Dienstag, 29. Mai 2018

Uncle Fester: grad gelesen Mai 2018

Norbert Stöbe - Kolonie
Lt. Rückseite des Buches ist Stöbe einer der bekanntesten deutschen Science Fiction Autoren. Ich kannte ihn nicht, aber er hatte wohl in den 80ern des letzten Jahrhunderts einige preisgekrönte Romane geschrieben und danach nur Krimis u.ä. geschrieben. Kolonie ist sein zweiter Roman aus dem Bereich Science Fiction nach "Morgenröte". Auf mich wirkte dieser Roman etwas unfertig. Oder wie der Beginn eines umfangreichen Zyklus, auf dessen Folgebände wir bis zum St. Nimmerleinstag gedulden müssen.
Aber worum geht es hier? Auf dem entfernten Planeten Corazon haben knapp 40 Menschen nach einem 100jährigen Flug im Tiefschlaf eine erste Kolonie errichtet. Nach 30 Jahren wirkt die Kolonie schon etwas heruntergekommen. Die Kinder der Siedler haben seltsame Außenorgane am Kopf und entwickelt, deren Funktion in unterschiedliche, paranormale Fähigkeiten mündet. Diese Kinder sind in Quarantäne; die Siedler haben Angst vor ihnen.
Die Roboter, die zur Unterstützung der Menschen da waren, haben sich selbständig gemacht und in der Nähe eine Stadt errichtet. Zur menschlichen Siedlung haben sie keinen Zutritt; denn nicht nur Hank, der Leiter der Kolonie, hat im Laufe der Jahre seine Psychosen entwickelt. So vergeuden die Menschen ihre Zeit in unzähligen Meetings und diversen Gruppensitzungen, um den Ausbau der Kolonie zu planen, kommen aber nicht zum Handeln.
Letztendlich kommt die Story erst nach über der Hälfte des Romans ins Rollen, als ein zweites Raumschiff mit 5 Soldaten Corazon erreicht. Ihr Auftrag: Sie sollen die Energiequelle der Kolonie, eine Maschine, die unendlich viel Energie aus Paralleluniversen absaugen kann, zur Erde zurückholen, da diese Technologie dort verloren gegangen ist und die menschliche Zivilisation auf der Heimatwelt bedroht.
Drack ist der Anführer dieses Squad und schreckt auch nicht davor zurück, die Stadt der Roboter zu zerstören. Seine Leute und er haben einen "Leviathan" mitgebracht, der seinerseits eine Stadt baut, in der die Menschen (das Schiff führt zehntausende von befruchteten Eizellen mit sich) leben sollen. Die bisherigen Siedler sollen sich dort ansiedeln oder eben auch vernichtet werden.
Die übrig gebliebenen Roboter solidarisieren sich mit den ursprünglichen Siedlern, die endlich mal das Palavern sein lassen und aktiv werden. Das Squad kann besiegt werden und Drax wird mit seinen Leuten gefangen gesetzt. Ein richtiges Happy End; das Squad wird - bis auf einen Abtrünnigen - auf einer fernen Insel ausgesetzt und die ursprünglichen Siedler ziehen die Kinder aus den Eizellen auf. Ach ja: Das tödliche Geheimnis, das dieser Planet laut Buchrücken in sich bergen soll, ist eigentlich keins.
Man könnte hier glatt von Irreführung sprechen. Dennoch ist der Roman gut zu lesen, aber an einen Brandhorst oder Thariot kommt Stöbe nicht heran.



                     

Stephen Baxter & Alastair Reynolds - Die Medusa Chroniken
Arthur C. Clarke hatte 1971 die preisgekrönte Story "Ein Treffen mit Medusa" geschrieben. Die beiden britischen Großmeister nahmen dies als Grundlage für einen Roman, der Jahrhunderte umspannt und eigentlich aus vielen Kurzgeschichten besteht, in denen Howard Falcon, der halb Mensch und halb Maschine ist, die Hauptfigur verkörpert.
Zumeist sind die Tiefen der Atmosphäre des Jupiters Handlungsort der einzelnen Geschichten. Dort, wo die Medusen, kilometergroße und walähnliche Lebewesen, in Gruppen umhergleiten, entspinnt sich über Jahrhunderte die Konfrontation zwischen den Menschen und den Robotern, die letztendlich zur Zerstörung der Erde führt.
Adam, ein von Falcon in der ersten Geschichte "befreiter" Serviceroboter eines Luftschiffes, ist auf der Seite der Maschinen der individuelle Kontakt zu Falcon. Die Führung der Maschinen wird einfach nur Boss genannt; weitere Individualisierungen gibt es dort kaum.
Auf der menschlichen Seite taucht die Ärztin Hope Dhoni bis zu ihrem Tod in jeder Geschichte auf. Sie fasst für Falcon und damit dem Leser zu Beginn einer Story die aktuellen Geschehnisse zusammen. Ansonsten taucht immer mindestens ein Mitglied der Springer Familie auf, die die jeweiligen menschlichen Aktionen leiten.
Zwischen den einzelnen Stories wird das Schicksal des Seth Springer erzählt. Dieser NASA Pilot war 1968 für die Mondlandung vorgesehen, musste dann aber einen auf die Erde zurasenden Asteroiden mithilfe von Wasserstoffbomben zerstören; dabei ging er selbst drauf. Auf diesen Urahn bezieht sich der Springer Clan jedes Mal.
Am Schluss werden die aggressiven Menschen dank der vernünftigen Maschinen eingedämmt und Howard Falcon reist durch eine Art Wurmloch im Innern des Jupiter zu den Sternen, wenn wohl auch in digitalisierter Form. Die im Anhang beigefügte Original Geschichte von Arthur C. Clarke habe ich mir erspart. Die Kurzgeschichten waren mir schon zu altbacken. Schön noch die Einarbeitung der Schimpansen unter ihrem Topp-Mann Ham 1365 oder so ähnlich.

Giula Enders - Darm mit Charme

Ein wunderbares Sachbuch. Die Autorin hatte als 17jährige eine Wunde am Bein, die einfach nicht heilen wollte und stieß auf einen Bericht von einem Mann mit demselben Leiden. Danach erkannte sie, dass ihr offenes Bein nicht von einer Neurodermitis, also einer Hauterkrankung, herrührte, sondern von einer Fehlfunktion des Darms. Von da an ließ sie Milchprodukte und Gluten weg, nahm verschiedene Bakterien zu sich und so weiter. Schließlich bekam sie die Krankheit in den Griff, studierte erfolgreich Medizin und forscht seitdem zum Thema Darm.
Dieses Buch wurde zum weltweiten Sachbuchbestseller, weil Guila Enders, inzwischen 28 Jahre alt, bereits als "Science Slammerin" mit der Thematik Erfolg hatte und in diesem Buch Funktion und Bedeutung des Darms sehr anschaulich wie bildhaft erklärt.
Ein besonders schönes Bild ist das der Seescheide, welche den Boden der Erdmeere bevölkert. Im Larvenstadium besitzt die Seescheide ein Gehirn, um die Bewegung in der Strömung zu einem schönen Platz zu steuern. Dort angekommen, wechselt die Larve ins Erwachsenenstadium. Ihr restliches Leben wird sie fest an diesem Platz verbringen und sich vom Plankton, welches durch den geöffneten "Mund" strömt, ernähren.
Das Gehirn ist jetzt nicht mehr lebenswichtig, denn Bewegung ist nicht mehr nötig. Die Seescheide absorbiert bzw. frißt ihr Gehirn. Anschaulicher kann man nicht verdeutlichen, dass der Darm uns Menschen mehr lenkt als das Gehirn.
Das Lesen dieses Buches gestaltete sich kurzweilig. Ich habe sogar Techniken gelernt, einen unwilligen Darm zur Herausgabe des Inhalts zu motivieren. Allein deshalb lohnt sich der Kauf, liebe Freunde eines geregelten...

