Sonntag, 30. Juli 2023

Hartmudo: Superwumms

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Montag, 23 Januar. Das Wochenende hatte ich dann doch gut überstanden. Um 9 Uhr saß ich bei meinem Hausarzt, dieser hatte Verständnis für meine Situation und verordnete die von mir erwünschten Schlaftabletten, auf dass ich nachts zur Ruhe kommen möge.
Er empfahl mir den Besuch eines Spezialisten, sprich Psychologen, welcher die anschließende Behandlung mit mir abklären sollte. Egal ob Depression oder Angststörung, dazu ist mein Hausarzt nicht qualifiziert genug und verwies mich daher konsequent und richtigerweise an den Facharzt. Er schrieb mir noch die Telefonnummer einer Praxisgemeinschaft im östlichen Ringgebiet auf, die sich später allerdings weigerte mich zu behandeln, weil eine Ärztin dort aufgehört hatte und sie keine neuen Patienten mehr aufnehmen würden.
Diese Auskunft erhielt ich telefonisch, worauf hin ich noch einmal die Sprechstundenhilfe meines Hausarztes bemühen musste. Auf diese Weise kam ein Termin in der Praxisgemeinschaft im Schlosscarree am 13. Februar zustande. Da würde ich also noch drei Wochen lang warten müssen.
Danach ging es direkt weiter bei meinem HNO Arzt. Zu Vitamin D3 oder dem Algenöl machte er diesmal zwar keine Aussagen, jedoch diagnostizierte er Polypen in meiner Nase. Die könne man operativ veröden oder entfernen... was für eine Horrorvorstellung!
Und dann hinterher mit einer tamponierten Nase rumlaufen, nein Danke. Mit einer tamponierten Nase lag ich bereits 21 Jahre zuvor im Krankenhaus; die Erinnerung daran ist keine gute. Ich erzählte dem HNO von meiner Abneigung und er lenkte dann auch unverzüglich ein.
Als Therapie verordnete er mir ein cortisonhaltiges Nasenspray (zweimal täglich) sowie Tabletten aus dem Reich der Homöopathie, welche wie Antibiotika wirken sollten. Nun denn. Wieder mal etwas Neues, es kam somit keine Langeweile auf.
Abends hockte ich spät bei Archer und fürchtete mich vor den Schlaftabletten. Was wäre, wenn ich dann doch aufwachen würde und anschließend nicht mehr einschlafen könnte? Dann wäre ich dank der Schlaftablette hundemüde und würde mich in den Tag hinein quälen.
Diese Angst lähmte mich zum Glück nur kurzzeitig und irgendwann schmiss ich eine Schlaftablette mit Todesverachtung und Schwung in mich hinein. No Way Back - ich legte mich hin, nahm meine Kneipp Baldrian und schlief nach kurzer Lektüre in meinem Buch ein.
Mittwoch, 25. Januar. Mein Orthopäde war gefragt. Er nahm mir Verband und Gipsschiene ab und konnte mir die erfreuliche Mitteilung machen, dass der Heilungsprozess gut verlaufen sei. Endlich mal etwas Positives von ärztlicher Seite, das war ich ja gar nicht mehr gewohnt. Und auch von der “Schnarchfront" könnte ich Erfreuliches vermelden:
Dank der Einnahme der Schlaftabletten ruhte ich nun bereits die zweite Nacht über 8 Stunden. Zwar schlief ich nicht durch, aber ich hatte in meinen kurzen Wachphasen kein Herzrasen und damit keine Probleme beim Wiedereinschlafen mehr.
In den folgenden Tagen schlief ich dann zwar wieder kürzer, aber die Wachperioden mit den inneren Kämpfen ums Einschlafen - verbunden mit düsteren Gedanken - blieben mir fortan zunächst erspart.
Lediglich das morgendliche Aufstehen fiel mir jetzt äußerst schwer. Dies erschien mir aber logisch, denn die beabsichtigte Wirkung der Schlaftabletten hörte natürlich nicht mit dem Aufstehen auf. Ich brauchte nunmehr mehr als eine Stunde, in der ich dumpf und fahrig durch die Wohnung schlich oder mit meiner Löwin frühstückte.
Meine Konzentrationsfähigkeit ging in den Keller und auch sonst fragte ich mich, ob das jetzt bis an mein Lebensende so weitergehen würde. Erst im weiteren Verlauf eines Tages ging es mir wieder besser bis hervorragend, vereinzelt war ich sogar gut gelaunt.
Auch fing ich in diesen Tagen an, meine Löwin bei ihrer Tätigkeit für die Nachbarschaftshilfe zu unterstützen. Also an den Donnerstagmorgen, wenn sie für 2 ältere Herrschaften bei Kaufland oder Aldi einkaufen fuhr. Hier machte ich sehr schnell die überaus angenehme Erfahrung, dass ich mich an der frischen Luft außerhalb der Wohnung schlagartig besser fühlte.
Diese erfreuliche Erkenntnis sollte sich später als Schlüssel zur Beendigung meiner mentalen Talfahrt herauskristallisieren.
Samstag, 28. Februar. An diesem Abend stand das Weihnachtsessen 2022 unseres Kegelvereins bei Ralle und Josie in Wolfenbüttel an. Mary und Charles holten mich am frühen Abend von zu Hause ab. Meine Löwin musste hingegen passen, weil sie bereits seit Tagen ein unangenehm heftiger Husten quälte.
An den vorangegangenen Tagen nächtigte sie sogar auf dem Sofa im Wohnzimmer mit aufrechten Oberkörper, weil sie es im Liegen schon gar nicht mehr aushalten konnte. Dass ich anlässlich des Malheurs meiner Löwin den gewohnten Pfad einschlug und meine Paranoia herausholte, dürfte niemanden überraschen.
Da hatte ich dank des leicht verbesserten Schlafverhaltens einen kleinen Hoffnungsschimmer am Ende des Tunnels erlebt, aber nun befürchtete ich eine Ansteckung durch meine Löwin. Die Gelegenheit für mich also, an der Paranoia Schraube zu drehen und mich in meinem Elend zu suhlen.
„Warum immer ich" jammerte ich den ganzen Samstag über. Meine heutige (4 Monate später) Antwort darauf: „Weil ich doof bin. Weichei! Wärt es doch erst mal ab - Aber nein! In meinem Elend fühl ich mich wohl. Dabei habe ich doch gedient. Reiß dich zusammen, Du Arsch!"

