Mittwoch, 30. August 2023

Hartmudo: Superwumms

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Ich hielt mich jedoch mit einer Gegenrede zurück, weil ich meiner Rheumatologin schon abnehme, dass sie wirklich an die Nützlichkeit einer Corona-Impfung glaubt. Negativ ausgedrückt: Gläubige kann man nicht überzeugen, man muss sie ignorieren. Und das tat ich dann auch, indem ich einfach die Fresse hielt.
Nach dem üblichen weiteren Procedere, also vier Kanülen Blut abnehmen lassen und hinterher die Spritzen fürs nächste Quartal aus der Apotheke nebenan holen, fuhr ich ohne weitere Umwege schnurstracks nach Hause, um meiner Löwin bei den letzten Vorbereitungen zum anstehenden Geburtstagsessen zur Hand zu gehen.
Kurz nach 13.00 Uhr tauchten Dora und Herbert bei uns auf. Meine Löwin kredenzte ein sehr leckeres Dorschfilet; dazu gab es Süßkartoffelstampf. Letztere kannte Herbert noch nicht, da Dora sich bislang geweigert hatte, Süßkartoffeln auszuprobieren.
Sie selbst war nach diesem Essen auch von der Schmackhaftigkeit dieser alternativen Sättigungs- bzw. Kohlenhydrat-Beilage überzeugt, so dass Herbert auf diese Köstlichkeit zukünftig nicht verzichten muss.
Nach dem Essen holte meine Löwin die Solokarten raus. An diesem Nachmittag spielten wir die eine oder andere Runde; erfreulicherweise füllten wir damit unsere Spielkasse weiter auf. Für mich hatte das einen mehr als schönen Nachmittag zur Folge. Wenigstens kurzzeitig verschwanden die düsteren Gedanken aus meinem Hirn.
Ein bisschen Lachen während kurzweiliger Gespräche und die Konzentration auf dieses zwar einfache, aber dennoch herausfordernde Spiel, reichte denn schon aus, um mein seelisches Gleichgewicht an diesem Tag wiederherzustellen.
Bis der Abend dämmerte und Dora und Herbert in Richtung Heimat aufbrachen. Nach viel zu kurzer Zeit drehte mein Kreislauf wieder hoch und die allgegenwärtige Angst drohte mich zu überwältigen.
Dieses ständige Wechselbad meiner Stimmungen zerrte gewaltig an meinen Nerven; lediglich der Termin beim Psychologen am 13. Februar hielt mein Fünkchen Hoffnung am Leben. Zum Einschlafen zog ich mich wie gewohnt zum Fernseher zurück.
Archer lief immer häufiger quasi nur noch im Hintergrund, lieber konzentrierte ich mich aufs Spielen am Tablet. Das beruhigte mich irgendwie besser, bis ich mich mit einem Buch hinlegte und danach das Licht löschte.
Mittwoch, 01. Februar. An diesem Morgen kam die Gipsschiene endgültig ab. In der Vorwoche hatte der Orthopäde lediglich den Heilungsfortschritt kontrolliert und für gut befunden. Danach machte er die Schiene wieder fest - um sie diesen Mittwoch auf Dauer zu entfernen.
Allerdings schärfte er mir ein, den Gips wieder anzulegen, falls mir mein Handgelenk Schmerzen bereiten sollte. Also wenn ich es überlasten würde. Auf jeden Fall sollte ich mir nachts den Gips anlegen, weil ich dann im Schlaf durch eine unbedachte Bewegung....