Anthony O'Neill - Dark Side
Der erste Science Fiction Roman eines Australiers, der jetzt in Schottland lebt. Und er hat einen zwar unwissenschaftlichen, aber dafür sehr anschaulichen Roman geschrieben, der auf dem Mond, genauer gesagt der Rückseite desselben, spielt. Dieser Roman ist wirklich sehr gut zu lesen, denn Anthony O'Neill hat bereits 2005 seinen ersten Roman veröffentlicht. Einen Krimi, und das merkt man "Dark Side" auch an. O'Neill gönnt sich bei der Plotgestaltung schon mal die eine oder andere Anleihe bei den historischen Hardboiled Klassikern.
Denn um nichts anderes als einen Krimi handelt es sich hier, der auch nur in einer nahen Zukunft spielt. Der aus dem Halbweltmilieu stammende Milliardär Fletcher Brass hat auf der erdabgewandten Seite des Mondes die mehr oder weniger autonome Region Purgatory gegründet. Die Kapitale namens "Sin" beherbergt alle möglichen Gestalten, die aufgrund ihrer kriminellen Vergangenheit dorthin gekommen sind - nicht alle freiwillig.
Aber der unbestechliche Polizeilieutenant Damien Justus ist freiwillig nach Purgatory gekommen, um seine Tochter zu schützen, weil er auf dem Mond nicht mehr durch eine Bedrohung der Tochter erpressbar ist. Er soll den Mord an 2 Vertrauten von Fletcher Brass aufklären. Offenbar geht es hier um die Macht in Purgatory, weil Brass auf eine längere Expedition zum Mars aufbrechen will, um "den Fortbestand der Menschheit" zu sichern.
Seine Tochter QT Brass scheint hinter all den Morden zu stecken, so will es jedenfalls ihr Vater aussehen lassen. Als Justus nach und nach herausfindet, dass Fletcher Brass die Morde befohlen hatte, um seine Tochter zu diskreditieren, lässt Fletcher seine Tochter durch ein Bombenattentat töten. Entnervt verlässt Justus Purgatory... um gleich darauf zurückzukehren.
Denn diesr Handlungsstrang wechselt sich permanent mit einem zweiten, sehr viel schnelleren Nebenstrang ab. Fletcher Brass hat einen Androiden namens Leonardo, der mehrfach geklont wurde. So ist Leonardo Grey sein persönlicher Adjudant und Leonardo Black sein Leibwächter, der offenbar verschollen ist.
Doch es stellt sich heraus, dass der irre Androide, der dauernd den "Brass Kodex", witzige Leitsprüche von Fletcher Brass, zitiert und dabei genüßlich Leute massakriert, Leonardo Black ist, der auf dem Weg von einem entfernten Labor auf der vorderen Mondseite nach Purgatory unterwegs ist, um seine Bestimmung zu finden. Die Techniker hatten einen Fehler gemacht, nun glaubt Leonardo Black, er sei der "Zauberer" und "König" von Purgatory.
Der totkranke Arbeiter Plaisance verfolgt Black, um ihn aufzuhalten. Vollkommen unerwartet wird er von Black getötet. O'Neill schmeisst damit diesen Charakter weg was für mich als Leser doch sehr überraschend war, fand ich jedoch geil so. Eine andere Figur, die Prostituierte Harmony Smooth, wird am Anfang des Romans parallel eingeführt und dann schlichtweg vergessen. Das wirkt erstmal wirr und unprofessionell vom Autor, aber Gemach.
Zum Ende klärt sich alles. Damien Justus bringt Leonardo Black zu Fletcher Brass, der ihn umbringen wird. QT Brass war doch nicht tot, denn Harmony Smooth wurde als Double hinoperiert und kam bei der Bombenexplosion planmäßig ums Leben. Es stellt sich dann die Frage, ob nicht QT Brass hinter der ganzen Intrige steckte, wird aber offen gelassen. Damien Justus entscheidet sich in den letzten beiden Absätzen zum Verbleib in Purgatory.
Der ganze Roman weckte in mir keinen Aha-Effekt, war aber sehr spannend geschrieben und insbesondere die Charakterisierung von Leonardo Black ist sehr gelungen. Ich könnte mir schon noch einige Abenteuer mit Damien Justus vorstellen, ebenso eine Verfilmung.

Mittwoch, 23. Mai 2018

Hartmudo: Mutter

28
Ich setzte mich dann doch noch zu meiner Löwin mit an den Tisch, weil ich mir bei Sunny und Co am Ende deplatziert vorkam. Sunny und Reiner machten wie immer keine Anstalten, mich in ein Gespräch einzubeziehen. Keine Fragen, wie es mir geht oder was ich sonst so mache. Das machte ich umgekehrt zwar auch schon seit Jahren nicht mehr wirklich ernsthaft, aber einen Versuch startete ich jedes Mal.
Es ist leider so, das die Entfremdung zwischen uns sich wohl seit Haralds Verurteilung zu viereinhalb Jahren Knast und meinem Brief an Harald, in dem ich meine Enttäuschung über sein Verhalten ausdrückte und den Kontakt abbrach, entwickelt hatte. Witzigerweise habe ich jetzt nur noch zu Harald einen guten Kontakt, im Frühjahr werden wir sicherlich auch erneut ins Stadion gehen.
Im Cafe wurde es bald Zeit, zum Schiff zu gehen. Quasi in zwei Gruppen gingen wir den kurzen Weg am Ostpreußenkai entlang. Wenn wir zwischen den Gruppen überhaupt sprachen, dann eher einsilbig. Wie sich fremde Menschen, die sich zufällig anlässlich eines Trauerfalls begegnen und sich logischerweise nichts zu sagen haben.
Die Kapitänin des Schiffes erwartete uns schon vor dem Steg. Sie begrüßte jeden von uns mit würdevollem Blick, ihre langsam und sorgfältig gesprochenen, besser ausgedrückt gesalbten Worte, gingen mir von Beginn an auf den Pisser. Es mag ihr Job sein, so gekünstelt eine professionelle Betroffenheit zur Schau zu stellen. Aber dann doch bitte wenigstens so, das die Unehrlichkeit dabei nicht so penetrant wirkt.
Sie erklärte uns das geplante Prozedere in aller Ausführlichkeit. Die Fahrt bis zur „Abwurfstelle" der Urne würde eine gute halbe Stunde dauern. Dort angekommen, würden wir alle zusammen aus der großen Kabine, in der auch Schnittchen bereitstanden und Getränke an einer Theke geordert werden konnten, herauskommen zum Deck am Heck. Die Kapitänin würde ein paar letzte Worte zur Verstorbenen verlieren und dann die Urne zu Wasser lassen.
Danach würden wir die Abwurfstelle dreimal umkreisen, jedes Mal von einem langen „Tuuut" der Schiffssirene begleitet. Ganz am Schluss würde die Kapitänin die Schiffsglocke läuten lassen, danach geht es auf die halbstündige Rückfahrt. Die Getränke sollten bitte vor Verlassen des Schiffes bezahlt werden.
Um die Schnittchen gab es bereits im Vorfeld dieser Veranstaltung Auffälligkeiten. Eigentlich war es uns egal, ob die Häppchen mit Lachs oder Mett belegt waren. Käse sollte hier natürlich selbstverständlich sein. Da jedoch die Brötchenhälften bereits geschmiert hingestellt wurden, mußten wir die Bestellung für die Fahrt auf dem Kutter am Vortag durchgeben.
Bei dieser Aktion hatte sich Wolfgang oder Reiner wohl verschätzt, beide (oder nur einer von beiden?) bestellte vier Brötchenhälften mit Mett. Da hatten Berta und ich im Vorfeld der kleinen Schiffstour etwas zu lästern. Und dass Reiner sich die letzten beiden Hälften auf der Rückfahrt zum Hafen reinprügeln musste, sorgte noch am Nachmittag auf der Rückfahrt nach Braunschweig für Häme.
Mittags jedoch saßen wir zunächst in der großen Kabine an einem langen Tisch. Berta und ich nebst Partnern saßen auf der rechten Seite, Sunny und ihr Clan links im Durchgang, hinter sich die Urne mit den Überresten unserer Mutter. Und hier endlich fanden wir alle zum Glück ein Thema, über das sich zu reden lohnte.
Genau, die Schnittchen. Über die Frage, ob die Brötchen sofort zu verzehren seien oder erst auf der Rückfahrt, brauchten wir nicht lange zu diskutieren. Da waren wir uns alle einig, nämlich das es sofort losgehen könne. „Die haben ja auch genug Brötchen geordert, da müssen die jetzt anfangen, sonst kriegen sie die nicht alle". Das ging nicht nur mir durch den Kopf, sondern garantiert auch Berta.
Da die Theke sich nun schon mal in meinem Rücken befand, orderte ich schnell ein Stützbier. Reiner und Wolfgang zogen mit. So verrannen dann die Minuten bis zum Ziel unseres kleinen Ausfluges mit belangloser Konversation, um die Stille zu bekämpfen. Jede Gruppe mehr oder weniger nur für sich.
Dörte und Wolfgang waren auf der Hinfahrt die meiste Zeit eh an Deck, um zu rauchen. Oma Sunny kümmerte sich derweil um die Kleine. Auch Reiner fühlte sich wohl bei den beiden Rauchern wohler, blieb doch auch er lange Zeit weg. Dies sehen zu müssen, tat mir dann doch irgendwie leid für Sunny.
Aber meine Schwester Sunny hat eine facettenreiche Persönlichkeit. Wenn man so wie ich oder noch mehr Berta mit zuviel Mitgefühl durchs Leben geht, dann vergißt man nur zu leicht die negativen Charaktere ihrer Persönlichkeiten. Heute würde ich sie glatt als Mutter Zwei bezeichnen, nach all dem, was noch folgen sollte.
Die Qual der zähen Fahrt in der Kabine mit einigen mir fremd gewordenen Menschen wurde nach einer halben Stunde jäh unterbrochen. Außerhalb der Dreimeilenzone stoppten wir und die Kapitänin schnappte sich die Urne; mit gütigem Blick und ruhiger Stimme bat sie uns nach Draußen, aufs Deck am Heck.
Da hatte ich schon mein zweites Pils intus, was wie üblich dazu führte, das sich meine Unsicherheiten in der Kommunikation mit schwierigen bzw. unlustigen Gesprächspartnern verflüchtigen. Jetzt war ich leicht enthemmt, was die Anderen über mich denken mochten, war mir relativ egal.
Also, nicht das ich pöbelte oder mit Sticheleien aufwartete. Nein, einfach drauf los labern und mich nicht drum scheren, was die Anderen davon halten mögen. Fast zwei Jahrzehnte Konsum von Marihuana, was jetzt auch schon eineinhalb Jahrzehnte zurückliegt, hinterlassen halt ihre Spuren, zur Abwechslung mal positiv.
An die genauen Worte der Kapitänin kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich hörte sowieso nicht wirklich zu, da sie mir auf den Zeiger ging. Mutter war in meinem Kopf, jetzt endlich war sie ihrem Walter nah, der ebenfalls in der Bucht von Travemünde lag. Das wollte sie schon, als das Grab meines Vaters auf dem Friedhof unweit der Kapelle, in der auch die Trauerfeier für Mutter stattfand, noch bestand.
Trotz all der nervigen Streiterei mit ihr nach dem Tod von Walter und des anschließenden Bruchs zwischen uns hatte ich ihr das nie übel genommen, dafür hatte ich mehr Verständnis als meine beiden Schwestern. An meinen Vater musste ich denken, und dass er diese Frau über alles geliebt hatte.
Diese Frau, die an anderen Menschen herzlich wenig interessiert war und nur für ihre Reisen gelebt hatte, bald die letzten 50 Jahre lang. Kreuzfahrten hatte sie besonders geliebt, obwohl sie selbst nicht schwimmen konnte. Nun, auf ihrer letzten Kreuzfahrt, musste sie doch ins Wasser. Und das ohne Schwimmring, ohne den sie früher, das weiß ich noch genau, nie in ein Schwimmbecken ging.
Sie bräuchte keine Angst mehr zu haben, unterzugehen und zu ertrinken. Sie war ja schon tot, sogar verbrannt. Möge sie in Feiern ruhen, meine Mutter. Ein Mensch, um den ich im Leben einen großen Bogen machen würde. Das auch so ein Mensch durchaus nett sein kann, ich auch positive Gefühle ihr gegenüber haben konnte, das will ich mir für mein restliches Leben als wichtige Erfahrung verbuchen.
Meine Löwin und ich hatten jahrelang mit ihr und Werner schöne Stunden wie Tage verlebt. In den Jahren war ich stolz auf beide, weil sie ihr Ding - das Reisen - auch noch im hohen Alter durchzogen. Zusammen waren sie lebensfroh und immer guter Dinge, das Gehässige entwickelte meine Mutter erst wieder nach Walters Tod.
Mutter muß sich nicht mehr mit dem Leben quälen, sie wollte auch nicht mehr. Mehr oder weniger einsam war sie in den letzten Wochen und Monaten gewesen, auch wenn sich ihre Kinder erheblich mehr als je zuvor um sie gekümmert hatten. Selbst meine Löwin, die von meiner Mutter sehr enttäuscht worden war, konnte wieder ohne Groll mit Mutter reden.
Doch das Lachen war Mutter am Schluss komplett abhanden gekommen, nicht nur wegen der Krankheit und dem Bewusstsein, das es jetzt zu Ende geht. Am Rollator gefesselt, hatte sie endgültig nichts mehr, für das sich das Leben lohnen würde. Ruhe sanft und friedlich, Mutter. Sei froh, das Du den weiteren Fortgang dieses Dramas um Dein Erbe nicht mehr mitbekommen musstest.
Mit übertriebenen Gesten ließ die Kapitänin Mutters Urne ins Wasser hinab. Nacheinander warfen wir Kinder und ihre Partner Rosenblütenblätter hinterher, Dörte und Wolfgang natürlich auch. Als letzter in der Reihe blieb es mir abschließend vorbehalten, den Korb mit den restlichen Blütenblättern in die See zu schleudern.
Still und andächtig standen wir alle an Deck, als das Boot die drei Runden drehte. Als die Schiffsglocke ertönte, gingen wir wieder unter Deck. Zusammen mit Wolfgang und Reiner trank ich noch 2 Wodka, mir war grad mal danach. Ich kann mich noch an leichte Sticheleien wegen der zuviel bestellten Brötchen erinnern, die sich Reiner noch flugs reinquälte. Der Mann lässt wirklich nichts umkommen.
Würdevoll gab uns die Kapitänin beim Verlassen des Bootes im Hafen noch die Hand; sie spielte ihre Rolle bis zum Schluss. Locker schlenderten wir dann noch zusammen an der Strandstraße entlang. Jetzt war Mutter da, wo sie im Tod sein wollte: Bei Walter.