Sonntag, 23. Juli 2023

Warum spielt denn der Poldi nicht?

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So. Immer noch 26. Juni

So sah Bela Rethy z. B. kein Foul und erst recht keine gelbe Karte, weil Hummels zuerst den Ball getroffen hatte. Dabei rutschte er mit ausgestreckten Beinen vorneweg, ohne Rücksicht auf die Gesundheit des Gegners, in diesen hinein. Patriotismus ist ja schön und gut, aber bei so einer klaren Angelegenheit wie in diesem Spiel kann man auch mal objektiv bleiben, das erwarte ich eigentlich von einem hochbezahlten Starreporter.
Immer noch drückend überlegen, spielte das deutsche Team fleißig weiter auf ein Tor. Erst nach über einer halben Stunde kamen die Slowaken zu einem schönen Kopfball, den der ansonsten beschäftigungslose Manuel Neuer sicher herunterpflückte. Dann, kurz vor der Pause, war es Mario Gomez, der nach toller Vorbereitung durch Draxler das 2:0 markierte.
In der Pause war es wieder mal Zeit für die Experten. Sebastian Kehl halte ich zwar nach wie vor für Sympathico, sehe ihn aber nicht als Hochkaräter wie Titan Kahn. Sicherlich brauchten sie ein Dortmunder Gegengewicht, soll ja immer alles schön ausgewogen sein.
Felix Neureuther war auch da. Ein Hochkaräter, aber kein Fußballer. Die Auflösung dieses Mysteriums dann noch vor dem Anpfiff. Da zeigten sie uns - Welke, Du Fuchs! - ein Video von Neureuther und Schweinsteiger als Kinder beim Skifahren. Die beiden waren schon als kleine Buben zusammen am Spielen. Mensch, schau an, der Basti!
Da war meine Löwin baff, damit hätte sie nicht gerechnet. Die Äußerungen zum Spiel sehen wir dem Sohn von der Rosi und dem Christian mal nach. Aber einen Spruch von ihm fand ich dann doch gut, weil es selbstironisch und witzig war: "Der Basti hätte beim Skifahren mehr Geld verdienen können. "Wer es glaubt...
Nach der Pause war von einem Aufbäumen der Slowaken nichts zu erkennen. Immerhin standen sie hinten jetzt etwas sicherer, aber offensiv brachten sie nichts zustande. So war es Draxler in der 63. Minute vorbehalten, das 3:0 in einer artistischen Bewegung zu erzielen. Ich glaube die Figur heißt beim Yoga Kranich.
Als dann kurze Zeit später auch noch Podolski für den überragenden Draxler kam, skandierten die deutschen Zuschauer dessen Namen. Der Mann ist schließlich Kult.
Im Vorfeld der EM wurde häufig geargwöhnt, das Jogi Löw den Podolski nur mitgenommen hat, damit er die Mannschaft zusammenhält. Auf Deutsch: Als Pausenclown. Dem widersprach Poldi vehement und nun war seine Stunde gekommen. Da meine Löwin und ich von ihm in den knapp 20 Minuten, die er auf dem Platz stand, nur Fehlpässe sahen, können wir nicht glauben, dass ein weiterer Einsatz von Poldi sinnvoll wäre.
Auch Schweinsteiger durfte noch mal rein, aber es blieb bis zum Schluss beim 3:0. Ein Sieg, der in keiner Phase des Spiels gefährdet schien. Das sahen die Studiogäste Kehl und Neureuther ebenso. Stanislawski mit seiner Konfirmantenkrawatte sowieso. Überhaupt Stanislawski:
