Freitag, 28. Februar 2020

Uncle Fester: grad gelesen Februar 2020

Philip Reeve - Mortal Engines 4 - Die verlorene Stadt
Der Abschluss der Saga beginnt in der Stadt Zagwa in Zentralafrika. General Naga hat das Kommando beim grünen Sturm übernommen und möchte den Krieg zwischen den fahrenden Städten und dem grünen Sturm beenden. Zu diesem Zeitpunkt herrscht ein brüchiger Waffenstillstand und seine Frau, Lady Naga bzw. Oenone Zero, soll die feste Stadt von einer Unterstützung des grünen Sturms überzeugen. Nur dank des beherzten Einsatzes von Theo Ngoni überlebt Lady Naga einen Angriff von Luftschiffen im Auftrag der pangermanischen Traktionsstadt-gesellschaft.
Unter Führung der Stadt Murnau (auf Seite 326 erfuhr ich, dass auch die Stadt Braunschweig überlebt hat) haben sich diese Städte verbündet und gegenseitigen Schutz versichert, bis der grüne Sturm besiegt sei. Waffenstarrend stehen sich diese Städte und die Bastionen des grünen Sturms in der vorderasiatischen Ebene gegenüber.
Über den Städten schwebt der Luftschiffhafen Airheaven. Dort trifft Tom durch Zufall Clytie Potts, eine alte Bekannte aus London, die ihre Vergangenheit aber leugnet. Die Händlerin und Luftschiffpilotin kauft Nachschub für die Überlebenden von London, so vermutet Tom nicht zu Unrecht.
Zusammen mit seiner Tochter Wren, die sich von Theo Ngoni schweren Herzens getrennt hatte, will er seiner alte Heimat London, deren Trümmer ganz in der Nähe sind, einen Besuch abstatten. Der Adlige Wolf Kobold , der die Reste von London schon besucht hatte und nicht die Legende glaubt, dass es dort spukt, vervollständigt die kleine Expedition nach London mit der Jenny Hanniver.
Dort leben tatsächlich noch Ingenieure, die ein mit Hilfe von Magnetspulen fahrendes New London bauen. Leiter des „Notfallkomitees“ ist der ehemalige stellvertretende oberste Historiker Chudleigh Pomeroy (wir kennen ihn aus dem 1. Band). Der Sprecher der jüngeren Generation heißt Garamond und ist den Neuen gegenüber äußerst misstrauisch, möchte sie lieber einsperren. Doch die Ingenieure sind dagegen und so gelingt es Wolf Kobold zu fliehen.
Kobold wollte lediglich die Technologie der Magnetspulen stehlen, um den Kampf gegen den grünen Sturm weiterführen zu können. Wolf ist der Sohn von Konteradmiral von Kobold, der des Krieges müde ist und wie Naga einen Waffenstillstand anstrebt. Und der Konteradmiral ist behilflich, Oenone aus der Sklaverei zu befreien.
Denn Theo Ngoni soll Lady Naga nach dem missglückten Attentat in Zagwa zurück zu ihrem Mann bringen, als sein Luftschiff abgeschossen wird. Beide überleben, geraten aber in Gefangenschaft. In diesen Passagen geht Reeve erstmals näher auf das Schicksal der Bewohner von eroberten Städten ein. Das Elend dieser Menschen wird dann endlich deutlich, ohne die Pfade der Literatur eines Jugendbuches zu verlassen. Das macht diese Szenen aber eher noch eindringlicher und bedrohlicher.
Nicht zuletzt dank des Einsatzes eines Nimrod Pennyroyal, der ebenfalls in der Stadt Murnau verweilt, kommt Theo frei. Tatsächlich jedoch sind es Hester und der Stalker Shrike, die als unabhängige Kopfgeldjäger durch die Lande ziehen, die Theo aufnehmen und mit seiner Hilfe dann Oenone Zero befreien.
In den wieder aufflammenden Kämpfen zwischen den Städten und dem grünen Sturm können die eben genannten aus Murnau mit knapper Not entkommen. Allerdings geht Theo bei dieser Aktion verloren und muss sich allein und zu Fuß durch die kahlen Ebenen bis nach London durchschlagen. Dort endlich trifft er die ihn immer noch liebende Wren wieder.
Doch warum sind die Kämpfe wieder aufgeflammt? Hier kommt Fishcake mit Stalker Fang ins Spiel. Er hatte die Einzelteile von Fang zusammengesammelt und den Stalker wieder in Gang gesetzt. Darauf begleitet er Stalker Fang zu ihrem Landhaus in den Bergen,von dem aus sie Odin, eine Satellitenwaffe der Alten, startet und die Städte und den grünen Sturm damit gegeneinander hetzt. Jeder vermutet Odin in der Hand des Gegners und deshalb gewinnen auf beiden Seiten die Kriegsbefürworter die Oberhand. Bei den Städten wird dies durch Manchester, die wohl mächtigste aller Städte, forciert. Beim Sturm ist es General Naga selbst, der aus Trauer über den vermeintlichen Tod seiner Frau zum Angriff blasen lässt.
Die Handlung steuert auf mehrere Höhepunkte zu. Wolf Kobold durchbricht mit seinem Vorort Harrowbarrow die Linien des grünen Sturms und rast auf London zu, während deren Bewohner verzweifelt versuchen, New London zum Laufen zu kriegen. Bei den Scharmützeln verschlägt es Wren und Theo auf Harrowbarrow; In einer filmreifen Szene sehen sich Wren und Theo Wolf Kobold gegenüber - auf dem Dach dieses Monstrums, welches auch unter der Erde fahren kann. Wolf will die wehrlosen Liebenden schon mit seinem Schwert töten, als von oben ein Luftschiff herunterfliegt und ihn wegmetert.
Es war die letzte Aktion des havarierenden Luftschiffs, welches von General Naga höchstselbst gesteuert wird. Geschossgarben von Harrowbarrow fegen das Luftschiff vom Himmel. General Nagas Ende ist damit besiegelt. Seine Frau, die es dank Hester und Shrike bis zum Hauptquartier Nagas geschafft hatte, aber von Naga als vermeintliche Verräterin eingesperrt wurde, sieht sich nunmehr dem Tode geweiht. Sie wird aber nicht zu ihrer Hinrichtung abgeholt, sondern zu ihrer Krönung als neue Führerin des grünen Sturms.
Und Theo und Wren? Die haben sich endlich gefunden und verbringen ihr weiteres Leben in Zagwa, wo sie eine Familie gründen und und und. Auch der Rest ist schnell erzählt. Tom und Hester treffen sich wieder und fliegen mit der Jenny Hanniver zu Fangs Landhaus. Mit von der Partie sind Pennyroyal und Stalker Shrike, letzterer fällt bei einem Angriff aufs Luftschiff aus demselben und ward nicht mehr gesehen. Sein Schicksal bleibt ungewiss, ergo wird er endlich endgültig tot sein.
Hester und Tom stellen sich Stalker Fang entgegen, können aber nichts bewirken. So bleibt es überraschenderweise Pennyroyal vorbehalten, erst Fishcake schachmatt zu setzen und am Ende Stalker Fang zu töten. Das ist der Zeitpunkt, wo er sich mit Hester und Tom versöhnt. Zunächst, denn dann flieht er mit dem Luftschiff und Fishcake und lässt Tom und Hester zurück.
Tom war eh herzkrank und stirbt in Hesters Armen. Die kann ohne Tom nicht mehr leben (und kommt dort eh nicht mehr weg) und wählt den Freitod. Fishcake und Pennyroyal trennen sich und verbringen ihr restliches Leben jeweils bei alten Freunden.
Ein schöner Zyklus in 4 Bänden. Hätte ich mir auch als Serie vorstellen können, aber der Stoff ist wohl durch den kommerziellen Flop des Spielfilms tot. Das finde ich schade, denn die Story kann es durchaus mit den Tributen von Panem oder auch Mad Max aufnehmen. Einige unerwartete Wendungen runden das gute Bild ab.
Die Romane sind etwas für Leute, denen Science Fiction normalerweise zu technisch ist und die einen Hang zur Fantasy haben.


