Sonntag, 31. Dezember 2017

Hartmudo: MS Johannes Brahms 1/2

Bereits Anfang des Jahres hatten meine Löwin und meine Sestra Berta im Katalog von Ulli Reisen eine Flusskreuzfahrt entdeckt, bei der Bud und ich mitfahren mussten. Auf der fünftägigen Schifffahrt (mit 3 „f") klapperten wir zu Beginn der Adventszeit 4 Weihnachtsmärkte an Rhein und Neckar ab. Die einzelnen Stationen hierbei waren Heidelberg, Mainz, Rüdesheim und als Abschluss Koblenz. Die „MS Johannes Brahms“ ist übrigens das Schwesterschiff der Princess, mit der wir schon von Berlin (bzw. dann Magdeburg als Ersatz für die abgebrochene Tour wegen Motorschaden) nach Braunschweig geschippert waren.
Da wir auf dieser Reise mit Vollpension unterwegs waren, beschreibe ich diesen Kurztrip nicht wie gewohnt chronologisch und schildere stattdessen am Anfang den täglichen Ablauf an Bord, da dieser über die Tage dank der festen Essenszeiten nahezu unverändert ablief. Um jeglichen Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich an dieser Stelle anmerken, dass Routinen durchaus ihre positiven Seiten haben. Diese zeigten sich nicht zuletzt in diesem Urlaub, der auch gerade deshalb sehr entspannend verlief. Was allerdings negativ anzumerken bleibt, ist der Umstand, dass an Bord Veltins ausgeschenkt wurde. Natürlich kämpfte ich mich da durch, griff allerdings tagsüber, sprich am frühen Vormittag, auf Franziskaner Hefeweizen zurück.
Heidelberg?
Das Franziskaner war jedoch morgens beim Aufstehen noch außer Reichweite. Dank der dunklen Vorhänge in unserer Kabine blieben wir vom morgendlichen Sonnenaufgang verschont, wobei wir da eher über eine Dämmerung sprechen, die sehr langsam aus dem Nebel auftauchte und der Umgebung des jeweiligen Liegeplatzes oder des Neckar oder Rhein ein fahles Licht verlieh. Da ich unter dem Panoramafenster lag, konnte ich beim Erwachen kurz unter den Vorhang spähen und an der Helligkeit die Uhrzeit schätzen.
Im Dunkeln nahm ich meine Schlafmaske ab und schlüpfte in die Adiletten, um durch die enge Kabine zum Klo zu stolpern. Meine Löwin wollte ich nicht aufwecken, das Licht in der Kabine ist doch sehr grell, wenn man morgens die Augen aufschlägt und die gleißenden Helligkeit richtig wehtut. Auf dem Klo checkte ich zuerst WhatsApp, da ich das Handy bereits am Abend vorher zum Aufladen ausgeschaltet und an die Steckdose zum Essen eingestöpselt hatte.
Nach diesem morgendlichen Ritual war auch meine Löwin erwacht und löste mich in dem maximal 3 Quadratmeter großen Badezimmer ab. Wir gönnten uns jeden Morgen genug Zeit zum Anziehen, denn mit Berta und Bud hatten wir uns so gegen 7.45 Uhr im Restaurant verabredet.
Mainz?
Das Restaurant befand sich unter Deck auf Kabinenhöhe. Dort nahmen wir auf dieser Reise sämtliche Speisen ein. Frühstück und Mittag waren als Buffett gestaltet, Abends wurden Menüs serviert, für die wir uns jeweils am Vorabend zu Beginn des Abendessens entscheiden mussten. Die Sitzordnung war für uns Deutsche selbstverständlich vorher festgelegt worden, und zwar im Bus auf der Hinreise.
Ulli Reisen, also wir „Germans", saßen auf der linken Seite des Speisesaals. Rechts waren die Dänen untergebracht. Betrieben wird die MS Johannes Brahms von den Tulpenzüchtern, so dass alles schön im gewohnten Kulturkreis bleiben konnte. Hin und wieder kam ich mit einigen Dänen ins Gespräch, die Holländer waren immer Guss mit Servieren und Aufräumen. Zumindest eine Erkenntnis habe ich in diesem Kurzurlaub sammeln können: Deutsche Rentner unterscheiden sich von ihren dänischen Pendants in keinster Weise, die Kommunikation verlief untereinander in Englisch.
Unser Tisch befand sich am Anfang jener linken Seite, hier waren wir nicht allein. Die beiden Fensterplätze überließen wir zwei Frauen, die wohl mehr als nur gute Freundinnen waren. Und am Kopfende saß eine pensionierte Lehrerin, die alles wusste, aber von nichts eine Ahnung hatte. Abgesehen davon war sie leicht abgehoben, aber dennoch sehr nett. Im Laufe der vielen Mahlzeiten hatte ich mich mit ihr sehr gut verstanden, an Gesprächsstoff mangelte es uns nicht. Sogar Bud beteiligte sich ab und zu an diesem Geplauder.
Am Frühstückstisch waren wir mit Berta und Bud noch mit die ersten im Saal.
Morgens an Deck
Thermoskannen mit Kaffee und Tee standen griffbereit auf dem Tisch. Als erstes bereitete ich mir jeden Morgen ein Schälchen mit Müsli zu, ließ es aber immer erst noch stehen. Denn Müsli ist nur als Pampe endgeil, ansonsten staubt es zu sehr. Über die Tage wechselte ich ansonsten munter durch: Mal griff ich zum Rührei, mal durfte es ein gekochtes Ei sein und auf alle Fälle Toastbrot mit Butter und Aufschnitt.
Fettlebe also schon am frühen Morgen, so soll es sein. Die sonst übliche Zählerei der Punkte bzw. Kalorien ersparte ich mir in diesem Kurzurlaub. Als Gegengewicht beschränkte ich mich in der Menge an Wurst und Weizenmehltoast. Überhaupt war der Toaster ja auch zu scharf. Ein richtiger Apparillo, in dem die Toastscheibe auf einem Förderband durch den ganzen Ofen rutscht und dabei schön geröstet wird. Als optimal erwiesen sich jeweils zwei Durchläufe pro Scheibe Toastbrot.
So starteten wir alle jeden Tag gut gesättigt durch, das Schiff fuhr in der Regel mitten während unseres Frühstücks los, um die nächste Stadt anzulaufen. Nur am ersten Morgen saß ich nach dem Frühstück noch in der Bar, die direkt über dem Restaurant lag, mit dem schon erwähnten Franziskaner und schrieb ein bisserl auf dem Tablet. An den anderen Tagen kam ich nicht zum Schreiben, aber immer ging ich noch schnell an Deck, um frische Luft zu schnappen. Trotz stellenweiser großer Kälte genoss ich diese kurzen Momente der Stille, denn auf dem kleinen Schiff waren ansonsten ständig irgendwelche Leute um mich herum.

Donnerstag, 28. Dezember 2017

Uncle Fester: grad gelesen Dezember 2017

Alastair Reynolds - Okular (Poseidon`s Children 1)
Endlich ein neuer Mehrteiler vom Waliser. Und gleich der erste Band glänzt mit satten 800 Seiten. Reynolds startet seine Triologie gemächlich, die Story braucht bald 200 Seiten, um ordentlich Fahrt aufzunehmen. Diese Triologie ist mehr oder weniger die Geschichte der Familie Akinya, deren Mitglieder über die Jahrhunderte hinweg an den entscheidenden Momenten des Geschehens beteiligt sind. Dass eine afrikanische Union im 22. Jahrhundert zur führenden Macht auf der Erde aufgestiegen ist, bringt ein ungewohntes Szenario in die Science Fiction Gemeinschaft.
Hauptpersonen des ersten Teils sind die Geschwister Geoffrey und Sunday Akinya. Anlässlich der Beerdigung bzw. Trauerfeier für die verstorbene Urgroßmutter Eunice, die diese Dynastie und deren Reichtum begründet hatte, treffen die Familienmitglieder auf dem Stammsitz der Akinyas am Fuße des Kilimandscharo zusammen. Hector und Lucas sind die beiden anderen Mitglieder des Clans; Geschäftsleute durch und durch. Sie kümmern sich um die finanziellen Aspekte des Firmenimperiums.
Geoffrey ist eher der Hänger und lebt seit seiner Kindheit auf dem Familiensitz.Er kümmert sich um die in der Gegend lebenden Elefanten, erforscht deren Leben, dringt dank Nanotechnologie in deren Bewusstsein ein, um deren Intelligenz zu fördern. Sunday ist nicht direkt anwesend; sie „chingt“- das bedeutet, dass ihr Bewusstsein in einen Klonkörper vor Ort transferiert wurde. Sie selbst hat den Mond nie verlassen, wo sie mit ihrem Mann Jitendra lebt und mehr schlecht als recht als Künstlerin, sprich Bildhauerin, lebt.
Erst als Hector und Lucas Geoffrey dank einer Geldspende für die Elefantenforschung dazu motivieren können, ein altes Schließfach auf dem Mond zu untersuchen, nimmt die Geschichte Fahrt auf. Geoffrey findet lediglich den Handschuh eines alten Raumanzuges, aber Jitendra kann dadurch eine Verbindung zum Pythagoras Krater auf dem Mars ziehen. Eunice hatte vor ihrem Ableben diese Schnitzeljagd hinterlassen, aber warum?
Hier klinkt sich Geoffrey erst einmal aus und kehrt nach Afrika zurück, wo er den Tod des alten Hausverwalters der Familie namens Memphis beklagen muss. Dieser wurde von Elefanten totgetrampelt; Lucas und Hector scheinen da ihre Finger im Spiel gehabt zu haben. Tatsächlich wird Geoffrey gegen Ende des Romans erkennen, dass er der Schuldige am Tod von Memphis ist, weil er ein Kindheitserlebnis mit den Elefanten bei einer Gedankenverschmelzung eine Erinnerung geteilt hatte, bei dem Memphis einen Elefanten zum Schutz von Geoffrey und Sunday töten musste.
Noch auf dem Mond treten die „Pans“ auf den Plan; die Konföderation der Wasserwelten der Erde stellt den Gegenpol zur afrikanischen Union dar. Ihre Führerin Arethusa ist eine Inkarnation von Lin Wei, einer Schulkameradin und Weggefährtin von Eunice, bis diese sich zerstritten hatten. Die Pans unterstützen Geoffrey und Sunday bei deren Suche nach dem Geheimnis, scheinen aber wie die Pans eigene Interessen zu verfolgen. In gewohnter Manier hebt Reynolds den spekulativen Spannungsbogen merklich an, eine Stärke seines Schaffens.
Geoffrey wiederum begibt sich mit seiner Ex Jumai zum „Winterpalast“, einer Raumstation im Mond Orbit, auf dem Eunice die letzten 30 Jahre ihres Lebens verbracht hatte. Lediglich Memphis hatte sie leibhaftig in diesen Jahren besucht. Überhaupt stellt sich Memphis nach seinem Tod als ehemaliger Wissenschaftler heraus, der als einziger in Eunices Pläne eingeweiht war. Weiter findet Geoffrey heraus, dass Eunice einst mit Lin Wei auf dem Merkur zusammengearbeitet hatten, bis Eunice illegalerweise an einem Artilekt, einer künstlichen Intelligenz, gearbeitet hatte. Dass diese Forschungen zu Recht verboten sind, zeigt die einzig erlaubte KI namens Arachne.
Entwickelt für das Weltraumteleskop Okular, entwickelte Arachne ein Eigenleben und übernimmt insgeheim die Steuerung aller Computersysteme. Und Arachne steckt auch hinter allen Anschlägen auf Sunday und Geoffrey in dieser Story. Nicht Hector und Lucas sind die Feinde, das wird beim Anflug auf den Winterpalast deutlich. Beim Erreichen des Winterpalasts verliert Hector sein Leben; Lucas und Geoffrey werden im Epilog des Romans fast zu Freunden.
Im Winterpalast kann Geoffrey das große Geheimnis von Eunice lüften. Das Chibesa Prinzip ist eine Alienphysik, die Okular über ein künstliches Objekt im System 61 Virginis f entdeckt hatte. Und Eunice ist au8ch nicht wirklich tot, sondern auf dem Weg dorthin. Und der dort befindliche Planet Crucible ist das Ziel des nächsten Romans.
Ich habe Chama und Ghleb nicht erwähnt, auch nicht die „Konstrukte“ von Eunice; Sunday hatte eine KI aus den öffentlich zugänglichen Berichten über Eunice gebastelt. Jemals ein Exemplar begleitet Sunday wie Geoffrey bei deren Abenteuern. Obwohl es eigentlich nur 2 Erzählstränge gibt, ist die Story stark verschachtelt und damit vielschichtig. Der Roman ist in sich abgeschlossen – im 2. Band ist dann die nächste Generation gefragt.

Dienstag, 26. Dezember 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

20
Meine Löwin und ich zogen uns am Freitagmorgen für die Trauerfeier an. Klassisch, wohlgemerkt. Fertig angezogen, fuhren wir nach Melverode und parkten neben der Nikolaikirche ein. Dora und Herbert standen mit ihrem Wagen direkt neben uns.
Am Platz vor der Kirche steht ein alter Eichenbaum auf einer Rasenfläche. Als erstes gingen wir da hin, weil dort Sunny und Reiner, aber auch Dörte und Wolfgang standen. Ich sah Harald und seine Maria, die ich bislang nur einmal kurz vor 2 Jahren getroffen hatte, ebenfalls am Eichenbaum . Ich begrüßte alle nacheinander und versuchte sofort einen Dialog zu beginnen, aber irgendwie kriegten wir zusammen kein Gespräch hin. Mir selbst fiel zwar wirklich nicht viel ein, aber aus Sunnys Familie hätte ja auch mal ein Aufhänger zu einer Unterhaltung kommen können.
Sie wirkten irgendwie komplett gehemmt. Sollte es die Trauer um Mutters Tod sein? Einzig mit Harald konnte ich ein paar kurze Sätze wechseln, Maria konnte ihrerseits nicht viel beisteuern, da sie uns bekanntlich kaum kannte. Mich hatte sie bislang überhaupt erst einmal gesehen, meiner Löwin war sie noch gar nicht begegnet. Als Frankie und Grace, die besten Freunde von Sunny und Reiner aus ihrem Dorf, dann auch noch erschienen, war ich baff erstaunt.
Die konnten Mutter doch allerhöchstens zwei- oder dreimal im Leben gesehen haben. Sicher, Grace hatte für Mutter einen Rollator zur Verfügung gestellt. Aber es wäre mir neu, das Sunny Mutter in den letzten 20 Jahren öfters zu sich nach Hause geholt hätte. Und das Frankie und Grace Mutter besucht hätten, halte ich für ein Gerücht.
Egal, ich freute mich trotzdem, dass die Beiden da waren und hätte mich sehr gerne mit ihnen unterhalten; vor allem mit Frankie, den ich immer wieder gerne sehe. Aber durch den traurigen Anlass kam wohl auch zwischen uns kein Gespräch zustande. Deshalb ging ich flugs in Richtung Frida und Harald, die inzwischen auch eingetrudelt waren.
Zu dem Bruder von Reiner und dessen Frau, die auch da waren, ging ich anschließend nur noch zum Handshaking hin. Ich hatte in der Woche Sunny zwar gemailt, das ich mich über deren Besuch auch freuen würde, weil sie ja auch zur Familie gehören, aber wegen der etwas frostigen, fast abweisenden Begegnung mit dem „Clan" von Sunny hatte ich mir die Kommunikation mit Reiners Bruder dann doch verkniffen.
Zu dem Zeitpunkt schob ich das eher abweisende Verhalten der Leute um Sunny auf den traurigen Anlass und dachte nicht weiter drüber nach. Jetzt, da ich diese Ereignisse ca. 2 Monate später niederschreibe, denke ich da etwas anders drüber. Ich bin nunmehr, nicht zuletzt aufgrund der Auseinandersetzungen nach dem Eklat um den Schmuck, fest davon überzeugt, das all diese Leute nur zur Unterstützung von Sunny mitgekommen waren, die sich ja schon immer ausgeschlossen und benachteiligt gefühlt hatte. Dies betonte sie in den letzten Wochen ständig und rechtfertigte damit ihr asoziales Verhalten. Garantiert hatte Sunny ihre Sicht der Dinge in ihrer Umgebung, sprich Familie und Freundeskreis, dementsprechend geschildert. Nur Harald hat da einen anderen Blick drauf, weil er meine Löwin und mich im Gegensatz zu den Anderen schon mal in Aktion erlebt hatte.
Gundula und Gerd erschienen jetzt auch, selbst Bertas ältere Tochter Eveline (ohne ihren Mann Siggi) tauchten noch auf. Eveline wohnt keine 100 Meter Luftlinie von der Nicolaikirche entfernt, da kann man sich schon mal leicht verspäten. Das Siggi sich wie so häufig rar machte, war mal wieder typisch. Aber wenigstens kann ich über ihn sagen, dass er lediglich kein Familienmensch ist und sich korrekterweise ungern mit vielen Menschen umgibt. Ich wünschte, ich könnte dies auch von Sunny & Co behaupten. Auf der anderen Seite wiederum... Sie kamen der leidigen wie traurigen Pflicht wenigstens nach.
Dass die Urenkel von Mutter bis auf eine Ausnahme nicht dabei waren, ist gerade noch in Ordnung. Allerdings meinte meine Löwin vollkommen zu Recht, dass Evelines Kinder schon alt genug seien, um anstandshalber der Trauerfeier ihrer Urgroßmutter beizuwohnen. Nur Dörte brachte ihre kleine Tochter mit, für die das Ganze tierisch aufregend sein musste. Sie ist natürlich noch zu jung, um Trauer empfinden zu können, geschweige denn den Anlass dieses Treffens zu verstehen. Aber laut Sunny hatte Mutter die Kleine gemocht. Deshalb war es okay, nebenbei brachte sie wenigstens etwas Leben in die Bude.
Besonders freute ich mich auf die Mutter von Kroll, die es sich nicht nehmen ließ, bei der Trauerfeier ihrer ehemaligen Nachbarin Abschied zu nehmen. Wie in der Vorwoche bei Jopis Vater war sie als Vertreterin der Kirchengemeinde anwesend. In dieser engagiert sie sich, solange ich denken kann. Bis zum Beginn der Trauerfeier hatte ich mich mit ihr unterhalten, weil ich irgendwo im Hinterkopf doch etwas enttäuscht von den Leuten um Sunny und Reiner war.
Ich war bewusst auf die Familie von Sunny zugegangen, um sie mit in die Trauergemeinde einzubinden. Denn dieser Teil der Familie hatte sich seit Vaters Tod quasi gar nicht mit Mutter abgegeben, zumindest in der Zeit nicht, in der sie mit Walter zusammen war. Im Gegenteil, da kam von Sunny schon vor 20 Jahren die Befürchtung auf, dass Mutter das Erbe unseres Vaters mit Walter durchbringen könnte.
Wenigstens nach Walters Tod und der Zeit, als ich mich wegen seines Testaments und den möglichen Konsequenzen mit Mutter zerstritten hatte, war wohl der Kontakt zwischen Sunny und Mutter via Telefon entstanden. Das sie aber Mutter öfters besucht oder zu sich ins Haus geholt hätte, würde mich allerdings komplett überraschen.
Ich hätte mich gefreut, hatte insgeheim sogar darauf gehofft, wenn die Familie von Sunny durch dieses traurige Ereignis endlich wieder etwas näher an uns herangerückt wäre. Aber ich hatte eher den gegenteiligen Eindruck gewinnen müssen und war darüber schon etwas traurig. Deshalb unterhielt ich mich dann doch lieber mit der Mutter von Kroll, die ich immer als herzensguten Menschen erlebt habe.
Die anderen aus der Familie hatte ich deshalb nicht vernachlässigt, aber Krolls Mutter lenkte mich zum Glück von den dunklen Gedanken ob der kühlen Atmosphäre um Sunny und Co ab. Meine Löwin hatte auch alles im Griff und schaffte die Verbindung der verschiedenen Fraktionen besser als ich. Auch Danny schaute noch vorbei, das freute mich besonders. Sonst habe ich keinen vergessen, oder?
Alsbald erklang das Glockengeläut. Es war an der Zeit, in die Kapelle zu gehen. Ich ging zusammen mit meiner Löwin und Krolls Mutter hinein. Wenn der Anlass ein freudiger gewesen wäre, hätten wir drei uns wohl zusammen irgendwo hingesetzt und eine angenehme Unterhaltung führen können. Vor der Tür trugen wir uns vorher noch kurz in das Kondolenzbuch ein, dann gingen wir zum Abschiednehmen in die Kirche hinein.

Montag, 25. Dezember 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

19
Freitag, der 30. September. An diesem Tag fand die Trauerfeier in Melverode statt. Ich hatte bisher noch gar nicht erwähnt, das an diesem Wochenende ursprünglich das Cousinentreffen von meiner Löwin stattfinden sollte. Dafür hatten wir mit Dora und Herbert schon reichlich recherchiert und reserviert, mussten das aber absagen, da die Resonanz auf ein Cousinentreffen in Braunschweig eher mau war.
Es sollte zum Schluss bei einem Besuch von Birte und Kjelt verbleiben, ihr Bruder nebst Frau wollte auch kommen, Frida und Harald waren bei dieser Aktion auch involviert. Allein, der Tod meiner Mutter und die Trauerfeier an diesem Freitag zwang uns zur Absage an die Flensburger, die wir jetzt erst im Fasching wieder sehen werden. Darauf freue ich mich (sch... Deutsch).
Irgendetwas wollte ich noch erzählen, was war das noch? Ich hatte mit meinem Schwestern die Gästeliste besprochen, das war es nicht. Mannomann der Balzam! Ich kann nicht mehr klar denken, sitze hier in der Straßenbahn, während ich dies schreibe. Höhe meines Elternhauses, komme von Pocke. Balzam und Ouzo, schräge Mischung. 1 Tag vor dem Ballyhoo beim „Wohnungsflohmarkt".
Jetzt weiß ich es wieder, der Schmuck natürlich. Die Wurzel allen Übels, welches noch folgen sollte. Denn wohl am Tag vor der Trauerfeier hatte ich Berta gebeten, den Schmuck noch aus der Wohnung zu holen. Wann ich ihr das sagte, weiß ich nicht mehr. Ich arbeitete an diesem Donnerstag bis 18.00 Uhr und ging dann zum Doppelkopf ins Come in. Wahrscheinlich vom Handy aus - nach dem Hamburger im Imbiss Ecke Südstraße und vor dem Come In, in irgendeinem Hauseingang.
Der Hintergrund meiner Bitte an Berta war, dass der Termin der Trauerfeier wie üblich in der Zeitung veröffentlicht worden war. Und wer kennt nicht Aktenzeichen XY im ZDF? Irgendwelche Berichte von Wohnungseinbrüchen, während die Familie der Beisetzung des Wohnungsinhabers beiwohnte, haben wir doch alle schon mal gesehen, oder?
Erschwerend hinzu kam das Malheur, das Mutter auch noch am Totenbett beklaut worden war! Als wir von Mutter am Sonntagmorgen Abschied genommen hatten, lag dort noch eine Uhr sowie zwei Ringe. Einer mit Diamant und einer mit einem Amethyst, beide Ringe waren wohl sehr wertvoll. Sunny, Berta und auch meine Löwin hatten den Schmuck neben unserer toten Mutter auf dem Nachtschrank gesehen, hatten aber nichts gesagt, weil alle 3 natürlich nicht als geldgierig angesehen werden wollten. Bud und ich hatten das gar nicht erst registriert, wie wir Männer halt so sind.
Als Berta und Sunny am Montag oder Dienstag das Zimmer leer geräumt hatten, wie die Pflegedienstleitung es ja auch forderte, waren beide Ringe verschwunden. Auf Nachfrage bei der Pflegedienstleitung, wo die Ringe denn abgeblieben seien, bekamen sie nur zur Antwort, das der Bestatter die Ringe wohl unserer Mutter wieder umgemacht haben musste. So ein Blödsinn. Außerdem sei ja am Mittag noch ein Enkelkind dagewesen, dann hätte die es wohl mitgenommen. Eine Frechheit, dies Gundula (oder war Dörte auch noch da?) anzulasten. Eine polnische Pflegerin soll sich sehr komisch verhalten haben, dies hatte mir später Berta oder auch Sunny erzählt.
Ich erwähne dies, weil sowohl der Diebstahl an Mutters Totenbett als auch die tatsächlich vorhandene Gefahr eines Einbruchs in Mutters Wohnung Grund genug sein sollten, Wertgegenstände aus der Wohnung unserer verstorbenen Mutter in „Sicherheit" zu bringen. Wie hoch das Risiko eines Einbruchs tatsächlich ist, weiß ich selbstredend auch nicht abzuschätzen. Aber allein wegen des Diebstahls am Totenbett sollte es jedem normal denkenden Sterblichen einleuchten, warum eine Verlagerung der Wertgegenstände von Mutter angezeigt war.
Ergo hatte ich Berta darum gebeten, in der Wohnung vorbeizufahren und die Wertsachen zu sichern. Ich selbst hatte ja keinen Schlüssel und war an jenem Donnerstag auch nicht mit dem Auto von Phil unterwegs, denn wie gesagt: Abends spielte ich Doppelkopf. Der geneigte Leser ahnt jetzt sicherlich, wo hierbei das Problem steckte. Ich hatte Sunny nicht informiert, weil ich es schlichtweg vergessen hatte.
An diesem Tag hatte ich, wie geschildert, viel um die Ohren. 2 Tage zuvor war das Treffen beim Pastor gewesen, hinterher hatte ich noch mit meiner Löwin zusammen den Imbiss nach der Kirche organisiert. Deswegen war ich dann auch in den Tagen danach mittags immer zur Bank in Salzgitter gelatscht, um den Imbiss bezahlen zu können, da der Russe keine Kartenzahlung akzeptieren wollte.
Außerdem war ich schon seit Wochen genervt, weil ich fast täglich mit Berta wie auch Sunny telefoniert hatte, um Sachen zu regeln. Hierzu gehörte die Heimunterbringung, das Spritzen mit Morphium und eben die zu regelnden Angelegenheiten nach Mutters Tod. Permanent bekam ich von meinen Schwestern Rückmeldungen und Rückfragen wegen Besuchen oder Anschaffungen. „Damit Du auch informiert bist" sagten sie dann immer. Und wenn Berta oder auch Sunny mal etwas gemacht hatten, ohne mich zu informieren, hatte ich mich auch nicht aufgeregt. Ich habe mir nicht einmal gemerkt, bei welchen Aktionen sie dies so gemacht hatten, hatten sie vielleicht auch gar nicht, aber darum geht es nicht.
Im Job verlasse ich mich auch auf meine Kollegen, wenn ich z.B. im Urlaub oder krank bin. Oder abwesend bin und meine Kollegin die Kopie für mich macht, damit der Hilfeempfänger nicht so lange warten muss. Und dieses Vertrauen, dass ich meinen Kollegas entgegenbringe, erwarte ich daher auch von meinen Mitmenschen im Privatleben, egal ob es sich um Freunde oder die Familie handelt, also auch von meinen Schwestern.
Auf der Arbeit schreibe ich doch auch nicht wegen jedem Furz und Feuerstein einen Vermerk, dort beruht das Ganze übrigens auf Gegenseitigkeit. Und aus dieser Mischung aus dem Genervtsein ob der vielen Absprachen, teilweise wegen Nichtigkeiten, und dem Vertrauen, das ich in das Handeln meiner Mitmenschen setze, hatte ich es versäumt, mich bei Sunny zu melden.
Bis heute kann ich mir keinen vernünftigen Grund für die Vorwürfe, die Sunny später Berta und mir machte, erklären. Nur wenn ich Sunny böse Absichten unterstelle oder sie einfach reif für eine Therapie halte, ergibt es irgendwie Sinn. Genug erst einmal mit dem Vorgriff auf weitere Ereignisse, konzentrieren wir uns zunächst mal auf die Trauerfeier.