Ich mache es kurz: Irgendwann am folgenden Wochenende hatte ich mich dazu durchgerungen, den Gipsverband nachts nicht mehr anzuschnallen. Tagsüber hatte ich es noch nicht mal überlegt, das hätte eh keinen Sinn gemacht. Natürlich schonte ich das rechte Handgelenk; eine Entzündung aufgrund des Schreibens mit einem Stift hätte ich nicht riskiert.
Jedenfalls verließ ich den Orthopäden anschließend mit besserer Laune, als ich sie noch am Abend zuvor verspürt hatte. War ja auch hell draußen; und in Bewegung ging es mir sowieso erheblich besser.
Mein HNO hatte mir empfohlen, ausgiebig spazieren zu gehen. Morgens eine Stunde und nachmittags eine Stunde, so seine Empfehlung. Dem war ich gerne nachgekommen, bloß weiß ich nicht mehr, ab wann.
Denn jetzt, wo ich dies schreibe, ist bereits mehr als ein halbes Jahr ins Land gegangen. Einige Termine kann ich zwar noch aus meinem Google Kalender heraus rekonstruieren, aber eben nicht alle. Auf meine Spaziergänge möchte ich ein wenig später näher eingehen, weil es da von der Sache her eher hineinpasst.
Der Gips war ab - normalerweise hätte ich vor Freude Purzelbäume schlagen müssen, oder nicht? Von der gebrochenen Nase merkte ich gar nichts mehr, ich konnte sogar frei atmen und auch schnauben. Rationell betrachtet hatte ich keine Veranlassung mehr, mich zu ängstigen oder sonstwie in Depressionen zu verfallen.
Doch pünktlich zur Dämmerung holten mich die Angstzustände wieder ein. Das dazugehörige Kopfkino blieb mir ebenfalls nicht erspart.
Die meisten Menschen, die ich kenne, konnten es tatsächlich nicht verstehen, warum es mir so schlecht ging. Einige hatten ebenfalls schon Unfälle mit Knochenbrüchen überstehen müssen , ohne dass es ihnen mental schlecht ging.
Die meisten meiner Freunde und Verwandten baten um eine Beschreibung, auf welche Weise sich meine Beklemmungen bemerkbar machen würden. Außer, dass mein Puls dazu neigte, urplötzlich mit dem Rasen anzufangen, fiel mir auf diese Fragen nicht viel ein.
Dass dies insbesondere beim üblichen nächtlichen Wachwerden, wenn ich mich umdrehte und den Schlauch mitführen musste, störte und mich mit großer Angst vor zu wenig Schlaf über eine Stunde lang durchs Zimmer laufen ließ, ich danach kämpfen musste, um beim Einschlafen nicht an die Schlafstörungen zu denken, konnte ich zumeist nicht mehr übermitteln.
Bloß weil ich so genervt war, dass mein jeweiliges Gegenüber mich nicht verstanden hatte, fing ich an rumzublaffen. Dies war natürlich die absolut falsche Reaktion, doch ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt.
Wenigstens fiel es mir relativ schnell selber auf und ich mäßigte meinen Ton. Meistens jedenfalls. Zumindest hatte mir niemand die Freundschaft gekündigt. Auf der anderen Seite durfte ich erstaunt feststellen, dass der Eine oder die Andere selber schon vergleichbare Malaissen erlebt hatte.
Gerade auch mit Psychopharmaka - was mir noch bevorstand. Mehr dazu später. Diesen Leuten brauchte ich nicht viel zu erklären; die verstanden mich sofort. Diese unerquickliche Phase in meinem Leben war somit noch nicht abgeschlossen.
Die Psychokacke fing jetzt gerade erst richtig an. Archer streamen, Schlaftablette und Baldrian. Im Bett noch etwas lesen, dann Licht aus und wegdämmern.