Seine Sprüche kommen immer lockerer rüber und im Zusammenspiel mit Welke und Kahn setzt er ganz klar ein Highlight in der diesjährigen Berichterstattung. Trotz Mehmet hat die ARD da das Nachsehen, zumal sie Delling an der falschen Stelle eingesetzt haben. Im Mannschaftsquartier braucht es keinen Reporter, das will heutzutage keiner mehr wissen. Und Arnd Zeigler ist zwar toll, passt aber nicht rein.
Der Holger wird immer besser, wenn ich bedenke, das er nach seinem Scheitern in Hoffenheim und Köln als Trainer aufhörte, um in Hamburg einen Rewe Markt zu leiten. Respekt! Sein bester Spruch war ganz am Ende des Abends sein Kommentar zum belgischen Star Eden Hazard: Der fängt nen Zebra auch mit der Hand ein.
Quadratisch, praktisch, gut. Weiter so, Stani. Geh nicht als Trainer nach Nürnberg, bleib beim TV. Eventuell sogar mit Arnd Zeigler eine eigene Sendung machen, das stelle ich mir gut vor. Oder den Dienstags Fußball Talk auf Sport 1 leiten. Live aus der 11 Freunde Bar in Essen. Dann würde ich mir das sogar ansehen.
21.00 Uhr. Den Tsaziki mit extra frisch hineingeschnippeltem Knoblauch hatte ich in der zweiten Hälfte unseres Sieges gegen die Slowakei eingeatmet; pünktlich zum nächsten Spiel ploppte ich das nächste Pils auf. Ungarn gegen Belgien versprach, das beste Spiel des Tages zu werden.
Die ersten beiden Spiele waren ja schon sehenswert, aber jetzt erwarteten wir eine spannende Auseinandersetzung. Die Ungarn hatten in der Vorrunde beeindruckt und die Belgier haben bekanntlich als Weltranglistenzweiter das Potenzial zum Titel, zeigten es bisher aber nur noch nicht. Wie jede gute Turniermannschaft halt.
Auch hier gleich das frühe Tor. Nach 10 Minuten köpfte der belgische Innenverteidiger, dessen Namen ich mir nicht merken kann, den Ball nach schöner Hereingabe von De Bruyne in die Maschen. In der Folge lag es nicht nur an Kiraly, dem ungarischen Torhüter mit der kultigen grauen Jogginghose (von Kik?), dass die Belgier ihre Führung nicht ausbauen konnten. Nein, sie verballerten einfach klarste Gelegenheiten und so blieb das Spiel lange Zeit spannend.
Denn spätestens in der zweiten Halbzeit wurden die Ungarn mutiger und waren mit ihren Distanzschüssen stets gefährlich.
Erst in der letzten Viertelstunde brachen sie ein und kassierten noch 3 Treffer. Hierbei zeigte sich der belgische Superstar Eden Hazard von seiner Schokoladenseite, bereitete ein Tor vor und machte eine Bude selbst. Da waren die Ungarn wohl auch schon stehend k.o. und hatten sich mit dem Ausscheiden abgefunden. Das Fazit dieses 4:0 für die Belgier kann nur lauten, das sie unschlagbar sind, wenn man ihnen zu viel Räume gibt. Sie tun sich schwer, wenn sie das Spiel selbst machen müssen.
Dennoch sehe ich sie im Halbfinale, mindestens. Um die Ungarn ist es schade, zumal sie in der Vorrunde frisch nach vorne gespielt hatten. Als eine von wenigen Mannschaften übrigens. Aber das reicht halt nicht, spätestens im Viertelfinale wären sie weg gewesen.
Ich leerte in meinem Büro noch ein Pülleken Wolters und hörte dazu frühe Aufnahmen der Undertones. Morgen ist wieder Montag und Arbeit angesagt. Nicht mit Bus und Bahn werde ich fahren, sondern mit dem Auto, da ich meine Löwin ganz früh um 8.00 Uhr zum Arzt fahren muss. Die Schmerzen im Knie waren jetzt immer schlimmer geworden.