                                            

James A. Sullivan - Die Granden von Pandaros
Ein Buch fast wie bei mir auf der Arbeit. Die Protagonisten hassen sich, können aber gerade deshalb gut zusammen arbeiten, weil sie sich gegenseitig nicht über den Weg trauen. Natürlich hassen wir uns nicht im Büro; aber man tatsächlich besser mit Leuten zusammenarbeiten, wenn der Kontakt kein freundschaftlicher ist.
Die verfeindeten Cosima Amberson und John A. Glennscaul hatten als Granden auf der Station Pandaros 3, die um den Jupiter kreist, Schattenkartelle geleitet. Deren halblegale Tätigkeiten wurden dort geduldet. In ihrer Jugend hatten sie sich gegenseitig gefördert, um in ihren Konzernen jeweils an die Spitze zu gelangen.
Der Roman startet mit einem Kampf der beiden Kartelle auf einem im Raum treibenden Frachter. Bei dem Kampf werden Cosima und John von ihren Kämpfern isoliert und müssen anschließend 5 Jahre lang auf dem Frachter verharren, bis sie endlich von einem Kreuzfahrtschiff unter der Leitung von Yuka Manderton gerettet werden.
2 Jahre lang hatten beide notgedrungen zusammenarbeiten müssen, da können sie dem Dieb durch Zufall eine künstliche KI abnehmen. Yuka verliert daraufhin ihre Glaubwürdigkeit und droht ihr Schiff zu verlieren. Das ganze kulminiert dann in einer Zusammenarbeit zwischen Cosima, John und Yuka, um den ursprünglichen Dieb zu überführen und Yuka das Eigentum an ihrem Schiff, der Innana, zu erhalten.
So wie in „Mission Impossible“ oder auch „Rififi“ wird anschließend der Cyborg Noboru-14 befreit, mit dessen Hilfe Yukas Ruf wiederhergestellt werden kann und der ursprüngliche Dieb in den Knast wandert. Cosima und John sind sich „überraschenderweise“ näher gekommen und stehen sich am Schluss nackig gegenüber.
Was so vielversprechend begann, erweist sich zum Schluss als ein etwas besserer Konsalik. Die Science Fiction Elemente sind hier sehr dürftig gesetzt. Die ganze Story könnte auch in der heutigen Realität spielen. Das Geschäftsmodell der Schattenkonzerne bleibt im Dunkeln. Es werden auch Kolonien außerhalb des Sonnensystems erwähnt, aber nicht mit in die Handlung einbezogen.
Mit dieser Story wird klar, dass Sullivan vorher Fantasy geschrieben hat. Dem Amerikaner, der seit vielen Jahren in Deutschland lebt, merkt man an, dass er technisch nicht beschlagen ist. Wie einst Philip K. Dick hatte er unter anderem Germanistik studiert, aber ihm fehlt der „Sense of Wonder“, der Dick immer ausgezeichnet hatte.
Trotz alledem war der Roman kurzweilig zu lesen. Aber bitte nicht mehr davon.





Sonntag, 23. Februar 2020

Hartmudo: Mutter


55
Ich hätte vielleicht misstrauischer sein sollen, so im Nachhinein betrachtet. Dass dieses Telefonat am Mittwoch so entspannt ablief, nach all unserem Streit, kann man einem Außenstehenden gar nicht vermitteln. Doch ich war dermaßen heilfroh, dass Sunny und ich uns nicht gegenseitig durchbeleidigt hatten, dass ich einfach keinen Argwohn hegte. Ich bin halt harmoniesüchtig, das hat sicherlich Nachteile.
Berta verfügte über Mutters Kontovollmacht über den Tod hinaus; ausführlich hatte ich Sunny geschildert, warum Mutter dies so geregelt hatte. Und Sunny begriff dies nach meinem Dafürhalten auch der Sache nach, denn sonst hätte sie garantiert noch längere Zeit lamentiert, obwohl das ja Quatsch gewesen wäre.
Schließlich fragte Sunny nach einer Teilauszahlung der 10.000 €, die vom aufgelösten Konto des Bankhauses Löbbecke wohl schon überwiesen sein sollte. Dem musste ich widersprechen, denn es waren ja noch Rechnungen zu bezahlen. Zwei Steuererklärungen, der Steuerberater... Dann waren da noch Heimkosten offen, im Zusammenhang mit der Wohnung konnten auch noch Kosten entstehen.
Dies sah Sunny zwar ein, wollte aber dennoch eine Teilauszahlung. Ich sollte hier noch erwähnen, dass Sunny anfangs des Gesprächs das Konto ganz auflösen wollte. Aus den im vorherigen Absatz genannten Gründen ging das natürlich nicht, das habe ich ihr wenigstens noch verständlich machen können.
Im Übrigen hätte mich allein die Tatsache, dass sie Frau Peters bereits namentlich kannte, darauf aufmerksam machen sollen, dass Sunny sich bereits vor ihrem Anruf bei mir bei der Bank erkundigt haben musste. Sie wollte mich lediglich aushorchen, weil sie sich hintergangen fühlte. Schon seit Monaten hatte sie ja bereits diese Gedanken geäußert; wahrer wurde dies jedoch auch diesmal nicht.
Zum Abschluss versicherte ich Sunny noch einmal ausdrücklich, dass ich Berta bitten werde, einen Kontoauszug zu holen und ihr zukommen zu lassen. Normalerweise sollte dies unter Geschwistern eigentlich nicht nötig sein, auch nicht unter Freunden. Ein solches Misstrauen ist eigentlich nur zwischen wildfremden Menschen oder Händlern angezeigt. Aber sei es drum; aufgrund der ganzen Streitereien konnte ich ihre Bedenken und Ängste nachvollziehen. Im Job muss ich auch jeden Tag Bedenken wie Vorurteile ausblenden und eine objektive wie faire Sicht walten lassen.
Donnerstag, 5. Januar 2017. Gleich am frühen Vormittag rief ich Berta an, um ihr von dem Telefonat mit Sunny zu berichten. Am Vorabend hatte ich es wohl nicht mehr versucht - außerdem ist Berta zu dieser Zeit normalerweise beim Yoga. Als ich ihr von Sunnys Preisvorstellungen berichtete, war Berta unverzüglich genervt. Sie sah das ebenso wie ich: 135.000 € sind einfach zu viel, zu dem Preis würden wir die Wohnung noch lange nicht verkaufen können und hätten auch noch die laufenden Kosten an der Backe.
Darüber hinaus war es ja Berta, die die ganzen Zahlungen abwickelte und sich um den Schriftverkehr bezüglich der Wohnung kümmerte; sie war der Ansprechpartner für die Hausverwaltung. Sunny war da fein raus. Die fabulierte nur rum, und dass allein durch imaginäre Preise, die ihr von Dörtes Freundin zugeflüstert worden waren. Bertas Frust konnte ich da vollkommen verstehen.
Kontoauszüge hatte Berta allerdings noch nicht geholt. Sie begründete dies ja stets mit den zusätzlichen Kosten. Ich selbst brauchte keinen aktuellen Kontoauszug, da ich Berta als meiner Sestra vertraute und auch heute noch traue. Das Sunny dagegen unbedingt einen aktuellen Kontoauszug sehen wollte, konnte ich aber auch nachvollziehen, denn wir hatten uns genug gefetzt in den Monaten vorher und da war mir Sunnys Paranoia, so unbegründet sie auch gewesen sein mag, erklärlich.
Berta sah dies endlich ebenfalls ein und wollte noch am selben Tag in den Heidberg fahren, um einen Kontoauszug drucken zu lassen. Den wollte sie mir per Mail schicken, auf das ich diesen an Sunny bzw. Reiner weiterschicken würde. Abgesehen davon fragte ich mich allerdings schon, warum Berta einen Kontoauszug noch nicht geholt hatte.
Sunny witterte deshalb eine Hinterlist - ich nicht. Berta hatte es mir zwar bereits mehrfach verklickert, dass sie es nicht einsah, dauernd zu springen, bloß weil Sunny etwas wollte und dabei selbst nie aus dem Ei kam. Der Zeitaufwand, die Aufregung bei Gesprächen mit Frau Peters wegen unberechtigter Kosten für Auszüge kam noch dazu. Das alles leuchtete mir ein. Und dennoch... Berta wusste auch, dass Löbbecke das Geld vom Konto nunmehr überwiesen haben musste.
Ich denke, dass es lediglich an der von unserem Vater vererbten Trägheit lag, dass Berta bis dahin noch keinen Kontoauszug von der Nord/LB geholt hatte. Diese Bequemlichkeit ist uns allen drei zu eigen, obwohl Sunny hiervon noch am wenigsten betroffen ist. Aber dies nur am Rande, ich hielt das Ganze eh nicht für so wesentlich, als dass wir dies am Telefon ausdiskutieren mussten.
Ansonsten war Berta richtiggehend überrascht, weil Sunny die ganze Zeit so freundlich und sanft gewesen war. Sie argwöhnte, wohl nicht zu Unrecht, dass Sunny mit ihr nicht so gut gelaunt und nett gesprochen hätte. Hier fielen Berta wieder einige Erinnerungen aus ihrer gemeinsamen Kindheit ein. Zu der Zeit (50er Jahre) war ich noch nicht auf der Welt gewesen und konnte deshalb nichts weiter dazu sagen. Betrifft mich selbstverständlich auch nicht, also murmelte ich dazu immer nur ein „hmh" als Kommentar.
Nach diesem Gespräch legte ich gut gelaunt auf und vergaß umgehend die Angelegenheit mit den Kontoauszügen. Der Job erforderte meine ganze Aufmerksamkeit. Donnerstag Nachmittag ist bei mir immer am meisten los, da sinniere ich nicht über andere Dinge.