Mittwoch, 23. August 2023

Warum spielt denn der Poldi nicht?

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Mo. 27. Juni

Noch gestern hatte ich meiner Vertreterin schnell eine Whatsapp Nachricht geschickt, das ich am Morgen erst nach 8.00 Uhr komme, weil ich meine Löwin noch zum Arzt fahren muss. Da wir deshalb später aufzustehen brauchten, also meine Löwin und ich, nicht meine Kollegin, konnte ich gestern auch noch etwas Musik zum Ausklang des Abends hören.
Andernfalls ist es immer schwer, nach wenig Schlaf und viel Bier um fünf Uhr morgens mühsam aufzustehen und zur Arbeit abzuzittern.
Letzten Freitag nach dem wirklich sehr schönen Doppelkopfabend hatte ich das ja grade erst erlebt gehabt. Da war ich morgens im Bus noch so schläfrig, das ich mich kaum in mein Buch vertiefen konnte. Nur der Kaffee am Bahnhof hielt mich aufrecht. Aber heute war das besser, zumal ich das Auto zur Verfügung hatte. Denn das meine Löwin krankgeschrieben werden würde, war uns beiden das Wochenende über klar geworden. Meine Löwin konnte selbst gar nicht mehr fahren, weil die Schmerzen beim Kuppeln übermächtig waren.
Ganz vorsichtig setzte sie sich kurz nach halb acht in den Beifahrersitz und dann zockelten wir los. „Fahr nicht so komisch!“ protestierte sie noch auf der Celler Straße, es ging ihr wirklich nicht gut. An der Bushaltestelle Rathaus quälte sie sich aus dem Wagen. Sie war beim Arzt angekommen und würde hinterher mit dem Taxi nach Hause fahren. Für mich hieß es anschließend, schnell zur Arbeit zu fahren. Mit dem Auto natürlich, andernfalls hätte ich nicht vor 10.00 Uhr anfangen können.
Und um 9.00 Uhr fängt bei uns die sogenannte Sprechzeit an. Nein, ich bin kein Arzt. Während unserer „freien Sprechzeit“ kann der Bürger bzw. der „Hilfesuchende“ ohne Terminabsprache vorbeikommen, um seine Angelegenheiten persönlich mit dem Sachbearbeiter der Grundsicherung oder der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch 12. Buch zu klären. Kurz gesagt, der Bürger kommt ins Sozi.
An diesem Vormittag hatte ich viel Lauferei, weil ich Vertretung machen musste und die Rentenversicherung gerade die neuen Rentenbescheide ab Juli verschickt hatte. Und den neuen Rentenbescheid müssen alle Leistungsempfänger vorlegen. Dazu noch 2 Neuanträge und ich war durch. Bis zum Feierabend war ich deshalb ordentlich am Wirbeln, obwohl es heute nur ein kurzer Arbeitstag werden sollte. Am frühen Vormittag meldete sich endlich meine Löwin.
Der Arzt wollte sie zuerst gar nicht behandeln, da er angeblich keine Termine mehr hätte. Hallo? Das Wartezimmer war halb leer, wie mir meine Löwin glaubhaft versicherte. Es waren wohl 2 von 3 Ärzten in Urlaub, aber meine Löwin war ein Notfall, herrgottsakra… Sie wollte sich schon vor den Tresen legen und sich notfalls von der Polizei entfernen lassen. Diese Vorgehensweise hatte sie von Mutter gelernt, die dies im Urlaub für eine bessere Kabine auf einem Kreuzfahrtschiff schon einmal so durchgezogen hatte.
Zum Glück kam da gerade Marlis um die Ecke. Noch arbeitet sie bei diesem Arzt und verschaffte meiner Löwin die Untersuchung durch den Arzt. Dieser punktierte das Knie, vermutete aufgrund der abgesaugten gelblichen Flüssigkeit einen Gichtanfall, schickte es aber zum Labor zur Untersuchung ein. Cortison spritzte er hinterher zusätzlich rein und einen Termin fürs MRT hat meine Löwin nächste Woche auch. 2 Wochen krankgeschrieben. Eventuell wird eine Operation des Meniskus notwendig, deshalb das MRT.
Etwas eher zum Arzt und sie hätte das vermeiden können. Aber so ist das, wenn man die Kollegen auf der Arbeit nicht im Stich lassen will. Und hinterher dankt es einem keiner. Ich hoffe nur, das sie sich in den 2 Wochen gut erholt und werde ihr so viel als möglich abnehmen an ihrem Geburtstag. Freitag mache ich erst mal frei. Nach dem Telefonat war ich einerseits beruhigt, andererseits voller Sorgen wegen des Meniskus.
Kurz nach Zwei war Schluss für heute. Meiner Löwin ging es gut, andernfalls hätte sie sich noch einmal gemeldet. Zwischenzeitlich hatte ich bereits geargwöhnt, das sie gleich unters Messer und damit ins Krankenhaus muss. Von dieser Erkenntnis beseelt, konnte ich nun zu meinem Arzttermin fahren. Meine Rheumatologin hatte Sehnsucht nach mir und wollte mich sehen, ansonsten hätte sie mir keine Medikamente, also das Metex, mehr verschrieben.
So sagte es mir ihre Sprechstundenhilfe vor ein paar Wochen, deshalb hatte ich diesen Termin kurz nach 3. Um halb Vier war ich dann dran. Die Ärztin erschien mir etwas tüddelig, denn als erstes fragte sie mich allen Ernstes, warum ich das Metex abgesetzt hätte. Das hatte ich natürlich nicht gemacht. Ich denke, sie hatte das notiert, das ich vor einem Besuch bei ihr nichts mehr kriegen sollte. Das hatte ihre Helferin ja so kommuniziert. Erst sehr viel später wurde mir dies klar, zum Glück bin ich nicht gegen gegangen.
Aber Schwamm drüber. Laut ihrer Untersuchung ist die Psoriasis zurückgegangen und die Entzündung ist aus den Fußzehen raus, die Daktylitis (Zeh-Schwellung, auch Wurstzehe genannt) allerdings noch nicht. Das waren doch mal positive Nachrichten. Das Cortison soll ich nunmehr ausschleichen und die Vitamin D Dosis erhöhen. Alle 3 Monate will sie mich sprechen, die Blutwerte werden jetzt nur noch alle 8 statt 6 Wochen abgenommen.
Das war doch mal eine erfreuliche Nachricht. Derart positiv gestimmt, sorgte ich mich gleich wieder um meine Löwin. Da musste ich ihr eine kleine Freude bereiten, und wie geht dies besser als mit etwas Blockmett, fettarmen Schinken und frischen Brötchen. Leider nahm sie das Telefon nicht ab, da machte ich mir schon Sorgen.

