckte selbst das gerade noch am Bahnhof erstandene Hasseröder (oder war es das Wolters von Patti?) etwas schal, weil wir Jungs uns die Vierer Sitzgruppe noch mit einer mondänen Frau teilen mussten.
Wobei die Fahrt allerdings wirklich schön war. Je näher wir dem Brocken kamen, umso winterlicher, weil mit Schnee eingepudert, sah die Landschaft aus. In Drei Annen Hohne musste ich kurz wohin. Der aufzusuchende Ort befand sich außerhalb des Zuges, weil dieser Zug anscheinend keinen derartigen Ort besaß. Ich schmiss ein schnelles „Bin gleich wieder da“ in die Runde, schon war ich weg zum Klo. 8 Minuten Zeit – erfreulicherweise mehr Klos als in dem wesentlich größerem Bahnhof Wernigerode – und ich bin schnell.
…Und doch fast zu langsam, denn der Zug setzte sich schon in Bewegung, als ich die Verriegelung des Eingangs öffnete und die erste Sprosse erklomm. Man gut, dass der Lokführer zuvor noch das Horn betätigt hatte, so dass ich die Beine in die Hand nahm und den nächstbesten Waggon ansteuerte - sicher ist sicher. Ich musste mich zwar im fahrenden Zug durch die Massen quälen, aber ich war wenigstens nicht gestrandet. Und – oh Wunder – den Klowagen hatte ich beim Durchgehen auch entdeckt, hätte also den Zug gar nicht verlassen müssen. Meiner Löwin, die von meiner eleganten Einlage nichts mitbekam, hätte ich dann eine sorgenvolle Viertelstunde erspart gehabt.
Drei Annen Hohne - waiting for the Bus

Auf dem Brocken selbst war es kalt, der Schnee lag bald einen halben Meter hoch. Wenn es nur nicht so diesig gewesen wäre, dann hätten wir trotz der Kälte noch einen schönen Spaziergang zum Stein machen können. So aber eroberten wir für unsere Kleingruppe von sechs Leuten eine kleine Sitzecke. Profis wie Pocke und ich griffen selbstverständlich zum Graubrot mit Harzer, für die anderen gab es Süppchen mit Wurst.
Schnell fuhren wir wieder zurück. In der Nebelküche gab es nicht wirklich viel zu bestaunen und beim Brockenwirt war es aufgrund der Enge eh ungemütlich. In Drei Annen Hohne brauchte ich das Klo nicht mehr, denn wir setzten uns praktischerweise in den Waggon mit dem Klo. Schade war lediglich, dass wir dort umsteigen und bald eine Stunde auf den Anschlusszug nach Wernigerode warten sollten. Da investierten wir lieber 12 Euro für den Bus, der binnen 5 Minuten fuhr, und stiegen weitere 10 Minuten später wohlgelaunt in Wernigerode aus.
Dort war es nach wie vor kalt und feucht, aber schneefrei. Und während Heidi, Patti und meine Löwin durch die kleinen Geschäfte huschten, ergatterten Tillmann, Pocke und ich am allerersten Stand des Weihnachtsmarktes einen Glühwein – mit Schuss. Und nach dem ersten Schluck wurde ich wieder gewahr, warum ich keinen Glühwein mehr trinke. Dieses bunte Zuckerwasser mit roter Lebensmittelfarbe und einer Asmussen Note im Abgang führt nach einem Liter garantiert zu einer Verätzung der Magenschleimhaut. Boah, was für eine Beize!
Statt Mosel und Hanglage wohl doch eher 20 Liter Plastikkanister mit einem Beutelchen Glühfix. Na ja, wenigstens war das Zeug heiß. Tröstlich war dann zumindest der schwedische Glök an einem anderen Stand. Das nenn ich einen Glühwein: Heißer Blaubeerenwein mit Wodka; angereichert mit Mandeln und Rosinen. Ist zwar auch süß, aber eben nicht ekelhaft süß. Leider nahmen wir hier nur einen von, weil Tillmann nach einem schnellen Austausch mit einem Kumpel aus einem Urlaub was essen musste und wir danach zum Bahnhof ein gehöriges Stück für die Rückfahrt nach Braunschweig laufen mussten.
Wir waren daher gegen halb acht abgekämpft wieder in Braunschweig angekommen und trennten uns noch auf dem Bahnsteig. Patti und Pocke mussten den Hund von ihrer Hundesitterin loseisen, während Tillmann und Heidi noch gerade so ihre Tram erreichen mussten. Fast im Laufschritt waren beide Paare verschwunden. Der Abschied gestaltete sich also explosionsartiger als eine Woche zuvor. Schade, denn meine Löwin und ich hätten uns als Abschluss gerne noch ein Sit In in einer Gastwirtschaft vorgestellt. Dem standen allerdings Tillmanns angeschlagene Gesundheit und die leider doch stressigen Zugfahrten entgegen.