Mittwoch, 19. Februar 2020

Udorallala: Bon Scott


Im ausgehenden Sommer letzten Jahres hatte ich eine bemerkenswerte Biographie gelesen. Der Australier Jesse Fink veröffentlichte 2017 nach seinem vielbeachteten Buch über die Gebrüder Young ein Buch über die letzten 2 Lebensjahre von Bon Scott. Meinen Senf dazu stelle ich heute, zum 40. Todestag von Bon, ins Netz.
Finch hatte für sein Buch nicht nur mit Weggefährten von Bon wie Mitgliedern von Def Leppard oder UFO gesprochen, sondern auch - und vor allem - mit ehemaligen Freundinnen aus der Zeit sowie mit einem Saufkumpan aus Texas, der mit Bon zufällig während der ersten US Tournee von AC DC zusammen kam, um eine Nacht durchzufeiern.
Vor allem, um die Nacht durchzusaufen. Finch beschönigt Bon nicht; Genau das ist der Verdienst dieser Biographie und lässt Bon überhaupt erst menschlich erscheinen. Als Fazit nach der Lektüre dieses Buches bleibt dann auch, dass der hoffnungslose Alkoholiker Bon Scott nicht trotz, sondern wegen dieses Makels liebenswert war.
Bon wollte einfach nur mit der Musik Geld verdienen und war bereits 1967 als zweiter Sänger bei der australischen Bubblegum Popband „the Valentines“ erfolgreich, ehe er Anfang der 70er Jahre bei der Progressive Rock Band „Fraternity“ einstieg. Er heiratete 1974 und ließ sich zwei Jahre später scheiden. Er war schon über 30 Jahre alt, als er bei AC DC einstieg. Bis dahin hatte er immer noch kein Geld verdient gehabt.
AC DC war von Anfang an ein Projekt der drei Young Brüder. Bon Scott als genialer Songtexter und begnadeter Frontmann war bei den Brüdern eher geduldet als innig geliebt, auch wenn die Band sich nach außen anders verkaufte. Bons ständige Drogen- und Alkoholexzesse waren dem eher abstinenten Angus und dem introvertierten Malcolm ein Dorn im Auge. Beide waren sie erheblich jünger als Bon. Lediglich der ältere Bruder George war im gleichen Alter wie Bon, als Plattenproduzent jedoch auf den Touren eher gar nicht unterwegs.
Und dort ließ Bon von Jahr zu Jahr mehr die Kuh fliegen. Anfangs verdiente die Band kein Geld; auch die erste US Tour war für die Plattenfirma Atlantic Records ein Zuschussgeschäft. Anders als ihre Freunde von Foreigner hatte AC DC als australische Band nicht zuletzt bei den Medien einen schweren Stand.



 
Es mutet wie ein Witz an, dass der beste Hardrocksänger aller Zeiten zeitlebens lediglich wenige Dollar in der Tasche hatte. Die Plattenfirma zahlte ansonsten alles - von den Hotelzimmern bis zum Catering. Der Rest war freier Eintritt als Star der seinerzeit besten Live Band. Bon Scott brauchte nie zu bezahlen, höchstens mal ein Taxi.
Zum Schluss verliert sich Finch in Spekulationen zu Bons Tod auf dem Rücksitz eines Kleinwagens vor der Wohnung eines Freundes in London, wo Bon Scott seinerzeit lebte. Es bleibt Spekulation, ob Bon Heroin schnupfte oder nicht. Ob er wirklich im Auto am Erbrochenen starb oder in der Wohnung des Freundes. Zumindest gibt es keine Verschwörungstheorie über ein Mordkomplott der Young Brüder.
Gerade die Schilderungen der Ex Freundinnen sind sehr erhellend, um den Menschen Bon Scott näher verstehen zu können. Bon arbeitete hart für den Erfolg der Band. Trotz aller Exzesse verpasste er nie einen Auftritt, höchst selten einen Studiotermin. Frustriert über den zunächst ausbleibenden Erfolg ruinierte er wissentlich seine Gesundheit. Am Ende, als die Millionen dank „Highway to Hell“ endlich zu fließen schienen, dachte er sogar über einen Entzug nach.
Er wollte laut einer Freundin aus der Band aussteigen und sich mit ihr aus dem Biz zurückziehen. Doch die Sucht war stärker. Es ist ein Irrglaube, wenn man meint, dass er seinen Weg aus Liebe zur Musik konsequent bis zum Ende gegangen ist. Die Musik war lediglich ein Job, um zu Geld zu kommen. Sein Talent hatte Bon Scott richtig erkannt und dank der Brüder Young, mit denen er die unsterblichen Songs geschrieben hatte, kam am Ende der Erfolg.
Die Ironie an der Geschichte ist allerdings, dass AC DC ohne den Tod von Bon Scott und die daraus resultierende Medienpräsenz wohl nicht zur erfolgreichsten Hard Rock Band aller Zeiten mutiert wären.
„Back in Black“, das posthum veröffentlichte Album mit Brian Johnson als Nachfolger von Bon, ist neben dieser Metallica Scheibe die wohl meistverkaufte Hard Rock Platte. Dass Bon die Texte zu diesem Album entgegen der offiziellen Credits unmittelbar vor seinem Tod noch fertig gestellt hatte, halte ich nach Lektüre dieses Buches für wahrscheinlich.
Empfehlen möchte ich die Lektüre dieser Biographie vor allem jüngeren Fans von AC DC, die diese Band erst nach dem Tod von Bon Scott entdecken konnten. Hört Euch die ersten 4 Alben an. Dagegen ist der Rest Müll.

Freitag, 14. Februar 2020

Udorallala: Roy Loney & the Phantom Movers

Letzten Donnerstag saß ich nachmittags geplättet in meinem Büro, nachdem ich eineinhalb Stunden lang schwierige Kunden bei mir hatte. Da schaute ich auf Whatsapp und wurde gleich noch mal eine Spur trauriger, als ich die Mitteilung von Pocke las und die bittere Wahrheit realisieren musste. Roy Loney ist gestorben und keiner in der deutschen Musikjournaille hat es mitbekommen.
Es hat ja auch keinen im Musikbiz interessiert, zumindest in Deutschland oder Europa. Nochmal großen Dank an Pocke für die Info. Schnell habe ich auf der Seite des Rolling Stone (US Ausgabe) wenigstens ein paar Infos zu Roy lesen können. Die Todesursache war wohl schweres Organversagen; Todesdatum war der 13. Dezember 2019.
Am Schluss des viel zu kurzen Beitrags stand dankenswerterweise lediglich folgender Satz: “Roy was born on a Friday the 13th and he died on a Friday the 13th,” Loney’s girlfriend Altmann told the Chronicle. “That is a very rockin’ thing to do.” Ich bin zwar nicht abergläubisch, doch irgendwie klingt es passend für Roy.
Ich verbinde viele schöne Momente in meinem Leben mit der Musik von Roy. Sei es Anfang der 90er, als ich dank Ulis Empfehlung das erste Mal „Don`t believe those Lies“ gehört hatte oder in all den Jahren seitdem, in denen ich öfters seine Soloplatten mit den Phantom Movers oder den frühen Flaming Groovies gehört hatte. Tonträgermäßig war es ja in diesem Jahrtausend etwas ruhiger um ihn geworden, da gab es nur noch 2 CDs mit den Longshots. Da sind zwar nicht mehr die großen Perlen drauf, aber die knallige Produktion mit erheblich jüngeren Musikern hatte mich da stark beeindruckt.



