Mittwoch, 27. Mai 2020

Uncle Fester: grad gelesen Mai 2020


Dietmar Dath - Neptunation
„Der einzige relevante SF-Schriftsteller der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur.“ (Lars Weisbrod, DIE ZEIT). Kann man so sehen, ist aber nicht so, wie der fleißige Leser meines Blogs weiß. Dath erzählt uns in diesem Roman eine sehr spannende Geschichte, nervt aber mit seinen ständigen Einfügungen irgendwelcher Kunstkacke sowie längeren Deutsch-Englisch Passagen, die einem Intellektuellen vorgaukeln, dass er toll ist, weil ja nicht jeder die Gedanken des Autors versteht.
Ich bin auch Abiturient und hatte beim Lesen zeitweise trotzdem Schwierigkeiten, den weitläufigen Abschweifungen des Autors zu folgen. Dath steht wohl der DKP nahe und entwickelt im Gedanken das politische Spektrum der KPDSU weiter, was löblich und auch nachdenkenswert ist. Andererseits ist er ein Jazzficker und streut in seinen Roman auch noch Musik ein, die keiner hören will bzw. nur jemand gut findet, der sich an seiner eigenen Überlegenheit ergötzt, weil ja alle blöd sind und diese „tolle“ Musik nicht mögen.
Konzentrieren wir uns lieber auf den Plot und vergessen mal das nervtötende Philosophieren des Autors. Kurz vor dem Zusammenbruch des Ostblocks bricht ein großes Raumschiff mit Russen und Ostdeutschen auf, um das Weltall zu erforschen und dadurch der Idee des Sozialismus doch noch zum Sieg zu verhelfen. Im Asteroidengürtel kommt es zum Crash und ideologischen Disputen, so dass ein Teil der Crew unter Führung von Antonia Burckhard zum Neptun weiterfliegt, während der Rest die Asteroiden besiedelt, sich borgmäßig umwandelt und mit Killerbots in einzelnen Szenen Angst und Schrecken verbreitet.
Das Ganze natürlich vollkommen an der Weltöffentlichkeit vorbei, nur die Deutsche Cordula Späth (huch – die Tochter von Lothar?) hat es mitbekommen; keiner weiß, warum. Sie organisiert 30 Jahre später eine deutsch-chinesische Expedition, um der Sache auf den Grund zu gehen.
Christian Winseck, unehelicher Sohn von Antonia Burckhard und Sprachwissenschaftler, kommt hier quasi die Hauptrolle in diesem Roman zu, obwohl er relativ wenig zum Gelingen beitragen kann. Ähnliches gilt für die junge Filipa Scholz, die eigentlich eher durch ihre sexuellen Exzesse mit dem Bundeswehrsoldaten Meinhard Budde auffällt. Bis dieser sich nach einem Angriff von Killerbots aus dem Asteroidengürtel zugunsten des Kapitäns Aiguo Sun opfert. Danach schult sie die eher intellektuelle Besatzung im Nahkampf.
Nach diversen Irrungen und philisophischen Ergüssen kommen unsere Helden auf Neptun an. Ohne Cordula Späth, die einfach im Asteroidengürtel zurückbleibt, nachdem sie von Liz, einer weiteren Hauptperson, aus Rache fast getötet worden wäre.
Auf Neptun sind zwischenzeitlich die Amis gelandet und haben die Kontrolle über Alexandra Burckhard und die „Kommies“ übernommen. Absolut unlogisch, dieses Handlungselement. Ich verzichte hier auf die Schilderung der weiteren Handlung. Nur so viel: Die Neptunation ist eine Lebensform und im Prinzip der Planet Neptun. Am Schluss werden die Amis von den Kommies abgeschlachtet. Es stellt sich heraus, dass unsere Protagonisten durch Zeit und Raum gereist sind. Christian und Filipa sollen die Botschaft zur Erde tragen.
Bloß welche Botschaft? Dath hat es bestimmt erläutert, ich habe es aber gleich wieder vergessen. Der Autor hat mich zwar zum Nachdenken über ein alternatives politisches System zum Kapitalismus angeregt, aber das Ganze war doch sehr abstrakt. Die Geschichte selbst ist interessant aber zum Schluss derart wirr aufgelöst, dass ich wohl von Dath nichts mehr lesen werde.


                                                   

Marc-Uwe Kling - Qualityland
Ja, genau der. Der mit dem Känguru hat einen Science Fiction Roman geschrieben und nach der Enttäuschung mit Dath passte Kling gut dahinter, war ich doch von den Känguru Chroniken nicht so begeistert wie meine beiden einstigen Trauzeuginnen. Aber zu meiner großen Freude hat Kling da wirklich einen lesenswerten Roman zu Papier gebracht.
„Eine verblüffende Zukunftssatire über die Verheißungen und die Fallstricke der Digitalisierung.“ So steht es im Einband und so ist es gut beschrieben.
Peter Arbeitsloser betreibt eine Schrottpresse in Qualityland. Die Presse ist der Flur seines Ladens, in dem er auch wohnt. Peter soll nicht mehr ordentlich funktionierende Roboter und andere KIs verschrotten, weil diese unter Neurosen und Psychosen leiden und deshalb ihre jeweiligen Tätigkeiten nicht mehr verrichten können.
Tatsächlich verschrottet Peter die sehr menschlich wirkenden Roboter nicht, sondern gewährt ihnen Asyl in seinem Keller. Überhaupt sind die Menschen eher die Roboter, weil kalt und gefühllos.
Deutlich wird dies am anderen Strang der Erzählung. Der Präsident von Qualityland muss neu gewählt werden, weil die Amtsinhaberin zu einem bestimmten Zeitpunkt sterben wird. Das hatten die allgegenwärtigen Algorithmen herausgefunden. Was für eine schöne Spitze gegen Controlling und Umfrageauswertungen!
Der Android John of Us tritt gegen den faschistoiden Conrad Koch an. Letzterer ist an Leuten wie Höcke und Gauland angelehnt. Wider Erwarten wird John of Us gewählt und empfängt Peter Arbeitsloser, der die Gelegenheit nutzt, um von seinen vergeblichen Versuchen, ein Päckchen an den weltweit größten Onlinehändler zurückzugeben, zu erzählen.
Da stürzt der „Held“ eines dritten Erzählstrangs, Martyn Vorstand, auf die Bühne und tötet John of Us mit einer Bombe. Als letzte Amtshandlung stößt John Peter weg und rettet diesem damit das Leben. Martyn Vorstand ist der typische Berufspolitiker - nichts gelernt, aber aus einem reichen Haus. Ein Kotzbrocken, der seine Frau schikaniert und auf Online Pornos steht.
Wunderschön gezeichnet sind die neurotischen Androiden, die Peter Arbeitsloser bei seinen vergeblichen Bemühungen um die Retoure eines pinken Plastikvibrators in Delphinform unterstützen. Die schwarze Kiki, in die sich der schüchterne Peter verliebt, rundet mit ihrem anarchistischen Background das Ganze ab. Dazu noch der geheimnisvolle Alte... Starke Charaktere in einer rabenschwarzen Groteske. Toll!
Im Gegensatz zu Dath schafft Kling es, aktuelle Missstände in unserer Gesellschaft aufzuspießen und bietet sogar Lösungswege an. Obwohl einfach geschrieben, hat dieser Roman mehr Tiefe als der hochgelobte Neptunation von Dath. Ich glaube, dass Känguru werde ich mir irgendwann doch noch mal antun.

Samstag, 23. Mai 2020

Hartmudo: Mutter


58
Berta wollte noch bis zum nächsten Freitag warten und dann den Makler kontaktieren, um zu erfahren, ob Sunny beim Makler wenigstens den Auftrag zum Verkauf von Mutters Wohnung unterschrieben hatte. Ein langes und ausuferndes Gespräch mit Berta war damit endlich zu Ende gegangen.
Sunny hatte dann den Antrag tatsächlich unterschrieben, wie Berta schließlich vom Makler erfuhr. Er hatte Sunny bei einem Besuch in ihrem Haus auch begreiflich machen können, dass 135.000€ für Mutters Wohnung illusorisch waren, zumindest, wenn man die Wohnung bald verkaufen möchte. Und die Rechnungen laufen während der Wartezeit auf einen Käufer ständig weiter!
Es folgten einige Wochen der Ruhe, in denen wir darauf hofften, dass der Makler möglichst schnell einen Käufer an Land ziehen konnte. Berta hatte derweil ihrerseits einen Termin zur Rechtsberatung bei einem Anwalt in Anspruch genommen, um sich explizit wegen möglicher Haftungsfragen bei geplatzten Rechnungen aufgrund der Kontensperrung zu informieren.
Wir hafteten natürlich gesamtschuldnerisch, da kamen wir nicht drum herum. Bei einer Zwangsversteigerung müsste Berta in die Vorhand gehen, diese Auskunft mit der „Vorhand" hatte ich bei meiner Rechtsberatung auch schon erhalten. Dies wäre zugegebenermaßen der worst Case gewesen, wenn Sunny z.B. einen möglichen Kaufvertrag platzen lassen würde, weil ihr der Preis nicht passte.
Ich wiederum war meinerseits fest entschlossen, einen Verkauf platzen zu lassen, falls sich meine Paranoia erfüllen sollte. Wenn sich irgendein Strohmann von Sunny zum Kauf der Wohnung bereit erklären würde, um den Preis zu drücken, um dann die Wohnung hinten herum an Sunny (oder Dörte) zu verscherbeln, dann würde ich notfalls noch beim Notar aufstehen und gehen.
Mitte Januar hatte Sunny sich bei mir nochmals kurz über WhatsApp gemeldet, weil sie eine Erinnerung vom Finanzamt bekommen hatte, die binnen der folgenden Woche dort zurück sein sollte. Offensichtlich konnte Sunny noch nicht einmal sagen, worum genau es sich dabei handelte. Es interessierte sie ja auch offenbar nicht. Für diesen „Papierkram" fühlte sie sich eh nicht zuständig, da spielte sie gern das Dummerchen. Das hat sie eindeutig von ihrer Mutter geerbt.
Alles, was Arbeit macht, sollen bzw. können ja andere machen. Aber wehe, es macht Spaß oder es interessiert sie sogar... Dann bitte nichts entscheiden ohne ihre vorherige Zustimmung. Meine Güte, wie hatte meinen Vater schon durch dieses Gezerre von meiner Mutter leiden müssen. Und Sunny hatte dieses Verhalten von unserer Mutter zu 100% übernommen.
Ich schrieb ihr am nächsten Tag zurück und orakelte, dass es sich wohl um die Erbschaftssteuer (war es natürlich nicht) oder aber um die Einkommenssteuer handelte. Dann müsste dies zum Steuerberater. Schließlich hatte der alle Unterlagen; Sunny konnte die Erinnerung also getrost zum Steuerberater schicken. Nach dieser Nachricht vermied ich es wohlweislich, bei Sunny noch einmal nachzufragen, was denn aus der Erinnerung geworden war.
Und tatsàchlich meldete sich Sunny erst am 2. Februar wieder. „Auftrag ausgeführt." meldete sie leicht vergrätzt mit spitzer Zunge. ‚Na also, geht doch.' dachte ich. Dann legte Sunny über WhatsApp nach. Wo denn die Aufstellung aller Ausgaben von Anfang an bliebe? Schließlich hätten wir lange genug Zeit gehabt.
Mir war dies zu doof und ich reagierte hierauf nicht. Schon unmittelbar nach Mutters Tod hatte sie sich nicht für die Kosten und damit Bertas Engagement interessiert. Das war ja selbstverständlich komplett von Berta und mir zu erledigen; ganz ihre Mutter. Sunnys Energie hatte dann ja gerade mal ausgereicht, um Anfang des Jahres Mutters Konto zu schließen, weil sie Angst hatte, übervorteilt zu werden. Dabei hatte doch gerade sie im Vorfeld Sachen ohne Rücksprache geregelt - den Schmuckverkauf zum Beispiel. Und überhaupt: Wo war denn ihre Abrechnung des Wohnungsflohmarktes? Wenigstens Berta bzw. ihre Kinder, die geholfen hatten, hätte Sunny informieren können.
Da ich also stumm blieb, kam ihre nächste WhatsApp am 19. Februar. Sunny legte auch sofort richtig los. Weil ich nicht geantwortet hatte, war sie bei einem Anwalt gewesen. Das klang gerade so, als ob sie durch mein Schweigen nicht anders konnte. Wie ich schon öfters geschrieben hatte: Behandlungsbedürftig.
Na gut, waren wir jetzt also alle beim Anwalt gewesen. Ihr Anwalt hatte ihr geraten, noch einmal auf Aushändigung der Unterlagen samt Belegen zu drängen. Wenn wir darauf nicht reagieren, hätte sie über ihren Anwalt immer noch die Herausgabe erzwingen können. Die Kosten des Anwalts wären dann von Berta und mir aus unserem Anteil am Nachlass getragen worden. Am Ende meinte sie sogar noch, dass bei einer Erbengemeinschaft jeder die gleichen Rechte und Pflichten hat.
Was ja auch stimmt - Mann, war ich geladen! Ich schrieb Sunny sofort eine Replik. Zuerst einmal hatte ich selbst gar keine Unterlagen; da soll sie sich gefälligst an Berta wenden. Im Übrigen hatte Berta bereits beim allerersten Treffen nach Mutters Tod in der Wohnung eine Abrechnung nebst Belegen dabei. Diese hatte sie ausführlich vorgelesen. Das da Sunny wie Reiner nur körperlich anwesend waren, konnte doch nicht das Problem von Berta oder mir gewesen sein.
Eine Frechheit sondergleichen, jetzt, also Monate später, so zu tun, als wäre sie nie informiert worden. Noch dazu, wo sie das Konto gerade erst eigenhändig dicht gemacht hatte. Aktuelle Kontoauszüge waren so nicht mehr zu kriegen. Berta hätte nicht mal die Chance, zu diesem Zeitpunkt eine neue Abrechnung zu erstellen. Zum Schluss verwies ich sie nochmals an Berta; mir war das Ganze jetzt zu doof. Wenn meine Sestras ein Problem miteinander hatten, sollten sie das gefälligst untereinander klären.
Sunnys Antwort erfolgte 10 Minuten später. Sie sagte, dass ich ihr das zusenden wollte. Ich dachte mir nur: ‚Das mag ja sein. Aber wie soll ich ihr eine Abrechnung schicken, wenn sie das Konto geschlossen hatte?'
Sunny wollte eine schriftliche Auflistung. Sie wollte wissen, was das Essen im La Vita gekostet hatte. Was war da mit den 500,-€, die wir für das Ausräumen der Wohnung erhalten hatten. Sie wollte über alle Ausgaben eine schriftliche Auflistung sehen. Das mit dem Konto wäre ihr Recht, da sie ja nichts erfahren hatte.
Was für eine Verdrehung der Ereignisse. Zuerst hatte Sunny nicht zugehört, als es um die Kosten der Wohnung, Beerdigung etc. ging. Das mit den nicht erhaltenen 500, € für die von Berta beauftragte Wohnungsräumung konnte sie sicherlich nicht wissen, da wir ihr das tatsächlich nicht erzählt hatten. Aber was war denn mit dem Wohnungsflohmarkt? Vor allem mit den Pelzen, die bei ihr geblieben waren?
Immer nur fordern, aber selbst nichts liefern. Das ist Sunny. Diese schlechte Charaktereigenschaft hat sie von Mutter geerbt, ich wiederhole mich da gern. Und erfahren hatte sie natürlich deshalb nichts, weil nichts weiter passiert war. Weder Berta noch mich hatte es interessiert, wann das Geld der Kontoauflösung von Löbbecke auf Mutters Konto ankam. Wir waren da nicht so geierig wie Sunny.
Wenn sie wirklich so interessiert an den Finanzen gewesen wäre - und da gehören eben auch die Kosten dazu, hätte sie sich die ganze Zeit einbringen können. Einfach nur das Dummerchen zu spielen zog bei mir nicht.

Dienstag, 19. Mai 2020

Hartmudo: Wie damals inner DDR


2
Da taucht auch schon mit "Widerstand2020" eine neue Partei auf. Den Ansatz des Leipziger Juristen und des Sinsheimer Arztes finde ich beim ersten Blick auf die Homepage erfrischend und notwendig. Fast hätte ich mich zum Mitmachen entschlossen. Doch dann las ich, das das dritte Gründungsmitglied, eine Frau aus Lehrte, aufgrund interner Meinungsverschiedenheiten gleich wieder ausgestiegen ist. Da warte ich jetzt erst einmal ab, wohin da die Reise geht.
Vielleicht in die Normalität mit den Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen? Seit Montag dem 11. Mai können z. B. Gastronomiebetriebe unter Auflagen wieder öffnen. Bereits am Abend erreichte mich eine erfreute Whatsapp von Ulli, der ein Foto von seinem ersten Besuch einer Gaststätte seit Mitte März postete. Da hatte ich mich für ihn gefreut.
Ich selbst war am Mittwoch dem 13. das erste Mal in einem Restaurationsbetrieb. Ein Bäckereicafe in Fallersleben, weil ich meine Löwin zum Arzt fahren musste und Wartezeit hatte. Freudestrahlend sah ich, dass da ein Tisch gerade frei wurde, als ich - mit einer Baumwollmaske vorm Gesicht - den Laden betreten durfte. Nicht mehr als 2 Leute mit Maske vor dem Tresen; da hatte sich nichts geändert.
Gerade hatte ich einen Pott Kaffee und eine Nußecke geordert, da schob mir die Verkäuferin (ebenfalls mit Maske) Zettel und Kugelschreiber rüber. Das hatte ich bei aller Freude über die Öffnungen im Gastronomiebereich bislang ausgeblendet: Die persönlichen Daten sind ab sofort beim Aufenthalt in der Gastronomie anzugeben. Als da wären: Name, Anschrift, Telefonnummer, Uhrzeit und Dauer des Aufenthalts. Fast so wie beim Einchecken im Hotel.
mein Name... ist... wie war der noch...

Das wir uns richtig verstehen: Der Sinn dieser Datenerhebung ist mir schon klar. Der Betrieb garantiert mir (lt. Aufdruck) eine Speicherung der Daten von lediglich 4 Wochen und gibt diese nur auf Anfrage des Gesundheitsamtes heraus. Im Falle des Entstehens eines Corona Hotspots kann ich rechtzeitig informiert und in Quarantäne gesteckt werden; zumindest komme ich in den Genuss eines Testes. Das sich so der „Brandherd“ frühzeitig eingrenzen lässt, leuchtet mir ein. Da bin ich mit dabei, keine Sache das.
Meine Befürchtungen jedoch speisen sich aus meinen Erfahrungen der letzten Jahrzehnte, was „vorübergehende“ Verschlechterungen meiner Bewegungs- oder sonstwie-Freiheit angeht. Spontan fällt mir da der Solidaritätszuschlag ein, der nur befristet zur Finanzierung des Aufbaus Ost erhoben werden sollte.
Ein Impfstoff ist wohl nicht vor nächstem Jahr in Sicht; Gleiches gilt für ein Gegenmittel. Hierbei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass oder ob der Coronavirus mutiert, so dass sich die Entwicklung eines Impfstoffes entsprechend verzögert. „Die Regierung“ - und die in meinen Augen größtenteils gleichgeschalteten Medien - werden uns am Ende noch nächstes Jahr und in den darauffolgenden Jahren erzählen, dass diese Datenerhebung aus Sicherheitsgründen nach wie vor geboten sei, selbst wenn wir die Masken nicht mehr benötigen würden.
„Verschwörungstheorie!“ wirst Du jetzt rufen und Du hast Recht damit. Wollen wir hoffen, dass diese Datenerhebung spätestens nächstes Jahr eingestampft wird. Denn bei dieser vermeintlich harmlosen Datenspeicherung ist ein Missbrauch natürlich nicht auszuschließen. Wer mich jetzt noch fragt: „Wieso?“, der sollte sich „Staatsfeind Nr. 1“ mit Will Smith und Gene Hackman noch einmal anschauen.
Eine Nutzung dieser Daten zu Werbezwecken durch private Firmen ist da ebenfalls nicht ausgeschlossen, auch wenn dies strafbar ist. Strafen haben noch keinen Verbrecher vom Tun abgehalten, zumal wenn der Gewinn entsprechend groß ist. Jetzt kann man zur Zeit zwar noch falsche Daten angeben - so wie wir es damals bei der Volkszählung 1987 auch gemacht hatten. Doch diese Lücke wird bald geschlossen werden, wenn man diesen laxen Umgang mit der Datenerhebung feststellen sollte. Dann muss der Pass vorgezeigt werden.
Der CDU Europaabgeordnete Axel Voss meint: „Wer die Corona App hat, soll zuerst wieder ins Restaurant dürfen.“ Und wer nicht, trägt nen Davidstern auf der Brust, oder was? Ich glaube zwar nicht, dass dieser CDU Abgeordnete faschistischen Kreisen nahesteht, aber Politiker sollten gefälligst aufpassen, mit was für Äußerungen sie sich in die Öffentlichkeit begeben.
Zuerst hieß es, die Installation dieser App wäre freiwillig, als dieser Hinterbänkler ins mehr als grelle Scheinwerferlicht tritt. Ich könnte mir sogar vorstellen, dass bei einer geringen Akzeptanz dieser App tatsächlich eine Zwangsinstallation übers Betriebssystem angeordnet werden muss. Denn bei einer Akzeptanz von... sagen wir mal 50%... macht natürlich die gesamte schöne, wie teure App keinen Sinn mehr.
All meine zuvor genannten Befürchtungen sind im Moment noch paranoid, das möchte ich hier ausdrücklich festhalten. Doch je mehr sie sich bewahrheiten würden, umso mehr werde ich mich in der Meinung bestärkt sehen, wie „inner DDR“ zu leben. Denn die Notwendigkeiten von Zwangsmaßnahmen nimmt mit der Zeitdauer ab, zumal wenn (oder falls) die Anzahl von tatsächlich Infizierten und leider Verstorbenen überschaubar bleibt.
An das Tragen einer Maske habe ich mich ja mittlerweile gewöhnt. Zur Zeit vergesse ich beim Rausgehen aus dem Supermarkt oder beim Bäcker sogar, die Maske blitzschnell vom Kopf zu reißen. Teilweise laufe ich damit noch minutenlang mit herum. Vielleicht merke ich nächstes Jahr auch gar nicht mehr, dass ich die Maske permanent aufhabe, wenn ich aus dem Haus gehe.
Jetzt sind soziale Außenkontakte für mich vielleicht nicht so wichtig wie für einen Mittsiebziger, dessen Freunde schon größtenteils verstorben sind und dessen Familie kaum noch Zeit für den alten Nöhlkopf hat. Wer maßt sich an, darüber entscheiden zu wollen, wie dieser Mensch leben möchte? Möchte er überhaupt durch Kontaktsperren geschützt werden, um den Rest seines Lebens in einsamer Verbitterung zu verbringen?
Ich bitte um Handzeichen, wer dies als lebenswert für Jahre erachtet. Zusammengefasst bin ich gern bereit, alle Zwangsmaßnahmen für eine gewisse Zeit, sagen wir bis Jahresende, mitzumachen. Dann muss aber gut sein - es sei denn, die viel beschworene zweite Welle ereilt uns, dass Virus mutiert oder die Anzahl tatsächlich Infizierter oder der Toten steigt sprunghaft in die Höhe.
Eins muss uns allen, selbst mir als Kapitalismuskritiker, klar sein: Jede Maßnahme an länger andauernden Einschränkungen verändert die Art unseres zukünftigen Lebens, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Lohnt es sich, ein Restaurant oder gar eine Bierkneipe weiterzuführen, wenn nach wie vor ein Abstandsgebot von zwei Metern für eine gemütliche Bahnhofsaffäre sorgt, bei der die Leute langfristig wegbleiben? Kaufen die Menschen ihre Non Food Artikel (vor allem Kleidung) mit einer Maske nach wie vor in den Shoppingmeilen vor Ort oder doch lieber bei Amazon oder Zalando?
Zwei polemische Fragen, die man nicht so einfach ignorieren sollte. Wir alle werden mittelfristig weniger Sozialkontakte haben, da wir dank zusammengebrochener Gastronomie und fehlenden Massenveranstaltungen schlechter neue Leute kennenlernen. Gut, das ist jetzt wirklich etwas plump argumentiert.
Doch wenn sich meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sollten, dann sind wir mitten in der neuen DDR. Das lass ich jetzt mal als Schlusssatz stehen, ehe ich mich noch weiter in wirren Gedanken verliere.
Corona Beschränkungen Pro oder Contra - bei diesem Thema bin ich hin und her gerissen.