Donnerstag, 17. August 2023

Uncle Fester: grad gelesen Juni 2023

Karsten Dusse - Das Kind in mir will achtsam morden
Björn Diemel ist zurück und auch weiterhin dabei, sich persönlich zu optimieren. Dabei wird er immer noch von seinem Therapeuten Joschka Breitner unterstützt. Und der hat auch sogleich die Lösungen für Björns Unbeherrschtheit zu bieten: Das innere Kind von Björn ist die Wurzel allen Übels.
Weil der kleine Björn als Kind von seinen Eltern bei einem Besuch einer Almhütte keinen Kaiserschmarrn bekommen hatte. Diese verschollene Kindheitserinnerung kochte in Björn wieder hoch, als er nach den Ereignissen des ersten Teils mit seiner getrennt lebenden Frau Katharina und seiner heißgeliebten Tochter Emily in die Alpen zum Urlaub gefahren war.
Sie waren die ersten Gäste auf der Almhütte, wurden vom Kellner Nils aber quasi als letzte bedient. Bei Björn führte es sofort zu einem Wutausbruch und schließlich zur Eskalation, als Björn dem Kellner hinterher ging und ihn in den Abgrund stürzte.
Dabei hatte Björn sich doch fest vorgenommen, niemanden mehr zu töten. Freundlicherweise ließ er den russischen Boss aus der gegnerischen Bande namens Boris am Leben und sperrte diesen im Keller seines Hauses ein.
Die Story nimmt stark an Fahrt auf, als Boris scheinbar entkommen konnte, er aber von Björn und seinem treuen Helfer Sascha ( dem ehemaligen Vize des Gangbosses Dragan, den Björn im ersten Teil in unnachahmlicher Manier sterben ließ) in einen anderen Raum gefesselt gefunden wird.
Hier war ein Erpresser am Werk: Björn hat eine Woche Zeit, um Boris zu töten und dessen Kopf in einem Schuhkarton auf einem Parkplatz zu deponieren. Mit der Zeit kristallisiert sich heraus, dass „30 Sekunden Kurti" hinter der Erpressung steckt.
Den Spitznamen hatte er weg, weil er sich vor Jahren im ersten Bordell von Dragan und Sascha unsterblich in die Prostituierte Annastasia verliebt hatte. Bei jedem Besuch brauchte er nur 30 Sekunden... Um es kurz zu machen: Dragans Konkurrent Boris heiratete Annastasia, diese wiederum ließ sich mit Dragan ein, woraufhin der eifersüchtige Boris Annastasia enthauptete und sich aufgrund dessen den Zorn des „30 Sekunden Kurti" zuzog.
Um das Problem der Erpressung zu lösen und einer Aufdeckung der krummen Geschäfte zu entgehen, hat Björn eine geniale Idee: „30 Sekunden Kurti" wird gekidnappt und zu Boris in den Keller gesperrt, auf dass sie sich gegenseitig umbringen sollen.
Oder aber im Keller verrotten, weil Björn und Sascha den Eingang zumauern. Hier endet der Roman wohl mit einem Cliffhanger. Was bleibt, ist die Neuigkeit, dass Björn mit Laura offenbar eine neue Sexpartnerin gefunden hat.
Zusammenfassend möchte ich erwähnen, dass dieser Band gegenüber dem grandiosen ersten Teil abfällt, aber immer noch lesenswert ist. Mal schauen, was im dritten Band so passiert.