Mittwoch, 16. Mai 2018

Hartmudo: Dritte Liga 2/2

Ich will mit dieser Aufzählung eigentlich nur sagen, dass ich das Team lange Zeit noch stärker gesehen habe als die Beinaheaufsteiger der letzten Saison. Doch leider steckte spätestens ab März der Wurm drin. Dank einiger lustloser Auftritte kam das Team nicht mehr entscheidend von der Abstiegszone weg. Die letzten 3 Spiele dann waren bis auf die ersten 20 Minuten in Kiel ein einziger Offenbarungseid; das Team bettelte förmlich um den Abstieg. Allein der stoische Gesichtsausdruck von Lieberknecht am Spielfeldrand des Heimspiels gegen Ingolstadt sprach Bände.
Ich denke, Spieler wie Trainer haben lange Zeit den Ernst der Lage unterschätzt und waren dann nicht in der Lage, das Ruder herumzureissen und wenigsten am Ende noch mal einen Zähler zu holen, der ja gereicht hätte. Wie letztes Jahr in Bielefeld, wo Eintracht mit 0:6 unterging, stellten mehrere Spieler das Fussballspielen bzw. -bolzen nach der Halbzeit in Kiel komplett ein. Da kann natürlich der Trainer gar nichts mehr machen, das ist klar. Letztes Jahr ging das wegen der Chance des Aufstiegs für die Folgespiele gerade noch mal gut, aber dieses Jahr... Die Fehler hatte Lieberknecht an anderer Stelle gemacht.
War die Taktik in den Spielen zuvor nicht vorhanden gewesen, so sahen die ersten 20 Minuten doch ordentlich aus. Eintracht spielte und kombinierte zunächst gefällig, bloss um irgendwann den Faden zu verlieren. Da war - wie in vielen Spielen zuvor auch - zu sehen, dass der eine oder andere Spieler nicht mehr auf die Anweisungen des Trainers hörte. Der Trainer erreicht die Spieler nicht mehr - diese Floskel war in den letzten 3 Tagen öfters zu hören und sie stimmte, leider.
Lieberknecht hatte gerade in der Rückrunde permanent die Aufstellung durcheinander gewirbelt. Das brachte ihm den Vorwurf der Planlosigkeit ein, war aber wohl eher dem Umstand geschuldet, dass sich der eine oder andere trotz Platz in der Startaufstellung verhielt, als ginge es um ein Trainingsspiel nach zweiwöchigem Trainingslager a la Magath. So geht das selbstverständlich nicht, da hätten die Verantwortlichen wie Ebel oder Arnold spätestens ab der Winterpause gegensteuern müssen.
Letztendlich wurde Lieberknecht, der gestern seinen Hut nehmen musste - halt! ...der keinen Vertrag für die dritte Liga angeboten bekam, sein zehnjähriges Jubiläum zum Verhängnis. Auf Teufel komm raus wollten alle dieses Event im letzten Heimspiel haben. Bitter hieran ist, dass lediglich ein verschissenes Pünktchen gereicht hätte, um den wohl bereits lange vorher feststehenden Abgang von Lieberknecht zu versüssen. Sicherlich kann es sein, dass eine Demission von Lieberknecht gar nicht geplant war und alle nächste Saison noch einmal angreifen wollten. Aber so wie die letzten Spiele gelaufen sind, in denen Eintracht sich ohne Not auf den 17. Tabellenplatz gehievt hatte, glaube ich das nicht.
Torsten Lieberknecht hinterlässt einen Scherbenhaufen, das muss ich leider konstatieren. Vom Präsidium kamen nach dem erwarteten Erstligaabstieg die Parolen, dass Eintracht sich unter die Top 25 in Deutschland platzieren wolle. Das von der eingespielten Kohle dank der geschickten Geldeinteilung durch Arnold ein Nachwuchsleistungszentrum errichtet werden sollte (und auch wurde), auf dass Eintracht als eine Art zweitem Freiburg langfristig seinen Platz finden möge.
Top 25 ist jetzt durch den Abstieg Geschichte. Neben Eintracht sind auch alle Jugendteams von Eintracht abgestiegen; außer Kijewski und Sauer konnte kein Spieler in die erste Mannschaft integriert werden. Sicherlich brachte Holtmann wenigstens Geld, das wars dann aber auch schon. Das Nachwuchszentrum wurde so zum Groschengrab.
Tietz und Düker, beides ehemalige Einträchtler, spielen jetzt erste Liga. Für Eintracht waren sie zu schlecht gewesen. Andere hochgelobte Spieler des Regionalligateams hatten diese Saison nie eine Chance erhalten. Lieberknecht hatte sie nicht heranführen können. Ich denke, dass er als ehemaliger Defensivspieler hierfür auch nicht der richtige Mann war, um das wohl vorhandene Offensivpotential der zweiten Mannschaft zu nutzen. Mal sehen, ob der Nachfolger dies anders handhabt.
Falls das so kommen sollte, hatte ich mit meiner eben geäußerten Ansicht recht. Andernfalls nicht, wer weiss das schon. Persönlich tut es mir um Torsten Lieberknecht leid. Schade, das in diesem Sport eine Gallionsfigur mit der Zeit abnutzt. Scheiss 10 Jahre; Torsten, wärst Du doch nur ein halbes Jahr früher gegangen. Von mir aus nach Union.
Eins noch: Das Privatleben in den Dreck zu ziehen geht gar nicht. Ob die böswilligen Gerüchte stimmen oder nicht, aber Leute, die solche Geschichten erzählen, dürfen sich nicht beklagen, wenn sie selbst wie Arschlöcher behandelt werden - im Beruf wie auch privat. Auch wenn ich nicht traurig bin, keine Pressekonferenz für Eintracht mit “Laberknecht” ertragen zu müssen, vermisse ich die Zeit mit ihm bis zum letzten Sommer. Damit meine ich mehr das “Wohlfühlfeeling” in Braunschweig, nicht mehr die spielerische Klasse der Eintracht. Die war, machen wir uns nichts vor, bereits in den letzten Jahren mehr und mehr abhanden gekommen.
Ein Spruch noch am Ende:
“Tradition bedeutet nicht das Verwahren der Asche, sondern das Weitergeben des Feuers.”
Daher, werte Einträchtler: Weiter gehts mit einem neuen Trainer, einer neuen Mannschaft in einer neuen Liga. Bitte aber wenigstens ab und an offensiv und begeisternd. Das hatten wir hier zuletzt vermisst.
Alles Gute, Torsten Lieberknecht. Putz die Nase und dann weiter....und bitte keine Pfiffe, wenn er im Stadion als Trainer eines anderen Teams steht.