Sonntag, 17. Mai 2020

Hartmudo: Wie damals inner DDR

1
Ausgerechnet am 8. Mai diesen Jahres, am 75. Jahrestag der Kapitulation des Dritten Reiches, kam mir der momentane Ausnahmezustand auf Grund der Convid 19 Pandemie zum ersten Mal so richtig bedrohlich vor. Bislang habe ich zwar einige Bedenken gegen die Einschränkung der Grundrechte gehabt, unterstütze aber die verhängten Ausgangsbeschränkungen durch unsere Exekutive.
Wie jeder gute Bürger im allgegenwärtigen Neoliberalismus beschäftigen sich meine Löwin und ich während des Corona Lockdowns mit Arbeiten in Haus und Garten (Letzteren haben wir nicht), sprich: Wir frequentieren den nahegelegenen Baumarkt. Und als wir am 8. Mai auf den Bauhaus Parkplatz fuhren, da sprach meine Löwin den entscheidenden Satz.
„Das ist ja wie inner DDR!“. Diese Assoziation hatte ich auch sofort, als ich die lange Schlange der Einkaufswilligen vor dem Eingang sah. Die Schlange der Leute mit vorgespannten Einkaufswagen zog sich bis hinter dem Gartencenter hin, also mehr als 100 Meter. Alle achteten peinlich genau auf den vorgeschriebenen Mindestabstand von zwei Metern. Teilweise hatten die Leute sogar schon ihre Masken auf, obwohl die Maskenpflicht erst innerhalb des Baumarktes gilt.
Direkt vor dem Eingang achtete ein maskierter Mitarbeiter des Hauses penibel darauf, dass immer nur so viel Leute in den Baumarkt hinein gingen, wie durch den Ausgang herauskamen. Ich hatte mir zuvor nicht vorstellen können, wie viele Leute im Home Office arbeiten.
Ich kann neuerdings gut nachvollziehen, wieso die DDR Bürger 1990 wider besseren Wissens Helmut Kohl und damit das schnelle Ende des Biotops DDR gewählt hatten, anstatt mit Oskar Lafontaine einen langsamen Weg ohne Massenarbeitslosigkeit Ost dank des Ausverkaufs mittels der Treuhand zu gehen.
Die hatten einfach keinen Bock mehr, sich im Extremfall den halben Tag vor dem HO Markt anzustellen, wenn das Gerücht durchgesickert war, dass es gerade Kartoffeln oder Fleisch zu kaufen gab, wo dies meistens ausverkauft war.
Im wiedervereinigten Deutschland gibt es die Mangelartikel ja in Hülle und Fülle. Wenn man das Geld hat, diese zu bezahlen wohlgemerkt. Das hatten die Ossis bei ihren ersten Bundestagswahlen 1990 nicht bedacht. Viele waren da bereits arbeitslos oder standen kurz davor. Doch dieses Anstehen vor dem HO oder die Reisebeschränkungen hatte die Menschen blind gemacht. Helmut Kohl brauchte diese Kinder einfach nur wie weiland der Rattenfänger von Hameln mit der Flöte einzusammeln.
Dank Corona haben wir die Reisebeschränkungen wieder. Wochenlang durften wir nicht einmal in benachbarte Bundesländer fahren - das gab es noch nicht einmal in der DDR! Und statt Kartoffeln oder Fleisch waren jetzt Toilettenpapier, Mehl und Hefe ausverkauft. Und mit der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen durften jetzt auch die Wessis nach 30 Jahren das Schlangestehen vor dem Einkaufsladen kennenlernen.
Dieses Bild vor Augen - dass ich mich zur Zeit so fühle wie „damals inner DDR“ (obwohl ich dort nicht leben musste) - gefällt mir nicht. Da fällt mir noch was ein: Wir tragen jetzt sogar noch Masken vor dem Gesicht - DAS gab es in der DDR nicht!
Gleichzeitig musste ich an diesem 8. Mai wie jedes Jahr an das 40jährige Jubiläum des Kriegsendes am 8. Mai 1985 denken. Da war ich noch im Auftrag des Volkes zum Schutz der Bundesrepublik gegen die Bedrohung aus dem Osten - auch der DDR - unterwegs. Ich will sagen, da war ich noch bei der Bundeswehr.
warten auf Einlass