Juli Zeh - Übermenschen
Dieser Roman wird als Nachfolger von Unterleuten verkauft, obwohl die einzige Gemeinsamkeit darin besteht, dass der Roman im Niemandsland in Brandenburg spielt. Doch auf alle Fälle ist Übermenschen ein Roman, der wie kein anderer mit den aktuellen Befindlichkeiten der Menschen in Deutschland abrechnet. Hiermit hat Julie Zeh meinen Nerv getroffen.
Die Werbefrau Dora zieht mit ihrer Hündin Jochen in das abgelegene Dorf Bracken, um ihrem Freund Robert und der woken Umgebung am Prenzlauer Berg zu entfliehen. Denn der Journalist Robert hatte sich zum Corona Nazi entwickelt und Dora verboten, die Wohnung zu verlassen. Nun hockt sie im Homeoffice in dem von ihr gekauften baufälligen Haus in der Brandenburger Pampa. Dort, wo laut der Prenzlauer Boheme alle Nazis sind.
So wie ihr Nachbar Gote, der glatzköpfige Mittvierziger, der sich selbst als Dorf-Nazi bezeichnet. Anfangs hasst die politisch korrekte Dora den schroffen und unsympathischen Nachbarn, der schon mal in ihrer Abwesenheit Geschenke in ihrem Haus platziert.
Das kleine Mädchen Franzi, welches so gerne mit Jochen spielt, entpuppt sich als Gotes Tochter. Aus Angst vor Corona wurde Franzi von ihrer Mutter aufs Land zum Vater geschickt. Und mit zunehmender Dauer nähert sich Dora an Gote heran, obwohl der früher wegen schwerer Körperverletzung an einem Linken im Knast gesessen hatte.
Oder wird Dora durch die Entfremdung zum intellektuellen pseudolinken Milieu in Berlin in die Arme des Dorf-Nazis getrieben? Mehr und mehr kristallisiert sich im Laufe des Romans heraus, dass die Dorfbewohner mehr auf dem Kasten haben als die depperten Szene-Leichen vom Prenzlauer Berg.
Und als Dora erkennt, wie liebevoll der eigentlich schroffe Gote mit seiner Tochter umgeht, da beginnt sie schon von einem Familienidyll zu träumen, welches ihr am Prenzlauer Berg verwehrt geblieben war.
Aber leider stellt sich heraus, dass Gote an einem Hirntumor leidet und nicht mehr lange leben wird. Selbst Doras Vater, ein berühmter Mediziner aus der Charité, kann da nicht mehr helfen. Gote begeht Selbstmord; mit seinem Pickup rast er gegen einen Baum.
Auch die Hoffnung von Dora, Franzi bei sich behalten zu können, erfüllt sich nicht. Das Mädchen muss zu ihrer Mutter nach Berlin zurück. So ziemlich am Boden zerstört organisiert Dora die Beerdigung. Dort begegnet sie Franzi zum letzten Mal; das Mädchen schaut Dora noch nicht einmal an.
Dora beschließt, im Dorf Bracken zu bleiben. Zum städtischen Szeneleben möchte sie nicht mehr zurückkehren.
Obwohl der Schluss arg düster daherkommt, hat Juli Zeh hier ein optimistisches Werk abgeliefert. Für mich ist Übermenschen der Roman zum aktuellen Zeitgeschehen. Die eher verhaltenen Kritiken im Spiegel, Taz oder der Zeit unterstreichen dies nur um so mehr.