Dienstag, 15. Mai 2018

Hartmudo: Dritte Liga 1/2

...kein Problem, wirst schon sehn...
Doch. Boah, bin ich sauer. Vertipp mich permanent, bin breit.Da hat die Eintracht im letztem Spiel der Saison bei Holzbein Kiel zweimal die Führung herausgeschossen, um dann sang- und klanglos mit 2:6 gegen eine Kieler Ersatzmannschaft zu verlieren. Das bedeutete den direkten Abstieg. Das Lebenswerk von Lieberknecht ist zerstört, keine Frage.
Und wer mir jetzt noch was erzählt über "hinten sicher" mit ner Dreier- oder Fünferkette - geht nach Hause! - Mann oh Mann. Ich oute mich jetzt mit "Lieberknecht raus" Rufen, weil alles andere jetzt keinen Sinn mehr macht. Es muss ein kompletter Neuanfang her - ohne Lieberknecht oder Arnold.
Heute alles wirr - noch nen Bier, Bayyy - beeee! Scheiss drauf, Lebbe geht weiter.
Das war gestern unmittelbar nach dem Spiel. Heute morgen bin ich mit Kopfweh und ohne meine Schlafmaske aufgewacht. Vor allem ohne Erinnerung an den Ausgang des Abends; lediglich die leere Schachtel Kekse und das angefangene, nicht ausgetrunkene Wolters auf dem Schreibtisch lassen mich erahnen, was nach den paar Zeilen oben noch geschehen sein könnte.
Meine Güte, ich bin immer noch richtig angefressen jetzt. Gegen die Kieler Ersatzelf – Markus Anfang schonte seine gelbverwarnten Spieler und einige weitere für das Relegationsspiel gegen Wolfsburg – lief es anfangs sogar gut. Das 1:0 durch Hochscheidt und sogar noch das 2:1 durch Reichel nach dem zwischenzeitlichen Ausgleich ließen unsere Hoffnungen auf den Klassenerhalt steigen, aber der erneute Ausgleich und die zwei weiteren Tore der Kieler zum 4:2 der Störche noch vor der Halbzeit brachen der Eintracht das Genick.
In der zweiten Halbzeit habe ich auch kein wirkliches Aufbäumen der Eintracht feststellen können. Die 2:6 Klatsche am Schluss gegen das Reserveteam von Holstein Kiel war dann folgerichtig und auch in der Höhe verdient.
Muttertag 2018. Nachdem wir Danny, Jessica und die Prinzessin kurz vor 15.00 Uhr nach erfolgreichem Spargelessen bei uns zu Hause verabschiedet hatten, fuhren wir schnellstens zu Pocke und Patti, um auf Sky dieses Entscheidungsspiels für die Eintracht anzuschauen. Noch vor Spielbeginn gesellte sich Tesla zu uns. Das Bier schmeckte wieder mal hervorragend und den Fürst Bismark tranken wir erst nach dem Seitenwechsel. Da war ja eh schon alles egal.
Ich komme nicht umhin, der Eintracht auch in diesem Spiel eine schlechte Note für den kämpferischen Einsatz auszustellen. So wie die Eintracht sich gerade in den letzten 3 Spielen präsentiert hatte, müsste man mit dieser Truppe auch um einen Verbleib in der dritten Liga bangen. Immerzu der lange Hafer auf den Stürmer, häufig sogar blind, kann es in der zweiten Liga nicht sein. Selbst in der Kreisklasse geht das nicht gut. Dieser Spielstil trägt eindeutig die Handschrift des Trainers, so leid es mir auch für den Menschen Torsten Lieberknecht tut.
Der Trainer hat ja auch folgerichtig die Schuld an der Niederlage gegen Ingolstadt auf seine Kappe genommen. Das ehrt ihn, aber im Verlauf der Rückrunde waren die Schwächen des Teams überdeutlich zu sehen. Wenn ich dann noch berücksichtige, dass Eintracht diese Saison zwar nicht den Aufstieg angepeilt hatte, aber garantiert nicht gegen den Abstieg spielen wollte, dann bleibt mir nur die Feststellung, dass er mit den letzten Spielen beinahe sämtliche Erfolge der letzten 10 Jahre zunichte gemacht hat.
Sicherlich stand er nicht persönlich auf dem Platz. Es geht hier aber nicht um einzelne Spiele, sondern um das Gesamtbild. Und da hat er meiner Ansicht nach den Fehler begangen, die bis zum Aufstieg in die erste Liga erfolgreiche Defensivtaktik mit schnellen Außen und Kontern weiterzuentwickeln. Hernandez ging im Winter, seine Leistung in der Hinrunde war auch nicht mehr zwingend. Khelifi hatte anfangs gute Ansätze, verschwand aber nach einiger Zeit aus der Startelf. Ein Hochscheidt ist auf Außen zu langsam - als er anfangs der Rückrunde eher zentral im Mittelfeld hinter den Spitzen agierte, war er auf einmal unverzichtbar.
Auf dieser Position spielte er einst in Aue. Seit 5 Jahren in Braunschweig, nahm ihn Lieberknecht erst Anfang dieser Rückrunde auf diese Position. Seit Kessels Weggang ist die Position rechter Außenverteidiger zur Schwachstelle in der Defensive geworden. Dies ist leider immer schlimmer geworden - selbst Hochscheidt musste dort schon spielen.
Gerade gegen Ende dieser Saison zeichnete es sich ab, dass ein Spielaufbau ohne ballsichere Spieler im Mittelfeld und/oder schnelle Außen nicht funktioniert. Das blinde Schwacken der Pille in die Spitze war auf Dauer einfach zu wenig; verletzte Stammspieler hin oder her.
Anfangs ging es ja noch halbwegs. Nyman sorgte für Betrieb in der Spitze und riß selbst Kumbela nochmal mit. Nach seiner Verletzung sprang Abdullahi in die Bresche und selbst Hofmann zeigte zunächst gute Ansätze. Samson war anfangs richtig stark und Khelifi konnte die Schwächephase von Hernandez kompensieren. Sicherlich waren die Verletzung von Baffo und dann noch Breitkreuz ärgerlich, wurden aber nach der Winterpause durch Tingager in der Innenverteidigung gut kompensiert. Teigl und Bulut sind in Braunschweig nicht wirklich angekommen und waren einfach nur teuer. Pech.