Auch auf die Gefahr hin, dass ich es schon mal darnieder geschrieben haben sollte, erzähle ich gern die Story, wie ich Roy Loney beinahe kennengelernt hätte. Das war im Frühjahr 1994 anlässlich einer Reise an die Westküste der USA mit Wolfgang und Pocke. Ich denke, es ergab sich am Ende unserer dreiwöchigen Tour, dass wir die Haight Street in San Franzisco besuchten. Pocke und ich waren ja bereits zwei Jahre zuvor dort gewesen. Bei jenem ersten Besuch dort hatte ich mich in den Läden der Haight Street mit dem Überangebot an gebrauchten CDs ordentlich eingedeckt. 1992 war ich ja auch gerade auf CD umgestiegen.
Insbesondere der erste Laden mit gebrauchten CDs und Platten hatte es Pocke und mir angetan. Wolfgang interessierte dies weniger, so dass er sehr schnell den Laden verließ. Ich weiß gar nicht mehr warum, aber ich war damit beschäftigt, den riesigen Vorrat an Platten durchzuwühlen. Buchstabe L – war ich da schon auf der Suche nach Platten von Roy?
Wahrscheinlich war das so. In Deutschland war Roy Loney ja mehr oder weniger unbekannt. Informationen im Internet gab es nicht und da die einschlägige Fachpresse (MusikExpress/Sounds, Spex) Roy Loney nicht auf dem Schirm hatte, wusste ich auch nicht, was Roy so alles in seiner langjährigen Karriere veröffentlicht hatte. Ich bin der Meinung, dass ich außer der MiniLP „Phantom Tracks“ und der bombastischen Scheibe „Scientific bombs away“ weiter keine Scheiben von ihm hatte. Die Scheiben hatte ich wohl über den Versand – also Malibu oder Malibu – bezogen. Von denen bekam ich jeden Monat einen Katalog zugeschickt, den ich gierig studierte…
Also doch eine gezielte Suche. Und nach kurzer Zeit wurde ich fündig. Ich erwischte tatsächlich alle LPs von „Roy Loney & the Phantom Movers“ in der Wühlkiste und stand anschließend mit 4 Scheiben an der Kasse. Der Verkäufer war baff erstaunt, dass jemand gezielt Platten von Roy Loney – und sonst nix – aus der Kiste gezogen hatte.
„Oh. You`re a Fan of Roy? Where you From?“ fragte mich der Verkäufer an der Kasse. In meinem radebrechenden Schulenglisch erklärte ich ihm meine Herkunft als deutscher Tourist. Beim Einsammeln des Geldes war er dann noch so freundlich mir zu erzählen, dass Roy um die Ecke in einem anderen Plattenladen arbeiten würde. Da war ich sofort begeistert; ich ließ mir den Namen und Lage des Ladens geben und machte mich auch gleich auf die Socken.
Der Verkäufer meinte noch, dass Roy sich über den Besuch eines Fans aus Europa freuen würde. Um Pocke brauchte ich mich nicht zu sorgen, der kam alleine klar und arbeitete sich gerade erfolgreich an der „1 Dollar CD Abteilung“ ab. Da stand ich nun auf der Haight Street mit meiner Plattentüte und atmete erst einmal durch. Ich war noch ganz berauscht von der Vorstellung, gleich einen meiner Lieblingsmusiker zu treffen, der mir dann die LPs signieren würde.
Mir war regelrecht schwindlig vor Aufregung, zumal es auf der belebten Haight Street hektisch und laut zuging. Ich bog nach vielleicht 50 Metern rechts um die Ecke in eine Seitenstraße – dort sollte Roy in jenem Plattenladen, dessen Name ich heute natürlich vergessen habe, arbeiten. Aufmerksam suchte ich die Häuserzeile nach besagtem Laden ab – vergeblich.
Je länger ich suchte – auch in weiteren Nebenstraßen – desto mehr kam ich von meiner euphorischen Stimmung wieder runter. Ich war noch nicht einmal enttäuscht, dass ich jenen Plattenladen und damit Roy Loney himself verpasst hatte. Dafür war ich glücklich, von Roy Loney viele Platten ergattert zu haben, die es seinerzeit in Europa nicht zu kaufen gab. Zum Beispiel die erste LP der Phantom Movers, „Out after Dark“. Die ist bis heute eine meiner Lieblingsplatten geblieben.
Roy Loney war und ist irgendwie zeitlos, man könnte auch sagen, dass er aus der Zeit gefallen war. Für Metalfans war er nicht hart genug. Rock `n´Roll Fans alter Schule empfanden ihn dagegen als zu hart. In die jeweils aktuellen Modetrends an Musik wie Punk, Wave, Ska oder später dem Britpop ließ sich Roy ebenfalls nicht einsortieren. Seine Musik war seit jeher, schon seit den Flamin` Groovies, eher etwas für den Liebhaber guter Melodien. Etwas für Leute, die einfach wissen, wann etwas gut ist, ohne es näher beschreiben zu können.
Also für mich. Und Dich selbstverständlich auch. Hör Dir Aufnahmen von und mit Roy Loney an, falls Du ihn noch nicht kennst. Du wirst es nicht bereuen.
So long, Roy. Mögest Du im Himmel den Engeln und 72 Jungfrauen auf ewig „Don`t believe those Lies“ vorspielen.

Donnerstag, 13. Februar 2020

Ray Sharpe 2/2


Ray hatte den Song in seiner Zeit mit den Wailers in den Clubs von Fort Worth und Dallas gespielt. Danach vergaß er „Linda Lu“, bis zu dieser zweiten Aufnahmesession in den Audio Sounds Studios. Und anders als oft behauptet wird, spielt Duane Eddy auf der zweiten Session in Phoenix nicht mit.
Dank der teilweisen Phrasierung (Wiederholung) der Silben, was fast einem Stottern gleich kommt, und des zupfenden Gitarrenlaufs war „Linda Lu“ wie geschaffen für die nach schnellen Songs dürstenden Teenager. Zusammen mit „Red Sails in the Sunset“ wurde „Linda Lu“ als Single auf Jamie Records veröffentlicht - allerdings als B-Seite.
Denn „Red Sails in the Sunset“ galt den Machern als bessere Chance auf einen Hit, zumal die Fachpresse und die DJ`s für Ray`s Fassung des alten Hits positive Rückmeldungen abgaben. Nur verkaufte sich die Single eher mäßig, so dass man nicht von einem Hit sprechen konnte. „Linda Lu“ als B-Seite wurde von den Kritikern offenbar nicht wahrgenommen.
Das änderte sich allerdings schlagartig, als Dick Clark „Linda Lu“ in seiner TV Show American Bandstand spielte. Urplötzlich stieg die Single auf Platz 46 der Billboard Pop Charts und gar bis auf 11 in den R&B Charts. Der Song hielt sich 13 Wochen in den Hot Hundred. Geistesgegenwärtig zogen die Produzenten Sill und Hazlewood die ursprüngliche Single aus dem Verkauf zurück und ersetzten flugs „Red Sails in the Sunset“ durch den erheblich besseren Titel „Monkey`s Uncle“, zumal sie die Verlagsrechte an diesem Titel hielten. Übrigens finde ich diesen Uptempo Rocker sogar noch stärker als „Linda Lu“.
Leider verhielt es sich so, dass Ray ohne ein starkes Management die ganze Situation falsch einschätzte. Er verließ eine Tour an der Ostküste mit seiner Band, um auf einer Package Tour spielen zu können. Diese Tour war eine von Dick Clark organisierte Package Tour, bei der aus American Bandstand bekannte Künstler wie Jack Scott, Rusty York, the Coastern, Duane Eddy und LaVern Baker aus Kostengründen mit der gleichen Backing Band spielten.
Ray Sharpe & the Wailers