Sonntag, 24. Dezember 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

18
Nach dem Gespräch mit dem Pastor verabschiedete ich mich von meinen Schwestern und Reiner, der schon bei den Autos wartete, weil er Sunny abholen wollte. Von der anderen Straßenseite kam zeitgleich meine Löwin zu uns, die ebenfalls angereist war, weil wir heuer noch den Imbiss nach der Trauerfeier im „La Vita" buchen wollten.
Überhaupt meine Löwin. Sie unterstützte mich mit großer Tatkraft schon die ganze Zeit, seitdem es Mutter schlechter ging. Trotz der Differenzen und dem gehässigen Brief, den Mutter meiner Löwin nach dem Tod von Walter geschrieben hatte, war sie ohne Zögern über ihren Schatten gesprungen und half mit Rat und Tat bei der Unterstützung unserer Mutter. Hierbei trat Reiner übrigens in keinster Weise in Erscheinung, und auch Bud fuhr allerhöchsten mal mit ins Krankenhaus.
Dieses „Kümmern" ist zugegebenermaßen Sache der Kinder, also uns drei Geschwistern. Denn wir Kerle haben für so etwas keine Ader, ich auch nur deshalb, weil es ja meine Mutter ist. Egal, meine Löwin war schon seit Wochen sehr engagiert gewesen. Auf ihre, nicht meine, Initiative hin waren wir mit Mutter schon seit dem Frühjahr zweimal im Bravo-Park frühstücken und einkaufen. Meine Löwin begleitete mich auch oft bei Besuchen in Mutters Wohnung oder Krankenhaus, auch im Heim. Es war zwar schon 3 Jahre her, dass Mutter meine Löwin im Brief anpöbelte. Aber trotzdem achtete meine Löwin penibel darauf, dass ich mich wenigstens am Muttertag und ihrem Geburtstag bei Mutter melde, obwohl ich ja auch mit Mutter „gebrochen" hatte, weil sie mich mit den Beerdigungskosten für Walter im Regen stehen ließ und mir verschwiegen hatte, dass das Testament von Walter ungültig war. Sowohl Bertas Familie als auch meine Löwin und ich hatten seinerzeit richtiggehend geackert und Walters Wohnung geräumt, auch hier zeigten Sunny und Reiner keinen Einsatz. Ich weiß noch, das Bud seinerzeit fast zusammengeklappt wäre.
Das alles wollte ich an dieser Stelle nochmals erwähnen. In all den Jahren seit Vaters Tod hatte ich noch den engsten Kontakt zu unserer Mutter gehabt. Nachdem ich Anfang des Jahrtausends meine Löwin kennengelernt hatte, haben wir beide uns über 10 Jahre lang regelmäßig um Mutter und Walter gekümmert. Mit dem Butler Bonusheft klapperten wir die Restaurants ab, zu Geburtstagen und anderen familiären Aktivitäten waren stets wir es, die die beiden abgeholt und später nach Hause gebracht hatten. O.K., einige Male hatten das Berta und Bud übernommen. Die Beiden hatten Walter auch beim Räumen seines Häuschens am Steinhuder Meer geholfen, als sein Pachtvertrag dort ablief.
Während all dieser Jahre war der Kontakt meiner Mutter zu Sunny und Reiner eher spärlich zu nennen. Höchstens telefonisch hatten sie Kontakt; wie häufig, kann ich nicht sagen, weil Mutter ja die unschöne Eigenschaft hatte, nichts zu erzählen. Lieber beschwerte sie sich beim jeweils „Anderen“über eines von uns Kindern.
Erst nach dem Bruch zwischen Mutter und mir ist wohl ein engerer Kontakt zwischen Sunny und Mutter zustande gekommen. Das alles wollte ich an dieser Stelle vorab einmal klarstellen, weil sich Sunny im Verlauf der Beerdigung wie auch dem Auflösen von Mutters Haushalt gebärdete, als ob sich außer ihr niemand um Mutter gekümmert hatte.
Meine Löwin unterstützte mich, besser gesagt uns - also uns Geschwister - bei den diversen Abläufen in der ganzen Zeit mit großem Engagement, ohne uns Vorschriften zu machen. Die Männer meiner Schwestern hielten sich komplett raus, weil sie sich nicht einmischen wollten und meinten, das dies unsere Sache wäre. Das meinte meine Löwin auch, und deshalb machte sie auch nur Vorschläge, wenn wir irgendwie rumeierten. Denn die Erfahrung meiner Löwin bei der Organisation anlässlich des Todes ihrer Eltern kam uns so zugute.
Hierzu möchte ich nicht unerwähnt lassen, das ich während dieser ganzen Angelegenheit, also schon seitdem es Mutter schlechter ging und sie noch nicht im Heim war, des Öfteren übellaunig gestimmt war und meine Löwin mir dies tapfer nachgesehen hat. Oder mich in den Arsch getreten hatte, als ich es brauchte. Das war leider öfters der Fall gewesen.
Und nach dem Gespräch beim Pastor unterstützte mich meine Löwin bei der Planung des Imbisses nach der Trauerfeier, wobei sich ihr Know How als nützlich herausstellen sollte. Berta und Sunny ließen uns freie Hand bei der Gestaltung und Planung. Berta, weil sie uns vertraut, und Sunny, weil es mit Arbeit verbunden und es damit nichts „zu holen" gab, möchte ich mal böswillig behaupten. Vielleicht tue ich ihr damit Unrecht, doch Sunny musste sich natürlich wieder um ihre Pferde kümmern. Nichts Neues also.
Das klingt trotzdem gehässig? Werter Leser, ich schreibe diese Zeilen bald 2 Monate später und in diesem 2 Monaten hat sich viel getan. Ich hatte das in dem Moment, zwei Tage nach Mutters Tod, noch nicht so gesehen. Insofern greife ich hier vor. Jedenfalls verabschiedete ich mich auf dem Parkplatz von meinen Schwestern und ging mit meiner Löwin ins „La Vita".
Der Besitzer lächelte nett und bat uns, erst einmal in Ruhe etwas zu essen, was wir sowieso vorhatten. Wir würden noch genug Zeit zur Absprache des Imbisses haben. Das war uns sofort verständlich, da der Besitzer gänzlich allein viele Tische bedienen musste. Schließlich war es ausgehender Nachmittag und nicht wenige Leute bevölkerten die Tische, sie warteten ungeduldig auf ihre Bestellung.
Meine Löwin und ich hatten wohl beide Nudeln, oder hatte ich eine Pizza? Nach zwei Monaten weiß ich das schon nicht mehr, nur das meine Löwin und ich mit dem Essen sehr zufrieden waren. Die Speisekarte vom La Vita ist zwar sehr übersichtlich, aber ich finde das eher positiv, da die Speisen ausgezeichnet waren und zu einem geringen Preis angeboten wurden.
Nachdem wir also rundherum zufrieden waren, setzte sich endlich auch der Chef zu uns. Patti hatte mir vorab erzählt, dass der Besitzer vorher im Ivent im Heidberg als Koch gearbeitet hätte. Das konnte uns der Besitzer des La Vita so nicht bestätigen – denn er war dort der Chef, also der Betreiber gewesen. Warum er dann jetzt so eine kleine Pizzeria betreibt, wollte ich ihn nicht fragen, weil ich die Antwort eventuell angezweifelt hätte.
Weil das Essen im „La Vita“ top war, hörten wir uns die Vorschläge des Wirts in Ruhe an. Er wollte den Imbiss mit einer Tomatensuppe beginnen, was an sich schon mal gut ist. Dazu wollte er Baguettescheiben mit Aioli kredenzen. Das kannten wir schon aus dem Ivent, die Aioli war dort immer Klasse. Anschließend wollte er uns, quasi als Hauptgang, geachtelte Pizzen als Fingerfood servieren. Eine sehr schöne Idee; Meine Löwin bat noch darum, bei den Pizzen auch vegetarische Varianten mit hinzuzunehmen. Sie selbst ernährte sich seinerzeit überwiegend vegetarisch; und der eine oder andere Gast wohl auch.
Sunny hatte sich im Vorfeld einen schlichten Nachtisch gewünscht, Pudding oder so etwas in der Art. Dies wollte der Wirt zum Abschluss auch hinstellen, empfahl uns aber dringend sein Tiramisu, welches Klasse sein sollte. Zum Beweis gab er uns ein wenig davon zum Probieren, was soll ich sagen... Wir bestellten noch eine Schüssel Tiramisu zu dem Pudding.
Er wollte uns zwei Zehnertische für die ca. 20 Personen eindecken. Zusätzlich würde er vor seinem Laden einen weiteren Tisch für die Raucher reservieren. Das hörte sich alles hervorragend an, und so bestellten wir den Imbiss nach der Trauerfeier in seinem Laden. Kaffee oder Bier würde er uns auch noch reichen können. Über den Preis sprachen wir gar nicht, da hatte ich nicht daran gedacht oder wollte nicht geizig erscheinen. Ich weiß es nicht mehr, jedenfalls waren Essen wie auch der Preis sehr gut, soviel kann ich an dieser Stelle sagen.
Anschließend fuhren wir nach Hause. Der Tag war anstrengend gewesen, aber wir hatten viel erreicht. Ich setzte mich zuhause noch hin und guckte nach einer deutschen Version von „La Vie en Rose". Selbst von Vicky Leandros gab es da eine Version, das war mir neu. Als ich vorsichtshalber den deutschen Text des Liedes im Netz recherchierte, beglückwünschte ich mich zu diesem Schritt. „Schau mich bitte nicht so an" klingt nicht wirklich gut als Musik zum Gedenken, während man in einer Kirche sitzt und um einen Verstorbenen trauert.
Daher entschloss ich mich zum Original von Edith Piaf zu greifen, ihre Stimme ist ja unerreicht. Ich bannte den Song auf eine CD und brachte diese am nächsten Tag nach der Arbeit im Bestattungsinstitut vorbei. Den Rest erledigte der Bestatter, was auch gut war, denn so konnten wir uns in Ruhe auf den Tag der Trauerfeier vorbereiten.