Freitag, 11. August 2023

Contramann: kurz gesehen im August

https://taz.de/Nato-Gipfel-in-Vilnius/!5943642/
Noch vor 10 Jahren hätte es diesen Kommentar in der früheren Vorzeigezeitung politisch „links“ denkender Menschen nicht gegeben. Ich mutmaße, dass mit Aufkommen der „woken“ Gesinnung – spätestens seit dem Konflikt in Syrien und der folgenden Flüchtlingsaufnahme vor ca. 8 Jahren – bei den Journalisten und auch den Lesern der TAZ ein Gesinnungswandel eingetreten ist.
Ja, die ehemaligen Studenten geisteswissenschaftlicher Fächer sind im Bildungsbürgertum angekommen, haben ein gutes Einkommen und sogar Eigentum angesammelt. Vorbei sind die Zeiten des sozialen Engagements – jetzt sind sie ja wohlsituiert. Dies verlieren zu können macht ihnen Angst. Um sich diesen Widerspruch im Leben nicht eingestehen zu müssen, verlegten sich diese Kreise aufs Gendern statt sozialer Gerechtigkeit. Und schon wird der (sozial benachteiligte) Proletarier mit geringer Bildung zum Feindbild, weil der „unverständlicherweise“ die soziale Gerechtigkeit statt korrektem Gendern anmahnt.
Diese ganze verlogene Mischpoke von linksliberalen Kreisen kotzt mich an. Den mehr als drohenden Klimawandel sehe ich zwar ebenfalls als Kernfrage der heutigen und zukünftigen Generationen an. Jedoch ist diese nicht ohne eine Beschränkung des momentanen Raubtierkapitalismus erreichbar. Damit wären wir immer noch bei der sozialen Frage, von der die Redaktion der TAZ dank des Gendern zunehmend ablenkt.
Und jetzt das: Einen NATO Beitritt der Ukraine zu befürworten unterminiert jeglichen Friedensgedanken linker Gesinnung. Statt diplomatische Initiativen zur Beilegung des Konflikts zu fordern, werden weitere Waffenlieferungen an die Ukraine gutgeheißen. Warum dies schlecht ist, erspar ich mir an dieser Stelle. Ich allein habe schon genug dazu geschrieben; sucht es selbst noch einmal raus, falls ihr nicht alleine drauf kommt.

https://taz.de/Carola-Rackete-ueber-ihre-EU-Kandidatur/!5945305/
Hilfe, die Verrückte ist wieder da. Und bei den Linken gelandet, für die sie jetzt ins europäische Parlament einrücken möchte. Und lt. diesem Interview ist sie voll auf Parteilinie: Streng antifaschistisch - was ich aufgrund der Erfahrungen während der Corona-Jahre und des leider immer noch aktuellen Kriegs in der Ukraine eher kritisch betrachte, insbesondere bei Frau Rackete, wenn ich mich an ihre fehlgeleiteten Emotionalität bei der Rettung Schiffsbrüchiger aus dem Mittelmeer erinnere.
Oder etwas genauer: Dieser von den Grünen und den Teilen der Linken, die die Politik dieser Partei im Moment bestimmen, gelebte „Antifaschismus“ und die damit verbundene Ächtung von demonstrierenden Bürgern als „rechtsoffen“ oder gleich als Nazis ist in ihrer radikal geäußerten Meinung eine Denkungsart oder von mir aus auch Sichtweise, für die mir nur ein Begriff einfällt: Faschistisch.
Nein - links kann man die Partei „die Linke“ seit Corona, dem Ukrainekrieg und besonders dem Genderwahn nicht mehr verorten. Ebensowenig wie die Grünen und im Übrigen auch „die Partei“ von Sonneborn - zumindest, wenn es um Nazis geht. Allen ist gemein, dass sie der Hass auf alles Rechtsradikale dazu verleitet, sich ebenso menschenverachtend wie diese zu äußern oder zu handeln.
„Ich verachte Ihre Meinung, aber ich gäbe mein Leben dafür, dass Sie sie sagen dürfen.“
https://beruhmte-zitate.de/zitate/125825-voltaire-ich-verachte-ihre-meinung-aber-ich-gabe-mein-lebe/
(...Obwohl regelmäßig Voltaire zugeschrieben, stammt dieser Satz von Evelyn Beatrice Hall (Pseudonym Stephen G. Tallentyre), die ihn in ihrem Buch "The Friends of Voltaire" (1906, archive. org) benutzte, um Voltaires Einstellung zu Claude Adrien Helvétius zu charakterisieren…)
Diesen alten demokratischen Grundsatz haben viele Linke während Corona und auch im Ukrainekrieg vergessen.