Montag, 17. Juli 2023

Contramann: kurz gesehen im Juli

Am 6. Juni wurde eine Frau wegen „Billigung des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine“ zu einer Geldstrafe von 90,- € verurteilt. Die Frau gab an, am 8. Mai „wie jedes Jahr den Sieg über den Faschismus gefeiert zu haben.“ Zudem hatte sie wohl noch das Vorgehen Russlands als „alternativlos“ bezeichnet.
Die Urteilsbegründung, die Frau habe einen „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg unterstützt“, ist ja schon mal formaljuristisch mehr als fragwürdig. Dieser Vorwurf wäre wohl doch höchstens dann gegeben, wenn die Frau zur Tötung von Ukrainern – sie ist selbst Ukrainerin - aufgerufen hätte. Und eine „Unterstützung“ setzt ein aktives Handeln voraus, eben nicht eine bloße Meinungsäußerung. Auch hatte sie ihre ukrainischen Landsleute weder rassistisch beleidigt noch als Untermenschen bezeichnet.
Letzteres ist ja bekanntlich eine typisch deutsche Spezialität. Ich finde es vollkommen in Ordnung, wenn man die Meinung dieser Frau verteufelt. Kann sich ja jeder seine eigene Meinung zum Krieg in der Ukraine bilden.
Aber die Tendenz, von der Mehrheit abweichende Meinung zu verunglimpfen oder nun gar zu kriminalisieren, ist ja spätestens seit „Corona“ zum Standard geworden. Für mich ist es immer wieder erschreckend feststellen zu müssen, dass ansonsten hochintelligente Menschen einfach den Mainstream von Spiegel, TAZ oder Tagesschau unreflektiert nachplappern.
Nun gut, dann sind diese Leute halt doch nicht intelligent. Jedoch gruselt es mich, dass wir medientechnisch im Moment offenbar von der Spätphase der Weimarer Republik blitzschnell ins 3. Reich übergewechselt sind, nun auch von Gerichten wohlwollend begleitet.
Merkwürdigerweise haben Medien und Gerichte während der Golfkriege (Der Irakkrieg gilt bei den meisten Völkerrechtlern und Historikern wegen der Bestimmungen der UN-Charta und dem fehlenden UN-Mandat als völkerrechtswidriger, illegaler Angriffskrieg) nicht so „entschlossen“ reagiert. Wäre ja auch gegen die USA gegangen.