Samstag, 23. Dezember 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

17
Meine Stimmungslage am Tag nach dem Tode meiner Mutter war weder niedergeschlagen noch traurig, obwohl ich ja arbeiten durfte. Schließlich kam ihr Tod nicht urplötzlich und wir alle hatten ausreichend Zeit, uns an den Gedanken zu gewöhnen, dass Mutter nicht mehr unter uns Irdischen weilen würde.
Dem Bestattungsinstitut hatte ich auf Nachfrage am Sonntag meine Emailadresse von der Arbeit gegeben. Und tatsächlich hatte ich den am selben Abend ausgearbeiteten und mit Berta wie Sunny abgesprochenen oder abgesegneten Text sofort an das Bestattungsinstitut geschickt. Und schon am Montagmorgen kam die prompte Antwort auf meinem Bildschirm im Büro. Die Anzeige sah in Ordnung aus, der Bestatter konnte sie so getrost an die Braunschweiger Zeitung geben.
Nur zwischendurch: Es kann auch sein, dass der Bestatter mir seinen Vorschlag einer Anzeige schickte und ich diesen dann mit Berta und Sunny telefonisch durchsprach. So genau erinnere ich mich nicht mehr, aber es ist wohl auch nicht wirklich kriegsentscheidend für das sich anbahnende Desaster gewesen.
Die wichtige Information des Tages aber war der vom Bestatter mitgeteilte Termin der Trauerfeier. Diese würde am Freitag, dem 30. Oktober um 12.00 Uhr in der Nikolaikirche in Melverode stattfinden. Donnerkiesel, dachte ich nur. Exakt eine Woche nach der Feier für Jopi's Vater, in genau derselben Kirche.
Manchmal schreibt das Leben merkwürdige Verbindungen. Denn am Tag der Trauerfeier für Jopi's Mutter hatten meine Löwin und ich vor 9 Jahren geheiratet. Und auch anlässlich des Todes von Jopi's Vater gibt es jetzt eine Verbindung zu meiner Familie. Besser gesagt zu mir, denn Familie.... Aber ich will nicht vorgreifen.
Mit meinen Schwestern war ich mir einig, das wir nach der Kirche den Trauergästen auch einen Imbiss anbieten wollten. Da das „Bistro Helena" in der Vorwoche nicht so toll abgeschnitten hatte, weil der Service eher etwas lustlos war, brauchten wir eine Alternative. Zum Glück wusste Patti, die ich am Sonntagabend wegen des Helena noch einmal kontaktiert hatte, eine Alternative.
Das La Vita im Melveroder Einkaufszentrum, in dem ich vor dem Gespräch bei Mutters Hausarzt schnell zum Pinkeln war. Patti und Pocke waren da wohl mit Pockes Eltern zum Essen gewesen und es sollte empfehlenswert sein. Also rief ich den Laden am frühen Abend an und vereinbarte einen Gesprächstermin für Dienstagabend. Wir brauchten Platz für ca. 20 Leute, das hatten wir unter uns Geschwistern schon geklärt.
Weil Berta oder Sunny einen Termin beim Pastor, der auch die Andacht halten würde, für den Dienstag um 16.30 Uhr vereinbart hatte, würde meine Löwin nach dem Gespräch hinzustoßen, um mit mir im La Vita zu essen. Meine Schwestern wollten leider nicht mit; ich sollte den Termin zum Imbiss im La Vita nach der Kirche mit ihrem Einverständnis buchen. Da die Pfarrei in der Bonhoefferkirche und die Pizzeria quasi gegenüber liegen, passte sich das für die Termine am nächsten Tag ganz gut.
Am besagten Dienstag machte ich eine Stunde früher Feierabend und schaute schon mal im La Vita vorbei. Ich hatte noch etwas Zeit, um in meinem Buch weiter zu lesen und noch einen Latte Macchiato zu schlürfen. Der russische (?) Betreiber der Pizzeria bediente mich höflich und ruhig. Er sagte mir, wir würden uns am Abend in Ruhe über den Trauerimbiss unterhalten können. So seine Ansage, ich war auch sofort von seiner Professionalität begeistert, zumal der Laden einen sehr gemütlichen Eindruck machte.
Kurz vor halb Fünf ging ich dann Richtung Dietrich Bonhoeffer Kirche, das große Gotteshaus gegenüber dem Einkaufszentrum. Auf den Weg traf ich auf Berta und Sunny, die bereits auf der anderen Seite in Richtung Büro des Pastors gingen. Nun würden wir also mit dem Pastor über unsere Mutter sprechen, so dass der Pastor eine schöne Trauerrede halten kann, die etwas über das Leben und Wirken unserer Mutter aussagt.
Wir klingelten an der Tür zum Büro, welche in einem Anbau zur Kirche untergebracht ist. Der vollbärtige Pastor, ungefähr in meinem Alter, öffnete nach einiger Wartezeit und blickte uns beim Begrüßen unverbindlich wie freundlich lächelnd an, wie Pastoren das nun mal so tun. Beim Gang in sein Büro fiel mir auf, das er rechtsseitig hinkte, wohl eine Knieverletzung.
Nach dem Setzen im Büro klärten wir kurz das Formelle für die Trauerfeier in 3 Tagen. Wie der Sarg aufgebahrt wird, daneben ein Foto von Mutter als Aufsteller und dass wir noch Rosen auf das Tuch vorm Altar mit den Kränzen und dem Sarg und dem Foto legen wollten.
Ich kannte das schon von der Trauerfeier letzte Woche für Jopi's Vater und sagte das dem Pastor auch, doch der ignorierte meinen Einwurf und kommentierte es auch nicht. Datenschutz, nehme ich mal an. Überhaupt wirkte der Pastor auf mich etwas emotionslos, man könnte auch sagen geschäftsmäßig. Seine Anteilnahme wirkte dadurch etwas aufgesetzt, aber das ist o.k., weil mehr Gefühl seinerseits wäre auch unehrlich gewesen, er kannte sie ja kaum.
Denn wenn er sie wirklich gekannt hätte... Aber lassen wir das, er kannte sie schon aus dem Altenkreises der Kirchengemeinde, zu dem sie Mittwochs immer ging. Dort erzählte sie laut dem Pastor nicht viel, blieb eher still und hörte zu. Wenn sie etwas zu erzählen hatte, dann von ihren Reisen. Da leuchteten wohl ihre Augen, denn das war ihre große Leidenschaft, wie der Pastor betonte.
Spätestens seit den 80er Jahren war das meiner Ansicht nach Mutters einzige Leidenschaft, von ihrer Zuneigung zu Walter einmal abgesehen. Das Verhältnis zu meinem Vater war bis zu dessen Tod wohl eher nüchtern gewesen. Ein einziges Mal hatte ich zwischen meinen Eltern Anfang der 90er, kurz vor Vaters Tod, so etwas wie Emotionen verspürt. Als Mutter mit gebrochenem Bein im Krankenhaus lag und ich mit Vater im Biergarten des Gambit gesessen hatte, meiner damaligen Stammkneipe gegenüber meiner Wohnung, und mich mit ihm vor unserem Besuch bei Mutter im Krankenhaus unterhalten hatte.
Wie liebevoll er von ihr sprach und dann hinterher am Krankenbett auch mit ihr umging. An diesem Tag erkannte ich nach all den Jahren: Vater hatte Mutter wirklich geliebt, auch wenn er ansonsten zumeist über sie und mit ihr geschimpft hatte. Umgekehrt würde ich das nicht unterschreiben wollen, die Jahre nach Vaters Tod und ihre wenigen Aussagen zu ihrem Ehemann bringen mich zu dieser Erkenntnis. Als Krönung hierbei fällt mir ihr Spruch nach zwei oder drei Gläsern Wein bei Sunny vor bald 20 Jahren ein: „Ich habe Eurem Vater den Orgasmus immer nur vorgespielt."
Dies hatte ich dem Pastor natürlich nicht erzählt, als er uns nach dem Leben unserer Mutter befragte, um Stoff für seine Trauerrede zu erhalten. Drei dieser Stories, die ich dann erzählte, nahm er hinterher auch in die Trauerrede auf. Wie sich Vater und Mutter kennenlernten, die widrigen Umstände ihrer Hochzeit (hier konnte Berta auch etwas beisteuern) und etwas aus Vaters Zeit in der Kriegsgefangenschaft.
Ich erzählte dem Pastor sogar die Story über die Reise nach New York von Mutter mit Walter, um ihm die Pfiffigkeit unserer Mutter zu verdeutlichen. Die beiden alten Herrschaften buchten den Flug für den 11.9.2002, also exakt 1 Jahr nach dem Terroranschlag auf das World Trade Center. Dieser Flug war extrem preiswert, weil alle Leute Schiss vor einem weiteren Anschlag hatten. Der Pastor fand diese Geschichte für seine Predigt ungeeignet, schaffte es dennoch beinahe, sein großes Missgefallen ob dieser Geschichte zu verbergen.
Während des Gesprächs mit dem Pastor wirkte Sunny auf mich merkwürdig still und in sich versunken. Ob sie das alles so mitnahm? Wie ich jedoch später von Berta erfuhr, hatte Berta sie sich wegen des Telefonats beim Hausarzt nochmal zur Brust genommen. Sie solle nicht so ausrasten und sich „wieder einkriegen". Das war demnach der Grund gewesen und nichts anderes.
Aber eines steuerte Sunny zum Gespräch doch noch bei. Das war ein Musikwunsch, der nach Meinung von uns allen in Mutters Sinn gewesen wäre. „La Vie en Rose" von Edith Piaf, möglichst in Deutsch. Berta erzählte abschließend noch viel von den 50er Jahren und später, so das sich anschließend ein rundes Bild ergab, mit dem der Pastor arbeiten konnte. Zum Schluss bat er uns noch, frühestens 10 Minuten vor Beginn der Trauerfeier vor der Nikolaikirche zu erscheinen, weil die Emotionen sonst überschlagen könnten. Auf Deutsch: Hebt Euch Eure Tränen für den Gottesdienst auf.

Sonntag, 17. Dezember 2017

Hartmudo: Jersey 7/x

7
Als ich die erste Dose endlich ausgenuckelt hatte, musste ich beim Schütteln der Dose zu meiner Überraschung feststellen, dass irgendetwas in der Dose klackerte. Meiner Löwin kam das auch merkwürdig vor, so dass sie sich bemüßigt fühlte, den McGyver zu geben. Mit einem Dosenöffner schnitt sie in der Küche den Deckel ab und legte den unerwarteten Inhalt frei. In diesem Fall war das eine vielleicht 2 cm breite Plastikkugel, die obendrein innen wohl hohl war. Später am Abend konnte Urmel per Whatsapp das Rätsel auflösen. Die frei bewegliche Kugel sorgt in der Dose für die Schaumbildung. Meine Güte, die Schotten. Die lassen sich aber auch Dinger einfallen…
Ich denke, es dauerte bis zur dritten Dose, als wir mit der zweiten Partie Take 5 durch waren, die ich wie erwartet (beide) verloren hatte. Jetzt war es an der Zeit, diesen ereignisreichen Tag vor dem Fernseher bzw. Tablet ausklingen zu lassen.
Mein Bier nahm ich natürlich mit, an diesem Abend war der Münchner Tatort aus der ARD Mediathek angesagt. Batic und Leitmayr gucken wir sonst überhaupt nicht, aber was sollten wir sonst machen? Schließlich gab es keine Alternativen. „Hardcore“ hieß diese bärenstarke Folge, die uns beide begeisterte.
Endlich mal wieder ein „normaler“ Krimi. Eine Leiche und dann die Suche nach dem Täter; sowohl die Kommissare als auch der geneigte Zuschauer rätselten, wer der Täter gewesen sein könnte. Dazu die grummeligen alten Kommissare, die sich die Bälle herrlich grantelig gegenseitig zuspielten. Meine Löwin schaffte das Ende nicht, ich dafür aber selbst die 4. Dose. Der Mörder der Pornodarstellerin war dann der Mann der besten Freundin des Opfers, weil er befürchtete, dass seine Frau, die früher ebenfalls im Business tätig war, wieder in die „Szene“ abgleitet.
Ich war fest entschlossen, Batic und Leitmayr nach dem Urlaub näher zu beäugen. Das Bier noch ausgetrunken, 2 – 3 Seiten gelesen und dann Licht aus. Meine Löwin schlief da schon eine Stunde, jetzt schloss ich mich ihr an.
Diese Nacht war jedoch leider eher von kurzer Natur, da mich mal wieder die linke Hüfte schmerzhaft quälte, auf dass ich gegen halb Fünf in der Früh aufstand und aufs Klo taperte. Gut, dass wir noch das Klopapier gekauft hatten, ich konnte es gerade gut gebrauchen. Mit meinem Tablet bewaffnet, eruierte ich die neuesten Nachrichten aus Deutschland. Anschließend setzte ich in der Küche zuerst einen Tetley auf, bevor ich die ersten Zeilen dieses Berichts in die virtuelle Tastatur hämmerte.
Um 7.00 Uhr wollten wir eigentlich aufstehen; den Wecker hatte ich da schon lange deaktiviert. Meine Löwin wurde natürlich auch schon vorher alleine wach. An mir lag es diesmal nicht, da ich mich nicht nur leise verhielt, sondern auch die Tür des Wohnzimmers geschlossen hatte. Zumindest hatten wir jetzt noch genügend Zeit, um einen Toast nebst Tee zu uns zu nehmen. Der Aufbruch in diesen Tag verlief somit stressfrei.
Frisch war es an diesem Morgen, als wir das Appartement in Richtung Elisabeth Pier verließen. Wir gingen einen leicht anderen Weg als am Vortag; nicht wieder direkt am Yachthafen entlang. Als Schutz gegen den Wind hatte ich mir einen Schal umgelegt, den ich mir zwischendurch am Vortag gekauft hatte. Dazu dieser graue Himmel – es wird doch nicht etwa noch regnen? Was das angeht, hatten wir Glück und blieben vom Regen verschont.
Der Weg an den Lagerhallen des Hafens vorbei sparte uns doch glatt 5 Minuten Fußmarsch, so dass wir das Elisabeth Harbour Terminal etwas früher erreichten. Gerade rechtzeitig, bevor das große Nieseln einsetzte. Im Terminal brauchten wir uns zum Einchecken nicht lange anstellen, weil wir unsere Tickets bereits am Vortag gekauft hatten. Wir legten lediglich den erhaltenen Zettel und unsere Persos vor, schon hielten wir die Boarding Karten in der Hand. Wie auf dem Flughafen beim Auslandsflug.
Andere Reisende hatten sogar noch Gepäck zum Aufgeben, auch gab es für die zahlreichen „Kurzentschlossenen“ am anderen Schalter noch etwas Wartezeit obendrauf. Wir setzten uns erst mal in die Halle auf die hellblauen Sitzbänke, es war ja noch reichlich Zeit bis zur Abfahrt des Condor Katamarans. Ich besorgte von der Bar Kaffee für mich und Tee für meine Löwin, jetzt hatten wir immer noch über eine halbe Stunde Zeit.
Wir sahen die Fähre schon anlanden, mussten jedoch relativ lange warten, ehe die Passagiere die Fähre verließen. Nach gefühlt einer weiteren Viertelstunde schlichen die Passagiere, die aus Guernsey kamen, an uns vorbei. Aus dem Lautsprecher nuschelte eine autoritäre Männerstimme irgendetwas Unverständliches. Da alle Leute jetzt aufstanden, erklärten wir uns solidarisch und gingen einfach mit den Leuten durch zum Einchecken.
Und jetzt kommt es! Wie beim Check In beim Fliegen mussten wir eine Kontrolle passieren. Schlüssel und Co kamen wieder ins Körbchen für das Förderband durch den Röntgenapparillo, dazu legte ich weisungsgemäß noch meinen Gürtel, Smartphone und die Uhr. Nicht aber mein Klappmesser (das hatte ich vorsorglich auf dieser Reise nicht mitgenommen).
Aber halt, da war doch noch was… Richtig, meine Tasche mit dem Buch! Ich Idiot hatte die Tasche in der Halle liegen gelassen. Schnell stratzte ich zurück und hatte Glück. Die Tasche war noch da, damit hatte ich auch was zu lesen für die Überfahrt. Der ältere und gemütliche Securitymann untersuchte mich nur oberflächlich, dann war ich durch die Schranke ohne Piepen durch.
Anschließend gingen wir aus dem Gebäude raus. Wie die Lemminge schlichen wir Passagiere nun die ca. 150 Meter an dem langgezogenen Pavillon im einsetzenden Regen zum Schiff. Neben uns fuhren schon die PKWs auf die Fähre drauf. Aber auch dies ging zu Ende, wir hatten den Katamaran erreicht und gingen erst einmal in die große Innenhalle.