Rays eigene Begleitband, die Wailers, verhinderte in der Folge einen größeren Erfolg seiner Hitsingle. Sie glaubten wohl, dass Ray sie verlassen würde, als „Linda Lu“ durchstartete, weil Ray mit den üblichen lokalen Musikern auf der Package Tour spielte. Wäre er bei seiner Band auf der Tour an der Ostküste geblieben, hätte er „Linda Lu“ sicher noch bekannter machen und damit besser verkaufen können.
Stattdessen stand er dann ohne Band da, da jetzt seine Musiker ausscherten. „Linda Lu“ wurde auch von vielen Bands, welche fest in den vielen Bars der USA live auftraten, als eine Art Hymne im Programm aufgenommen. Dazu gab es noch verschiedene Coverversionen, unter anderem von Wayne Cochran. Ich kenne den Song eigentlich eher durch das Cover von Johnny Kidd & the Pirates, die mit ihrer Version Anfang der 60er in die britischen Top 50 stürmten.
Leider konnte Ray nach „Linda Lu“ keinen Nachzieher platzieren, trotz seines guten Drahtes zu den Top Produzenten Lester Sill und Lee Hazlewood. Die Nachfolgesingle „Long John“ / „T.A. Blues“ fiel da schon etwas ab und floppte dementsprechend. Auch die weiteren Singles auf Jamie Records verkauften sich nicht mehr, so dass sich Ray nach einem erfolglosen letzten Versuch mit „Justine“, einem sehr schönen Midtempo Song, auf Trey, einem Sublabel von Sill und Hazlewood, ohne einen Plattenvertrag dastand.
Ich denke mir auch, dass Ray Sharpe mit „Monkey`s Uncle“ als Nachfolgesingle zu „Linda Lu“ eine bessere Chance gehabt hätte, eine große Karriere zu starten. So blieb er leider nur ein One Hit Wonder, dessen Hit heute eher durch die Coverversionen diverser Rockgrößen bekannt ist.
In der Folge veröffentlichte Ray in den 60ern mehrere Singles auf verschiedenen kleinen Labels, die leider keine Beachtung fanden. Interessant ist dabei lediglich eine Singles für Atco aus dem Jahr 1966. Von King Curtis produziert, wurde Ray von dem zu der Zeit noch unbekannten Jimi Hendrix an der Gitarre unterstützt. Zur Info: Da Ray zwei Singles auf Atco veröffentlichte, handelt es sich bei der Single mit Hendrix um „Help me“.
Ray Sharpe ist seinerzeit Ende der 50er ein Unikum gewesen. Er war der einzige schwarze Rockabilly gewesen, der dafür gelobt wurde, dass er wie ein Weißer klang. Dies stellte eine komplette Umkehrung der seinerzeit vorherrschenden Einordnung der Musiker in die unterschiedlichen Musikstile - lediglich aufgrund ihrer Hautfarbe - dar.
Ray Sharpe soll in seiner Jugend auch geplant haben, mit Rockabilly-Musiker Ronnie Dawson ein Duo zu gründen, dass sie The Oreo Crookies nannten. Jedoch wurden sie sich klar darüber, dass ihre Mitmenschen (aufgrund der in den USA zu der Zeit noch vorherrschenden Rassentrennung) dies missbilligten, daher ließen sie ihr Vorhaben wieder fallen.
Und genau wie sein alter Kumpel Ronnie Dawson wurde Ray in den 90ern während des x-ten Rockabilly Revivals wiederentdeckt und tritt seitdem auf Bluesfestivals oder Rockabilly Revivals auf. Spät, sehr spät, bekam Ray verdientermaßen etwas Aufmerksamkeit.

Samstag, 8. Februar 2020

H. Lecter: Alf


12
Selbstverständlich waren wir nicht nur nach Malle gefahren. Da war noch so eine Busreise nach Prag, an der neben Mr. Rhönrad auch Jupp, unser polnischer Sozialarbeiter, teilnahm. Da Alf bei der Rutsche nicht mit dabei war, werde ich auch nicht näher auf den bierseligen Abend mit den tschechischen Eishockeyfans oder den Nachmittag in der Tabledancebar am Wenzelsplatz eingehen.
Wo Alf allerdings mit war, das war unsere Rutsche nach Istanbul. Hier war Buck noch nicht mit im Kader gewesen. Der harte Kern bestand zu der Zeit aus Alf, Max, Klaus-Ewald, mir und Moritz. Wie immer Moritz mit dem Einzelzimmer und ich mit Alf auf einem Zimmer, weil nur ich sein Schnarchen aushielt und außerdem seine Schlagzahl halbwegs mitgehen konnte.
Das Schöne an diesem Urlaub war gewesen, dass wir uns in Istanbul mit der Sauferei gewaltig zurückhalten mussten. Efes und Raki zu bekommen war zwar kein Problem gewesen, aber eine Druckbetankung erschien uns aufgrund der bereits seinerzeit überall zu spürenden Militärpräsenz nicht angezeigt. Die PKK war in den 90ern sehr aktiv gewesen und deshalb stand an fast jeder Straßenecke ein schwerbewaffneter Soldat.
Abgesehen von diesem bedrohlichen Umfeld waren wir in unserem Hotel außerhalb der türkischen Metropole gut untergebracht, hier waren wir abends ungestört und ausgelassen. Wie gesagt, Efes und Raki. An einem Abend ging es insbesondere mit dem Raki hoch her. Das war dann für Alf zu viel gewesen.
Von dem Tresen der Bar ging es über drei breite Stufen auf die Ebene der Halle. Auf dem Weg zu den Zimmern durchlief man den Eingangsbereich mit Rezeption und gemütlichen Sitzecken, ehe man zum Fahrstuhl und darüber zu den Zimmern kam. Wie in den meisten Hotels auf der Welt halt.
Nur diese 3 Stufen… Beim Gang aufs Zimmer zum Bubu machen vergaß Alf den zu überbrückenden Höhenunterschied mittels der Stufen und wunderte sich, warum sich der Fußboden bei einem Schritt versteckt hatte. Dieser Fuß sackte durch und fand zwar auf der Treppenstufe seinen Halt, doch da hatte Alf bereits seinen Körperschwerpunkt nach vorn verlegen müssen und segelte unvermeidlich auf die Fliesen der Eingangshalle zu.
Glücklicherweise fallen Betrunkene automatisch so, dass sie sich nicht verletzen. Und so legte sich Alf eben nicht aufs Maul, sondern konnte sich, mit den Knien aufgekommen, hochrappeln und Richtung des Fahrstuhls torkeln.
Die Koordination war leider eingeschränkt, so dass er völlig unkontrolliert gegen einen Tisch lief und die darauf stehenden Vasen vom Tisch fegte, Blumen und Wasser flogen im hohen Bogen durch die Halle. Notdürftig reparierten wir den Schaden, während einer Alf festhielt, damit er nicht noch mehr Schabernack veranstalten konnte. Hinterher brachten wir, respektive ich, Alf zu Bett.
Ansonsten verliefen die anderen Abende glimpflich, wir waren in Istanbul auch eher am Tage unterwegs. In dieser von Menschen nur so wimmelnden Großstadt sind wir gerade am ersten Tag sehr planlos durch die Gegend gelaufen, ehe Moritz meckerte, dass es bereits 12.00 Uhr sei und wir nun ganz dringend etwas essen müssten. So lernte ich McDonalds Istanbul kennen.
Schön war es im Bazar von Istanbul. Ich interessierte mich für eine Wasserpfeife, welche zuhause meine blaue Giraffe ersetzen sollte. Die dort erhältlichen Pfeifen waren mir allerdings zu klobig, so dass ich sie nicht in meine Reisetasche bekommen hätte. So begnügte ich mich mit einem Apfeltee, den wir nahezu an jedem Stand angeboten bekamen. Immer freundlich, die Verkäufer.
Wir hatten dort auch etwas gegessen – leckere Spieße mit Reis und frischem Salat. Alf und ich mussten auf Toilette; bei mir drückte die Blase und Alf hatte Größeres vor. Der Kellner bedeutete uns, in den ersten Stock zu gehen, wo sich die Toiletten befanden.
Was soll ich sagen: Ich war geschockt. Die Wände waren zugeschissen; die Klobrille ebenfalls. Der Gestank war mörderisch, deshalb hatte ich nach dem Pinkeln aufs Waschen der Hände verzichtet. Alf erledigte in dieser Kloake sogar sein Geschäft. Selbstverständlich blieb ich nicht, um dies jetzt bestätigen zu können.
Highlight dieses Urlaubs war zweifelsohne das UEFA Cup Spiel Besiktas gegen den FC Valencia. Wir standen im total überfüllten Stadion sehr beengt und ein alter Mann beschimpfte uns aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen als deutsche Arschlöcher. Wir ignorierten ihn und warteten auf den Anpfiff, denn wir waren bereits drei Stunden vor Spielbeginn in die Kurve gegangen.
Bier gab es nicht, dafür aber wunderbare Fangesänge. Die Choreo war hervorragend. Die Kurve stimmte ein Lied an und die Tribüne antwortete. Das Publikum peitschte dann zu Spielbeginn Besiktas nach vorne. 20 Minuten lang mit ohrenbetäubender Lautstärke. Dann schoss Valencia das 1:0 und spätestens nach dem 2:0 waren die Gesänge vorbei und die Zuschauer verließen das Stadion.
4:0 für Valencia hieß es am Ende und Besiktas war damit ausgeschieden. Was für ein bizarrer Stadionbesuch, Bengalos inklusive. Am nächsten Tag fuhren wir noch kurz über den Bosporus, um asiatischen Boden zu betreten. Im Stadtteil Fenerbace sind wir dann noch ein wenig herumgelaufen; überall hingen blaugelbe Fahnen und Schals.
Ein Urlaub mit wenig Alkohol . auch den konnte man mit Alf machen, obwohl ihm das Alle nicht mehr zugetraut hatten.