Und an jenem 8. Mai 1985 hatten wir auf der Standortschießanlage in Hötzum ein Nachtschießen durchgeführt. Was für eine krasse Zeitplanung! Ausgerechnet an einem runden Jubiläum des Kriegsendes. Im 2. Weltkrieg starben 65 Millionen Menschen und die "Dritte Fünfundzwanzig" feiert dies mit einem Nachtschießen. Selbst heute noch bin ich fassungslos, wie dickefellig die deutsche Bürokratie so sein kann.
Das Argument, mit all diesen Maßnahmen die Pandemie einzugrenzen, damit das angeblich so gute Gesundheitssystem nicht zusammenbricht, habe ich die ganze Zeit mitgetragen. Ob es die Isolation in den Wohnungen, den Mindestabstand oder die Maskenpflicht waren; All dies und der wirtschaftliche Lockdown hat die Zahl der Todesfälle äußerst niedrig gehalten.
Da ist eine vorübergehende Einschränkung von Grundrechten wie der Versammlungsfreiheit, Gewerbeausübung oder gar der Freizügigkeit hinnehmbar. Die Betonung liegt hier jedoch auf "vorübergehend". Je länger der Lockdown und die Maskenpflicht andauern, desto mehr frage ich mich: "Wie lange soll das noch so weitergehen?"
Jetzt, Mitte Mai, ist die Anzahl der aktuell Infizierten von über 60.000 auf ca. 15.000 gesunken; In den Medien wird dies aber so nicht kommuniziert. Von den dort genannten über 175.000 Infizierten (Stand 12.5.) sind demnach 155.000 abzüglich 7000 Toter wieder geheilt. Die Zahl der aktuell Erkrankten sollte doch die Messgröße sein - nicht die Zahl derer, die davon überhaupt mal befallen waren.
Da kritisiert ein Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums die Maßnahmen der Bundesregierung als übertrieben und wird blitzschnell suspendiert. Da er diese persönliche Meinung auf einem dienstlichen Briefbogen niederschrieb, geht die Suspendierung wohl in Ordnung, dennoch bleibt ein Geschmäckle zurück.
Wie bei der Flüchtlingskrise vor 5 Jahren werden kritische Stimmen von Regierung und Opposition sowie den Qualitätsmedien in seltener Einmütigkeit heftig bekämpft. Da werden bei den momentan stattfindenden "Samstags Demos" gegen die Corona Beschränkungen stinknormale Leute mit Reichsbürgern und Rechtsradikalen in einen Topf geworfen. "Linke" gehören für Spiegel und Co ja eh schon als Putin-Versteher zur Querfront.
All die Einschränkungen der Grundrechte wurden nicht durch das Parlament abgesegnet. Das hatte sich durch die Änderung des Infektionsschutzgesetzes selbst entmachtet. Jetzt kann der Bundesgesundheitsminister bzw. die Regierung unsere Grundrechte einschränken, ohne dem Parlament auch nur zeitnah Rechenschaft ablegen zu müssen. Wenigstens das aber gehört für mich zu einer Demokratie.