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Sonny West 4/4

Im Frühjahr 1958 kehrte Sonny West in die Clovis Studios zurück, um mit u.a. Sonny Curtis, dem Gitarristen der Crickets, eine Session einzuspielen. Als der Pianist Vi Petty während dieser Session einen Opener a la „At the Hop“ nicht hinbekam, kommentierte Sonny West das entsprechend. Doch weil Sonny Curtis statt des tatsächlich Gesagtem „Vi spielt es nicht in der Art, wie ich es wollte“ „Vi kann nicht spielen“ verstand und daraufhin einen Wutanfall kriegte, war die Stimmung in der Session dahin. Dies erklärt vielleicht, warum die Songs „Baby Bessie Lee“ und „Linda loves a Hula Hoop“ nicht als Single veröffentlicht wurden. Trotz dieser Mißlichkeiten rockt Sonny Curtis auf „Hula Hoop“ immer noch so gut, dass einige Kritiker dies als eine seiner besten Arbeiten an der Gitarre bezeichnen.
Es könnte allerdings auch daran gelegen haben, das sich Sonny West und Bill Tilghman bei der Unterschrift des Vertrages geweigert hatten, Norman Petty wie gewöhnlich als als Co-Autor zu akzeptieren. Wütend zerriss Petty den Vertrag und beendete die Zusammenarbeit mit Sonny West. Die beiden Songs tauchten im Herbst 1958 lediglich auf Tape Boxen bei Nor-Va-Jak auf.
Aus dem hoffnungsvollen Musiker Sonny West wurde einer der vielen rastlosen Künstler, da er nun nicht mehr unter der Obhut von Norman Petty stand. Schon damals bedeutete dies das Karriereende oder zumindest einen Knick in derselben.
Kurz nach dieser Session verließ Sonny West den Dunstkreis von Norman Petty auch räumlich und verzog nach Odessa, Texas. Im Januar 1959 war er am Tiefpunkt angelangt. Ausgekühlt und hungrig kehrte er desillusioniert nach Grants in New Mexico zurück, wo er seine Kindheit verbracht hatte. Er schwor sich, niemals nach Texas zurückzuziehen. Tatsächlich hielt dieser Schwur über 40 Jahre; dann zog er nach Abilene.
Im Frühjahr 1959 versuchte Sonny West nochmals, im Rock `n` Roll Business Fuß zu fassen. Lediglich mit Audiorekordern nahm er in Phönix 2 Songs auf. Bei „Love Denied“ und „Pretty little Girl“ wurde er von Al Casey an der Gitarre begleitet. Keine dieser beiden Aufnahmen wurden auf Platte veröffentlicht, doch Waylon Jennings, der zufälligerweise zum Zeitpunkt der Aufnahme in Phönix gearbeitet hatte, coverte „Love Denied“ 1963 für A & M. Dies war also kurz vor Beginn seiner Solokarriere (Jennings stammte ebenfalls aus Lubbock und war Bassist auf der letzten Tour von Buddy Holly. Jennings musste seinen Platz im Flugzeug dem Big Bopper überlassen und überlebte deshalb).
Nach diesem Fehlschlag vergingen weitere 2 Jahre, ehe sich Sonny West erneut mit Al Casey zusammentat und einen Song von Freddy Fender aufnahm: „Wasted Days and Wasted Nights“. Da West an das Hit-Potential des Songs glaubte, versendete er die Aufnahmen an das Bandbox Label aus Denver. Eigentlich wollte das Label West eine professionelle Aufnahme der zwei Songs der Session in Hollywood finanzieren, entschied sich dann aber urplötzlich anders.
So erschienen auf Bandbox die in Phönix gemachten Aufnahmen dieser Songs, die von West eigentlich als Demos und eben nicht als „fertige“ Songs vorgesehen waren. Vollkommen ohne Promotion verkaufte sich die Single nur mäßig, so dass Sonny aufgab und das Label verließ.
Auch sein letzter ernsthafter Versuch, im Musikbiz Fuß zu fassen, war also gescheitert. Es folgte lediglich ein sechsmonatiges Engagement in „Mike`s 66 Club“ am Stadtrand von Grants, dann war seine Karriere endgültig vorbei. Sonny verschwand Anfang der 60er Jahre in einer pseudo-religiösen Sekte, was ihn fast zerstört hätte. Die Sekte überredete ihn, mit der Musik aufzuhören und all seine verbliebenen Kopien und Singles auf den Müll zu schmeißen.
Irgendwann in den 60ern gelang es ihm glücklicherweise, sich von der Sekte zu lösen. In all den Jahren danach verdiente er seine Brötchen mit der Reparatur von Musikboxen und Flippern, arbeitete auch als Rancher und Silberschmied. Schließlich arbeitete er als Gerätetechniker an Fotokopierern.
In all den Jahren hatte er wohl wieder musiziert, aber erst in diesem Jahrtausend tauchte er auf mehreren Rockabilly Revival Festivals auf. Sonny West ist somit einer der unzähligen Musiker, die in den 50ern ihre Chance suchten und nicht nutzen konnten. Immerhin schrieb er zwei Klassiker des Rock `n`Roll, die ihm ja auch die Tür bei Norman Petty öffnete. Und „Rock-ola-Ruby“ ist einfach nur ein geiles Stück, dass einen größeren Erfolg verdient gehabt hätte.

Sonntag, 10. Dezember 2017

Hartmudo: Jersey 6/x

6
Wir waren an diesem Tag schon sehr lange zu Fuß unterwegs und daher auch etwas durstig, so dass wir uns nach den beiden Märkten erst einmal hinsetzen wollten. In der Fußgängerzone entschieden wir uns nach kurzzeitigem Überlegen für einen Pub gegenüber einem teuren Klamottenladen. Für meine Löwin eine Diet Coke, für mich ein kalt gezapftes Carling. Derart bewaffnet setzten wir uns in der nachmittäglichen Sonne an einen Aussentisch des Pubs in Blickrichtung der Fußgängerzone.
Einfach in Ruhe zu sitzen, das Bier zu schlürfen und die Leute zu beobachten. Das war jetzt genau die richtige Aktion. Gegenüber saßen einige Jugendliche auf dem Straßenpflaster herum; 2 Polizisten kamen hinzu und redeten auf die Jugendlichen ein, ließen sich auch die Ausweise vorzeigen. Nach kurzer Zeit wurde ein Mädchen von einem 3. Bullen abgeführt. Mittlerweile waren auch die Leute aus dem Pub nach draußen gestürmt, um die Szene zu betrachten.
Urplötzlich eskalierte das Ganze dann. Warum, war nicht zu entdecken. Ein Jugendlicher wehrte sich gegen eine Festnahme; mit 2 Polizisten kriegten es die Bullen nicht wirklich in den Griff. Da waren wir dann doch baff erstaunt. Vor uns holte dann irgendein Idiot sein Smartphone raus, um die Szene zu filmen. Spanner!
Aus der Kneipe heraus kam mit einem Mal ein anderer Typ rausgerannt und stürmte ins Geschehen, half den beiden Bullen, den Jugendlichen bewegungsunfähig zu halten. Ein bizarres Bild, welches sich uns hier präsentierte. Nachdem die Bullen dann den Jugendlichen abgeführt hatten, beruhigte sich die Situation spürbar und die Gaffer verschwanden wieder im Inneren des Pubs.
Auch wir hatten jetzt genug Aktion serviert bekommen. Wir tranken aus und gingen in Richtung Mark & Spencer, während sich die Bullen weiter mit den verbliebenen Jugendlichen beschäftigten. Es war nun auch schon langsam Zeit, denn wir hatten nur eine halbe Stunde Zeit, bis der Laden schloss. Meine Löwin schaute sich im Erdgeschoss bei Blusen und Shirts um, während ich im 1. Stock in der Herrenabteilung meine Runde drehte.
Die Preise bei Mark & Spencer hatten mir dann überhaupt nicht gefallen. So schön manche Hemden oder auch Sweater/Pullover aussahen, sie waren mir einfach zu teuer. Da kam der Knickrige in mir wieder zum Vorschein; bereits nach wenigen Minuten befand ich mich wieder im Erdgeschoss, wo meine Löwin wenigstens noch ein schönes Shirt fand.
In der rechten hinteren Ecke befand sich eine Lebensmittelabteilung, die natürlich sofort unser Interesse weckte. Die Abteilung war mehr oder weniger ausschließlich mit Kühlregalen bestückt. Herzstück des Angebotes waren hier die fertigen Salate. Eingedenk des vorhergehenden Abends griff ich zu einer Schale Coleslaw, da kann man nichts falsch machen.
Auch meine Löwin wurde hier fündig und so konnten wir uns auf den Rückweg in unser Appartement begeben.
Einen kleinen Zwischenstopp mussten wir allerdings zuvor noch schnell einlegen, da mich seit Jahrzehnten ein uraltes Trauma quält: Es könnte nicht genügend Klopapier im Haus sein! Und bei uns war es knapp. Bei Bezug des Appartements waren leider nur 2 Rollen davon im Bad. Und die waren jetzt schon fast alle.
die blaue Frau

