Freitag, 7. Februar 2020

Contramann: aus aktuellem Anlass


Wie sich die Ereignisse doch gleichen:
https://www.neues-deutschland.de/artikel/1131940.nsdap-in-thueringen-erster-schritt-ins-dritte-reich.html
Sehr lesenswert, diese politischen Ränkespiele im Land Thüringen der Weimarer Republik. Bereits in den 20er Jahren, bald 10 Jahre vor Hitlers Machtergreifung in Berlin, forderte die NSDAP im Thüringer Landtag am 10.Juni 1926 den Ausschluss von Juden aus öffentlichen Ämtern und weitere Schikanen. Von wegen, „wir haben das nicht gewusst.“ Diese historischen Abläufe waren mir neu. Ob meine Eltern wirklich nichts gewusst hatten? Hhmmm…
Aber mittlerweile ist ja aus der Agenda Kemmerich die Luft raus, da er einen Tag nach seiner ominösen Wahl gleich seinen Rücktritt als Ministerpräsident Thüringens bekanntgab. Das der Dussel die Wahl überhaupt angenommen hatte, ist ja schon bezeichnend. Machtgeil ohne Ende, die Mannschaft. Was ist bloß aus der Partei von Scheel und Genschman geworden? Es bedurfte wohl eines Machtwortes von Christian (Lindner) dem Schönen, der gleich frühmorgens am Tag nach der Wahl gen Erfurt eilte, um sich mit Kemmerich zu beraten.
Stellvertretend für viele Kommentare an diesem schwarzen Tag für die eigentliche „Bonner Republik“ – den muss ich jetzt hoffentlich nicht erklären, oder? – nehmen wir mal die Süddeutsche:
https://www.sueddeutsche.de/politik/thueringen-kemmerich-afd-1.4786306
Hier steht nämlich etwas Wesentliches. Im 3. Wahlgang gilt in Thüringen derjenige als gewählt, der die meisten Stimmen erhält. Oder der, der beim Stiefelsaufen als Letzter steht. Kemmerich hatte sich erst zum 3. Wahlgang überhaupt zur Wahl gestellt; In den ersten beiden Wahlgängen schafften es weder der Linke Titelverteidiger Ramelow noch sein Herausforderer und Favorit der AfD, dessen Name im Kommentar noch nicht einmal genannt wird.
Was war denn da die Motivation der FDP? Weder links noch rechts sollte es sein; die „bürgerliche“ Mitte soll Flagge zeigen oder was? Und das war nicht wenigstens mit der CDU abgesprochen? Das die AfD Leute alle den Kemmerich wählen würden, war den CDU wie den FDP Abgeordneten vielleicht wirklich nicht bewusst. Leider spricht die Reaktion nach der Auszählung der Stimmen da eine andere Sprache.
Entlarvend sind hier auch die anschließenden Kommentare der thüringischen FDP und CDU, die meinten, es wäre alles korrekt gelaufen, da sie ja quasi nichts dafür könnten, dass die AfD den Kemmerich wählen. Und dann faselten sie sogar noch etwas von einer Minderheitsregierung ohne Beteiligung der AfD, die Ramelows Linke sowie die Grünen und die SPD tolerieren sollten.
Es ging der Union und der FDP lediglich darum, die Linke von der Regierung wegzubekommen. Dabei ist Ramelow, der in Thüringen selbst bei den CDU Wählern laut Umfragen eine Zustimmung von 74% hat, eher ein gemäßigter Sozialdemokrat alter Prägung, der auch mit der Abschiebung von Flüchtlingen keine Probleme hatte. Dieses Lagerdenken bestimmte das Handeln. Da nahmen diese Idioten selbst die „Hilfe“ der politisch Rechten in Anspruch. Und da kommen eben Erinnerungen an die Endphase der Weimarer Republik auf.

hier noch einer aus dem Telepolis Forum, den ich so wohl unterstützen kann:
https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Kein-Bollwerk-gegen-die-AfD-in-Thueringen/Der-vermeintlich-Erfolg-der-AFD/posting-36071832/show/