https://www.focus.de/politik/deutschland/der-schwarze-kanal-jan-fleischhauer-ihr-spinnt-ja-wohl-voellig_id_195936437.html
Fleischi, mein neuer (momentaner) Held. Nachdem politische Satire a la Anstalt oder Mitternachtsspitzen zum Sprachrohr der herrschenden Elite (ökologisch angehaucht hinter dem Steuer eines Elektro-SUV) verkommen ist, sind Konservative wie Jan Fleischhauer die neuen Freiheitskämpfer geworden.
„Wenn die Grünen an Einwanderung denken, dann denken sie an die junge Frau mit Migrationshintergrund, die eine Kolumne in der „taz“ unterhält und bei der Böll-Stiftung beredt über den latenten Rassismus der deutschen Mehrheitsgesellschaft referiert.“
Dem Fleischhauer geht das Gemache um die korrekte Bezeichnung (oder auch Nichterwähnung) von Migranten in einem Tweet der Zeit gehörig auf den Senkel; ich kann mich dem nur anschließen.
Dieses Bild von arabischen Migranten, die mit Vollbart im BMW sitzen und den Motor wie die Stereoanlage bei offenem Fenster aufröhren lassen, um sich als Macker präsentieren zu können, empfinden viele Wohlstandsleute als diskriminierend.
Für mich als in Salzgitter Beschäftigter steht allerdings fest, dass genau dieses Klischee die Realität korrekt abbildet. Schlimm finde ich, dass man dank der „Tugendwächter“ dies wohl nicht aussprechen darf, weil man andernfalls in die rechte Ecke gestellt wird.

Alsdann: Bleiben Sie links, bleiben Sie kritisch. Und:
„I`m so bored with the USA. But what can I do?“






Montag, 10. Juli 2023

Hartmudo: Scheiß Urlaub 3/3

3
Eine Stunde vor Schluss brachte ich vorsichtshalber die Ausgangspost weg; auch um zu gucken, ob nicht noch etwas Post angekommen war. Und - wir sind immer noch bei Murphy's Law - dummerweise hatte der Postbote noch einigen Nachschub für mich geliefert. Zwar keine umfangreichen Sachen, aber knapp wurde es trotzdem.
Das ausgerechnet jetzt die Anwendung immer langsamer lief, passte dazu und steigerte meine ausgesprochen „gute Laune“. Um 14:57 Uhr fuhr mein Bus, die letzte Post für den Ausgang schnappte ich um 14.49 Uhr zum Wegbringen. Mütze aufsetzen, Weste anziehen, Laptop ausschalten und die Aktentasche schon mal auf den Stuhl vor der Tür abstellen - auf dem Weg zum Postzimmer war das alles eine fließende Bewegung.
Barfuss am Vormittag
Eigentlich wollte ich vor der Busfahrt noch schnell pinkeln, das konnte ich jetzt aufgrund der knappen Zeit knicken. Hierüber war ich natürlich mehr als verärgert. Diese unnötige Hektik kurz vor dem Urlaub, gepaart mit dem „warum passiert das immer nur mir" - Feeling a la Bruce Willis, wollte ich doch hinter mir haben.
Doch ich kam nicht dagegen an und astete zügig bei schwülem Wetter über den Parkplatz zur Bushaltestelle. Denn der Bus nach Braunschweig fährt nur alle Stunde, ansonsten hätte ich eher ruhig weiter gearbeitet, um stressfrei in den Urlaub zu starten.
Kurz vor der Bushalte angekommen, erkannte ich die 620 in 500 Meter Entfernung. Topp!!! Ich griff schon mal zum Handy, um das digitale 49 €-Ticket vorzubereiten. Aber wo war mein Handy? Im Büro war mein Handy! Na super, das war es mit dem Bus. Sofort sackten meine Schultern runter und ich trottete wie ein begossener Pudel ins Rathaus zurück.
Positiv denken, Alter! Wenigstens hatte ich jetzt genügend Zeit fürs Pinkeln. Mit in Falten gelegter Stirn und einem Gesichtsausdruck, bei dem man mich lieber nicht ansprechen sollte, holte ich das Smartphone aus dem Büro und ging sofort in Richtung Bahnhof - ohne zu pinkeln!
Denn ich hatte mir einen genialen Plan überlegt: Im Cafe Extraschicht würde ich ein Bier trinken und dazu die Story, die Du als Leser gerade vor Dir hast, ins Smartphone einsprechen. Mit erheblich besserer Laune stürmte ich ins Cafe Extraschicht, schmiss die Jacke auf eine Bank und setzte mich erstmal in die Toilette ab. Endlich hatte ich die Zeit dafür gefunden.
Und dann aber! Ein großes Bier, ein Jägermeister und ab ging die Luzie. Nach dem ersten Schluck schaute ich mich im Café um, wo ich einer der jüngeren Gäste war. Hier sah ich nur Deutsche - Arier welcome.
Ja, das klingt übel, aber der muslimische Bevölkerungsanteil in Salzgitter ist mit Neukölln durchaus vergleichbar und damit zum Bundesdurchschnitt überdurchschnittlich hoch. Und Muslime saufen bekanntlich nicht, von daher…
Jedenfalls kam ich mit dem Text sehr gut voran und hatte am Ende der nächsten Runde sogar noch Zeit, um mir vom Bäcker noch feste Kohlenhydrate für die Rückfahrt mit dem Bus zu organisieren. Nach zwei Bier, zwei Jägermeistern war ich doch schon etwas angeschiggert und aufs Franzbrötchen und Schokocroissant angewiesen.
An der Bushalte wartend, packte ich den MP3 Player aus und vergrub die Kopfhörer in meinen Ohren. Gleich als erstes ertönte „Mother Night" von Family 5 - jau! „Nach all den Jahren, merkst Du, dass Du zu viel nachdenkst. Es ist doch egal warum, geht es Dir gut, dann geht's Dir gut!" Es ist doch immer wieder erstaunlich, dass Peter Hein die Songs geschrieben hatte, welche mich bei dunklen Stimmungen aus der Lethargie zu reißen vermögen.
Im Bus sitzend, griff ich gar nicht erst zum Buch, sondern lauschte weiterhin den alten Songs. Leider verspürte ich einen starken Harndrang und überlegte schon, ob ich zwischendurch aussteigen sollte, obwohl ich dann nochmals eine Stunde verlieren würde. Doch ich blieb sitzhaft bis zur Endhaltestelle auf der Wilhelmstraße, wo ich mich zur Weiterfahrt nach Lehndorf zum Rathaus begeben musste.
Bei Burger King wollte ich kurz snacken und die Toilette aufsuchen. Gut gelaunt und von der Musik beflügelt, stand ich sogleich vor dem dummerweise geschlossenen Burger King. Wasserschaden dank des Unwetters am Vorabend - stimmt, das hatte ich ja live miterleben dürfen. Also Kaffee bei Steinecke. Ein kurzes Stück weiter.
Doch als ich dort die Tür öffnete, kam mir die Verkäuferin schnurstracks entgegen und machte mir diese unmittelbar vor der Nase zu. „Wir schließen gleich", rief sie mir noch entgegen. „Na toll, das hört heute ja gar nicht mit dem Pech auf", dachte ich noch.
Fruststopper
Wenigstens ließ ich mir nun die Laune nicht mehr verdrießen und ging weiter ins Lindi. Bier bestellen und Pinkeln gehen war eine einzige wie grazile Bewegung. Mit dem Bier setze ich mich nach draußen, schaute dem Treiben auf der Straße zu und sprach meinen Text weiter ein.
Vollkommen entspannt bestieg ich kurze Zeit später den Bus nach Lehndorf und machte es mir erst einmal bequem. Da hatte ich an den letzten beiden Arbeitstagen einen so üblen Nerv mitmachen müssen und den Urlaub schon verflucht gehabt. Scheiß Urlaub - in der Tat! Sind ja auch voll gepackt mit Aktion, diese zweieinhalb Wochen.
Die Tagestour in der Eifel, der Besuch bei Phil und Candela am Wochenende drauf und zum Abschluss noch die BiRe nach Lüneburg. Nach Erholung klang das nicht, eher nach gesellschaftlichen Verpflichtungen.
Aber scheiß drauf, dank der Musikdusche hatte ich an den beiden letzten schlimmen Tagen meine Stimmung ins Positive ziehen können. Zugegebenermaßen war da auch Alk im Spiel, den sollte ich vielleicht mal bei vergleichbaren Situationen in der Zukunft weglassen.
Aber so lange ich wenigstens noch im Nachhinein über die vielen Misslichkeiten des Lebens lachen kann, ist Polen nicht verloren.