https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/die-focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-klassenkampf-gegen-die-idioten-da-unten-die-cello-kinder-der-letzten-generation_id_195312837.html
Wieder Fleischhauer. Genüßlich spießt er den Auftritt von Carla Hinrichs (letzte Generation) bei „Stern TV“ auf. Als Pocher über Autos und Grüne schwadronierte, wurde es Frau Hinrichs zuviel. Sie könne es nicht mehr aushalten - meinte sie mit „bebender Stimme.“
Antwort Pocher: „Dann musst Du gehen.“
Geil. So und nicht anders. Keine wortreiche Auseinandersetzung mit dem überkandidelten Gör. Da ist jedes Wort zuviel.
Immer mehr Leute in Deutschland leben unter dem Existenzminimum und auch die letzte Generation (auch SPD, Grüne, Linke, Antifa etc.) bekämpft die Geister, die sie selbst gerufen hat (z.B. Faschismus), mit woken Mitteln.
Hierzu Fleischhauer:
„Es ist aus der Mode gekommen, die Welt als Welt von Klassengegensätzen zu sehen. Nicht einmal in der SPD ist davon noch die Rede. Lieber spricht man über die Gendergerechtigkeit, der es zum Sieg zu verhelfen gelte, den Kampf gegen den Rassismus und Kolonialismus in unseren Köpfen, den Weg zum Klimafrieden.“

https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/milliardenmunition/
Verteidigungsminister Boris Pastorius möchte 20 Milliarden Euro für Munition ausgeben. 100 Milliarden für seinen Verteidigungshaushalt hatte er ja bereits ohne große Diskussion erhalten. Der deutsche Staat hats ja.
Hat es aber nicht für die marode Infrastruktur oder soziale Einrichtungen wie Krankenhäuer, Altenheime und Kindergärten. Da wird um jedes Milliönchen gerungen.
Das ist sozialer Sprengstoff par excellence.

Alsdann: Bleiben Sie links, bleiben Sie kritisch. Und:
„I`m so bored with the USA. But what can I do?“