Wir fanden 200 Meter vor unserem Appartement noch einen kleinen Foodhall, der den benötigten Artikel im Viererpack vorrätig hatte. Apropos Viererpack: Bier war bis auf eine Dose auch alle. Alarm! Aber auch für diesen Notfall fand sich im Foodhall eine brauchbare Lösung. Meine Wahl fiel auf „John Smith`s Extra Smooth“, einer Sorte aus Edinburgh. Von den unerschrockenen Schotten natürlich, Serve Cold stand unten auch noch an der Dose drauf. Ja was denn sonst? Im Appartement angekommen, packte ich zuerst mal die Biere in den Kühlschrank. Noch bevor ich meine Schuhe auszog! Warmes Dosenbier? Niemals!
Einschub: Wir kamen noch mal an dem schon erwähnten Bankengebäude vorbei. Die waagerecht hängende Skulptur einer Frau leuchtete in einem wunderschönen blauen Farbton. Hier kam ein einfacher Trick zum Tragen. Unterhalb der Skulptur ist ein dunkelblauer Strahler im Straßenpflaster eingelassen. Erst zum Sonnenuntergang wird der Strahler aktiviert und dieser lässt dann die Frau im schönsten Blau erstrahlen.
Sensationell, mit was für einfachen Mitteln der Künstler ein phänomenales Kunstwerk geschaffen hat. Für meine Löwin und mich war dies der schönste Hingucker in St. Helier, zumal die Stadt bei Dunkelheit und dank der dann geschlossenen Geschäfte eher trist auf den Betrachter wirkte.
nur weil kein anderes Bier da war

Zum Abendessen, also dem Salat, nahm ich noch einen Toast zu mir; der Coleslaw allein war halt ein bisserl wenig. Einen Becher Tetley gönnte ich mir selbstverständlich auch noch, da das Bier die notwendige Trinktemperatur noch nicht erreicht hatte. Sodann lagen die Karten auf dem Tisch und ich öffnete endlich die erste Dose.
Zischend! Schnell rann der erste Schluck den Hals hinunter und…. Bäh! Igitt, was war das denn für ein übler Nachgeschmack? Schmeckte irgendwie chemisch. Da hatte ich mich beim Kauf wohl vergriffen. Aber es half ja nichts, ich hatte nur noch eine Dose Fosters, da musste ich jetzt durch. Der zweite Schluck war dann zum Glück nicht so schlimm.
Ich würde mal sagen, John Smith`s Extra Smooth ist wie Analverkehr: Beim zweiten Mal tut es nicht mehr weh. An dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich diesen Spruch aus der zweiten Staffel von „Luzifer“ entliehen habe, einer Serie, die meine Löwin und ich mehr aus Zufall bei Amazon Prime entdeckt hatten und die uns stark begeisterte, nicht zuletzt dank der guten Sprüche zwischendurch.

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Hartmudo: Jersey 5/x

5
Die Rückfahrt nach St. Helier vom Gorey Pier verlief unspektakulär; am frühen Nachmittag waren wir wieder in der Libertybus Station und damit bei unserem Appartement angekommen. Meine Löwin schlug vor, noch den Hafen von St. Helier ausgiebig zu begutachten. Nicht zuletzt wegen unseres Plans, am morgigen Tag mit der Fähre nach Guernsey überzusetzen.
Als wir das Busdepot schließlich erreichten, hielten wir uns daher gar nicht damit auf, noch einmal ins Appartement zu gehen, um zwischendurch einen Tee zu trinken. Es war zugegeben noch früh am Nachmittag, aber shoppen wollten wir auch noch mal. Und bereits am ersten Tag hatten wir feststellen müssen, dass die Läden hier schon um 17.30 Uhr dicht machten.
Wir gingen jetzt um die andere Ecke des Gebäudekomplexes Liberty Wharf herum; rechts thronte dann wieder so ein Banker Glaskasten, 5-6 Stockwerke hoch. Fast auf der Ecke an den Appartements ergab sich so ein kleiner Platz, auf dem aber nur eine lebensgroße Frauenskulptur unter einer Laterne waagerecht schwebte, aufgehängt an der Lampe, augenscheinlich lediglich an einem stabilen Stahlseil. Das sah schön und edel aus, die Banker haben in Jersey dank der Steuerfreiheit sicherlich genug Geld für solche Sperenzien übrig. Kurz darauf überquerten wir wohl die einzige vierspurige Straße der Insel und standen an der Mauer zum Yachthafen.
Meine Löwin hatte auf der Karte schon eruiert, dass wir das Hafenbecken auf der rechten Seite in Angriff nehmen mussten, denn dort ging es zu den Piers und vor allem zum Elizabeth Harbour Terminal, von dem aus unsere Fähre nach Guernsey starten würde. Ein längerer Fußmarsch stand uns nun bevor; ein kühler Wind unter wolkenverhangenem Himmel begleitete uns hierbei.
Obelisk, die blauen Häuser

Etwas weiter draußen im Hafenbecken lagen die kleinen Motorboote auch schon wieder im Wasser. Wir stützten uns kurz auf das weiße Geländer zum Becken hin, um den Anblick zu genießen. Hinter uns befand sich die schon von unserem Balkon aus sichtbare viergeschossige Häuserzeile, die zwar neu erbaut worden sein musste, sich aber architektonisch passend in die Umgebung einfügte. Die Wohnungen dort drin dürften nicht gerade billig sein.
Am besten hierbei gefielen uns zwei dunkelblau gestrichene Gebäude, ungefähr in der Mitte dieser lange Häuserzeile. An dieser Stelle war die Zeile zugunsten eines Durchgangs, an dem sie auch im 90 Grad Winkel weitergeführt wurde, unterbrochen worden. Genau in Blickrichtung dieser Flucht stand, auf einem kleinen Platz abgetrennt, ein ca. 15 Meter hoher Obelisk. Passend dazu wurde dieser Obelisk von den beiden blauen Gebäuden andeutungsweise im Halbkreis umsäumt. Da hatten sich die Architekten mal richtig was einfallen lassen.
Nach diesen schönen Eindrücken erreichten wir das Ende der Häuserzeile, nicht aber das Ende des Kais. Vor uns lag schon ein Anleger, der aber ausschließlich gewerblich genutzt wird. Wir suchten das Elisabeth Pier, das Terminal der Personenfähren. Hierzu mussten wir uns vom Yachthafen fortbewegen, parallel zur Küste. Praktischerweise war der Weg zu dem Pier mit einer blauen Linie auf dem Straßenpflaster markiert. Manchmal können einfache Lösungen wie diese eben auch die besten sein. Ich glaube, nur wir Deutschen sind zu blöd dazu, solch einfache Lösungen anzuwenden.
Über einen großen Parkplatz gelangten wir bald zum Terminal der Fähren. Schon von weitem konnten wir das Einlaufen einer Fähre beobachten. Majestätisch schwebte der Kahn zum Anlieger hin. Condor stand an der Seite und nein – es war kein Flugzeug, aber ein Katamaran. Die Condor Ferries operieren auf Strecken des Kanals; sie verbinden Jersey nicht nur mit Guernsey, sondern auch mit St. Malo in Frankreich sowie Portsmouth und Poole auf englischer Seite.
Beim Betreten des Terminals fiel uns sofort die geräumige Halle ins Auge. Dieser Ort wirkte auf Anhieb größer und mondäner als das doch etwas kleine Flughafengebäude, welches eher an den Braunschweiger Airport erinnert. Neben einem Souvenirladen gab es immerhin noch eine Theke für Getränke und Sandwiches, wir aber gingen zur Info und buchten gleich einmal die Fähre nach Guernsey für den folgenden Tag. 8.30 Uhr würde die Abfahrt sein, um 17.22 Uhr würden wir mit Condor nach Jersey zurückkehren. Hierbei sollten wir morgens dank des Katamarans lediglich eine Stunde benötigen. Ein langsamerer und größerer Kahn stand uns abends nach Jersey für die Rückfahrt zur Verfügung, allerdings mussten wir mit 2 Stunden Fahrtzeit rechnen.
Auf dem Rückweg zum Liberty Wharf nahm ich auf Anregung meiner Löwin die Zeit, damit wir uns am nächsten Morgen nicht verspäteten. Wir gingen daher auch nicht denselben Weg zurück, sondern schlängelten uns durch die Gasse zum Obelisk durch die wunderhübsche Häuserzeile. Wir brauchten knappe 20 Minuten für den Weg bis zum Eingang des Shopping Centers. Auf dem Platz davor kann man übrigens einen schönen Brunnen mit der Skulptur von 7 lebensgroßen Menschen sehen, die offenbar die Fahne der Freiheit in die Höhe halten.
Das Freiheitsdenkmal

Dieses Denkmal soll an das 50jährige Jubiläum der Befreiung Jerseys von der deutschen Besatzung während des zweiten Weltkrieges erinnern. Es wurde 1995 errichtet und wird von dem Wasserspiel des Brunnens umschlossen. Ein schöner Platz, der auch einen guten Blick auf den Hafen und die Museen auf der linken Seite des Yachthafens bietet. Zum Besuch der Museen reichte es bei uns übrigens angesichts unseres kurzen Aufenthaltes auf Jersey nicht. Beim nächsten Mal vielleicht.
Da wir jetzt die benötigte Zeit für den Weg zum Fährterminal abgecheckt hatten, konnten wir das nächste Ziel in Angriff nehmen. Stadteinwärts stießen wir in Richtung der Fußgängerzone vor. Ich hatte nämlich am Vortag ein Mark & Spencer Kaufhaus entdeckt, an dem die „Sale“ Aufkleber an der Scheibe prangten. Hier hoffte ich ebenso wie meine Löwin fündig zu werden. Eine Mütze sowie einen neuen Gürtel konnte ich wirklich gut gebrauchen.
Brunnen in der Markthalle

Auf dem Weg dorthin ließen wir uns Zeit und stießen dadurch auf die örtliche Markthalle, in der aber wegen der mittlerweile vorgerückten Stunde quasi nichts mehr los war. Die einzelnen Stände hatten zwar noch auf, aber die Verkäufer bereiteten sich schon auf den Feierabend vor. Die ersten fingen bereits mit dem Zusammenpacken an. Und auch hier in der Markthalle stand ein schöner Brunnen im Mittelpunkt des Geschehens. Die Engelsfiguren auf den knallroten Ampforen sahen allerdings so richtig kitschig aus.
In einer anderen Halle entdeckten wir sogar noch den Fischmarkt, der etwas kleiner ist und dem es lediglich Fisch gibt. Kein Fleisch, kein Gemüse – das gab es ausschließlich in der großen Halle. Hier war jedoch nur noch ein einziger Stand offen.

Samstag, 2. Dezember 2017

Contramann: kurz gesehen im Dezember

http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fussball-regionalliga-eklat-bei-premiere-von-chinas-u20.abd9b16a-7fe8-40d4-8ea8-caf309d164bc.html
Geile Aktion! Zuerst musste der Traditionsverein FK Pirmasens als 14. die Liga verlassen, damit die chinesische U 20 gegen den dank der ungeraden Clubanzahl in der Regionalliga Südwest spielfreien Verein antreten kann. Großkotzig köderte der DfB die Vereine der Liga mit Geld, damit dieses Prestigeobjekt der DfB Funktionäre klappt.
Hut ab Waldhof Mannheim, Stuttgarter Kickers und Tuß Koblenz für die Verweigerung der Spiele gegen die Chinesen aus Solidarität mit dem FK Pirmasens!
Und gleich im 1. Spiel beim TSV Schott gab es einen Eklat. Die Zuschauer hissten eine tibetanische Fahne, so dass die Chinesen aus Protest (China erkennt Tibet nicht als unabhängigen Staat an) den Platz verliessen. Erst als die Zuschauer die Fahne einholten, ging das Spiel nach einer halben Stunde weiter.
Gute Aktion! Zwei Mann gleich bei ihm – Schade!