Dienstag, 8. Mai 2018

H Lecter: Viktor

1
Es ist jetzt auch schon etwas her, als Viktor starb. Aber obwohl ich nicht zu seiner Beerdigung gegangen war, möchte ich doch noch an einige gemeinsame Erlebnisse erinnern.
Viktor kannte ich bereits seit der 3. Klasse an unserer Grundschule, denn zu dieser Zeit tauchte er in Melverode auf. Über seinen damaligen Kumpel “Wanne” lernte ich Viktor kennen und alsbald waren auch wir ein paar Mal nach Schulschluss unterwegs.
An eine Begebenheit kann ich mich noch heute gut erinnern, es wird wohl in der 4. Klasse gewesen sein. So wie wir Jungens damals gestrickt waren, kokelten wir ganz gern. Wir hatten damals ja weder einen Gameboy, geschweige denn eine Spielkonsole. An Computer wie Smartphones war noch lange nicht zu denken. Zuhause gab es lediglich fünf Fernsehprogramme; und das auch nur, weil wir an der Zonengrenze beide DDR Programme empfangen konnten.
Eines Nachmittags fuhren wir also nach der Schule ins Lechlumer Holz, um dort ungestört kokeln zu können. Wir hatten ein Feuerzeug dabei und einige Plastiktüten. Aktive Umweltschützer bitte ich jetzt einfach mal, die nächsten Zeilen zu überlesen. Denn natürlich war der Gedanke an Umweltverschmutzung Anfang der 70er noch nicht sehr stark ausgeprägt; bei uns Bengels kurz vor der Pubertät schon mal gar nicht. Und so zündeten wir die Plastiktüten an, welche wir mit ausgestrecktem Arm von uns hielten, um so genussvoll zuschauen zu können, wie das schmelzende Plastik nach unten auf den Waldboden tropfte. Ach, wie herrlich das doch duftete! Viktor und ich waren vollkommen begeistert.
Da Viktor nicht in meiner Nachbarschaft wohnte, verlor ich ihn ab der 7. Klasse etwas aus den Augen, denn zu meiner Zeit in der Lateinklasse hing ich mit zwei anderen Typen ab. Wenn, dann sahen wir uns bei den Klassenspielen. Fußball! Das waren ja quasi Länderspiele. Und natürlich fällt mir noch der Sportunterricht ein; Viktor und ich waren die beiden schnellsten Läufer in der Klasse. Nur Lindemann konnte da mithalten - Viktor und ich liefen die 100 Meter zu besten Zeiten unter 11 Sekunden! Die waren zwar handgestoppt, aber immerhin.
Jetzt fällt es mir wieder ein: Wir waren in dieser Zeit zusammen zum Probetraining beim SV Süd gegangen, eben weil wir so schnell waren. Ich bezeichne das als Probetraining, weil ich lediglich ein- oder zweimal dort hingegangen war. Ob Viktor länger durchhielt, weiß ich nicht mehr zu sagen. Für mich war das jedenfalls nichts.
Später dann, in der Oberstufe, gehörten wir beide nicht zum engeren Kreis der erlesenen Stammbesetzung im "Trixi", der legendären Spielhalle im Heidberg. Wohl tauchten wir beide dort auch mal auf, aber ansonsten sahen wir uns eigentlich nur noch im Unterricht, soweit wir Kurse zusammen hatten.
Erst als ich während meiner Ausbildung, meinetwegen auch Studiums, mehr und mehr mit Pocke abhing, wir dann ja auch eine Männer WG gründeten, unternahmen wir hin und wieder etwas zusammen. Insbesondere eine Aktion zu Pfingsten ist mir im Gedächtnis haften geblieben. Dies müßte 1982 oder 83 gewesen sein.
Pocke wohnte noch in der Gliesmaroder; in der Zeit tauchten im Umfeld einige - genauer gesagt: 3 - Mädchen aus dem Remenhof auf. Weiß der Geier, warum die sich auf einmal in unser Leben drängten. Ein Mädel hatte sich unglücklich in Kid Pit verliebt und wollte sich deshalb aus dem Fenster stürzen; konnte jedoch von ihrer Freundin, die genau so hieß wie die legendäre Spielhalle, gerade noch davon abgehalten werden.
Aber zurück zu Viktor - reden wir über das dritte Mädchen, die langhaarige Dürre, deren Namen ich vergessen habe. An dem besagten Pfingsten waren wir zum Zelten in die Nähe von Wieltsche gefahren, um etwas Spass zu haben. Nicht wie die Dorfjugend, die in der Nachbargemeinde die Türen auszuhängen pflegte. Dies sei eine alte Traditio, wie man uns erzählte.
Nein, wir wollten nur mal wieder ausgiebig saufen und einfach mal in der Natur abhängen statt in einer vollgeräucherten Bude. So fuhren Pocke und ich zusammen mit Kid Pit und den Mädchen los in die Pampa; und bei dieser Aktion war auch Viktor mit an Bord. Wir fuhren über Wiesen an eine Kuhle, an der bereits Zelte aufgestellt waren. Dort hingen die wohl üblichen Motorradfreaks ab.
Das waren ausgesprochen schräge Gestalten; Trixi wußte zu berichten, dass diese Honks doch tatsächlich mit Knarren herumgefuchtelt hatten. Nicht dass sie oder wir bedroht wurden. Nein, diese Hirnis gaben einfach bloss an und wollten wohl die Mädels beeindrucken. Von diesem Ort habe ich ansonsten nur noch in Erinnerung behalten, dass ich halbbesoffen über dem Hang dieser Kuhle abhing und mit ungläubigem Staunen auf die gegenüberliegende Hangseite starrte.
Dort befand sich die ausgefahrene Fahrspur zu der Kuhle herunter. Und Kid Pit fuhr doch tatsächlich mit seiner alten Karre (ich meine, es sei ein Passat gewesen) den Hang hinauf. Besser gesagt, er versuchte es. Denn mit röhrendem Motor blieb er auf halber Höhe stecken; es hätte nur noch gefehlt, dass er den Hang herabgekullert wäre.
Das war vermutlich unser Abschied von den "harten" Jungs gewesen. Ich hoffe bloss, ich war nicht der Fahrer eines unserer anderen Autos gewesen. Wäre ja schön, wenn ich diesen steilen Hang geschafft hätte, aber dass ich tierisch angesoffen war, weiss ich heute noch.

Sonntag, 6. Mai 2018

Hartmudo: Machteburch

Endlich sitze ich hier mal in Ruhe. Im Les Amis in Stöckheim, habe eine Coke Zero vor mir stehen und freue mich darauf, in ca. einer Stunde Tesla zum Geburtstag gratulieren zu dürfen. Vorhin bin ich aus Magdeburg zurückgekommen - ich war dort zum Fussball mit Patti und Pocke beim 1.FC Magdeburg, der sein letztes Heimspiel in der dritten Liga gegen den FC Chemnitz austrug.
Fangen wir mal von vorne an. Bereits vor einem halben Jahr hatte Pocke die Karten für das Spiel von Magdeburg gegen Chemnitz klargesprochen. Wir gingen nicht unberechtigt von der Annahme aus, dass Magdeburg an diesem Spieltag - dem vorletzten der 3. Liga - den Aufstieg in die zweite Liga sicherstellen würde. Tatsächlich machten sie es zwei Spieltage vorher gegen die Fortuna aus Köln klar, so dass dieses Spiel gegen Chemnitz zu einem reinen Schaulaufen ausartete. Das lag nicht zuletzt daran, dass Chemnitz bereits abgestiegen war. Es ging lediglich um die Meisterschaft der Liga für Magdeburg - dies wird aber erst am letzten Spieltag nächsten Samstach entschieden.
Yes, von Eintracht ist hier keine Rede. Macht zur Zeit ja auch wirklich keine Freude, so wie sich der deutsche Meister von 1967 in letzter Zeit repräsentiert hat. Ich habe dazu eine Horrorvision: Der HSV steigt in die zwote Liga ab (geil), Wolfsburg gegen Kiel in der Relegation und Magdeburg steigt auf (gönne ich ihnen), während Eintracht die 10 Jahre mit Lieberknecht in der dritten Liga feiert, weil das Team als bester Absteiger aller Zeiten die zweite Liga nach unten verlassen muss.
Noch ist es (zum Glück) nicht soweit; Morgen gegen Ingolstadt kann die Eintracht es noch richten. Der HSV ist abgestiegen - zu 99%, das restliche Prozent heisst VFL Wolfsburg und das wäre natürlich auch schweinegeil. Kiel wird es wohl in der Relegation gegen den 16. der 1. Liga - im Moment Wolfsburg - nicht packen. Die wären in der ersten Liga eh nur Kanonenfutter, schlimmer noch als der BTSV vor 4 (3 oder doch 5?) Jahren.
Magdeburg, der Europapokalsieger der Pokalsieger von 1974. Joachim Streich, Joachim Pommerenke und selbstverständlich Jürgen Sparwasser waren damals die Helden, in deren Schatten sich die heutigen Fans gerne sehen. In Braunschweig sind dies die 67er, in Wolfsburg die 09er. Letztere erwähne ich nur, weil ich von Eintracht diese Saison enttäuscht bin und in der Sommerpause eine drastische Kursänderung erhoffe.
Tschüss Torsten Lieberknecht, der Verein hat mit Dir viel geschafft, aber nun ist die Zeit für einen Wechsel gekommen, weil Torsten die Mannschaft anscheinend nicht mal mehr zum Kampf gegen den Abstieg motivieren kann. Zugegebenerweise irre ich mich an dieser Stelle gern - warten wir es also ab.
Das in Braunschweig nach all den Jahren eine gewisse Nüchternheit eingetreten ist, verwundert wohl keinen. Die Aufbruchstimmung in Magdeburg beinhaltet eine Euphorie, die im Moment in Braunschweig nicht erwartet werden kann. Aber das müde Gekicke der Eintracht gerade in der Rückrunde lässt einen schon befürchten, dass der erhoffte Aufschwung unter die Top 25 in Deutschland nicht passieren wird; das gesparte Geld für das Leistungszentrum scheint auch ins Leere zu laufen, da in den letzten Jahren kein Talent den Sprung in die erste Mannschaft geschafft hatte.
Nun gut: Heute Morgen, 9.30 Uhr am ZOB Braunschweig. Mit Patti ud Pocke besteige ich den Bus nach Magdeburg, um das Spiel des FCM zu sehen und selbstverständlich das eine oder andere Bier zu schlürfen. Ein Magdeburger Fan, der bereits in Braunschweig zustieg, versorgte uns mit den letzten Informationen. Am Bahnhof in Magdeburg bekamen wir von drei Magdeburger Fans weitere Infos, so dass wir zu Fuss in Richtung Stadion aufbrachen. Das war nicht wirklich weit, und nach kurzer Zeit waren wir über die Elbe hinweg bei Silkes Zolleck angekommen.
Zeit fürs erste Bier; wir hatten auf dem Weg gelernt, das wir in Machteburch sind. Slang ist immer gut, also bleiben wir dabei. Jedoch vergessen wir das Zolleck, denn da gab es Krombacher. Und es wird doch niemand ernsthaft behaupten, dass dies anständiges Bier sei. Ich bitte Euch, liebe Pilskenner. Wir tranken es dennoch.
Weiter ging es danach - zu Fuss - zur Käseglocke, wo es etwas anderes gab, was, weiss ich leider auch nicht mehr. Auf alle Fälle schlorkten Pocke und ich dort noch einen Pfeffi, die örtliche Spezialität. Ich hoffe, dass mich dieser Minzlikör, den wir vorhin noch ab und an in unsere Kehlen laufen liessen, morgen nicht verfolgen wird. Eine Kollegin von Patti samt ihren Freunden machte uns gleich darauf auf die Choreo der Machteburjer Fans scharf. Diese hatten sich wohl anlässlich des Aufstiegs etwas ausgedacht.
kurz vor Anpfiff

Was soll ich sagen - das ganze Stadion (25.000 Leute) stand und sang mit, ein großes Banner wurde in der Fankurve aufgezogen und nach 20 Minuten stand es 3:0 für den FCM. So feiert man den Aufstieg - die Euphorie wird das Team, obwohl einige schon bei anderen Vereinen zu besseren Konditionen unterschrieben haben, nächste Saison weit tragen. Mit Glück soweit wie Kiel diese Saison.
Und Eintracht? Bitte haltet die Klasse. Nächstes Jahr erhoffe ich einen einstelligen Tabellenplatz. Für mich ist der BTSV jetzt am Scheideweg. Entweder geht es Richtung erste Liga mit mehrmaligen Auf- wie Abstiegen oder eben leider bergab in Liga 3. Im zweiten Fall würde ich meine knapp bemessene Zeit für andere Dinge verschwenden. Also nicht für den 1.FC Magdeburg oder ein anderes Team, sondern für alles mögliche außer Fussball.
Machen wir uns nichts vor: Heutzutage ersetzt die (abgöttische) Liebe zu einem Verein die Religion. Und ich bin nicht aus der Kirche ausgetreten, um einer anderen Religion, sprich Eintracht, beizutreten. Es hat mich diese Saison schon genug genervt, dass ich mich bei den Spielen der Eintracht dauernd über den Spielstand informieren musste, ja häufig genug das Elend über Sky mit ansehen musste.
Das Spiel in Magdeburg vorhin war mein erster Stadionbesuch diese Saison. Es ist bezeichnend, dass ich nach der Hinrunde und der noch schwächeren Rückrunde keine Lust verspürte, auch nur ein Spiel der Eintracht im Stadion zu schauen.
Aber genug des Jammerns. Pocke und Patti sind gerade an mir vorbei geradelt. Sie wollten zu Tesla, genau dahin werde ich jetzt auch fahren. Happy Birthday, Tesla. Ich komme.

Dienstag, 1. Mai 2018

Contramann: kurz gesehen im Mai

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/thomas-de-maizieres-leitkultur-wir-sind-nicht-burka-a-1145500.html
Thomas, da warst Du noch Innenminister. Und vor genau einem Jahr formulierte er 10 Thesen für eine (neue) Leitkultur in Deutschland. Mit demselben grimmigen Blick wie der alte Moses ist er vor die Menschen (Presse natürlich, keine Menschen) getreten und verkündet den Text auf seinen Tontafeln, die ihn der liebe Herrgott (Wirtschaftsweisen) diktiert hat.
"Wir sagen unseren Namen. Wir geben uns zur Begrüßung die Hand. Wir sind nicht Burka. Wir fordern Leistung. Wir sind Erben unserer deutschen Geschichte (das befürchte ich auch). Bach und Goethe waren Deutsche. Unser Land ist christlich geprägt. Wir stören uns daran, dass da einiges ins Rutschen geraten ist. Wir sind aufgeklärte Patrioten."
Diese Sätze habe ich willkürlich ausgewählt. Sie sind wissentlich aus dem Zusammenhang gerissen. So klingt es irgendwie AfD nah. Anders als Thomas, der ehemalige Innenminister, glaube ich nicht an die Notwendigkeit einer Leitkultur. Wenn Du eine solche erst mal formulieren musst, dann ist es eh zu spät.
Ob Thomas`Nachfolger, der Seehofer Horst als "Heimatminister", dies noch toppen kann?

http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/arbeitsmarkt-regierungsgutachten-rechnet-mit-job-gewinnen-durch-roboter-a-1200538.html
Ne, ist schon klar. Ein von der Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten kommt zum Schluss, dass durch eine weitergehende Automatisierung zwar Jobs wegfallen, dieser Verlust aber durch die Technologie mehr als kompensiert wird.
Frühere Studien, u.a. aus Oxford, haben ein wachsendes Heer von Arbeitslosen durch die fortschreitende Automatisierung prophezeit. Der Spiegel hält nichts von solchen "Horrorszenarien". Denn 2017 habe die Beschäftigung in Deutschland ein Rekordhoch erreicht.
Oh Herr, lass Hirn vom Himmel auf den Verfasser dieses Artikels regnen. Immer mehr Niedriglöhner, die noch vom Jobcenter aufstocken müssen. In Jobs, die (noch) nicht automatisierbar sind bzw. eine solche teurer ist als selbst der Mindestlohn. Das Positive kann ich hier nicht erkennen.
Am besten fand ich in diesem üblen Bericht noch das klassische Argument, dass durch Roboter die Produktivität weiter gesteigert werden kann und die Industrie daher mehr Leute an anderen Positionen einstellen würde, da der Stückpreis sinkt und damit der Absatz steigt.
Schade nur, dass unsere Welt und damit die potentiellen Kunden endlich sind. Mann Mann Mann, wer glaubt bloß so einen Müll?

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article175303001/Um-das-syrische-Schlachtfeld-tanzen-boese-Geister.html
Als ich diesen Kommentar gelesen habe, dachte ich unwillkürlich: „Und der Autor heißt auch noch Stürmer.“ Nur mal so zur Erinnerung: Die von Julius Streicher am 20.4.1923 zum ersten Mal herausgegebene Wochenzeitung war wegen ihrer antisemitischen Hetze berüchtigt. Nun ist der Welt Kommentator Michael Stürmer garantiert kein Neonazi und der Begriff „Hetze“ wäre im Vergleich zum historischen Stürmer übertrieben. Doch trotzdem stößt mir diese einseitige Agitprop in diesem Kommentar übel auf.
Dabei geht es hier nicht um die Juden, obwohl der israelische Luftangriff auf einen syrischen Luftwaffenstützpunkt hier relativ wertneutral erwähnt wird. In diesem Kommentar geht es eindeutig um die „Russen“. Die wollen nämlich, laut Stürmer zumindest, eine Militärkolonie im östlichen Mittelmeer etablieren und unterstützten daher Assad. Diese Brutalos wiederum würden Fassbomben mit Giftgas auf die letzte Rebellenbastion östlich von Damaskus abwerfen. Stürmer resümiert das Ganze als „absichtsvolle Vertreibung und die Flucht von Millionen Menschen vor Tod und Verderben.“
Das Pathos am Schluss kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schuldfrage für den letzten Gasangriff, bei dem 150 Menschen starben, noch unklar ist. Rebellen haben syrische Regierungstruppen beschuldigt, diese, bzw. die Russen, sprachen von einem durch die Rebellen inszenierten Anschlag und luden unabhängige Beobachter der UN zur Untersuchung vor Ort ein. Für mich klingt das nicht nach einer gesicherten Erkenntnis, nach der syrische Regierungstruppen die Verursacher wären.
Und überhaupt: Es waren doch die Amis und ihre Verbündeten, die auch mit eigenen Truppen gegen den rechtmäßig gewählten Präsidenten eines unabhängigen Staates zu Felde gezogen sind. Assad hatte lediglich die Russen um Hilfe bei der Bekämpfung der Rebellen in seinem Land aufgefordert. Erst die Intervention der Amis, die nicht mal davor zurückschreckten, Al Khaida nahe Rebellen mit Waffen zu beliefern, haben den Konflikt zu einem Bürgerkrieg eskalieren lassen, in dessen Folge die Menschen vertrieben wurden.
In diesem Kommentar fehlen nur noch das (angeblich) aggressive russische Engagement in der Ost-Ukraine wie auch der Krim. Mit solchen Kommentaren bereitet man die Bevölkerung in Deutschland auf den nächsten Krieg vor.