Der vermeintlich Erfolg der AFD
"ist doch ausschließlich dem inzwischen über Jahrzehnte anhaltenden TOTALVERSAGEN sämtlicher anderen etablierten Parteien geschuldet.
Vor dem Hintergrund finde ich es an Zynismus nicht mehr zu überbieten, wenn sich ausgerechnet jene Parteien, welche sich auch noch als LINKS ansehen, die letzten 20 Jahre allerdings, wenn diese an der Macht waren, exorbitant stramm neoliberale Politik GEGEN die eigenen Wählerklientel gemacht haben und sich nun ausgerechnet diese Parteien mit dem pseudomoralischen Empörungszeigefinger entrüsten.
Nicht, dass ausgerechnet die AFD hier eine echte Alternative wäre. Nein. Aber von ihr erwartet man dies auch gar nicht. Von den vermeintlich linken Parteien hätte man dies aber die letzten 20 Jahre erwartet...
Was denken sich die Intelligenzflüchtlinge in den Parteispitzen eigentlich, was dauerhaft passiert, wenn diese ihre Stammwähler Jahrzehntelang konsequent mitten in die Fressen treten? Das die Wähler sich dafür noch bedanken?
Nö. Die denken sich evtl. einfach nur, wenn wir ohnehin stramm neoliberale Politik bekommen, können wir auch gleich das Original wählen...
Und man muss ja sagen, dass der deutsche Wähler nun wirklich schon eine extreeeem langsame Reaktionszeit hat. Ansonsten hätte man die SPD Anfang der 2000 Jahre aus dem Bundestag hinauswählen müssen. Die einstige Friedenspartei, die Grünen, sogar noch mehr, hat doch keine andere Partei ihre einstigen Ideale so verraten wie die Grünen. In Frankreich hat der Wähler beispielsweise da deutlich zeitnaher und konsequenter reagiert. Na gut. Genutzt hat es dort auch nichts, außer, dass das Establishment nun seit einem Jahr hart gegen die Demonstranten vorgeht....
Auch die Linke, lange Zeit im Osten mit eine der stärksten politischen Kräfte, hat binnen Jahrzehnten nicht geliefert und nachdem Kreise um Kipping und Co nun deren bestes "Pferd" im Stahl, Sarah Wagenknecht, über lange Zeit mit Erfolg erst krank und nun rausgemobbt haben, hat sich auch die Linke eine Klatsche wirklich redlich verdient.
Was bleibt?
Dem Grunde nur die Erkenntnis, dass man sich den Aufwand, überhaupt noch wählen zu gehen, getrost sparen kann. Oder man wählt halt die Tierschutzpartei oder sowas. Da diese aber ohnehin nicht rein kommen, ist auch das vergeudete Zeit.
Insgesamt ein abstoßendes Schmierentheater, von welchem man sich eigentlich nur noch angewidert abwenden kann."

Zum Schluss möchte ich einen weiteren Gedanken noch loswerden. Die Ereignisse am 5. Februar 2020 im thüringischen Landesparlament zeigen sehr deutlich, welches Problem unsere Demokratie wirklich hat. Das in Deutschland praktisch beherrschende Verhältniswahlrecht richtet die Republik zu Grunde – genau wie seinerzeit die Weimarer Republik. Aufgrund der vielen in den Parlamenten vertretenden Parteien kommen verstärkt Koalitionen zustande, die gar nicht funktionieren können, wenn die Politiker ihre jeweiligen Wählerinteressen auch nur ansatzweise erfüllen wollen. Eine Kenia Koaliton aus CDU, SPD und Grünen wie in Sachsen ist da schon ein schlechter Witz. Nebenan in Thüringen crashte gerade die Links-SPD-Grünen Koalition. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.
Die westlichen Siegermächte hatten 1949 kein Problem, die Bundesrepublik mit einem Verhältniswahlrecht in die Souveränität zu entlassen. Denn sowohl in Großbritannien, Frankreich als auch in den USA herrscht ein Mehrheitswahlrecht. Das führt noch heute in Großbritannien wie den USA zu einem Zweiparteiensystem, in Frankreich ist es zugegebenermaßen etwas komplizierter. Aber: Dort sind die politischen Verhältnisse stabiler, was bei allen bekannten Schwächen wie Trump oder Thatcher als Regierungschefs den Vorteil bietet, dass Entscheidungen auch Entscheidungen sind und keine verwässerten Kompromisse.
Meiner Meinung nach ist die Demokratie nur so zu retten.
Und das mir nachher keiner sagt, dass hätte man ja nicht ahnen können.
ICH habe es Dir JETZT gesagt, Baby!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen