Sonntag, 25. August 2019

Hartmudo: fleischloses Fleisch


Ihr habt es in den letzten Wochen sicherlich mitbekommen, den Hype um das fleischlose Fleisch. In den USA ist „Beyond Meat“ an die Börse gegangen und hat den größten Kursgewinn dieses Jahrtausends hingelegt. Parallel dazu schafften es die deutschen Leitmedien, die leichte Glut so richtig anzufachen.
Denn Lidl war so pfiffig, sich zumindest kurzfristig die Vertriebsrechte für Deutschland zu sichern und dies auch sofort über die Medien zu lancieren. Die Burger Patties aus Erbsenprotein und roter Beete sollen geschmacklich vom Fleisch nicht zu unterscheiden sein. Dazu kommt die klimatechnisch wesentlich günstigere CO2 Bilanz.
Bemerkenswert an dieser Aktion fand ich, dass Lidl diesen Coup nicht einmal beworben hatte. Wozu auch? Die Medien waren selber heiß wie Frittenfett, hierüber zu berichten und überboten sich in ihren vorzeitigen Lobeshymnen. Auch Hartmudo wurde da neugierig und versuchte sein Glück – vergeblich.
Denn die begehrte Ware erfreute sich derart großer Beliebtheit, dass die Patties noch am Eröffnungstag vergriffen waren. Bei einem enorm hohen Preis von 4,99 € für 2 Patties ist dies umso erstaunlicher. Die Medien stiegen nun ob des mutmaßlichen Misserfolgs erst richtig in die Berichterstattung ein und sprachen von einer Pleite. Lidl gelobte Besserung und wollte in der Folgewoche genügend Ware bereitstellen.
Als dies dann nicht funktionierte, ließ das Interesse der Medien (und der potentiellen Kunden, auch mir) nicht nach. Eher das Gegenteil war der Fall. So sieht eine perfekte Produkteinführung aus. Alle Leute wollen es, weil keiner es kriegt, aber angeblich jeder es haben will.
Ich selber zog unverrichteter Dinge aus dem Supermarkt ab, nicht ohne eine Packung Frühlingsrollen mit Rind von Dulano sowie Erdnüsse, geröstet und gesalzen, von Aleppo mitzunehmen. Bei diesen Lidl Marken stimmt das Preis Leistungs Verhältnis einfach und lecker ist es auch noch.
Bis heute hat wahrscheinlich kaum jemand in Deutschland die sensationell guten Patties von Beyond Meat gesehen geschweige denn probiert. Daher erübrigt sich erst einmal die Frage, ob es nicht doch Geschmacksunterschiede zum „normalen“ Pattie aus Rinderhack gibt. Und die Konkurrenz von Rewe über Edeka bis Burger King schläft natürlich auch nicht. Sie alle wollen oder werden mit vegetarischen Patties unterwegs sein. All dies ungeachtet dessen, dass es vegetarische Patties bereits seit Jahren gibt und diese bislang sämtlich in den Regalen der Supermärkte vergammelt waren, weil keiner sie haben wollte.
Und jetzt entdeckt der „Deutsche“, geleitet von den Medien, sein ökologisches Gewissen und entwickelt einen unstillbaren Heißhunger auf klimatechnisch wie ökologisch korrekte Produkte. Als ob alle förmlich darauf gewartet hätten, dass irgendeinem Unternehmer mal einfällt, die armen Tiere zu verschonen und endlich ein über jeden Zweifel erhabenes Produkt wirklich mal in die Regale zu bringen.
Endgültig perplex war ich dann letzte Woche, als ich die von mir geliebte Hafermilch, die ich bereits seit über einem Jahr anstatt Kuhmilch für mein morgendliches Müsli verwende, sowohl bei DM als auch bei Lidl nicht bekam, weil sie schlichtweg und ergreifend ausverkauft war. Einen solchen Versorgungsengpass habe ich in diesem Produktsegment bislang noch nie erleben müssen.
Da diese politisch korrekten Lebensmittel in der Regel erheblich teurer sind als ihre „tierischen“ Vorbilder, bin ich doch ziemlich erstaunt ob des plötzlich aufkeimenden Interesses für diese Fleischsurrogate. Sollte sich hier tatsächlich ein riesiger Markt sehr preiswert herzustellender Lebensmittel auftun?
Für mich ist dieses urplötzliche Interesse nicht nachvollziehbar. Vor vielleicht zwei Jahren habe ich mich bereits durch die Rügenberger Mühle gekämpft und vegetarische Würstchen (würg!), Frikadellen (geht) sowie Aufschnitt (von wegen schmeckt wie… never!) genossen. Damit will ich sagen, dass dieses Thema für mich eigentlich durch war. Alles, was ich an Fleischsurrogaten in den letzten Jahren versucht hatte, war geschmacklich keine Offenbarung gewesen, stellenweise sogar eher Folter.
Die vegetarischen Frikadellen von der Rügenwalder Mühle waren dagegen die glorreiche Ausnahme. Wobei ich immer daran denken muss, dass sowohl diese Produkte als auch die von mir so geliebten vegetarischen Brotaufstriche ein eher künstlich erzeugtes Lebensmittel darstellen. Dagegen ist selbst eine Leberwurst (fein) im Kunstdarm ein Naturprodukt.
Aber egal, woher kommt der scheinbare Sinneswandel des typisch deutschen Gourmands? Ich denke, dass die Leute sich tatsächlich gesünder ernähren, aber nicht auf ihre gewohnten Leckerlies wie Frikadellen, Würstchen oder auch Schnitzel verzichten möchten. Wenn man diesen Leuten auch noch suggerieren kann, dass die im Labor zusammen gerührte Pampe genau so schmeckt wie ihre natürlichen Vorbilder, dann wollen sie das haben.
Wir reden hier natürlich über Leute, die i.d.R. nicht auf jeden Cent schauen müssen und höchstwahrscheinlich grün wählen. Wie genau der Geschmack „hindesigned“ wird, interessiert diese Leute nicht. Hauptsache, man kann sich einreden, dass die Klimabilanz in Ordnung ist. „Fridays for Future“ lässt grüßen.
Mir wird nun wohl keine andere Wahl bleiben, als diesen Mampf bei Burger King zu testen. Zur Zeit kriege ich dort auch dreifache Payback Punkte drauf!
Nachtrag 24. August:
Ich habe bei Lidl endlich das „Alternativprodukt“ bei Lidl erstanden. Viele nicht näher bezeichnete Konservierungsstoffe, aber egal. Nach Eintrachts klaren Sieg über Würzburg hatte ich diese Patties auf den Gasgrill geschmissen und nach kurzer Zeit konnten meine Löwin und ich in die reichlich belegten Hamburger beißen.
Sie schmeckten irgendwie fleischähnlich, aber vor allem richtig lecker. Das wäre für uns also eine machbare Alternative zum „Original“. Allerdings ist das Original erheblich preiswerter, so dass ich noch nicht komplett auf fleischlos umstellen möchte.

Freitag, 23. August 2019

Hartmudo: Mutter


48
...der Supergau passierte am Tag darauf, am Donnerstag.
8. Dezember und der Geburtstag von Harald, Sunnys Sohn. Ich verbrachte einen entspannten Vormittag im Büro, weil Berta und ich uns am Vorabend durchgesetzt und eben nicht von Sunny in die Defensive hatten drängen lassen. Derart beflügelt, ging mir die Arbeit gleich leichter von der Hand.
Aber nur, bis mich Berta kurz vor Mittag anrief. Erneut wirkte sie äußerst erregt, um nicht zu sagen aufgelöst. Sie befand sich gerade mit dem Mann aus Walle in Mutters Wohnung, um die Räumung derselben durch seine Firma zu besprechen. Berta, und auch ich in diesem Moment beim Telefonieren, fiel aus allen Wolken, als dem Mann aus Walle auf einmal einfiel, dass er nicht nur keine 500,-€ zahlen könne, sondern im Gegenteil noch 500,-€ in Rechnung stellen musste.
Das war noch nicht mal das Schlimmste an der Sache. Er wollte zusätzlich noch die Teppiche mitnehmen, die bei dem Deal, den Sunny ursprünglich eingefädelt hatte, in der Wohnung geblieben wären. Somit hatten wir jetzt einen schlechteren Handel als Sunny an der Backe; meine Güte, wie peinlich.
Was hatten Berta und ich uns am Vorabend in Rage geredet, all unser Frust ob der vergangenen Wochen und Monate, in denen wir relativ passiv die Auflösung des Nachlasses von Mutter betrieben und Sunny verdächtigten, ja bezichtigen, uns zu übervorteilen - stellte sich jetzt als großer Irrtum heraus.
Zumindest nahm ich mir sofort vor, mich bei Sunny für diese Nummer mit der Änderung bei der Wohnungsräumung zu entschuldigen. Zumindest für den Fall, dass Berta am Freitag nicht doch noch eine andere Firma finden würde. Denn genau das ist der Unterschied zwischen Sunny und mir: Wenn ich einen Fehler mache, sehe ich ihn augenblicklich ein und entschuldige mich notfalls.
So dachte ich großkotzig über mich. In Wirklichkeit wollte ich es aber aus Feigheit vertuschen und hoffte, dass Berta das doch noch irgendwie hinbiegt, bloß damit ich mir keine Blöße geben müsste. Also vertagten Berta und ich uns für den Freitag, weil Berta dann endgültig Bescheid wissen würde.
Am Freitag wurde es jedoch bei Bertas Anruf leider nicht besser. Berta hatte es erst gar nicht bei einer anderen Firma versucht. Sie hatte den Mann aus Walle nochmal kontaktiert und es geschafft, ihn unter Tränen davon zu überzeugen, denselben Deal wie den von Sunny zu akzeptieren. Das hatte Berta auf alle Fälle nicht nur Überwindung, sondern sicher auch viele Körner gekostet.
Trotzdem würde ich mich bei Sunny entschuldigen wollen, das lag mir ab dem Tag an schwer im Magen. Berta meinte gar noch, das sie mit ihrem eigenen Geld den Unterschied zum alten Deal von Sunny ausgleichen würde. Selbstverständlich ließ ich Berta hierbei nicht im Regen stehen. Berta und ich würden uns den Schaden teilen, denn auch ich hatte auf die Abänderung des Deals gedrungen.
Meine Schuld war genau so groß wie die von Berta. Mitgehangen, mitgefangen. Zum Glück kam es nun nicht dazu. Ich weiß aber nicht, ob ich es als Erfolg werten soll, dass Berta haargenau dieselben Konditionen wie Sunny bei ihrem Deal herausgeschlagen hatte. Es fühlte sich trotzdem wie eine Niederlage an.
Selbstredend gingen Berta und ich jetzt nicht zur Tagesordnung über. Zuerst sinnierte ich über die Sinnhaftigkeit von Ratschlägen Dritter - hier von Siggi, Bertas Schwiegersohn, wenn die Dinge eben doch nicht vergleichbar sind. Noch dazu sind Berta und ich sofort „losgelaufen", ohne nachzudenken, geschweige denn wenigstens zu überlegen.
Was hatte Siggi da nur erzählt? Er hatte Mutters Wohnung ja noch nicht einmal gesehen oder wenigstens betreten. Ich hakte bei Berta nach und fragte sie, wie das denn sein könne. Laut Siggi sollten die Wohnungen doch vergleichbar sein. Ihre Antwort erklärte dann die Unterschiede.
Die „vergleichbare" Wohnung von Siggi hatte wohl lediglich eine ähnliche Größe, lag vielleicht sogar ja auch in einem Wohnblock der Bauart von Mutters Haus. Das entscheidende Kriterium aber war, dass sich die andere Wohnung im Erdgeschoss und eben nicht im dritten Stock ohne Fahrstuhl befand. Dann wurde dort auch noch die Küche vom Ausräumer der Wohnung abgebaut und mitgenommen. Das war bei Mutter anders geplant; gerade die Küche sollte in ihrer Wohnung verbleiben.
Ob Teppiche oder sonstige, für ein Räumungsunternehmen interessante Möbelstücke, oder Inventar, in der von Siggi genannten Wohnung vorhanden waren oder nicht, das schien nicht den Unterschied auszumachen. Was wiederum im Umkehrschluss bedeutete, dass Reiner Berta und mir keinen Bären aufgebunden hatte, als er meinte, dass wir für die Teppiche eh kein Geld bekommen würden.
Schon nach diesen wenigen Erklärungen von Berta und meinen kurzen Überlegungen dazu war mir klar, was da passiert war. Berta hatte Eveline von ihren und meinen Befürchtungen des Schmus durch Sunny bei der Wohnungsräumung erzählt, als sie ihre Enkelkinder besucht hatte. Dies erfuhr Siggi dann entweder direkt oder bekam es von Eveline erzählt.
Vielleicht hatte Berta Siggi auch direkt gefragt, weil sie hoffte, irgendeine Aussage zu dem „wirklichen" Preis einer Räumung von Mutters Wohnung zu bekommen. Dann wäre sie entweder beruhigt, wenn Sunnys Preis korrekt oder gar günstiger gewesen wäre, oder sie hätte unseren Verdacht der Täuschung durch Sunny als erwiesen ansehen können.
Das Letztere schien dann ja nach Siggis Äußerungen der Fall gewesen zu sein. Heute, also im Nachhinein ein knappes halbes Jahr später, kann ich natürlich leicht sagen, dass Berta Siggis Angebot nicht wirklich mit Sunnys Deal verglichen hatte. Gleiche Wohnung, ähnliche Gegend... und Sunny hatte in unseren Augen sowieso verschissen.
Nach den wesentlichen Details, die für einen Ausräumer entscheidend sind, hatte Berta Siggi offenbar nicht mehr gefragt. Für eine Erdgeschoßwohnung bräuchte ein Unternehmer wesentlich weniger Mitarbeiter oder wäre entsprechend schneller fertig. Und eine halbwegs akzeptable Einbauküche lässt sich, anders als Orientteppiche, noch einmal verkaufen. Das sind zumeist Standardmaße, das allein macht den Unterschied aus.
Ich selbst hatte bei Berta auch nicht nachgefragt, weil ich ihre Aussage zu Siggis Angebot gar nicht weiter hinterfragt hatte. Und warum sollte ich? Wenn ich alles hinterfragen würde, was an einem Tag so auf mich einprasselt, dann mache ich nichts anderes mehr.
Doch eigentlich kann ich Berta verstehen. Wahrscheinlich hätte ich Siggi auch nicht weiter ausgefragt, um das Ganze wasserdicht zu machen. Ich stand halt wie Berta schon seit Wochen unter Strom und konnte kaum noch klar denken. Mir war in der Aufregung nach Mutters Tod einfach alles zu viel geworden. Die zu regelnden Angelegenheiten wurden sämtlich grob geklärt und danach handelten wir entsprechend. Oder eben auch nicht. Wenn ich nur an diese leidige Geschichte mit dem Wohnungsflohmarkt denke...
Aber jetzt hatten wir den Salat und ich würde mich bei Sunny entschuldigen müssen. Dieses schlechte Gewissen Sunny gegenüber empfand ich nicht als angenehm. Und eines hatten Berta und ich bei dieser Aktion (hoffentlich) gelernt: Höre niemals blind auf Dritte, die Dir gute Ratschläge erteilen, aber in Wirklichkeit keine Ahnung haben.

Montag, 19. August 2019

Uncle Fester: grad gelesen August 2019


Andrew Bannister - Die Verlorenen (Spin Triologie 2)
Den ersten Band hatte ich Ende 2016 gelesen und als wirr am Ende beschrieben. Ich hoffte auf eine interessante Fortsetzung, Diese Hoffnung wurde leider enttäuscht.
Dieser zweite Roman besteht aus 2 Handlungssträngen. Die Sklavin Seldyan flieht mit 4 Mitstreitern vom inneren Zwangsarbeiterplaneten „Wabe“ und kapert das letzte noch existierende Großkampfschiff, welches mittlerweile als Kreuzfahrtschiff dient. Wie es ihr gelang, das Schiff zu stehlen, bleibt ebenso im Dunkeln wie die Beweggründe der KI des Schiffes, deren Feuerkraft den gesamten Spin bedroht.
Die Machthaber der inneren Planeten setzen den Hafenmeister Vess als Spion auf der Wabe ein, damit dieser die Hintergründe von Seldyans Flucht untersucht. Außer einer umfangreichen Beschreibung der Zustände auf Wabe kommt allerdings nichts wesentliches mehr rum.
Auf einem wie aus dem Nichts auftauchenden neuen Planeten - dem grünen Planeten, der den ganzen Spin in Angst und Schrecken versetzt, trifft Seldyan den übel zugerichteten jungen Priester Belbis und kann diesen auf dem hinterwäldnerischen Planeten wieder aufpäppeln. Am Ende werden die beiden ein Paar, während Seldyans ursprünglicher Freund Merish mit der KI weiterfliegt. Vess tötet noch den Machthaber der Wabe, das war es denn auch schon.
Gegen Ende wurde der Roman leider sehr zäh und verliert jeglichen Spannungsbogen. Daran ändert auch der Fakt nichts, dass ich den Schluss des Romans auf dem Flughafen in Edinburgh gelesen hatte. Dieser zweite Roman spielt Jahrhunderte später als der erste und hat zudem keinerlei Bezug zur Vorhandlung. Da kann ich nur noch auf den letzten Band hoffen.

Andrew Bannister - Der Erschaffer (Spin Triologie 3)

Also bei aller Liebe, Leute. Das geht ja gar nicht. Auf Seite 41 musste ich aufgeben, das ging gar nicht. Ohne Sinn und Verstand, total verkopft das Ganze. Es gibt sicherlich Menschen, die es reizvoll finden, wenn die Szenerie eines Romans so fremdartig erscheint, dass sie komplett unsere Vorstellung der Realität sprengt. Ich gehöre nicht dazu.


           

Juli Zeh - Unterleuten
Erst letztes Jahr wurde mir ein Roman von Juli Zeh zum Geburtstag geschenkt; dieses Jahr mit „Unterleuten“ schon wieder einer. Mein besonderer Dank geht an Wolfgang, die treue Seele, der mir das Buch wahrscheinlich geschenkt hatte. Und nach dem Reinfall mit der Spin Triologie wollte ich mal etwas vollkommen anderes lesen. Juli Zeh erwies sich hierbei als richtiger Volltreffer, da die Autorin es drauf hat, die unterschiedlichsten Menschen in verständlichen Worten zu beschreiben. Diese Gemengelage von Befindlichkeiten 20 Jahre nach der Wiedervereinigung wird gerade vom ZDF mit großer Besetzung in einem Dreiteiler verwurstet. Ich werde ihn mir ansehen, obwohl ich das Buch gelesen, gar förmlich verschlungen habe.
Worum geht es hier? Achtung! Spoiler!
Der kleine Ort Unterleuten liegt irgendwo in Brandenburg; in der Nähe zu Berlin. Dort prallen Besser-Wessis aus Berlin auf ihrer Landflucht mit den Ossis, die die Wende immer noch verarbeiten müssen, zusammen. Hier bekommen sowohl die alten SED-Kader als auch die neureichen Grünen in all ihrer Scheinheiligkeit ihr Fett weg.
Den Reigen der skurilen Figuren eröffnet der ehemalige Soziologie Professor Gerhard Fließ, der mittlerweile als Vogelschützer arbeitet und sich um das Überleben des Kampfläufers, einer vom Aussterben bedrohten Vogelart, sorgt. Zusammen mit seiner Frau Jule, einer ehemaligen Studentin von ihm, will er seine Tochter Sophie auf dem Land groß ziehen.
Ihr Nachbar Bodo Schaller macht ihnen hierbei leider das Leben schwer. Dieser verbrennt Autoreifen, damit der Mief auf das Grundstück der Familie Fließ zieht. Alles im Auftrag von Gombrowski, der Schaller erst „zurückpfeift“, als Schallers Tochter Miriam - der einzige Mensch, der Schaller überhaupt noch interessiert - ihn darum bittet.
Gombrowski wiederum war früher Leiter der LPG Gute Hoffnung, jetzt Geschäftsführer des Nachfolgers Ökologica GmbH. Um den maroden Betrieb zu retten, möchte er auf dem Betriebsgelände mit Hilfe des windigen Unternehmensberaters Konrad Meiler aus Ingolstadt einen Windpark betreiben. Leider stören Windräder den Lebensraum des Kampfläufers - deshalb soll Fließ weggegrault werden.
Gombrowski hat vermeintlich ein ewiges Techtelmechtel mit Hilde Kessler, der verwirrten und zurückgezogen lebenden ehemaligen Sekretärin der LPG. Hilde ist Tiermessi und wird am Ende in die Klapse eingeliefert. Fast gleichzeitig verlässt Elena, Gombrowskis Frau, Unterleuten und ihren Mann mit dessen geliebten Hund Fidi Richtung Hannover.
Mit dem ehemaligen Brigadeführer Kron verbindet Gombrowski eine jahrzehntelange Feindschaft. Der ewige Kommunist Kron hatte dabei stets gegen Gombrowski das Nachsehen gehabt. Jetzt, wo er alt ist und sich liebevoll um seine Enkeltochter sorgt, sieht er noch einmal die Chance, seinem Widersacher Gombrowski eins auszuwischen. Zusammen mit Linda Franzen, einer Pferdetrainerin, will er den Windpark auf seinem (und Franzens) Gelände betreiben.
Am Ende stirbt Kron verbittert, während Linda Franzen den Deal mit Meiler alleine durchziehen kann. Damit ist die unsympathische wie taffe Blondine die einzige Gewinnerin, zumal ihr verweichlichter Ehemann sich auch noch zu Tode fährt.
Daneben gibt es noch einige Nebenhandlungen, so zum Beispiel die bittere Geschichte des Bürgermeisters Arne Seidel, der seit der Wende auf der Suche nach dem Stasispitzel des Dorfes ist. Nachdem seine über alles geliebte Frau verstorben war, fand er die traurige Wahrheit beim Sichten des Nachlasses heraus. Es war seine Frau gewesen, die das halbe Dorf an die Stasi verraten hatte.
Juli Zeh hat mit diesem Roman eine geniale Zustandsbeschreibung unserer deutschen Realität seit der Wende abgeliefert. Das Buch trieft nur so von Sarkasmus und verschont weder Wessis noch Ossis. Für mich DAS Buch zur Ära Merkel. Falls ihr es nicht lesen mögt, schaut Euch ab Ende des Jahres wenigstens die Serie an. Geile Story!

James P. Hogan – Das Erbe der Sterne
https://de.wikipedia.org/wiki/James_P._Hogan_(Schriftsteller)
Als ich bei Wikipedia lesen musste, dass James P. Hogan wohl ein Anhänger von Holocaustleugnern war, habe ich den bereits angefangenen Roman sofort zur Seite gelegt. Die ersten 50 Seiten waren nun nicht wirklich spannend. Und auch wenn er seine krude Sichtweise zur deutschen Vergangenheit erst später entwickelt haben mag… Nein!

Daniel Suarez - BIOS
Dieser Roman lag bereits 2 Jahre bei mir herum. Warum bloß hatte ich ihn erst jüngst gelesen und so lange liegen gelassen? Was für eine Wohltat nach den Reinfällen mit Hogan und Bannister. Das Wall Street Journal vergleicht BIOS mit Gibsons Neuromancer, da dieser Roman eine komplett neue Zukunftsvision bieten würde. Das halte ich jetzt allerdings für übertrieben, denn mit Biochips, dem 2. Band der Neuromancer Triologie, hatte Gibson schon Pionierarbeit geleistet. Nach der technischen Revolution macht die Entwicklung nicht vor der Biologie halt, Veränderungen an DNA und Genen wird unser aller Leben wesentlich mehr verändern als die künstlichen Intelligenzen, vor denen Suarez bereits in der Daemon Triologie gewarnt hatte.
Zum überwiegenden Teil wird die Story aus der Sicht des Protagonisten Kenneth Durand erzählt. Suarez verzichtet hier auf parallele Handlungsstränge, was eher für eine Verwertbarkeit als Film statt einer Serie spricht. Aber das nur nebenbei - die Story ist nicht wirklich neu, aber dank des dahinterstehenden Gedankens mehr als reine Unterhaltung.
Durand ist bei Interpol ein erfolgreicher Ermittler gegen Genkriminalität. Dank der Bio-Revolution können menschliche Embryonen durch Veränderungen an der DNA derart verändert werden, dass man sich einen zukünftigen Spitzensportler oder Nobelpreisträger quasi nach Katalog zusammen stellen kann. Da entsteht natürlich eine Grauzone; der Schritt in die Illegalität ist auch nicht allzu weit entfernt.
Der mächtigste Gangster und Vorsitzende eines weltumspannenden Kartells, Marcus Wyckes, ist sogar noch weiter gegangen. Er kann selbst bei Erwachsenen mittels Injektion das Aussehen beliebig verändern. Sein treuer Assistent Otto injiziert Durand die DNA von Wyckes. Nun sieht Durand haargenau so aus wie Wyckes und wird von seinen eigenen Leuten gejagt, während der Gangster in aller Ruhe die nächsten Schritte planen kann.
Der Roman erinnert in der Story sowohl an „Face/off“ als auch an „Auf der Flucht“, was aber nur dazu dient, die Gefahr durch DNA Manipulationen zu verdeutlichen. An „Beißerchen“ aus den Bond Filmen wiederum erinnert uns der Assistent Otto, der aus einer Züchtung eines Regierungsprogramms zur biologischen Kriegsführung stammt und auch die Grundlage für Wyckes Forschungen darstellt.
Otto ist einzigartig, denn seine DNA bzw. jedes Molekül seines Körpers ist „rechtsdrehend“ statt „linksdrehend“ wie bei allen Menschen - oder umgekehrt? Deshalb ist er auch biologischen Kampfstoffen gegenüber immun. So tötet er z.B. Hunderte von Polizisten und Gangstern einer gegnerischen Gang, als Durands Partner Yi-Chang und beider Vorgesetzte Aiyana Marcotte ein Gen Labor dieser Gang ausheben. Der Kampfstoff, auf Ottos Haut aufgetragen, wirkt wie ein vergiftetes Parfüm.
Durand hatte sich auf seiner Flucht zunächst zum DNA Forscher Desai begeben und seine Gene untersuchen lassen. Zu 99% hatte er noch seine alten Gene, bloß das restliche Prozent lässt ihn als Wyckes erscheinen. Nach Desai kann er dann auch Dr. Bryan Frey, der ihm laut Desai helfen kann, seine alte DNA wieder herzustellen, von seiner wahren Identität überzeugen.
Frey und Durand fliehen dann auch aus dem schon erwähnten Labor.
In der Folge muss sich Durand allein durch den malaiischen Dschungel Richtung Bangkok durchschlagen. Allein diese Passage mit den verschiedenen Charakteren ist einen eigenen Roman wert. Dort lernt er auch Thet und dessen Schwester Bo Win kennen, die für einen Warlord arbeiten und ihn und Frey aber in der Folge zur Seite stehen. Sie und ihre Widerstandsgruppe sollen Durand und Frey in die Hauptstadt Naypyidaw schmuggeln, wo Durand Wyckes verortet und ihn zur Strecke bringen will.
Zuvor aber noch soll der Gangchef Vargas in seinen Laboratorien Durand zurückverwandeln. Doch dies stellt sich als Falle heraus, aus der Durand und Frey gerade noch entkommen können, ehe Otto auch Vargas und seine Gang tötet. Zuvor hatte Otto Desai auf üble Art und Weise gefoltert und getötet und dadurch Durand überhaupt erst finden können.
Es kommt zum Showdown zwischen Wyckes und Durand in Naypyidaw. Dort werden Frey und er bereits von Wyckes erwartet. Frey lässt sich von Wyckes bestechen, um sein eigenes Leben zu retten. Der inzwischen zurückverwandelte Durand kann aber Otto davon überzeugen, dass Wyckes Otto als minderwertig ansieht und auch töten will. Das erinnert wiederum an „Beißerchen“. Otto tötet daraufhin Wyckes und Durand wie auch Frey, der Durand nur scheinbar verraten hatte, um ihn aus der Gefangenschaft bei Wyckes befreien zu können.
Am Ende bekommt Durand seine Familie wieder und Frey kümmert sich um behinderte Kinder. Ein klassisches Happy End also, was die Quaslität dieses Romans aber nicht schmälert. Diese beängstigend glaubwürdige Zukunftsvision sollte sich kein Science Fiction Fan entgehen lassen.

Freitag, 16. August 2019

Contramann: Aus dem Forum zu…


…Telepolis:

https://www.heise.de/tp/features/Die-Zwickmuehle-der-CO2-Steuer-4473961.html
Die Masse kann gar nicht auf Elektrofahrzeuge umsteigen
Die Masse der Bürger kann gar nicht auf Elektrofahrzeuge umsteigen, weil es weder genug Ladesäulen gibt noch haben die Stromleitungen einen ausreichenden Leitungsquerschnitt, um diese Strommengen transportieren zu können.
Bei zu geringem Leitungsquerschnitt schmelzen die Leitungen einfach durch.
Man müsste also zuerst mal dickere Leitungen in den Straßen verlegen und das müssen dann auch noch die Anwohner der Straßen bezahlen, was durchaus einige 10.000 Euro pro Nase kosten kann.
Diese Kosten werden verschwiegen, weil sonst die Leute rebellieren würden (werden).
Die meisten parken am Straßenrand. Soll man dann mit der Kabeltrommel eine Leitung von der Wohnung über den Bürgersteig zum Auto legen oder wie soll das praktisch funktionieren?
Niemand kompensiert den Wertverlust des "alten" Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor.
Würde man auf Elektrofahrzeuge umsteigen wollen, dann müsste man nicht nur überhöhte Preise zahlen, sondern man bekäme auch noch weniger für den "Gebrauchten".
Der Kunde wird also gleich mehrfach verarscht.
Woran man auch zu wenig denkt ist die Entsorgung der alten Batterien. Das enthaltene Lithium ist giftig und wenn sowas mal ins Grundwasser gelangen sollte, hätte das schlimme Auswirkungen auf die menschliche Psyche.
Was passiert mit den Millionen entlassenen Arbeitern aus den Automobilzulieferfirmen?
Niemand braucht mehr Getriebe, Kurbelwellen, Nockenwellen, Zündkerzen, Auspuffrohre, Ölfilter, etc. etc. etc.
Wenn man schon auf Elektrofahrzeuge umsteigen möchte, dann hätte man das planmäßig und in der korrekten Reihenfolge machen müssen.
1. Atomkraftwerke so lange laufen lassen, bis die sauberen und grundlastfähigen Alternativen vorhanden sind.
Windkraft und Solarkraft sind nicht grundlastfähig, weil manchmal weder die Sonne scheint noch Wind bläst.
2. Die Infrastruktur muss vor einem Umstieg auf Elektrofahrzeuge aufgebaut werden, also dickere Stromleitungen in den Straßen und sehr, sehr viele Ladesäulen.
Bisher ist praktisch nichts davon zu sehen. In meiner Großstadt gibt es 6 (sechs) Ladesäulen, wovon ein Teil davon obendrein auch noch auf nicht öffentlichem Firmengelände stehen und die Handvoll anderen sind besetzt durch Mietfahrzeuge.
3. Der deutsche Staat hätte sich die Gebiete der relevanten Materialien sichern müssen. Statt dessen hat man tatenlos zugesehen, wie China sich in Afrika alles schnappt, was zu bekommen ist.

Der Forist hat hier wunderschön dargestellt, warum ein Umstieg vom Verbrennungs- auf einen reinen Elektromotor nicht oder zumindest schwer durchführbar ist. Das diese Argumentationslinie bislang nicht in unseren Qualitätsmedien auftaucht, stellt letzteren ein denkbar schlechtes Zeugnis aus.
Die Automobilindustrie mit ihren langfristig sinkenden Gewinnen sieht in der E-Mobilität natürlich eine Möglichkeit, den Umsatz wieder anzukurbeln. Die gesellschaftlichen Kosten durch eine Bereitstellung der Infrastruktur ist der Wirtschaft egal. Die freigesetzten Arbeiter, die nicht wirklich komplett in die neue Produktion integriert werden könnten, fallen der Allgemeinheit und nicht der Wirtschaft zur Last. Die Höhe staatlicher Investitionen vermag ich mir nicht vorzustellen.
Achtet mal drauf: Am Ende läuft die Chose über Akkutausch ala CO2 Flasche beim Sodastream. Leeren Akku abgeben und vollen neuen an der Tankstelle kaufen.

Dienstag, 13. August 2019

Buddy Holly 6/7

Doch auch zwischen Norman Petty und Buddy kriselte es. Petty, der alte Fuchs, befürchtete, dass Buddys Ehe seinen Erfolg bei den weiblichen Fans erheblich schmälern würde, was sich natürlich auf die Plattenverkäufe auswirken würde. Allen Ernstes schlug Petty vor, dass Buddy Maria Elena als Sekretärin der Band und eben nicht als Ehefrau vorstellen sollte. Dies schmeckte Buddy nicht, so geschäftstüchtig im negativen Sinne war er nicht - was Buddy Holly in meinen Augen sehr sympathisch erscheinen lässt.
Dieser schwelende Streit verschlechterte die Beziehung zwischen Petty und Holly von Tag zu Tag mehr, bis es schließlich im Oktober 1958 zum endgültigen Bruch kam. Norman Petty und Buddy Holly gingen von nun an getrennte Wege.
Allison und Maudlin, die beiden Ur-Crickets, einigten sich jedoch mit Norman Petty und wollten weiterhin mit ihrem alten Manager zusammenarbeiten. Buddy sollte sich von nun an gänzlich um seine Solokarriere kümmern. Glücklich war keiner mit dieser Entwicklung, aber es war wohl der einzige Weg. Die Band musste jetzt nicht mehr nur wegen der Karriere einen schmalen Fuß machen und konnte ihr gewohntes Leben „on the road“ wieder aufnehmen. Buddy kehrte mit seiner Frau nach New York zurück und stürzte sich in die Arbeit, er freute sich auf diese Unabhängigkeit. Aber dennoch bot er den Crickets an, wieder mit ihnen zusammen spielen zu wollen, falls sie ihre Meinung ändern sollten und zu ihm zurückkehren würden.
...mit Waylon Jennings

„Raining in my Heart“ und „It doesn`t matter anymore“ wurden kurz nach der Trennung von den Crickets veröffentlicht. Zusätzlich befand sich ein Album mit Songs von Ray Charles in Planung. Darüber hinaus unterstützte Buddy junge Musiker bei ihrem Start ins Musikbusiness. So zum Beispiel Waylon Jennings, dem späteren Country-Star der 70er und 80er Jahre. Er spielte in Hollys neuer Band Bass und tourte mit ihm durch den Süden der USA. Lou Gardino war ein weiterer Künstler; er nahm Hollys „Stay close to me“ auf.
Nach dem Jahreswechsel startete Buddy Holly im Januar 1959 eine neue Tournee. Auf der „A Winter Dance Party“ waren neben ihm noch Ritchie Valens, Dion & the Belmonts sowie J. P. „the Big Bopper“ Richardson an Bord. Anstatt der Crickets wurde Buddy von Waylon Jennings, Tommy Allsup und dem Schlagzeuger Charles Bunch begleitet. Seine Frau Maria Elena konnte Buddy dagegen nicht mit auf die Tour nehmen, da sie in New York ihr erstes Kind erwartete. Leider verlor sie später das Baby. Ich erwähne dies, bevor irgendjemand noch spekuliert, ob Buddys Kind ebenfalls eine Karriere im Musicbiz starten konnte.
Die Musiker der „Winter Dance Party“ absolvierten die Strecken zwischen den Auftrittsorten mit dem Bus; die Annehmlichkeiten eines Tourbusses wird auch heutzutage noch von den wahren Helden des Rock `n` Roll geschätzt. Gehört ja schließlich zum guten Ton. Leider waren die Busse in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht so komfortabel.
Aircondition, ja selbst eine gut funktionierende Heizung... Fehlanzeige! Anfangs des Jahres 1959 war es bitterkalt auf dem Lande im Westen der USA. Die Bedingungen waren alles andere als komfortabel. Nicht nur das der Bus schlecht beheizt wurde - er blieb während der Fahrten auch mehrmals im Schnee liegen. Das sind nicht gerade die Bedingungen, bei denen man quasi jeden Abend in einer anderen Stadt auf der Bühne stehen möchte; in einer unbeheizten Halle womöglich. Da sind Erkältungen vorprogrammiert - schlecht für die Stimme.
Nach dem Auftritt vom 2. Februar 1959 im „Surf Ballroom“ in Clear Lake (bei Mason City, Iowa) stand den Musikern eine Busreise von 400 Meilen bis zum nächsten Auftrittsort bevor. Die eisige Kälte wollte sich Buddy nicht mehr antun und charterte kurzfristig ein Flugzeug für sich und seine Begleitband, um schnell und ausgeruht zu dem nächsten Auftrittsort zu kommen. Außerdem hofften die Musiker, früh genug am Zielort anzukommen, um ihre Anzüge noch schnell reinigen lassen zu können.
Jedoch sollte keiner von seinen Begleitmusikern mit im Flugzeug sitzen. Carl Bunch litt unter Frostbeulen und musste in Clear Lake ins Krankenhaus eingeliefert werden. Ritchie Valens hatte bereits den ganzen Abend auf Tommy Allsup eingeredet, um seinen Platz im Flugzeug zu ergattern. Valens quengelte so lange, bis Allsup entnervt war und eine Münze warf. Kopf oder Zahl - Valens wählte Kopf und erhielt den Platz im Flugzeug von Allsup.
J. P. Richardson brauchte nicht um den Platz zu betteln, schließlich litt er unter einer Grippe und hätte keine weitere Nacht mehr im Bus ausgehalten. Er bat Waylon Jennings, ihm seinen Platz im Flugzeug zu überlassen. Jennings ließ sich überzeugen und erhielt Richardsons Schlafsack für die Nacht im Bus.
Tourplakat

Jennings war jedoch trotzdem nicht gerade erfreut, dass er mit dem Bus fahren musste. Verärgert verabschiedete er sich von Buddy Holly mit den Worten: „I hope Your ole Plane crashes.“ Diese seine letzten Worte zu Buddy Holly bedauerte Jennings später, als er später in der Nacht vom Absturz der Maschine und dem Tod der Insassen erfuhr. Jennings setze jahrelang mit der Musik aus, er fühlte sich für den Tod der Musiker verantwortlich. Später nahm Jennings Richardsons „White Lightnin`“ auf, übrigens im Original vom Big Bopper einer meiner Lieblingssongs.
Die Show in Clear Lake endete gegen Mitternacht. Auf einem kleinen Flughafen nahe der Stadt stand eine rote Beechcraft Bonanza, die die Musiker für 36 $ pro Person nach Fargo in North Dakota bringen sollte. Von dort aus hätten die Musiker lediglich den Red River überqueren müssen, um nach Moorhead, dem nächsten Auftrittsort, zu gelangen.
Als die Musiker gegen halb Eins den Flughafen außerhalb Clear Lake erreicht hatten, herrschte dort ein starkes Schneetreiben. Die Sichtweite war vollkommen unzureichend, so dass der junge Pilot komplett auf seine Instrumente angewiesen war. Zwar hatte der 21jährige im Blindflug bereits Erfahrungen sammeln können, jedoch nicht mit diesem Flugzeugtyp. Auf Drängen der Musiker entschied sich der Pilot dennoch, den Flug zu wagen.
Die Musiker standen außerdem erheblich unter Druck. Sie waren von der schon andauernden Tour und den erschwerten Bedingungen der Busreise erschöpft und wollten nicht mehr zum Bus zurück. Dieser war wahrscheinlich eh schon los gefahren. Da sie bei einem verpassten Auftritt am nächsten Tag wohl eine Konventionalstrafe riskiert hätten, sahen sie keine andere Chance, als ihr Glück mit dem Flugzeug trotz des miserablem Wetters zu versuchen.

Donnerstag, 8. August 2019

H. Lecter: Alf


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Der Besuch des „Hofbrauhaus Latino“ bei unserem ersten Aufenthalt auf Malle war wirklich unvergesslich. Während unserer Urlaubswoche besuchten wir den Laden noch öfter, nicht zuletzt wegen der hübschen Kellnerin, doch so breit wie beim ersten Mal bekamen wir es nicht mehr hin. Wie das halt so ist mit Wiederholungen.
Ich kann mich aber noch an eine erwähnenswerte Begebenheit im Hofbrauhaus Latino anlässlich unseres letzten Aufenthaltes in El Arenal erinnern. Diese Reise dauerte schon keine Woche mehr. Buck war da in unserem Kreis bereits längere Zeit wohlgelitten integriert worden, aber der Elan war bereits verpufft. Vor allem Klaus-Ewald und ich hatten keine Lust mehr auf Malle und vehement darauf gedrungen, nur noch ein paar Tage zu fahren.
Es war das Jahr, in dem ich mich von der Gruppe tagsüber etwas abgesondert hatte, weil ich Pan und seine Familie besucht hatte. Pan arbeitete in dem Jahr als Koch in einem Restaurant eines Schweden und wohnte in Arenal um die Ecke; ich musste vom Hotel aus gar nicht mal so weit zu ihm laufen. Die Erlebnisse mit den Schweden erzähle ich aber lieber an anderer Stelle.
Zu den Kollegas: Da kam eigentlich nur noch Stimmung bei entsprechender Promillestärke auf. Am frühen Abend waren Buck und ich in der Happy Hour stets gut drauf, während Alf seine überschwängliche Phase beendet hatte. Er lachte zwar immer noch viel, hatte auch nichts von seiner Sprintstärke verloren, doch das Gebaren einer Rampensau hatte er abgelegt. Kein lautes Mitsingen mehr in den Bars, kein „Mach mit!“ mehr zu wildfremden Menschen.
Stattdessen kam urplötzlich dieser gläserne Blick ins Nirvana mit beschlagener Brille. Wie er dann so grenzdebil in die Gegend stierte und kurz vor dem Koma stand, war schon beängstigend. Und kurz vor diesem Zustand rauschten wir ausgerechnet ins Hofbrauhaus Latino ein. Der Laden war mittlerweile wohl nicht mehr so stark frequentiert und mit der Band hatte es sich wohl auch erledigt. Diese Bar gehörte für uns bei unserer letzten Malle Fahrt eigentlich nur zu einer leidigen Pflichtübung.
Die hübsche Kellnerin arbeitete schon längst nicht mehr dort. Müde setzten wir uns an den Tresen und bestellten eine weitere Runde Wodka Lemon. Statt lauter Ballermann Hits liefen langweilige Schlager im Hintergrund; eine gute Stimmung wollte so nicht aufkommen. Stattdessen kam, was kommen musste: Alf wurde der Kopf schwer und sank auf seine gefalteten Hände. Sanft fielen ihm die Äuglein zu. Alf hatte die Kommunikation eingestellt.
„Ey, Du! Hier nichts schlafen, Du!“ Der einheimische Kellner war sichtlich erbost und war kurz davor, stringente Maßnahmen zu ergreifen. Doch ehe er weiter nerven konnte, hatten wir reagiert und Alf mit einem zärtlichen Klopfer auf den Rücken wach bekommen. Wir versuchten ihm zu erklären, dass die Zeit der Ruhe noch nicht angebrochen war, doch anscheinend konnte er uns gar nicht verstehen. Wir verstanden sein sinnfreies Gebrabbel aber auch nicht, weil er offenbar seine Muttersprache verloren hatte.
Nun fiel mir die ehrenvolle Aufgabe zu, meinen Mitbewohner (wie immer teilte ich mit Alf das Hotelzimmer) ins Nest zu bringen. Der Kellner zeigte sich über die anstehende Entsorgung eines Schläfers begeistert und rief uns ein Taxi, denn Alf konnte nicht mehr zu Fuß ins Hotel, welches maximal einen Kilometer entfernt war, laufen. Und da er allein nicht ins Hotel gekommen wäre, weil er sich nicht mehr verständlich machen konnte, musste ich wohl oder über mitfahren.
Vor unserem Hotel angekommen, drehte ich den nunmehr fitteren Alf in Richtung des Hoteleingangs und schob ihn an, damit er ins Zimmer gehen könnte. Sofort stieg ich ins Taxi zurück, registrierte noch, dass Alf sich langsam in Bewegung setzte und war zufrieden. Alf war also versorgt.
Doch weit gefehlt. Wie wir hinterher erfahren mussten, wurde Alf beim Betreten des Hotels von der hauseigenen Security gehindert. Das die überhaupt eine Security hatten, ist uns entgangen. Das deutsche Jungvolk verhält sich bekanntlich auf Malle wie die alten Vandalen; Gröhlend rennen sie durch die Gassen und belästigen die Einheimischen. Und genau das wollten die Spanier nicht mehr.
Nun war Alf beileibe kein Jungspund mehr, wurde aber wohl wegen seines Breitheitsgrades abgewiesen, so dass ein Wort das Andere gab, bis schließlich die Fäuste flogen. In das Gesicht von Alf. Da lag er dann auf der Straße, die Brille war zerdeppert. Wie ein Maikäfer auf dem Rücken – selbst jetzt kann ich mir das bildlich vorstellen, obwohl ich nicht dabei war.
Ob Alf sich dann in die nächste Bar begeben hatte oder doch noch das Hotel betreten konnte, weiß ich nicht mehr. Ich war da schon längst wieder bei den Anderen im Latino und nippte an dem nächsten Wodka Lemon. Wir zogen weiter durch die Bars und irgendwie werden wohl auch wir an jenem Abend ins Hotel gekommen sein.

Sonntag, 4. August 2019

Contramann: kurz gesehen im August


https://www.welt.de/debatte/kommentare/article195998407/Linke-Bewegung-Aufstehen-will-jetzt-in-der-SPD-aufgehen.html
Eine Meinung auf der Seite des Springer Blattes, die mich sofort zum Nachdenken angeregt hat. Ich schreibe dies 12 Stunden nach Veröffentlichung dieses Kommentars. Damit will ich andeuten, dass niemand außer der Welt diese Meldung in die Welt setzt.
Sollte sich die Meldung, dass Steve Hudson, seines Zeichens Schauspieler und SPD Mitglied (gibt es da überhaupt einen Unterschied?), seine Mitstreiter bei der „Aufstehen!“ Bewegung aufgefordert hat, in die SPD einzutreten und dort für einen Richtungswechsel zu sorgen, bewahrheiten, dann wäre das schon ein richtiger Hammer.
Es ist still geworden um „Aufstehen!“ Nachdem Sarah Wagenknecht quasi ihren Rückzug aus der vordersten Front des politischen Establishments angekündigt hatte, hörte ich von Aufstehen gar kein Lebenszeichen mehr. Ob die Teilnehmerzahlen beim Kongress im April mit ein paar Hundert Menschen wirklich so niederschmetternd waren, habe ich auf die Schnelle nicht verifizieren können.
Und jetzt noch Steve Hudson, der die letzten Reste an Vernunftbegabten in die SPD überführen will, um diese zu unterwandern. Zurückbleiben würden dann die üblichen Sektierer, die von beinahe jeder politischen Bewegung angezogen werden wie die Motten vom Licht. Glaubt es mir, Leute. Diese Sektierer gibt es zuhauf; solche Leute schrecken einfach jeden Vernünftigen von einer politischen Betätigung abseits bestehender Parteistrukturen ab.
Insofern würde es Steve Hudson leider richtig machen. Doch vielleicht war diese Meldung ja bloß eine Ente.

https://taz.de/Gastkommentar-Sea-Watch-3/!5604062/?fbclid=IwAR1tMkhOigv2-tASsqhlzgfN1UZgbAmwOI0eScAKf8JQdNUkl3fQOy6aJQk
Das sehe ich auch so. Bei allem lobenswerten Bemühungen der Seenotretter darf, nein muss so ein Kommentar erlaubt sein. Letztendlich geht es offenbar eben nicht um die am Ende 42 Flüchtlinge, die weder in Wort noch Bild in den Medien auftauchen. Je nach Gusto ist Frau Rackete entweder Joan D’arc oder Maggie Thatcher. Die Kommentatorin hat auf alle Fälle in einem Punkt recht: Die Flüchtlinge werden lediglich instrumentalisiert.
Malta wäre ja auch eine Option gewesen. Lag der Position des Schiffes näher als Lampedusa. Noch näher wäre wohl Tunesien gewesen. Wobei ich Tunis ebenfalls nicht als sicheren Hafen sähe. Im Übrigen hatte der europäische Gerichtshof für Menschenrechte den Antrag der Kapitänin auf Landeerlaubnis in Italien Ende Juni abgewiesen und eine Verweigerung der italienischen Behörden somit recht gegeben.
https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-06/seenotrettung-sea-watch-3-italien-europaeischer-gerichtshof-menschenrechte
Inwieweit Zivilcourage oder auch ziviler Ungehorsam dazu berechtigt, diese Entscheidung zu ignorieren, möge jeder für sich selbst entscheiden.

https://www.heise.de/tp/features/Arbeitsmarkt-Deutschland-2019-Fachkraefte-raus-4464781.html
Hierzu einfach mal nur ein Kommentar aus dem Telepolis Forum. Die Kritik ist vielleicht etwas überspitzt, aber nichts desto trotz sind die Argumente eine Überlegung wert:

„Was mir persönlich ein Rätsel ist:
Da sozialisieren und bilden wir unsere eigenen Kinder aus.
Sagen wir mal:
3 Jahre Kindergarten
+ 10 Jahre Schule
+ 3 Jahre Berufsausbildung
oder 4 Jahre Studium.
Also unter dem Strich ~16 Jahre Ausbildung.
Wie kann jemand wie der Autor so arrogant sein zu behaupten, dass er und seine Spießgesellen aus dem Asyl-Industriellen Komplexes diese 16 Jahre einfach so überspringen können und aus zugewanderten ungebildeten Mitgliedern archaischer Gesellschaftsstrukturen innerhalb von 2 Jahren über einen volkshochschulähnlichen Ansatz leistungsfähige Facharbeiter und Ingenieure einer modernen Volkswirtschaft zu generieren, die dann 40 Jahre in die Sozialkassen einzahlen?
Der Artikel ist - vorsichtig formuliert - nicht sehr durchdacht.
Mich würde mal interessieren, ob der Autor jemals selbst an einer CNC-Maschine gestanden hat oder als Ingenieur irgendwas konstruiert hat. Das heißt ob er überhaupt weiß über was er schreibt und was eine moderne Industriegesellschaft für Anforderungen stellt.
Es sind 4 Jahre seit 2015 rum. Die Millionen Migranten aus 2015 müssten längst überall in der deutschen Volkswirtschaft zu finden sein.
Wie viele von den Multi-Millionen Migranten haben denn nun einen 50000 oder 100000 Euro Job bei Siemens, BMW, MB, Volkswagen und füllen per Sozialabgaben die Kassen?
Ich schätze wir reden hier über Sub-Promille Mengen.
Vielleicht einer von 1000.
Eher weniger.
Wenn der Autor belastbare Zahlen hat, dann möge er sie bitte auf den Tisch legen.
Oder - falls er keine Zahlen hat - einfach über andere Themen schreiben.
Kochrezepte oder so.“

Eine Ergänzung noch von mir: Auch wenn es nach 2 Jahren Volkshochschule nicht zum Facharbeiter reicht, wäre Jobs im Pflege- oder allgemeinen Servicebereich von Migranten durchaus zu stemmen. Dort fehlen auch Arbeitskräfte. Die Frage bleibt dennoch, warum diese Jobs nicht mit „Einheimischen“ besetzt werden konnten.
Meine Befürchtung ist hier, dass in diesen Jobs Arbeitsbedingungen wie Bezahlung unattraktiv für den Einheimischen sind. Da bleibt den Arbeitgebern dann natürlich nur die Wahl, höhere Löhne zu zahlen oder eben Menschen zu beschäftigen, die freiwillig bereit sind, solche Bedingungen zu akzeptieren.
Und schon sind wir bei den Migranten angelangt. Das Problem ist demnach nicht „der“ Migrant, sondern die Arbeitgeber oder meinetwegen auch das „System“, welches solche Zustände zulässt.

https://www.focus.de/auto/professor-richard-david-precht-kritisiert-die-e-mobilitaet-das-elektroauto-ist-ein-problem-weil-es-offensichtlich-die-falsche-technik-ist_id_10909397.html
Beim Checken der News morgens auf dem Hauptbahnhof am Bahnsteig stolperte ich über diese Seite. Dieser sehr kurze Ausschnitt aus einem Interview mit Richard David Precht aus der Augsburger Allgemeinen vom 9.7. enthielt folgenden Absatz, der für sich allein genommen ausreicht, um den E-Autowahn ad absurdum zu führen:
„Für die E-Mobilität als Ganzes jedenfalls gelte: „Wir machen da einen Riesenfehler.“ Sie trage eher zur Sklavenarbeit in Kongos Kobaltminen bei, als dass sie bei uns nachhaltige Technologielösungen ermögliche.“
Jetzt wollte ich das komplette Interview lesen. Und here we go:
https://www.augsburger-allgemeine.de/kultur/Richard-David-Precht-Die-Menschen-lieben-Verbote-id54827366.html
Richard David Precht:
„Wir haben irgendwann das christliche Kreuz durch das Hakenkreuz ersetzt und das Hakenkreuz durch den Mercedesstern.“
Und das er SUVs aus den Innenstädten pauschal verbannen will, finde ich gut. Sein Beispiel mit dem Rauchverbot in Restaurants, worüber sich anfangs alle aufgeregt haben, aber jetzt ist es Normalität, ist ebenfalls Klasse.

https://www.welt.de/politik/article196851111/Fluechtlings-Rettung-Rackete-will-eine-halbe-Million-Migranten-aus-Libyen-holen.html Zunächst ein Kommentar aus dem Forum dazu:
„Da hat die gute Frau recht, darum müssen wir dringend das Zeichen setzen das weglaufen statt dort zu arbeiten und aufzubauen sich nicht lohnt, denn dann sind die jetzt schon instabilen Länder völlig verloren.“
Also… Frau Rackete möchte 500.000 Menschen aus Flüchtlingslagern oder der Hand von Schleppern in ein sicheres Land überführt wissen. Das geht dann aber weit über Seenotrettung hinaus; mit so einer Aussage stellt sie sich eher als politische Aktivistin und nicht als eine Kapitänin dar, die einfach nur Schiffsbrüchige rettet. Für ihr Strafverfahren dürfte dies nicht hilfreich sein.
Es sei denn, dass es dank Intervention unseres Außenministers nicht zum Prozess kommt. Diesen wollen wohl weder die Deutschen noch die Italiener. Denn egal wie der Prozess für Frau Rackete ausgehen würde – eines würde die Aktivistin erreichen: Das Lösungen der Flüchtlingsfrage angestrebt werden müssen.
Und gelöst werden kann das Elend der Flüchtlinge nicht mittels Duldung des Schleppersystems durch Migration nach Europa, sondern durch direkte Hilfen in Afrika. Wirtschaftsförderung statt Zerstörung derselben durch Billig-Exporte in diese Krisenländer z.B. wäre da ein wesentlicher Ansatz zur Lösung, aber natürlich nicht allein.
Frau Rackete jedoch sollte der Vergessenheit anheimfallen, ehe sie sich durch ihre Äußerungen noch mehr als narzisstische Selbstdarstellerin outet.