https://www.welt.de/politik/article175374663/Syrien-Krise-Neuer-Weltkrieg-Bitte-alle-mal-tief-durchatmen.html
Genau, Du Hirni! Der Kommentator sieht die Gefahr eines Weltkrieges aufgrund der Twitter Nachricht von Trump („Mach Dich bereit, Russland, weil (die Raketen) kommen werden, nett und gut und ‚smart‘“) als nicht gegeben an, weil Trump halt einfach nur der Dampfplauderer sei, der einen auf dicke Hose macht.
Aber Putin, oder allgemeiner: Der Russe, droht ja immer. Moskau würde mit „Drohgebärden spielen“, um davon abzulenken, dass das Land heruntergewirtschaftet sei. Was für ein Schmierfink ist da bei der Welt unterwegs; wenn ein Land wirtschaftlich heruntergewirtschaftet ist (wird), dann ist das die USA, die für die Chinesen oder auch uns Deutsche lediglich als Absatzmarkt interessant ist und deren Schulden nur noch deshalb von eben diesen gestützt werden.
Und überhaupt: „Die syrischen Giftgasangriffe auf die eigene Bevölkerung“. Wie auch die anderen im Kommentar erwähnten Begebenheiten sind diese Vorwürfe bislang noch nicht mit stichfesten Beweisen belegt worden, aber der Kommentator stellt dies als Tatsache hin. Und dass über diesem Artikel „Meinung“ statt „Kommentar“ steht, macht es auch nicht besser. Der Leser dieses Springer-Blattes unterscheidet das garantiert nicht.
Ich finde das schon atemberaubend, wie hier der wahre Kriegstreiber (Trump und seine ihm nachgeordneten Verbündeten wie Macron und Merkel) als Opfer dargestellt werden. Da werden bei mir Erinnerungen wach an alte und überwunden geglaubte Traditionen des deutschen Journalismus.
Wie kann das denn sein, dass sich diese Typisierungen wieder einschleichen? Anfang des 20. Jahrhunderts war es der Engländer, danach der Jude und hinterher der „Westen“ als Inbegriff des Bösen. Ist dies jetzt der Russe?

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linke-streit-um-sahra-wagenknecht-in-der-fraktion-herrscht-der-pure-hass-a-1204057.html
Vorab zusammenfassend zitiere ich einen Beitrag aus dem SPON Forum zu diesem Artikel: "Wenn jemand sagt, dass es unerträglich ist, dass sich einige Flüchtlinge weigern, wenigstens elementare Prinzipien unserer "Haus- und Hofregeln" zu befolgen und dies härter sanktioniert werden müsste, dann ist man noch lange kein Parteigänger der AfD (auch nicht "light")!"
Dieser dauernde Streit zwischen Frau Kipping und Frau Wagenknecht samt ihrer jeweiligen Anhänger geht mir immer mehr auf den Zeiger. Das die Wagenknecht als Spalterin der Partei hingestellt wird, weil sie eine linke Sammelbewegung initiieren will, ist lächerlich. Da sowohl SPD als auch Grüne aktuell auf das merkelsche "Weiter so" zusteuern, ist es unerlässlich, die noch links denkenden Menschen dieser Parteien über eine Hilfskrücke wie einer Sammlungsbewegung anzusprechen und ins Boot zu holen.
Dazu ist dieser Artikel mal wieder sehr tendenziös. Wird am Anfang die Kritik an Wagenknecht relativ sachlich und scheinbar wertneutral geschildert, so wird danach die Kritik an Kipping als "Bemühen" beschrieben, die Parteivorsitzende (Kipping) als intigrante Machtpolitikerin hinzustellen. Allein die Wortwahl des "Bemühens" gibt der Kritik von Wagenknecht und Co an Kipping einen negativen Touch. Objektive Berichterstattung sieht anders aus.
Interessant ist aber die neue Gruppe der "Bewegungslinken". Dies sind wohl ehemalige Berfürworter der Wagenknecht, die zusammen mit den Anhängern von Kipping ein Netzwerk gegen die Wagenknecht aufbauen. Was diese Leute auf einmal gegen Wagenknecht haben, wird in dem Artikel noch nicht einmal angedeutet. Schwache Recherche halt.
Der ganze Rummel erinnert irgendwie fatal an den Richtungsstreit der sowjetischen KPDSU nach dem Tod von Lenin. Stalin konnte sich damals ja relativ schnell gegen Trotzki dank einer effektiven Vernetzung durchsetzen. Bei den Linken befürchte ich eine SPD light unter einer Führung von Kipping, die vielleicht einiges drauf hat, allerdings keine Politik.
Das betonschädelige Festhalten an linken Träumereien, wie es Kipping und Co in der Flüchtlingsfrage praktizieren, ist eben nicht zielführend. Auch die letzte linke Socke könnte vielleicht mal begreifen, dass die Realität Hilfen für Flüchtlinge in deren Heimat gebietet und nicht eine ungezügelte Aufnahme in diesem Land, welches den Flüchtlingen ein Leben lang fremd bleiben wird und daher eine Integration verhindert.
Und noch ein Zitat aus dem Forum: " Verdammt noch mal, wir brauchen eine linke Alternative gegen diesen Rechtsruck in unserem Land, und die Argumente dafür liefert nun mal Wagenknecht und nicht Kipping. Wenn Ihr es jetzt mit Eurem Kindergartenverhalten versaut, macht Ihr Euch mit schuldig an allem was auf uns zukommt."

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/einkommen-aelterer-menschen-steigen-deutlich-schneller-a-1146926.html
Noch so ein Artikel, der direkt aus dem Hause Raffelshüsen zu stammen scheint. Das Einkommen der Älteren, sprich Rentner, steigt. Laut des Instituts der deutschen Wirtschaft spielt die private und betriebliche Altersvorsorge eine stärkere Rolle. Aber immerhin hat die Untersuchung auch ein wachsendes Armutsrisiko festgestellt.
Klar, wenn so wenig riestern... Wie soll denn ein Leiharbeiter oder Mindestlöhner noch Geld für die private Altersvorsorge zurücklegen? Betriebsrenten - Immer weniger Menschen bleiben ihr Leben lang in ein und demselben Betrieb. Was für ein schwachsinniges Untersuchungsergebnis.
Die Arbeitswelt hat sich geändert. Wir brauchen neue Konzepte, keine Leitkulturen und erst recht keine private Altersvorsorge. Geringere Arbeitszeiten, einheitliche Krankenversicherung nach dem alten skandinavischen Modell und natürligesetzliche Rente, die nicht von den Arbeitnehmern gezahlt wird, sondern über die Steuer.
Der Staat muss die Kontrolle hierüber zurückgewinnen. Die Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen in den letzten 30 Jahren müssen rückgängig gemacht werden, sonst fährt die Karre alsbald gegen die Wand.