Freitag, 7. Februar 2020

Contramann: aus aktuellem Anlass


Wie sich die Ereignisse doch gleichen:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131940.nsdap-in-thueringen-erster-schritt-ins-dritte-reich.html
Sehr lesenswert, diese politischen Ränkespiele im Land Thüringen der Weimarer Republik. Bereits in den 20er Jahren, bald 10 Jahre vor Hitlers Machtergreifung in Berlin, forderte die NSDAP im Thüringer Landtag am 10.Juni 1926 den Ausschluss von Juden aus öffentlichen Ämtern und weitere Schikanen. Von wegen, „wir haben das nicht gewusst.“ Diese historischen Abläufe waren mir neu. Ob meine Eltern wirklich nichts gewusst hatten? Hhmmm…
Aber mittlerweile ist ja aus der Agenda Kemmerich die Luft raus, da er einen Tag nach seiner ominösen Wahl gleich seinen Rücktritt als Ministerpräsident Thüringens bekanntgab. Das der Dussel die Wahl überhaupt angenommen hatte, ist ja schon bezeichnend. Machtgeil ohne Ende, die Mannschaft. Was ist bloß aus der Partei von Scheel und Genschman geworden? Es bedurfte wohl eines Machtwortes von Christian (Lindner) dem Schönen, der gleich frühmorgens am Tag nach der Wahl gen Erfurt eilte, um sich mit Kemmerich zu beraten.
Stellvertretend für viele Kommentare an diesem schwarzen Tag für die eigentliche „Bonner Republik“ – den muss ich jetzt hoffentlich nicht erklären, oder? – nehmen wir mal die Süddeutsche:
https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringen-kemmerich-afd-1.4786306
Hier steht nämlich etwas Wesentliches. Im 3. Wahlgang gilt in Thüringen derjenige als gewählt, der die meisten Stimmen erhält. Oder der, der beim Stiefelsaufen als Letzter steht. Kemmerich hatte sich erst zum 3. Wahlgang überhaupt zur Wahl gestellt; In den ersten beiden Wahlgängen schafften es weder der Linke Titelverteidiger Ramelow noch sein Herausforderer und Favorit der AfD, dessen Name im Kommentar noch nicht einmal genannt wird.
Was war denn da die Motivation der FDP? Weder links noch rechts sollte es sein; die „bürgerliche“ Mitte soll Flagge zeigen oder was? Und das war nicht wenigstens mit der CDU abgesprochen? Das die AfD Leute alle den Kemmerich wählen würden, war den CDU wie den FDP Abgeordneten vielleicht wirklich nicht bewusst. Leider spricht die Reaktion nach der Auszählung der Stimmen da eine andere Sprache.
Entlarvend sind hier auch die anschließenden Kommentare der thüringischen FDP und CDU, die meinten, es wäre alles korrekt gelaufen, da sie ja quasi nichts dafür könnten, dass die AfD den Kemmerich wählen. Und dann faselten sie sogar noch etwas von einer Minderheitsregierung ohne Beteiligung der AfD, die Ramelows Linke sowie die Grünen und die SPD tolerieren sollten.
Es ging der Union und der FDP lediglich darum, die Linke von der Regierung wegzubekommen. Dabei ist Ramelow, der in Thüringen selbst bei den CDU Wählern laut Umfragen eine Zustimmung von 74% hat, eher ein gemäßigter Sozialdemokrat alter Prägung, der auch mit der Abschiebung von Flüchtlingen keine Probleme hatte. Dieses Lagerdenken bestimmte das Handeln. Da nahmen diese Idioten selbst die „Hilfe“ der politisch Rechten in Anspruch. Und da kommen eben Erinnerungen an die Endphase der Weimarer Republik auf.

hier noch einer aus dem Telepolis Forum, den ich so wohl unterstützen kann:
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Kein-Bollwerk-gegen-die-AfD-in-Thueringen/Der-vermeintlich-Erfolg-der-AFD/posting-36071832/show/

Der vermeintlich Erfolg der AFD
"ist doch ausschließlich dem inzwischen über Jahrzehnte anhaltenden TOTALVERSAGEN sämtlicher anderen etablierten Parteien geschuldet.
Vor dem Hintergrund finde ich es an Zynismus nicht mehr zu überbieten, wenn sich ausgerechnet jene Parteien, welche sich auch noch als LINKS ansehen, die letzten 20 Jahre allerdings, wenn diese an der Macht waren, exorbitant stramm neoliberale Politik GEGEN die eigenen Wählerklientel gemacht haben und sich nun ausgerechnet diese Parteien mit dem pseudomoralischen Empörungszeigefinger entrüsten.
Nicht, dass ausgerechnet die AFD hier eine echte Alternative wäre. Nein. Aber von ihr erwartet man dies auch gar nicht. Von den vermeintlich linken Parteien hätte man dies aber die letzten 20 Jahre erwartet...
Was denken sich die Intelligenzflüchtlinge in den Parteispitzen eigentlich, was dauerhaft passiert, wenn diese ihre Stammwähler Jahrzehntelang konsequent mitten in die Fressen treten? Das die Wähler sich dafür noch bedanken?
Nö. Die denken sich evtl. einfach nur, wenn wir ohnehin stramm neoliberale Politik bekommen, können wir auch gleich das Original wählen...
Und man muss ja sagen, dass der deutsche Wähler nun wirklich schon eine extreeeem langsame Reaktionszeit hat. Ansonsten hätte man die SPD Anfang der 2000 Jahre aus dem Bundestag hinauswählen müssen. Die einstige Friedenspartei, die Grünen, sogar noch mehr, hat doch keine andere Partei ihre einstigen Ideale so verraten wie die Grünen. In Frankreich hat der Wähler beispielsweise da deutlich zeitnaher und konsequenter reagiert. Na gut. Genutzt hat es dort auch nichts, außer, dass das Establishment nun seit einem Jahr hart gegen die Demonstranten vorgeht....
Auch die Linke, lange Zeit im Osten mit eine der stärksten politischen Kräfte, hat binnen Jahrzehnten nicht geliefert und nachdem Kreise um Kipping und Co nun deren bestes "Pferd" im Stahl, Sarah Wagenknecht, über lange Zeit mit Erfolg erst krank und nun rausgemobbt haben, hat sich auch die Linke eine Klatsche wirklich redlich verdient.
Was bleibt?
Dem Grunde nur die Erkenntnis, dass man sich den Aufwand, überhaupt noch wählen zu gehen, getrost sparen kann. Oder man wählt halt die Tierschutzpartei oder sowas. Da diese aber ohnehin nicht rein kommen, ist auch das vergeudete Zeit.
Insgesamt ein abstoßendes Schmierentheater, von welchem man sich eigentlich nur noch angewidert abwenden kann."

Zum Schluss möchte ich einen weiteren Gedanken noch loswerden. Die Ereignisse am 5. Februar 2020 im thüringischen Landesparlament zeigen sehr deutlich, welches Problem unsere Demokratie wirklich hat. Das in Deutschland praktisch beherrschende Verhältniswahlrecht richtet die Republik zu Grunde – genau wie seinerzeit die Weimarer Republik. Aufgrund der vielen in den Parlamenten vertretenden Parteien kommen verstärkt Koalitionen zustande, die gar nicht funktionieren können, wenn die Politiker ihre jeweiligen Wählerinteressen auch nur ansatzweise erfüllen wollen. Eine Kenia Koaliton aus CDU, SPD und Grünen wie in Sachsen ist da schon ein schlechter Witz. Nebenan in Thüringen crashte gerade die Links-SPD-Grünen Koalition. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.
Die westlichen Siegermächte hatten 1949 kein Problem, die Bundesrepublik mit einem Verhältniswahlrecht in die Souveränität zu entlassen. Denn sowohl in Großbritannien, Frankreich als auch in den USA herrscht ein Mehrheitswahlrecht. Das führt noch heute in Großbritannien wie den USA zu einem Zweiparteiensystem, in Frankreich ist es zugegebenermaßen etwas komplizierter. Aber: Dort sind die politischen Verhältnisse stabiler, was bei allen bekannten Schwächen wie Trump oder Thatcher als Regierungschefs den Vorteil bietet, dass Entscheidungen auch Entscheidungen sind und keine verwässerten Kompromisse.
Meiner Meinung nach ist die Demokratie nur so zu retten.
Und das mir nachher keiner sagt, dass hätte man ja nicht ahnen können.
ICH habe es Dir JETZT gesagt, Baby!

Dienstag, 4. Februar 2020

Contramann: kurz gesehen im Februar


https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/der-kapitalismus-braucht-eine-erneuerung-henrik-mueller-a-1299127.html
Mann, was für nen übler Kommentar. Dass sich die Bevölkerung der Bundesrepublik zu fast 80% zum Kapitalismus bzw. zur „freien“ Marktwirtschaft bekennt, ist lediglich ein feuchter Traum des Kommentators. Wenn jetzt schon Zweidrittel der Wähler AfD oder die Linkspartei wählen, sehen sich CDU/CSU, Grüne, FDP und SPD bald dazu gezwungen, im Bund und aktuell jetzt in den Ländern Koalitionen einzugehen, die früher undenkbar waren. Die „Kenia“ Koalition in Sachsen aus CDU, Grünen und der sterbenden SPD ist da ein krasses Beispiel.
Der Kommentator spricht die Probleme dankenswerterweise sogar noch an, ohne das ihm die naheliegende Antwort dazu einfällt. Stattdessen faselt er über ein Streitgespräch zwischen dem Juso Vorsitzenden Kevin Kühnert und dem Hauptgeschäftsführer des BDI (Bundesverband der deutschen Industrie) Joachim Lang. Die sind dabei auch nicht zu Potte gekommen.
Alles Quatsch. Was wir brauchen, sind Regeln, um den mittlerweile ungezügelten Kapitalismus in den Griff zu bekommen. Das erfordert eine starke Institution, die mir bereits in meiner Schulzeit im Fach Gemeinschaftskunde als Staat bekannt war. Zur Zeit ist dieser Staat allerdings alles andere als stark. Das, und nichts anderes, ist die Schieflage, die es zu beheben gilt.

https://www.heise.de/tp/features/Verrauchte-Wut-verloeschtes-Leben-4542515.html
sehr richtig. Es ist der gesamtgesellschaftliche Verlust von Visionen, von Solidarität, von Aufbruchsstimmung und all diesen Sachen, die die 60-er und 70-er Jahre gekennzeichnet haben. Jetzt ist alles verflacht, es gibt nichts neues mehr, nicht nur in der Musik, auch sonst kulturell und selbst im technischen Bereich, werden keine großen Schritte mehr gewagt. Seit der Mondlandung hat es keine technische Großleistung mehr gegeben ...
Ich persönlich lese lieber, wenn ich mich informieren und empören will. Musik geht natürlich auch als Escapism.

https://m.spiegel.de/politik/ausland/eisenbahn-in-china-co2-ersparnis-ist-gering-noch-a-1300727.html Und schon wieder ein Artikel, der zeigt, wie das ach so diktatorische und ungerechte, weil kommunistische, Regime in China binnen eines Jahrzehnts eine zukunftweisende Verkehrspolitik betreibt und damit eine vorbildliche, klimatechnisch verbesserte Infrastruktur schafft. Während in Deutschland noch diskutiert, taktiert und den Bürgern mit viel Tamtam Aktivität vorgegaukelt wird, machen die Chinesen es einfach.
Sicherlich gibt es dabei auch Ungerechtigkeiten und Einschränkungen der Freiheitsrechte einzelner Menschen oder Gruppen. Aber wenn der Klimawandel wirklich die wichtigste Aufgabe zur Zeit ist, dann sind es die Chinesen, die so handeln und die Tatsachen schaffen, wie Umweltaktivisten es gern hätten. Das können die Leute, die hinter dem Phänomen Greta Thunberg stehen oder verstecken, sicher nicht unterschreiben, geht es wohl auch dort darum, finanzielle Interessen im „Umweltbusiness" zu sichern.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/florian-gerster-wechselt-zur-fdp-die-spd-ist-in-gefahr-zu-einer-sekte-zu-werden-a-1303889.html Klasse. Der ehemalige Unternehmensberater (!), dem Sozialpolitik immer eine Herzensangelegenheit war, ist im zarten Alter von 70(!) Jahren zur FDP konvertiert.
Denn er ist "mit FDP-Chef Lindner der Meinung, dass ein moderner Sozialstaat nicht unbedingt mehr Geld aufwenden muss, sondern die richtigen Anreize für die Betroffenen bieten sollte, aus ihrer Lage wieder herauszukommen."
Er meint, die SPD sei in Gefahr, zu einer Sekte zu werden. Ich meine, die Ratte verlässt das sinkende Schiff.

https://www.neulandrebellen.de/2020/01/die-fachkraefte-der-anderen/
Wer wissen möchte, warum es rassistisch ist, den angeblichen Fachkräftemangel in Deutschland durch Anwerbung und Einwanderung ausländischer Fachkräfte zu beheben, den lege ich diesen hervorragenden Beitrag von Roberto de Lapuente ans Herz. Für diese Erkenntnis wurde Sahra Wagenknecht bekanntlich bei den Linken zur Persona non Grata. Schön zu sehen, dass nicht alle Linken in die Falle des Klassenfeindes getappt sind.
Relativ am Anfang hat de Lapuente noch ein schönes Argument gegen Altmaiers Vorhaben, bürokratische Hürden bei der Anerkennung von Abschlüssen ausländischer Fachkräfte abzubauen, parat. De Lapuente hält dieses Vorhaben für arg ambitioniert, da es in Deutschland bekanntlich schwierig ist, einen im Norden des deutschen Bundesstaates erworbenen Abschluss im Süden anerkannt zu bekommen.
Diese Befürchtung teile ich aber nicht. Wie so üblich werden bürokratische Schranken immer schnell überwunden, wenn die Wirtschaft es will. Schließlich geht es ja darum, billige Arbeitskräfte einsetzen zu können.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/grundrente-soll-es-schon-ab-33-beitragsjahren-geben-a-e61bcc8b-2a2f-4e89-bcd3-ec0b8f5ad3d2#ref=rss
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil ist immer noch mit der Grundrente beschäftigt. Auf Wunsch des großen Koalitionspartners CDU musste er noch einige Änderungen einarbeiten, damit es ja auch gerecht, vor allem aber unübersichtlich zugeht. Schließlich gilt es, dem Bürger vorzugaukeln, dass Menschen, die halt nicht 40 oder 45 Jahre Berufstätigkeit erreichen können, in der Rente nicht zum Sozialamt laufen zu müssen.
Dabei soll es aber nicht zu viel kosten; könnte ja sonst die Gewinne der Wirtschaft schmälern. Statt der ominösen Grundrente hätte man ja die Renten allgemein erhöhen können; z.B. auf den Stand zu Anfang der Ära Kohl. Aber das wäre ja zu einfach gedacht.
Größter Witz sind die geplanten Freibeträge einer Grundrente im Wohngeld und bei der Grundsicherung. Diese Freibeträge erhalten „normale“ Rentner nämlich nicht. Damit das Verfassungsgericht also die Grundrente nicht gleich wieder kassiert, müssen auch normale Rentner einen Freibetrag zugesprochen bekommen.
Und dann haben wir mit einem Mal erheblich mehr Wohngeld- und Grundsicherungsempfänger, die alle zum Sozialamt pilgern müssen. Wer schützt uns eigentlich vor diesen Traumtänzern in unserer Regierung?

Spruch zum Abschluss:
Die Ansicht, dass hoch qualifizierte Fachkräfte eine Chance sein könnten gleichzusetzen mit Zustimmung zur massenhaften Einwanderung von unqualifizierten Daueralimentationsempfängern ist schon ziemlich dreiste Propaganda...
(ist schon etwas älter und bezieht sich auf die Einlassungen führender Politiker Ende 2015 / Anfang 2016)