Donnerstag, 1. August 2019

Hartmudo: Mit dem Rad unterwegs


Mittwoch, 24. Juli. Exakt 5 Monate vor Heiligabend hatte ich meinen jährlichen Gesundheitscheck bei meinem Hausarzt. Wie den Tag zuvor, an dem ich meine Löwin zur Magenspiegelung fahren musste, hatte ich mir Urlaub genommen. Als ich eine Woche zuvor Detzer meinen Besuch für diesen Tag bei ihm zu Hause in Lebenstedt telefonisch angekündigt hatte, war mir dies selbstverständlich entfallen.
Kaum hatte ich den Hörer wieder aufgelegt, da fiel mir der Arzttermin wieder ein. Mensch, im Urlaub bin ich doch sonst auch nicht in Salzgitter. Jedoch... könnte ich am freien Tag mit dem Fahrrad fahren. Das wollte ich schon seit Jahren mal machen - von Braunschweig nach Salzgitter mit meinem Fahrrad fahren! Schnell recherchierte ich die Entfernung und war baff erstaunt, dass es nur knapp über 25 km sind und die Tour laut Google Maps etwa 75 Minuten dauern dürfte.
Da hieß es für mich Nägel mit Köpfen zu machen. Insgesamt 50 km hin und zurück; in der Halbzeit würde ich sicherlich das eine oder andere Pils bei Detzer und Nelling verdrücken. Den Schnaps sollte ich vermeiden, so dachte ich es mir. Ansonsten würde es garantiert mit der Rückfahrt schwierig werden.
Aufgrund der heißen Temperaturen (über 34 Grad) entschied ich mich dann kurzfristig doch noch für die vernünftige Variante. 2,30 € kostet eine Fahrradkarte für die Bahn, auch von SZ nach BS. Und diese würde ich kaufen, noch bevor ich das erste Pils bei Detzer am Hals haben würde. Sicher ist eben sicher.
Somit begann dieser Mittwoch erwartungsgemäß. Kurz nach 6.00 Uhr stand ich auf und verabschiedete kurz darauf meine Löwin, weil diese zur Arbeit musste. Nachdem ich mein Rad noch mal kurz gecheckt und die Reifen voll gepumpt hatte, fuhr ich schnell zu meinem Hausarzt für die üblichen Tests.
Zwischen 7.45 und 8.30 Uhr wurden mir mehrere Kanülen Blut abgenommen, eine Urinprobe sichergestellt und das Ergometer bemüht. 120:80 betrug mein Blutdruck - so sieht der Idealwert aus. Der Doktor ließ sich den Ultraschall und das Röntgen nicht nehmen und gab mir zum Abschluss noch das Päckchen für die Stuhlprobe mit. Als ich dann mein Frühstück im Cafe Meyer in Lehndorf, bei uns um die Ecke, einnahm, hatte ich bereits 10 km mit dem Rad zurückgelegt. Zu der frühen Zeit wehte mir noch ein angenehm kühler Wind um die Nase.
Nach einem Pott Kaffee und 2 belegten Brötchen war es dann für mich an der Zeit, die Strecke nach Salzgitter in Angriff zu nehmen. Um 9:37 Uhr startete ich bei herrlichem Sonnenschein und relativer Windstille meine Tour in Richtung Klein Gleidingen. Dieser erste Streckenabschnitt führte mich an der B1 entlang. Ich kam auf dem gut ausgebauten Radweg zügig voran und war schnell am Raffteich und Lamme vorbei. Bis zum Abzweig Klein Gleidingen hatte ich gerade mal 20 Minuten gebraucht; so konnte es getrost weiter gehen.
Der nächste Abschnitt bis Groß Gleidingen war ebenfalls mit einem gut gepflasterten Radweg ausgestattet. Als ich am dortigen Ortseingang rechts Richtung Sonnenberg abbiegen musste, gab es keinen Radweg mehr und ich musste auf der Straße fahren. Und immer noch kam ich zügig voran, bis ich die Brücke über den Stichkanal nach Salzgitter erreichte.
Hier schob ich das Rad die Böschung hinunter; jetzt würde es am Kanal weiter gehen. Dank der Böschung zu beiden Seiten des Kanals war es hier äußerst windstill, wodurch mir die Sonne mit all ihrer Kraft den Schweiß ins Gesicht treiben konnte. Hinzu kam der schlechte Bodenbelag. Dank der schmalen Fahrrinne aus Schotter kam ich nur noch halb so schnell voran. Als Ausgleich musste ich meinen Kraftaufwand gefühlt verdoppeln.
Obwohl ich mir die kürzeste Strecke in den Tagen zuvor auf Google Maps eingeprägt hatte, war ich jetzt vollkommen planlos unterwegs. Nach geraumer Zeit stand ich vor einem verschlossenen Tor und musste zurückfahren. Etwas weiter zuvor hatte ich einen Übergang zu einem Wirtschaftsweg an den Feldern neben dem Kanal gesehen.
Auf dieser holprigen Strecke kam ich nun etwas schneller voran. Zu diesem Zeitpunkt war mein Unterhemd bereits durchgeschwitzt gewesen. Irgendwie kämpfte ich mich bei der immer größer werdenden Hitze zu einer Ortschaft vor - Üfingen! Oh je, ich wollte eigentlich schon weiter sein. Kurz fragte ich Google nach dem Weg, dann fuhr ich weiter, bis ich die grünen Straßenschilder für die Radfahrer entdeckt hatte.
Ab jetzt fuhr ich nur noch nach den Schildern, die kürzeste Strecke war jetzt vergessen. Über Sauingen stieß ich nach Bleckenstedt durch. Dort folgte ich einem Abzweig nach Lebenstedt (noch 11,1 km!) und sah einen anderen Radfahrer in ca. 200 Meter Entfernung vor mir. Mit einem Mal war dieser weg, ich sah ihn nur noch kurz links auf einem Schotterweg in die Bottnick fahren. Instinktiv fuhr ich ihm hinterher; der Mann kannte sicher eine Abkürzung.
Das war ein Fehler! Auf dem tiefen Schotter hätte ich mich fast auf die Schnauze gelegt und musste absteigen. Ca. 100 Meter schob ich das Rad, dann stieg ich wieder auf und erreichte laut keuchend Hallendorf. Eine Abkürzung sieht anders aus, dafür wusste ich endlich Bescheid, wo ich bin.
Der Rest war dann einfach. Hinter der Hütte, neben der Eisenbahnstrecke, fuhr ich nach Lebenstedt zur Peiner Straße rein und quälte mich dann die Neißestraße entlang. Das letzte Stück an der Berliner Straße legte ich schweißgebadet zurück und erreichte endlich die KVG Verkaufsstelle am Bahnhof.
Dort kaufte ich schnell die Fahrradkarte für den Rückweg, damit ich das erst einmal sicher hatte. Über 90 Minuten hatte ich für diese Tortur gebraucht und konnte im Cafe Milano endlich einen Latte Macchiato schlürfen. Kurz davor schraubte ich mir noch ne eiskalte Coke Zero Flasche (von Rossmann) rein. Nelling kam noch kurz vorbei, aber ich brauchte noch eine knappe Stunde für mich zum Runterkommen.
Um Punkt 13.00 Uhr schaute ich dann bei Detzer und Nelling vorbei. Und ich war nicht der einzige geladene Gast, denn zu meiner großen Freude schaute die Landadelsfrau, meine Kollegin aus einer anderen Abteilung, mit der wir schon zweimal in die Tschechei gefahren waren, bei Detzer und Nelling zum Erzählen und Essen rein. Zu viert saßen wir kurz darauf bei Würstchen und Kartoffelsalat auf dem Balkon im 12. Stock.
Der malerische Blick konnte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass mir ein anstrengender Nachmittag bevorstand. Gleich nach dem Essen, welches ich mit einem Einbecker Brauherren Pils genießen durfte, tauchte Detzer mit zwei eisgekühlten Pullen aus der Küche auf. Zubrovka in der linken und Malteser in der rechten Hand - da fiel mir der Griff zum Wodka nicht schwer.
Als ich dann rechtzeitig aufbrach, um den Zug um 18.15 Uhr nach Braunschweig zu erwischen, knallte die Sonne immer noch unbarmherzig vom Himmel. Erstaunlicherweise fühlte ich mich nicht im mindesten angeschlagen, als ich zum Bahnhof rollte. In Braunschweig angekommen, schaffte ich sogar noch die 5,5 km bis nach Hause, ohne zu wackeln.
Ein schöner Urlaubstag mal so zwischendurch war zu Ende gegangen. Nach dieser Tour könnte ich mir schon vorstellen, noch einmal nach Salzgitter zu radeln. Aber nicht zur Arbeit, das wäre mir dann doch zu viel des Guten. Und Zubrovka bzw. Schnaps sollte ich reduzieren - meine Waage riet mir am nächsten Morgen dazu.