http://www.spiegel.de/lebenundlernen/job/karrierefrau-mitte-30-single-wenn-ich-maenner-treffe-haben-die-alle-schon-eine-frau-a-1139129.html
35 ist die Frau jetzt. Vorher war wahrscheinlich keiner gut genug. Jetzt meldet sich die biologische Uhr, und huch – wo sind all die Traummänner, wo ist der Prinz auf dem weißen Pferd? Und wenn Du Dich jetzt über diese 2 platten Sätze und die darin enthaltenen Vorurteile aufregst, bedenke bitte, dass dieses in dem Artikel beschriebene Schicksal genau diesem Vorurteil entspricht. Da gehen halt nur platte Sprüche.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/gruenen-parteitag-kein-kater-nach-jamaika-a-1180290.html
Meine Güte, dieser Hofreiter! Die Grünen seien „die letzte handlungsfähige linke Partei in diesem Land“. Ich lese zwar gern Romane über Parallelwelten, aber Hofreiter lebt wahrhaftig darin. Wie dreist kann man sein, um sich mit so einer falschen Behauptung auf die Bühne zu stellen?
Die Granden der Grünen können auf diesem Parteitag froh sein, dass sie kurz nach den gescheiterten „Sondierungen“ über eine Jamaika-Koalition im Bund aus Union, FDP und den Grünen ein schönes Märchenpaket von den grünen Grundsätzen erzählen können. Nicht auszudenken, wie dieser Parteitag gelaufen wäre, falls sich der Lindner (nicht der Patrick, nein – der schöne Christian!) nicht wegen seiner Grundsätze aus Jamaika zurückgezogen hätte.
Und eines steht nämlich fest: Nicht die ach so standfesten Grünen mit der Energieerneuerung, Dieselverboten oder der richtigen Flüchtlingspolitik blieben in ihren Positionen unnachgiebig, sondern die FDP mit ihrem Verbot des Familiennachzugs von Flüchtlingen.
Der von der Union vorgeschlagene wachsweiche Kompromiss eines „atmenden Rahmens“ von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr wäre für die Grünen wohl tragbar gewesen. Dies wäre so typisch für einen Altlinken wie Hofreiter gewesen, damit kann man sich immer schön rausreden, wenn auf dem Mittelmeer kleine Kinder ertrinken, weil die 200.000im Jahr schon erreicht sind. Darf halt bloß nichts drüber in den Medien stehen; Falls doch, ist der atmende Rahmen in dem Jahr halt größer als geplant. Das ist Merkel-Live, so wird seit 2005 in Deutschland Politik gemacht, während die großen Konzerne den Rahm abschöpfen.
Auf Hofreiter wie die anderen Grünen trifft vielmehr ein alter Schmähruf der 70er für konservativ denkende SPD Mitglieder, die sich immer noch als Linke sahen, zu: Links wählen, Rechts ficken! Denn die Grünen stehen heute eben nicht mehr für linke Politikinhalte; der erste militärische Auslandseinsatz unter einem grünen Außenminister sowie die Mitverantwortung für die Installation eines Hartz IV Systems voller Drangsalierungen (geht eben auch anders) sprechen da eine deutliche Sprache.
In diesem Zusammenhang sind die von führenden Grünen geäußerte Populismus Vorwurf gegen Sarah Wagenknecht einfach nur noch peinlich. Mit solchen Wendejacken wie Özdemir und Göring-Eckardt stehen die Grünen eher für eine neue Beliebigkeit, die sich bei vielen Menschen in Deutschland breit gemacht hat. Vorzugsweise bei denen, die keine Zukunftsängste wie Arbeitslosigkeit oder Armut im Alter kennen, wenn sie ihr Kind mit dem SUV zur Schule fahren. Solche Leute geben sich gern einen sozialen Anstrich, solange sie nicht selbst betroffen sind. Grüne wählen ist ja so schön kritisch.
Und ehrlich wie die Ravioli von Maggi. Bloß sie machen die Dose nicht auf.

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/ideologien-was-heisst-das-eigentlich-noch-links-kolumne-a-1141372.html
Auch Spiegel Kommentator Christian Stöcker versuchte bereits Anfang April den Begriff „links“ zu deuten. Dass er das Abbrennen von Polizeifahrzeugen nach dem G20 Gipfel in Hamburg durch vermummte Chaoten als Beispiel für Linksextremismus anführt, geht ja noch an. Aber es geht ihm ja um etwas anderes.
Die Chaoten haben etwas gegen den internationalen Freihandel, genau wie Donald Trump. Also müssten die Linksextremisten eigentlich Fans von ihm sein, deutet er dank seiner Argumentation an. Aber danach wird es peinlich. Denn anstatt sich an den inneren Widersprüchen von den Linksextremisten abzuarbeiten, schwenkt Stöcker nahtlos zu den Linksintellektuellen um. Und jetzt gibt er nur noch bedeutungsloses und philosophisch gehirnschwangeres Geschwafel von sich, um am Ende anzudeuten – obwohl er das angeblich nicht beurteilen möchte (Heuchler), dass es einen Zusammenhang zwischen linken Theorien und dem Rechtspopulismus gibt.
Zudem assoziiert der Leser dank der missverständlichen Überschrift linkes Denken mit dem chaotischen Vandalismus anlässlich des G20 Gipfels. Stöcker bemängelt den Populismus, ich dagegen finde Stöckers tendenziöse Argumentation als manipulativ und damit wesentlich schlimmer.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/linke-identitaet-rueckwaerts-und-viel-vergessen-kolumne-stokowski-a-1141765.html
Zur allgemeinen Linkenschelte möchte ich mir zum heutigen Abschluss Frau Stokowski näher anschauen. Auch sie hatte sich mit Stöckers Kommentar befasst, auch mit Augsteins Definition des Linksseins setzte sie sich auseinander. Beide Kommentare lehnte sie ab, bei Augsteins Verständnis für die Ängste der Deutschen gerade in den von Migranten stark bevölkerten Gebieten wie z.B. Neuköln kommt dann gleich wieder ihr notorischer Beißreflex zum Vorschein.
Sie selbst ist als polnische Migrantin in einem entsprechenden Gebiet aufgewachsen und ist offensichtlich integriert. Da sollte es reichen, ein gutes Beispiel für eine gelungene Integration abzugeben statt sofort rechtes Gedankengut zu vermuten. Zumal sich polnische Katholiken leichter integrieren können als Muslime aus stark patriarchisch organisierten Gesellschaften.
Gut allerdings wird ihr Kommentar am Schluss: Links sein ist gleiches Recht für alle, Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit und natürlich Solidarität mit Schwächeren.
Sehr gut, Margarete. Das unterschreibe ich sofort. So einfach ist eben die Definition von Links, aber leider sind die Szenarien wie gerade das Flüchtlingsdrama nicht so einfach zu lösen, dafür sind die Ursachen der sprunghaft angestiegenen Einwanderung zu vielschichtig.

Sonntag, 26. November 2017

Udorallala: Rock `n` Roll Altersheim

Irgendwann Mitte November fragte mich Pocke, ob ich mit zu CC Top am 18.11. in die Kubahalle nach Wolfenbüttel kommen würde. Gern auch noch einen Tag früher mit in die Hilde bei mir um die Ecke, um Dr. Rock und Touch zu bewundern. Leider konnte ich da nicht, weil ich zum Doko bei Biggi und Britt weilte. Insbesondere Touch, die alten Braunschweiger Hardrockheroen, hätten mich interessiert, da ich sie vorher noch nie gesehen hatte. Und Dr. Rock ist auch immer wieder sehbar – Peter ist länger mit Glam unterwegs als Sweety Glitter.
Aber gut, es war mal wieder Zeit für etwas Livemusik. Und eh ich meinen Arsch hierzu gar nicht mehr hoch kriege… Meine Güte, in den 80ern hatte ich zwei- bis dreimal in der Woche ein Konzert gesehen. Erst ab den 90ern ließ mein Interesse spürbar nach; heutzutage reden wir da eher über zwei- bis dreimal im Jahr!
Stop! Aufhören zu jammern über „früher…“, schon Tage vorher freute ich mich auf das Konzert, das ist ja auch schon mal ein gutes Zeichen. In der Kubahalle war ich lange Jahre nicht mehr gewesen. Zuletzt war ich dort in einer Rocknacht-Party anwesend, die von Uli veranstaltet wurde und mit einer Liveschaltung nach Essen zur WDR Rocknacht mit Peter Rüchel glänzte. Die Schaltung hatte ich seinerzeit zwar nicht mehr erlebt, weil ich schon zu breit war und nach Hause musste, aber die Location war gut und die Booze Band gewohnt stilsicher gewesen.
Von daher… Eine ZZ Top Nachspielcombo passt da gut ins Bild und so bereitete ich mich zuhause dementsprechend vor. Pocke wollte mich um 19.00 Uhr abholen, also begann ich zwei Stunden vorher mit der Vorbereitung. Aus den Lautsprechern plärrten La Grange & Co und die kleinen grünen Flaschen wanderten erst aus dem Kühlschrank auf meinem Schreibtisch, wo sie dann zur Entleerung geöffnet wurden. 4 Pülleken hatte ich geschafft, dann waren wir auf dem Weg. Patti, der Lange und Tesla stiegen als nächste auch noch zu, dann ging die Reise ab nach Wolfenbüttel.
Dort angekommen, waren wir schon überrascht. Die Straße vor der Kubahalle war menschenleer. Auch vor dem Eingang gab es kein Gedränge; Lediglich 2 müde Gestalten lungerten rauchenderweise davor herum. Als wir dann innen die Treppe hinauf zum eigentlich Entree hinaufstiegen, fiel uns sofort die friedhofsmäßige Stille auf. Was war hier los? Ist das Konzert etwa ausgefallen?
Mitnichten. Oben an der Kasse wurden uns 15 Euro pro Nase abgenommen und dann juchhu! Wir bogen um 2 Ecken und standen in einem gut gefüllten Saal, in dem noch nicht einmal getuschelt wurde. Andächtig saßen (!) die Zuschauer in der bestuhlten Halle an ihren Tischchen und warteten auf den Beginn des Konzerts. Wir dachten schlichtweg, wir wären im falschen Film.
Sollten wir uns so getäuscht haben beim Termin? Publikum wie Saal riefen eher nach Roger Whittaker als nach den Ikonen des Südstaaten Rocks. Doch wir täuschten uns nicht, der Bühnenaufbau verhieß tatsächlich die von uns erhoffte Nachspielcombo. Und dennoch… So alt sind ZZ Top und damit wir noch nicht, als das wir auf ein Kurkonzert gehören würden. Oder etwa doch? Wir zeigten uns konsterniert, aber dennoch kampfbereit. Deshalb führte mich mein erster Weg direkt zur Theke, um eine Rutsche große Biere zu ordern. Wenigstens hier zeigte sich die Kubahalle auf der Höhe des Geschehens, obwohl ich diese Schnellzapfer nicht so mag.

Irgendwann fing die Band auch an zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich zu Patti an den linken Rand vor der Bühne gesetzt, während die Jungs standhaft bei der Theke stehen blieben. Nach geraumer Zeit gesellten sich Patti und meine Wenigkeit dazu, ist ja auch albern, bei dem Sound still zu sitzen und artig nach jedem Stück zu klatschen. Doch, genau so war die Reaktion des Publikums. Zumindest am Anfang.
Denn die Band namens CC Top war zwar nicht überragend und konnte sogar einige üble Schnitzer vorweisen, aber die beiden Frontleute hatten sich auch schöne Bärte in die Visagen geklebt. Mit gedämpfter Leidenschaft und unaufgeregt spielten sie die Stücke herunter; genau wie die Originale, die ich vor 20 Jahren in der Hanomaghalle in Hannover bewundern durfte. Natürlich nicht so druckvoll, aber es reichte immerhin, um den Einen oder die Andere gegen Ende des zweiten Sets zum Tanzen zu bewegen. Da stand dann auch der halbe Saal endlich vor der Bühne, wie es sich gehört.
Am Ende war ich sogar schon vor Mitternacht zu Hause, hatte einen schönen Abend mit meinen Freunden (Oh je, ich alter Sack. Netter Gig mit meinen Kumpels sollte es heißen) gehabt. Nach wie vor finde ich die bestuhlte Halle befremdlich, komme aber nicht umhin zu konstatieren, dass wir und die dort anwesenden Zuschauer der Rente und dem Altersheim näher sind als dem nächsten beruflichen Karrieresprung. So hoffe ich auf die Wirkung eines heilsamen Schocks, um die nächsten Konzerte entsprechend, also mit Anstand und Würde, angehen zu können.
Nächstes Mal fange ich schon 4 Stunden vorher an zu saufen!