Samstag, 1. Februar 2020

Hartmudo: Leipzig


Dienstagmorgen, 05:45 Uhr. Ich sitze in der Lobby, Bar und/oder Frühstücksraum des neuer Augen Hotels Charly's in Leipzig. Meine Löwin ruht noch oben im Hotelzimmer, aber ich konnte nicht mehr schlafen und habe mich angezogen, weil ich jetzt nach zwei leichten Alpträumen nicht mehr schlafen konnte.
Als ich mich soeben hinsetzte und mein Tablet auspackte, konnte ich das Personal beim Aufbau des Frühstücksbuffets beobachten. Aus der Küche erschallten laut hörbar die Toten Hosen. Das hoffte ich zumindest, es könnten aber auch die Onkels oder gar Tollwut sein. Irgendsoeine "rechte" Band halt. Nachdem die Kellner mich wahrgenommen hatten, beschallten sie den Vorraum um die Bar herum mit leichtem Soul, was früher gern als Muzak bezeichnet wurde.
So leise wie möglich hatte ich mich aus dem Zimmer geschlichen, um meine Frau nicht zu stören. Die Schuhe band ich mir im Flur des 5. Stockwerks zu, dann ging ich diesen ab zum Fahrstuhl hin. Dank des Spiegels in der Kabine konnte ich mein wirres wie hoch stehendes Haar betrachten, was mich dazu veranlasste, noch vor Betreten der Bar die Kellerräume zur Tiefgarage aufzusuchen, wo sich Toiletten befanden. Dort konnte ich meine Haarpracht mit Hilfe warmen Wassers glätten.
Nun sitze ich wie geleckt auf einem Barhocker und schlürfe nebenbei an einem Cafe Crema. Die Träume, die mich hierher getrieben hatten, verblassten nach und nach. Ich hatte von der Arbeit geträumt, was mir seit Jahren nicht mehr passiert war. Diese Softwareumstellung Ende letzten Jahres hatte offenbar doch einige Körner gekostet, obwohl ich das im letzten Quartal des Vorjahres nicht so bemerkt haben wollte.
Es könnte allerdings auch sein, dass diese Woche Urlaub - die erste zusammenhängende Woche seit Mai letzten Jahres, der Grund für mein vorzeitiges Erwachen darstellt. Gestartet waren wir mit Urmels 60. Geburtstag am Samstag, von dem aus meine Löwin Pocke und mich sicher über 250 km nach Hause gefahren hatte. Eine sehr schöne Feier mit den üblichen Verdächtigen hatten wir dort erlebt; von der Rückfahrt weiß ich nichts mehr.
Das Paket hier in Leipzig mit zwei Nächten und dem Besuch des Zoos hatten wir irgendwann im Spätherbst letztes Jahr gebucht. Diana und Charles begleiteten uns; Berta und Bud befanden sich ebenfalls mit an Bord. Und in dem Moment mit dem Cafe Crema und dem sich füllenden Frühstücksraum vor Augen ist meine größte Sorge, dass ich später, wenn ich meine Löwin aus dem Zimmer abhole, kein Frühstück mehr bekomme, weil ich bereits hier gesessen hatte.
Die übliche Paranoia halt, die mich 20 Jahre nach Beendigung meiner Laufbahn als Raketentechniker immer noch ab und an befällt. Das ist aber bekanntlich der Preis, den Du bezahlst, wenn Du mit gefährlichen Stoffen hantiert. Zumindest eines hatte die Paranoia an diesem Morgen bewirkt: Meine Gedanken an die Arbeit waren hinfort geweht.
Der nächste Morgen, diesmal um kurz nach 05:00 Uhr. Erneut sitze ich auf dem Barhocker, weil ich nicht mehr schlafen konnte. Mitten im Dschungelcamp hatte ich am vorigen Abend die Glotze abgestellt und das Licht zum Schlafen ausgemacht. Nicht einmal mehr gelesen hatte ich, weil ich mitten in einem Kapitel steckte und mir die letzten Seiten gänzlich unbekannt vorkamen. Trinken und Lesen beträgt sich halt nicht gut, zumindest nicht bei anspruchsvoller Lektüre.
Gehen wir also mal den Vortag durch. Zeitgleich mit dem Klingeln des Weckers hatte ich unser Hotelzimmer betreten und saß kurz darauf mit meiner Löwin und unseren Mitreisenden beim Frühstück. Jawohl, ich durfte noch am Essen teilnehmen. Wie zumeist erwies sich meine Paranoia als unbegründet.
Das Baby ist grad mal 3 Tage alt

An diesem Tag stand der hauptsächliche Zweck unseres Städtetrips auf dem Programm: Der Leipziger Zoo. Der 26 Hektar große Park zählt zu den artenreichsten Zoos von Europa und wird seit 2000 ständig erweitert. Aktuell existieren sechs Erlebniswelten, in denen verschiedene Regionen unseres Planeten aufgebaut sind.
Fünf davon haben meine Löwin und ich geschafft; das Affenland ersparten wir uns, das gibt es in bald jedem Zoo zu bewundern. Nach dem Besuch würde ich das Resümee ziehen, dass der Zoo in Leipzig die Tierparks in Berlin oder London noch toppt, auch wenn sich dies direkt nach dem Besuch immer leicht sagen lässt.
Wenn überhaupt habe ich Giraffen vermisst, dafür aber konnten wir den gerade 3 Tage alten Elefantenbullen bewundern, der von seiner Mutter und einer älteren Elefantendame betreut und an uns Zweibeiner gewöhnt wurde. Der Kleine versteckte sich zumeist zwischen den Beinen seiner Mutter, lief aber auch schon ohne Scheu zwischen den beiden Mädels umher. Dass der Kleine soo jung war, habe ich erst jetzt beim Lesen auf Google mitbekommen.
Beim Hinausgehen aus dem Zoo hatte ich mit meiner Löwin noch kurz über den Sinn und Zweck der Tierhaltung in einem Zoo geredet. Ist es nicht eine unnötige Qual für die Tiere, außerhalb ihres Lebensraumes in einem Gehege gefangen zu sein und uns Menschen zur Erholung vorgeführt zu werden? Das Ganze im Zeichen des Klimawandels?
Aber genau aus diesem Grund will ich die Tierhaltung in Zoos nicht generell verteufeln, denn die Tiere führen uns Menschen vor Augen, was wir z. B. mit der Brandrodung am Amazonas oder der Überfischung der Weltmeere anrichten. Auf diese Weise werden die Besucher mit dem Verbrechen unserer Spezies an der großen Artenvielfalt an Tieren auf unserem Planeten konfrontiert. Vielleicht hilft das ja, der großen Jagd nach immer mehr materiellen Gewinnen in Form von Geld eine zukunftsträchtige Perspektive entgegenzusetzen.
Völkerschlachtdenkmal

Schön wäre es zumindest, allein... Ich kann das nicht wirklich glauben. Der Mensch - und da mache ich keine Ausnahme - vergisst sehr schnell und geht dann zur Tagesordnung über. Das Rad dreht sich immer weiter und schneller, bis es irgendwann zum großen Knall kommt und unsere Zivilisation zusammenbricht. Die "Planet der Affen" Filme aus der Hippieära hatten da bereits vor 50 Jahren eine Pionierleistung an Aufklärung geleistet, ohne wirklich etwas bewegen zu können.
So wird auch die "Fridays for Future" Bewegung mit ihrer Ikone Greta Thunberg scheitern, weil die Vielzahl der Unterstützer einfach nicht verstehen wollen, dass sich der Klimawandel nicht ohne Verzicht auf Ressourcen fressende Güter wie Smartphones oder dicke Karren bewältigen läßt. Die unterstützenden Kids werden sich wohl eher von der Bewegung abwenden als auf ihre gewohnte Bequemlichkeit zu verzichten.
Deshalb werden auch die anmutige Gestalt des Seebären oder der Nashörner kaum jemanden zum Widerstand gegen die fortschreitende Zerstörung unser aller Lebensgrundlage bewegen können. Leider. Es bringt allerdings auch nichts, deshalb jetzt in einer trübsinnigen Stimmung zu verharren, weil damit auch niemanden geholfen ist, am allerwenigsten den Tieren. Egal ob im Zoo oder freier Wildbahn.
Um vom Thema noch einmal wegzukommen: Meine Gose hatte ich am Abend im "Spitz", einer Szenekneipe auf dem Leipziger Marktplatz, trinken können. Bier mit Salz und Koriander; probiert es ruhig mal aus, an den Geschmack kann man sich gewöhnen.
Am Abreisetag besuchten wir noch das Völkerschlachtdenkmal. Das Denkmal wurde 1913, also taggenau 100 Jahre nach der Schlacht, fertig gestellt bzw. eröffnet und befand sich in Hotelnähe. Mit imposanten 91 Metern an Höhe wirkt es bereits von außen überwältigend. Doch wenn man in der Krypta steht und den riesigen Hohlraum von oben nach unten betrachtet, kann einem schon schwindlig werden. Die schiere Größe dieses Raumes, samt der unheimlichen Stille, erschlägt einen förmlich. Die Tiefe zog mich magisch an und ich musste einen Schritt zurücktreten, weil mir schwindlig wurde.
Mein Fazit dieses Kurztrips lautet: Sowohl der Zoo als auch das Völkerschlachtdenkmal sind absolut sehenswert. Schade nur, dass wir für die Karl-Liebknecht-Straße keine Zeit mehr hatten.