Sonntag, 2. Juli 2023

Hartmudo: Scheiß Urlaub 2/3

2
Das hatte ich dieses Jahr vermisst: Mukke über Kopfhörer und dazu ein Pils. Xao Seffcheque war ja in dieser Woche verstorben und die Aggressivität von Family 5 war genau der richtige Skill für diesen beschissenen Tag.
Bereits in der Vergangenheit hatte ich nach unschönen Erlebnissen oder Tagen dank Pils und Family 5 meine Gemütslage ins Positive verschieben können. Wie befreit machte ich hinterher gegen 1 Uhr das Licht aus, den verkürzten Schlaf nahm ich hierbei gerne in Kauf.
Umso mehr überrascht war ich am Freitag morgen, da ich doch wieder vor dem Wecker von alleine aufwachte. Da hatte mich das Mucke hören trotz des verkürzten Schlafzyklus doch mehr erfrischt, als wenn ich grübelnd rechtzeitig ins Bett gegangen wäre.
Mein Ärger und die Frustration vom Vortag waren vergessen. Gut erholt machte ich mich auf dem Weg zur Bushaltestelle, den letzten Arbeitstag vor dem Urlaub vor Augen. Um 8 Uhr würde ich im Büro sein, kurz vor 14 Uhr dann gehen und in den laut meinem Teamleiter Buck wohlverdienten zweieinhalb wöchentlichen Urlaub starten.
So der Plan, als ich bei leichtem Nieselregen die Haltestelle in der Hildesheimer Straße erreichte. Vorsichtshalber checkte ich in der DB App die Zugverbindung. Und siehe da: Der aktuelle Zug nach Lebenstedt war bereits ausgefallen und für die weiteren Züge wurde eine Warnung wegen Unwetterschäden ausgeworfen. Man sollte sich kurz vor Abfahrt informieren, das kannte ich bereits zu Genüge.
Augenblicklich wurde mir bewusst, dass ich jetzt mit dem Bus nach Salzgitter fahren musste, weil der wenigstens fuhr. Glücklicherweise konnte ich so schnell reagieren, da ich die in Frage kommenden Busverbindungen mittlerweile ziemlich gut kennenlernen durfte.
Am Cyriaksring blieb mir viel Zeit zum Umsteigen und ich setzte mich ins Wartehäuschen beim Arbeitsamt auf die Bank, um mit der Linie 620 die Fahrt in Richtung Lebenstedt fortsetzen zu können. Dieser Bus würde zwar eine Stunde benötigen, aber ich wäre immer noch um 8 Uhr im Büro erschienen. Also alles im Plan soweit.
Nach knapp über 10 Minuten Wartezeit stieg ich in den Bus und setzte mich in eine freie Reihe, packte mein Buch aus und fing an zu lesen. Der aktuelle Brandhorst ist ab Seite 100 richtig fesselnd ausgefallen und so saugte ich den Inhalt gierig in mich auf.
In Thiede bemerkte ich zu meinem Leidwesen aus den Augenwinkeln, dass eine Menge Teenager in den Bus einstiegen, die offensichtlich nach Lebenstedt ins Gymnasium unterwegs waren. Immer diese Oberschüler, dachte ich noch, als mich urplötzlich eine starke Unruhe übermannte.
Der Bus war nicht in Richtung Lebenstedt, sondern vielmehr nach Wolfenbüttel unterwegs. Meine Güte, ich hatte vollkommen aus den Augen verloren, dass der Bus ab Thiede immer zwischen Lebenstedt und Wolfenbüttel als Endziel wechselt. Dank Murphy's Law reiste ich jetzt mit den Oberschülern nach Wolfenbüttel.
Aus der Not eine Tugend machend, behielt ich Ruhe und Übersicht. An der Endhaltestelle Kornmarkt angekommen, hatte ich noch eine 24-minütige Wartezeit auf die 630 nach Lebenstedt vor mir. Da ich noch genügend Zeit hatte, zog ich mir beim Altstadtbäcker Richter einen Kaffee und Brötchen, bloß um anschließend beim Schlachter Leberwurst und Schweinebratenaufschnitt einzusammeln.
Kornmarkt Wolfenbüttel morgens Halb Acht
Meine Ankunftszeit im Büro verschob sich ergo weiter nach hinten, da wollte ich mir dort wenigstens ein Schlemmerfrühstück gönnen. Jetzt bloß nicht wieder ins Ärgern und Grübeln verfallen, irgendetwas Positives musste ich ja dem ganzen Pech entgegensetzen. Wobei…
Diese Tour nach Wolfenbüttel war eindeutig mein Fehler gewesen, da ich mir den Fahrplan wohl doch nicht richtig ins Gedächtnis gerufen hatte. Als der Bus dann endlich kam, setze ich mich entspannt hin, ohne in meinem Buch zu lesen.
Entspannt lehnte ich mich zurück und dachte an den noch weit entfernten Feierabend sowie den dann beginnenden Urlaub. Endlich, um 8:30 Uhr, saß ich an meinem Schreibtisch und schnitt das erste Brötchen auf.
Ein normales Brötchen mit vegetarischer Curry Creme und darauf eine Scheibe Krustenbraten mit Jus - lecker! Leider war ich zu meinem Verdruss auf dem Parkplatz vor dem Rathaus in eine Pfütze getreten, weshalb ich in meinem Büro als erstes Schuhe und Socken auszog und in der Folge den ganzen Vormittag barfuß über den Flur laufen musste.
Passenderweise hatten meine Löwin und ich am Vorabend „the Consultant" abgeschlossen gehabt. In dieser tollen Serie liefen am Schluss auch alle barfuß durch die Firma; und auch bei mir im Rathaus lief ja bekanntlich nicht alles rund.
Nun fühlte ich mich sogleich „besser" (eher griffig) und nahm als nächstes den Telefonhörer gut gelaunt auf, weil ein Anruf reinkam. Einer meiner Kunden war blank und brauchte noch an diesem Tag einen Lebensmittelgutschein. Das war mir zugegebenermaßen gar nicht recht, weil ich an diesem Tag einen engen Zeitrahmen hatte.
Vor dem Urlaub wollte ich doch wenigstens einen halbwegs sauberen Schreibtisch hinterlassen. Zähneknirschend bat ich ihn vorbeizukommen. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass mich bis zu seiner Ankunft noch weitere Überraschungen ereilten, die mich an der Abarbeitung der Post hinderten.
Mittlerweile war ich natürlich wieder voll genervt, schaffte es aber dennoch irgendwie, die Post endlich abzuarbeiten. Rein gedanklich hatte ich mich für die Rückfahrt schon mal auf den Bus um 15.00 Uhr eingeschossen, weil ich bis dahin trotz allem Widrigkeiten passabel durchgekommen sein müsste.