Donnerstag, 23. November 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

16
Peter wartete anschließend schon im Zimmer der Pflegeleitung auf uns und erzählte noch etwas darüber, wie er Mutter in den wenigen Wochen, die sie in diesem Heim untergebracht war, erlebt hatte. Überdeutlich betonte er, das Mutter über uns Kinder nichts Schlechtes erzählt hatte. Normalerweise heißt das ja das genaue Gegenteil, aber angesichts des traurigen Anlasses verwarf ich jeglichen Gedanken in diese Richtung.
Gleich danach kam der exalminierte Altenpfleger Peter zur Sache. Das Zimmer musste ja geräumt werden. Wir hatten wohl noch bis zum Wochenende Zeit, um die persönlichen Gegenstände aus dem Zimmer zu nehmen. Andernfalls würde der Oktober noch bezahlt werden müssen. Das sollte ja nicht das Problem sein.
Was jetzt allerdings noch sofort geregelt werden musste, war der Abtransport der Leiche. Peter fragte uns nach dem beauftragten Bestattungsunternehmen. Da konnten wir ihm keines nennen, diesbezüglich hatte Mutter keine Vorkehrungen getroffen. Somit standen wir auf dem Schlauch, doch Peter hatte da natürlich eine Idee.
Doch vorher rief ich schnell den Bestattungsunternehmer in Steinhude an, der Walter seinerzeit betreut hatte. Der ging auch ans Telefon, zeigte aber wenig Interesse an einem Auftrag. Zurecht wies er mich darauf hin, das die Anfahrt nach Braunschweig ziemlich weit und damit teuer sei. Warum sein Vater (aha!) diesen Auftrag für Walters Beisetzung seinerzeit angenommen hatte, vermochte er nicht mehr nachzuvollziehen.
Nach dem Auflegen griff ich zu den gelben Seiten, die Peter mir gegeben hatte. Die brauchte ich jedoch nicht, denn wie gesagt: Peter hatte da eine Idee. Er empfahl uns das Institut „Zur Ruhe", welches ich hiermit namentlich erwähne, denn sie sollten ihre Sache gut machen, wie wir später feststellen durften. Soviel vorweg. Gesagt, getan. Ich rief das Unternehmen im Donnerburgweg an, gab den Hörer an Peter weiter, der dem Bestatter noch einige Einzelheiten erklärte, und schon war der Auftrag erteilt.
Ich bekam den Hörer zurück und vereinbarte mit dem Bestatter einen Termin für den späten Nachmittag an diesem Tag, um alles weitere zu regeln. Ob Vier oder Fünf Uhr weiß ich schon nicht mehr, aber ich würde dort mit meinen Schwestern auflaufen. Zum Abschluss gaben wir Peter noch die Krankenversicherungskarte in die Hand, den Personalausweis hatte er schon.
Zum Glück hatte ich schon vor Wochen eine Geburtsurkunde von Mutter von der Stadt Holzminden angefordert. Die bräuchte nämlich der Bestatter, wie er mir am Telefon schon erklärte. Die Heiratsurkunde würden wir nachreichen können. Wir drückten Peter zum Abschied noch die Flosse und gingen dann an den Debilen vorbei nach Draußen, wo Reiner mit meiner Löwin und Bud auf uns warteten.
Ganz kurz tauschten wir uns noch aus und fuhren dann erst einmal nach Hause. Wenn ich mich richtig erinnere, war Sunny nachmittags zum Bestatter nicht mitgekommen, weil Berta und ich dies auch zu zweit erledigen konnten. Sunny hätte dann wieder alleine nach Rüningen zu Berta fahren müssen. Da sie, genau wie Berta und ich, traurig und niedergeschlagen wirkte, mussten wir Sunny das nicht zumuten. Das kriegten wir auch alleine hin.
Zuhause beschäftigte ich mich irgendwie, suchte noch Papiere zusammen, vor allem die Geburtsurkunde. Zum Nachdenken, Trauern hatte ich nicht die Ruhe, jetzt waren die nächsten Schritte zu planen. Gerade erst vor 2 Tagen war ich bei der Trauerfeier von Jopi's Vater gewesen, daher hatte ich eine ungefähre Vorstellung von dem, was wir jetzt organisieren mussten.
Wie am Vormittag vor der Tür des Heims vereinbart, holte ich Berta aus Rüningen mit dem Polo ab. Es war eine ruhige, stille Autofahrt über die Tangente ins Siegfriedviertel. Auch der Sonnenschein und die milden Außentemperaturen besserten unsere Stimmung nicht. Berta und ich fühlten uns irgendwie niedergeschlagen, aber doch erleichtert, weil Mutter endlich erlöst wurde und nicht so ewig lange leiden musste wie die Mutter meiner Löwin.
Mutter hatte auch bei meinem letzten Besuch noch einmal betont, dass sie „keine Lust" mehr habe. All unsere Versuche, sie aus ihrer selbst auferlegten Lethargie zu reißen, waren vergeblich gewesen. Ohne ihre Reisen war sie des Lebens überdrüssig geworden. Sie wusste es wohl, das es zu Ende ging. Und an anderen Menschen hatte sie eh noch nie Interesse gezeigt, daher brachte sie die Energie nicht mehr auf, um sich im Heim zu integrieren bzw. Bekannte zu finden. Ewig nur das Reisen in ferne Länder, nicht der zwischenmenschliche Kontakt zu Familie oder Freunde (was ist das?), war ihr Lebensinhalt.
Dieses Lebenskonzept ist meiner Löwin und mir fremd, auch meine Schwestern nebst Anhang sind nicht so drauf. Zusätzlich haben wir - zumindest meine Wenigkeit - instinktiv ein Netzwerk von Freunden, meinetwegen auch Bekannten, aufgebaut. In diesen Gedanken versunken, fuhren wir beim Beerdigungsinstitut vor.
Würdevoll öffnete uns der Bestatter, ein großgewachsener Löke, die Tür und bat uns herein. „Zur Ruhe" - wie passend zu den Räumen. Betende Hände und die üblich christlichen Memorabilia hingen an der Wand. Wenigstens blieb uns die von mir befürchtete leise Klaviermusik im Hintergrund erspart. Das nervige Geklimper hätte nur einen nicht angemessenen Kitsch in dieses Treffen gebracht.
Der Bestatter war schon im schwarzen Anzug mit dunklem Schlips bekleidet, nervte aber wenigstens nicht mit einem gespielt traurigen Gesichtsausdruck. Er täuschte uns dankenswerterweise auch keine Trauermiene vor, sondern war sehr sachlich und ruhig. In einem etwas größeren Besprechungsraum setzten wir uns.
Zuerst berichtete er uns, was er zuvor schon alles veranlasst hatte. Mutter lag jetzt wohl im „Ruheraum", sprich Kühlschrank seines Beerdigungsinstituts. Wir übergaben ihm die notwendigen Papiere, die Urkunde über die Hochzeit würde Berta noch nachreichen müssen. Anschließend berichteten wir ihm von Mutters Wunsch einer Seebestattung.
Die führt er logischerweise nicht selbst aus, hat aber Partnerunternehmen in Travemünde und würde das in die Wege leiten. Er sagte uns auch gleich, das die Trauerfeier in Melverode, die von uns drei Geschwistern einhellig befürwortet wurde, spätestens Donnerstag oder Freitag stattfinden würde.
Er empfahl uns, das Gespräch mit dem Pastor möglichst kurzfristig anzusetzen. Den Sarg und den Kranz mit einem einfachen Text besprachen wir nicht sehr lange, denn in diesem Punkt hatten wir keine Sonderwünsche. Eine Todesanzeige war ebenfalls noch zu fertigen, hier zeigte er uns einige bewährte Muster. Wir entschieden uns hier auch für eine eher schlichte Variante, denn übertrieben schwülstige Bibelsprüche hätte Mutter sicherlich nicht gern gehabt. Und in der Anzeige musste der gesamte Familienstammbaum eben nicht aufgezählt werden.
Den genauen Text wollten wir uns später mit Sunny zusammen überlegen, auch wenn es wegen der kurzen Zeit nur telefonisch sein würde. Nachdem alles ungefähr geklärt war, verabschiedeten wir uns. Ich fuhr Berta nach Hause und machte selbst an dem Tag nicht mehr viel. Wahrscheinlich hatten meine Löwin und ich abends noch Fernsehen geguckt. Kein Zusaufen und Gespräche über die Verstorbene wie z.B. beim Tode meines Vaters, zumindest dem Tag, an dem ich von seinem Tod erfuhr, aber das ist eine andere Geschichte. Zumal mich mein Arbeitgeber am nächsten Tag wieder sehen wollte.

Samstag, 18. November 2017

Hartmudo: Jersey 4/x

4
Als nächstes fiel uns beim Blick über die dem Meer zugewandte Mauer am Gorey Pier der Wasserstand ins Auge. Es gab nämlich keinen. Das Hafenbecken sah wie das Watt an der Nordsee bei Ebbe aus. Auf vielleicht 200 bis 300 Meter zur See hinaus war nur der schlickige Boden mit ein paar Pfützen zu sehen; in St. Helier hatten wir bereits am Tag zuvor selbiges Phänomen beobachten dürfen. Das kam uns schon etwas eigenartig vor, ob die hier wohl einen derart gewaltigen Tidenhub haben? Die Boote dieses zugegebenermaßen kleinen Hafens waren jedenfalls an langen Stangen, die im Hafenbecken verankert waren, vertäut und gesichert, lagen aber auf dem Trockenen.
auf dem Trockenen

Absoluter Blickfang dieses verschlafenen Ortes an der Ostküste Jerseys und damit in unmittelbarer Nähe zum französischen Festland ist jedoch Mont Orgueil Castle, welches die auslaufende Spitze der Bucht zum Meer hin dominiert. Diese Festung, deren Geschichte bis in die Eisenzeit zurückreicht, erhielt ihren Namen, als sich der Bruder des englischen Königs Heinrich V., des 1. Duke of Clarence, zu Beginn des 15. Jahrhunderts beim Anblick der Feste zum Ausruf „Mont Orgueil“ (Stolzer Berg) hinreißen ließ.
Denn die Festung thront wirklich imposant auf dem Hügel am Ausläufer dieser Bucht und galt nicht zu Unrecht während des hundertjährigen Krieges als uneinnehmbar. Die Franzosen bissen sich an der Festung jedenfalls die Zähne aus. Nur dank eines Verrats konnten die Franzosen Mont Orgueil Castle im 15. Jahrhundert kurzzeitig einnehmen. Erst mit der Erfindung der Kanonen verlor die Festung ihren Nimbus der Uneinnehmbarkeit.
An der Häuserzeile unterhalb des Castle gingen wir in Richtung des Aufgangs zur Festung. In nahezu jedem Haus war unten ein Cafe untergebracht, ganz am Anfang, also bei der Bushaltestelle, war ein Souvenirladen. Der einzige übrigens weit und breit. Ein weiteres Anzeichen dafür, dass Massentourismus in Jersey ein Fremdwort ist; das ist auch gut so. Die Cafes waren leer, die Häuser aber sehr ordentlich in Schuss. Hier auf der Insel scheinen nicht viele Leute arbeitslos bzw. arm zu sein, das konnten wir erfreulicherweise während unseres ganzen Trips auf Jersey wie Guernsey beobachten.
Am Ende der Häuserzeile bogen wir kurz links ab und standen vor dem Aufgang zum Castle. Über eine schmale und steile Steintreppe stiegen wir zum Castle empor und erreichten nach einer zweiten Treppe das Castle Green, einer parkähnlichen Umrandung unterhalb der eigentlichen Festung. Die Festung selbst wollten wir aber nicht betreten, zumal sie dort garantiert Eintritt verlangten. Da war auch schon so ein kleines Information Center…
Mont Orgueil Castle

Nein, nein. Das Castle Green sah viel schöner aus. Alte Festungen und Burgen haben wir schon einige gesehen, eine derart schöne Parkanlage aber eher selten. Sehr nett waren hier die Steine mit den verschiedenen Schreibweisen des Namens der Festung anzusehen. 7 verschiedene Schreibweisen innerhalb von 150 Jahren lassen auf eine wechselvolle Geschichte dieses Ortes schließen. Der weitere Weg im Park verlief wieder zur Bucht zurück; über der Häuserzeile gingen wir dann aufs Landesinnere zu, ehe wir vorsichtig einen steilen und gepflasterten Weg hinabschritten, um wieder zum Pier zu kommen. Vorsichtig, weil es nass war und der Weg sehr rutschig wirkte.
Erneut machten wir uns dann auf den Weg an der Häuserzeile zur Spitze des Ausläufers auf, bloß um uns dann nach rechts zur Spitze der Kaimauer zu begeben. Rechts lagen immer noch die trocken gelegten Boote, links über der Mauer konnten wir in ca. 100 Meter Entfernung sogar das Meer sehen. Unten, auf dem Schlick, sahen wir 2 Männer, die Löcher in das nasse Erdreich gruben und dort nach irgendetwas suchten. Meine Löwin vermutete hier Austern oder Krebse. Ab und an warfen die Männer auch tatsächlich etwas in ihre Eimer.
Castle Green

Mittagszeit, Essenszeit. So langsam brauchten wir was zum Beißen. Nach ausgiebiger Suche an den ausgehängten Speisekarten der diversen Cafes entschlossen wir uns beim Rückweg zur Einkehr ins Cafe Lisbeth, nicht zuletzt war es dort wenigstens etwas gefüllt. Mit Einheimischen – ist ja eine alte Regel, das man dort isst, wo auch die Einheimischen speisen. Die junge Frau, die den Laden offensichtlich schmiss (Lisbeth?), wies uns einen schönen Zweiertisch zu.
Das Cafe wirkte auf den ersten Blick sehr einfach, aber die Qualität der Speisen war beachtlich. Damit meine ich nicht den Tee, der ist in britischen Locations immer gut. Die Kuchen und Pasteten in der Glasvitrine der Bar sahen an sich schon sehr edel aus. Alles war mit Cellophan abgedeckt, damit nichts vergammelt. Wir aber speisten herzhaft, war ja Mittag. Meine Thunfischsandwiches mit Mayo waren dank Salatbeilage schon sehr lecker, aber meine Löwin war ob ihres Crab-Meat zurecht aus dem Häuschen. Angerichtet in einer leeren Lobster Schale schmeckte ihr das angemachte Krabbenfleisch hervorragend. Die Kartöffelkes anbei sahen auch sehr lecker aus. Frisches Baguette dazu, meine Löwin war glücklich. Statt des Tees hätte ich vielleicht schon eine Pulle Bier trinken sollen, aber hinterher ist man immer schlauer. War auch für mich lecker genug gewesen.
Anschließend warteten wir nur knappe 10 Minuten auf die Linie 1 und fuhren nach diesem erstklassigen Mahl zufrieden nach St. Helier zurück. Die offensichtlich noch jungen Wirtsleute des Cafes haben Gastronomie wirklich auf dem Kasten, denn dank der hohen Qualität dieser eher klassischen Küche war der Laden auch richtig voll, als wir gingen.