Samstag, 5. August 2023

Hartmudo: Superwumms

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Zum Essen starteten wir im griechischen Restaurant Elena in Wolfenbüttel. Mein Hühnerschnitzel schmeckte mir gut und auch die anderen Kegelbrüder und -schwestern waren wieder einmal zufriedengestellt worden. Mein dazu getrunkenes Bier dagegen mundete mir nicht so gut, wie es dies normalerweise tut.
In meinen Gedanken gefangen, drehte von Zeit zu Zeit mein Herzschlag hoch, was mich wiederum noch mehr zum Grübeln brachte. Die Unterhaltung mit Ralle - er saß links neben mir - verlief daher eher schleppend. Das ärgerte mich überaus und verstärkte meinen Frust. Schließlich kommen wir bei unseren Kegeltreffen auch schon kaum zum Quatschen.
Und natürlich habe ich mir dies - rückblickend betrachtet - viel zu sehr reingezogen. Die anderen Mitglieder der Trantüten sahen wahrscheinlich eher einen Hartmudo, der total unkonzentriert wirkte und ansonsten den Gesprächen schwer folgen konnte.
Hinterher trafen wir uns traditionsgemäß noch bei Josie und Ralle Zuhause, um die zahlreichen Wichtelgeschenke (keine Weihnachtsfeier ohne Wichteln!) auszuwürfeln. Das Würfeln lenkte mich glücklicherweise etwas ab. Meine Trinkfrequenz jedoch blieb ungewohnt niedrig; Schnaps rührte ich gar nicht erst an.
Hier muss ich es noch einmal erwähnen: In jenen Wochen nahm ich Schlaftabletten zur Nacht ein, deshalb war ich vorsichtig gewesen und hielt mich wohlweislich zurück. So plätscherte der Abend dahin, bis ich mich in den Partykeller zu Ralle und Charles begab. Mittlerweile war ein neuer Tag angebrochen und die 2 Genießer rauchten Zigarre und Zigarette.
Ralle raucht übrigens nur, wenn er trinkt. Ich als trockener (oder besser nasser?) Raucher stellte mich dazu und stieg in die Unterhaltung mit ein. Und siehe da, mit einem Mal war meine Paranoia wie weggeblasen und ich konnte mich hoch erfreut an der Konversation beteiligen.
Egal ob es um die Katastrophe mit der E-Mobilität oder um das immer mehr um sich greifende Gendern ging - ich war mittendrin statt nur dabei. Bei diesen Themen waren wir uns auch noch einig gewesen, lediglich zum Ukrainekonflikt drifteten unsere Ansichten auseinander.
Den Höhepunkt des gesamten Abends jedoch bildete der Flipper, den Ralle mit einer waghalsigen Kombination aus uraltem Windows-ME Rechner und Atari-Konsole gebastelt hatte. Flippern, das rockt immer. So verging die Zeit im Flug und wir waren bald eineinhalb Stunden lang am Spielen und Diskutieren, während einen Stock höher unsere diesjährige Kegeltour geplant wurde.
Dieses Jahr sollte es nach Wien gehen, was eine aufwendigere Planung als normalerweise erforderlich machte. Als wir drei Kellerkinder endlich fertig waren, zeigte die Uhr bereits 02.00 Uhr an. Berta war da zwar schon mit Renate nach Hause gefahren, aber der Rest war noch vollständig versammelt.
Witzigerweise hatten die Trantüten ihre Weihnachtsfeier schon lange nicht mehr derart ausgedehnt gehabt. Meine ursprüngliche Prognose, spätestens kurz nach Mitternacht zu Hause zu sein, hatte sich daher als obsolet erwiesen.
Auf der Rückfahrt mit Mary und Charles war ich immer noch putzmunter gewesen, obwohl ich mir wegen der verspäteten Rückkehr doch schon etwas Sorgen machte. Nicht, weil ich mich vor dem Zorn meiner Löwin fürchten musste, sondern weil mich die Aussicht auf eine extrem kurze Nacht nicht gerade mit Freude erfüllte.
Erneut war meine Paranoia zurückgekehrt. Zu Hause angekommen, unterhielt ich mich noch eine geraume Zeit mit meiner Löwin, die zu meiner Überraschung aufwachte, sowie ich den Schlüssel ins Schloss gesteckt hatte. Selbstverständlich wollte sie mit den neuesten Informationen zu der Kegeltour nach Wien im Herbst gebrieft werden.
Und wie ich so erzählte und erzählte, verlor ich kurzzeitig meine Paranoia, bloß um sie in voller Fahrt erneut zu erleben, als ich mich fürs Bett fertig machte und das Buch in die Hand nahm. Glücklicherweise gelang es mir mit nicht allzu großer Anstrengung, den Text des Buches zu erfassen , bis ich der Müdigkeit nachgab und das Licht ausschaltete.
Dienstag, 31. Januar. Nach der langen Sonntagnacht konnte ich sogar trotz Helligkeit bis 11.00 Uhr vormittags schlafen. Nach einem kurzen Frühstück war ich dann auch bereit für Eintrachts ärgerliche Niederlage beim HSV zum Rückrundenauftakt gewesen.
Ärgerlich deshalb, weil Eintracht die ersten 20 Minuten verschlief und 0:2 in Rückstand geriet, ehe sie sich aufrappelten und den Anschluss erzielten. Gleich nach Wiederanpfiff wurde Eintrachts Betteln um einen Gegentreffer erhört, worauf die Mannschaft in der Folge überraschend stark spielte und sogar den erneuten Anschlusstreffer erzielte, bloß um im Sturmlauf in der Nachspielzeit das 2:4 zu kassieren.
Und genauso wechselhaft wie die Eintracht bewegte sich auch meine Stimmungslage Ende Januar und Anfang Februar weiterhin zwischen weit oben und tief unten. Jedenfalls stand an diesem Dienstagmorgen ein Termin bei meiner Rheumatologin an.
Und zum Mittagessen hatten wir Dora und Herbert eingeladen. Ich spreche vom Realisieren des Geburtstagsgeschenkes für Herbert aus dem letzten Jahr. Doch zunächst einmal hieß es, meine Rheumatologin zu beglücken.
Keine sechs Stunden Schlaf, dann mit meine Löwin was frühstücken mit „Watzmann ermittelt" gucken, um kurz vor 10 Uhr endlich bei meiner Rheumatologin auf der Matte zu stehen. Frau Doktor sprach mich auch gleich auf meinem Impfstatus an.
Eine Spritze gegen Wundstarrkrampf ließ ich mir auch sogleich verabreichen, die Notwendigkeit einer Auffrischung sah ich sofort ein. Nervig dagegen waren ihre Belehrungen zur Corona-Impfung. Ihre sehr emotionale Ansprache bezüglich möglicher negativer Konsequenzen ging mir vollkommen am Arsch vorbei.