Freitag, 8. Mai 2020

H. Lecter: Alf


15
Wenigstens war ich gut gesättigt und für die nächsten Biere aufnahmebereit. Auf dem Weg zur U Bahnstation Wittenbergplatz hielt ich noch einmal kurz Ausschau nach Alf. Manchmal hat man ja Glück und findet verloren gegangene Kumpels wieder. Doch er hatte wohl zu viel Vorsprung.
Mittlerweile drängte auch ein wenig die Zeit. Wenn ich noch rechtzeitig das Pokalendspiel sehen wollte, müsste ich mich in Bewegung setzen. Bei ausverkauftem Haus dauert der Einlass bestimmt seine Zeit. Und Alf konnte sonst irgendwo sein, den würde ich auf die Schnelle nicht finden.
Hauptsache, es passiert ihm da nichts, falls er irgendwo im Gulli liegen sollte. Doch da machte ich mir noch am wenigsten den Kopf drum, dazu hatte ich bereits zu viel mit ihm erlebt. Wenn einer immer durch kam, dann war es Alf. Irgendwie war ich auch eher leicht angesäuert, dass Alf sich dermaßen weggeballert hatte, dass sich andere (ich) Sorgen um ihn machen mussten.
Ich Idiot machte das immer noch. Mike oder auch Sylvester, ebenfalls Kollegas von Alf, taten dies schon lang nicht mehr. Deshalb ging es denen in diesen Situationen auch besser als mir. Die hatten sich rechtzeitig abgesetzt und garantiert schon die nächsten Biere weggenagelt.
Mit diesen Gedankentrümmern stieg ich die Stufen zur U 2 hinab. Ein kurzer Blick auf die Hinweisschilder zur Orientierung – jawoll. Die U 2 Richtung Ruhleben kommt am Olympiastadion vorbei. Zusammen mit einem Haufen von Leuten stieg ich bald darauf in den Waggon ein und freute mich auf das Spiel. Alf hatte ich in diesem Moment verdrängt. Die gute Laune der Gladbacher war aber auch sehr ansteckend.
Im Stadion angekommen, ging es auf einmal doch reichlich zügig. Auf dem Weg zum Block (oberer Rang fast an der Kurve, wo die Wolfsburger saßen) zog ich mir schnell noch ein Bier. Schon betrat ich den gerade mal zur Hälfte gefüllten Block und blickte über das Areal. Von so weit oben, quasi unter dem Dach, sah das Stadion beeindruckend aus.
Schräg links unter mir, vielleicht 20 Meter weit weg, sah ich schon die Mannschaft aus Salzgitter versammelt. Max, Klaus-Ewald… Onkel Hotte, Wastl, Sylvester und Mike waren auch schon da und bester Laune, selbst Moritz prostete mir zu. Nur einer aus der Gang fehlte noch: Alf. Er hatte es also nicht geschafft.
Natürlich gab es ein großes Hallo und gleich darauf frische Getränke. Sie fragten mich, wo ich denn Alf gelassen hätte. Ich konnte es ihnen leider nicht sagen – ich hätte ihn vielleicht doch anleinen sollen. Allmählich konzentrierten wir uns aber auf das bevorstehende Spiel, bei dem der Zweitligist aus Wolfsburg (was für ein angenehmer Schauer, der mir über den Rücken streicht, wo ich das hier schreiben kann) als Außenseiter galt.
Das Stadion füllte sich zusehends mit 75.000 Leuten und gleich würde es losgehen. Wir fieberten auch von Beginn an mit, bis… nach ca. 5 Minuten Alf oben im Aufgang zum Block erschien. Beide Arme hatte er über den Kopf erhoben und winkte nicht nur uns, sondern dem gesamten Stadion zu.
„Ich bin es, Euer Alf!“ schrie er laut und deutlich in das Rund. Ein aufmunternder Applaus und Hoch-Rufe aus dem gesamten Block waren ihm sicher. Alf war nicht nur wieder da, sondern bereits wieder auf Betriebstemperatur. Laut lachend, fast tänzelnd, schritt er durch die Reihen zu seinem Platz neben mir und freute sich. Garantiert war er froh, uns wieder gefunden zu haben.
Die Geschichte seiner Odyssee war dann schnell erzählt. Alf war irgendwann auf der Bank am Kudamm aufgewacht und musste feststellen, dass ich nicht mehr da war. Er konnte sich nicht mehr an meine Ansage, dass er warten sollte, erinnern und fühlte sich im Stich gelassen. Da musste er handeln.
Er hatte die Karte fürs Stadion und ging zur U Bahn runter. Er nahm die Linie 2 Richtung Pankow und stellte nach wenigen Stationen fest, dass er wohl in die falsche Richtung fuhr. Wenige Stationen war wohl eher die Endstation, aber egal. Alf setzte sich in den Gegenzug und war fast zum Anpfiff wieder anwesend.
Das Spiel selbst rauschte förmlich an uns vorbei. Gladbach gewann das DFB Pokal Endspiel sicher und verdient mit 3:0 nach Toren von Dahlin, Effenberg und Heiko Herrlich. Wir nutzen den wunderschönen Tag, um nach dem Spiel noch weiter zu zechen, bis unser Sonderzug kommen würde.
Und während es auf dem Bahnsteig noch Randale zwischen Wolfsburger Idioten und der Polizei gab, waren wir schon im hoffnungslos überfüllten Zug nach Braunschweig im Gang zwischen 2 Waggons eingekeilt. Sitzplätze gab es nicht, also musste ich mich, müde wie ich war, auf den Boden setzen und den restlos besoffenen Alf ertragen, der sein Haupt auf meine Knie gelegt und lautstark geschnarcht hatte.
Noch dazu waren die Toiletten abgesperrt, solange der Zug noch im Bahnhof Zoo stand, weshalb ich meinen kleinen Moment der Glückseligkeit nicht erleben durfte. Noch auf dem Bahnhof stehend hatten Mike und Onkel Hotte für sich die Lösung gefunden.
Onkel Hotte kramte eine leere Plastiktüte heraus, in der sie beide mitten im vollbesetzten Gang hineinpinkelten. Danach banden sie die Tüte oben zusammen und sorgten für etwas Spaß auf dem Bahnsteig, indem sie die volle Plastiktüte in Richtung der Bereitschaftspolizei schleuderten.
Kaum hatte die Tüte den Zug verlassen, da verschwanden die Gesichter von Mike und Onkel Hotte blitzschnell vom Fenster. Aus meiner liegenden Position konnte ich die freudigen Rufe der Polizisten nur hören und musste mir den Rest denken.
Zum Glück konnte ich später – über eine Stunde hielt die Polizei den Zug noch am Bahnhof Zoo fest – die überzählige Flüssigkeit auf der nicht mehr ganz so sauberen Toilette entsorgen. Alf brauchte das nicht, dafür schlief er zu fest. Vielleicht erledigte er dies aber auch an Ort und Stelle, da kannte er schon immer keine Verwandten.
In Braunschweig trennten sich unsere Wege, die Mannschaft wird wahrscheinlich mit einem Taxi nach Salzgitter gekommen sein. Insgesamt war das ein angenehmer Tagesausflug, bei dem Alf wie so häufig unermüdlichen Einsatz zeigte. Für einen Tag ging das ja immer noch gut an, bloß bei den längeren Urlaubsreisen wurde es Jahr für Jahr nerviger, mit Alf on Tour zu sein.

Mittwoch, 6. Mai 2020

Udorallala: Top Songs 10/?


Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Siouxsie & the Banshees - Carcass
Ihr bester Song über „die blutige Liebe eines Schlachters“. So hatte ich das damals im Sounds gelesen. Zu dem Zeitpunkt war ich schon mehr als begeistert von dieser Combo.
Ich hatte mir kurz überlegt, ob nicht „Metal Postcard“ der Top Song von Siouxsie sei, aber dann blieb ich doch bei Carcass, weil dies der Titel war, den ich zu Beginn der 80er Jahre auf voller Lautstärke über das Tape im Auto laufen ließ; bevorzugt bei offenem Fenster auf dem Weg zur Schule.
Kennengelernt hatte ich Siouxsie & the Banshees dank ihres ersten Top Ten Hits in England. „Hong Kong Garden" stürmte am 10.9.1978 bis auf Platz 7 der britischen Official Singles Charts und blieb sofort in meinem Ohr hängen, da Punksongs seinerzeit eher selten im deutschen Radio zu hören waren.
Berühmt wurde Siouxsie Sioux jedoch bereits im Dezember 1976, als sie während eines Sex Pistols-TV-Interviews den Moderator Bill Grundy zu einer schlüpfrigen Bemerkung inspirierte, worauf Gitarrist Steve Jones ihn wüst beschimpfte. Siouxsie war hier als Groupie oder auch Mitglied des noch kleinen Fanclubs der Pistols anwesend. Mit den Banshees hatte sie da im September lediglich einen Auftritt im 100 Club hingelegt gehabt.
Nach jenem Gig stieg auch gleich der Schlagzeuger Simon Richie aus, um unter dem Namen Sid Vicious als Gitarrist der Pistols Karriere zu machen. Von den ebenfalls aufgenommenen Demos mit Richie hatte ich lange Jahre einen Bootleg, auf dem die Songs der ersten LP „the Scream" bereits in rohen Fassungen vorlagen.


 


Und da war natürlich auch „Carcass" drauf - in einer noch überzeugenderen Version als auf der regulären LP. Das rauhe und nach Metal klingende Riff der Gitarre kann sich bei diesem Song für einige Sekunden gut entfalten, bevor Siouxsie mit ihrer unnachahmlich düsteren Stimme durch den Text quält. Während Bass und Schlagzeug im Hintergrund das Ganze rund machen, sägt sich die Gitarre neben Siouxsies Genöle einsam durch die fast vier Minuten des Songs.
„Someone's in cold storage
Seeking heinz main-courses
Craving for a raw love
He'll hide you from the cleaver
He'll hang with you forever
Longing for a fresh meat
By hook or by crook
You'll be 1st in his book
For an impaled affair
By hook or by crook
You'll be last in his book
Of flesh oh so rare
Be a carcass -- be a dead pork
Be limblessly in love
Be a carcass -- be a dead pork
Be limblessly in love"
Das erste Album (the Scream) erschien am 13. November 1978 und gilt heute zu Recht als Meilenstein nicht nur des Gothic Rock. Carcass erschien nie als Single, aber im November 1978 standen erfreulicherweise die Boomtown Rats mit „Rat Trap" an der Spitze der Charts, gefolgt von gleich 3 Songs von Olivia Newton-John und John Travolta aus dem Musical Grease. Ebenfalls in den Top Twenty waren da Father Abraham & the Smurfs, ansonsten war erstaunlich wenig Schrott in den Charts.
Die Banshees waren leider nur auf der Insel eine Mega Band. Außer dem ersten Album war bis zur Auflösung 1995 noch das dritte Album „Kaleidoscope" ein absolutes Meisterwerk, bei dem Steve Jones produzierte und auch die Gitarrenarbeit übernahm. Ebenfalls möchte ich noch die beiden Beatles Cover „Helter Skelter" und „Dear Prudence" erwähnen. Der erste ist mitreißend und der zweite einfach nur noch schön.
Siouxsie Sioux ist seit ein paar Jahren wieder aktiv, allerdings ohne ihre Mitstreiter. Die Banshees sind eine der wenigen Bands, deren Bedeutung für die Geschichte der Rockmusik größer ist als ihr kommerzieller Erfolg.

Samstag, 2. Mai 2020

Contramann: kurz gesehen im Mai


https://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/coronavirus-alle-obduzierten-todesopfer-hatten-vorerkrankungen-a-de16d1fb-2601-4848-8e64-702f2593c725#ref=rss
Nach den Virologen kommt jetzt ein Rechtsmediziner zu Wort. Somit hat es auch Klaus Püschel aus Hamburg in die Medien geschafft. Nach den sich beharkenden Virologen Dorschel, der offenbar die Bundesregierung berät, und Wodarg, der die Corona Krise für Panikmache hält, endlich mal jemand aus einer anderen Fachrichtung.
Wenn sich dank der Obduktionen von Püschel und den Schweizern in Basel herausstellen sollte, dass die vielen Corona Toten (zumindest in Deutschland?) sowieso, also auch ohne Corona, in absehbarer (?) Zeit gestorben wären, dann würde man im Nachhinein dem Wodarg Recht geben müssen und alle Vorsichtsmaßnahmen wären unverhältnismäßig gewesen.
Auch wenn ich als alter Philip K. Dick Fan naturgemäß Verschwörungstheorien gegenüber nicht abgeneigt bin, bin ich da wegen der vielen Toten in anderen Ländern und erst recht nach den Bildern aus Ecuador skeptisch.
Der aktuelle Vorsitzende des Weltärztebundes (was es doch für schöne Pöstchen gibt) Frank Ulrich Montgomery, ebenfalls Hamburg und Radiologe, hält ja auch eine Maskenpflicht für falsch, weil dies die Bevölkerung in eine trügerische Sicherheit wiegen würde. Da muss ich dem „Chef“ sogar Recht geben - ich kenne ja meine Mitmenschen (hatte ich schon Philip K. Dick erwähnt?). Wann kommt endlich die Elefantenrunde der Mediziner bei Frau Illner?
Kurz gesagt: Nichts Genaues weiß man nicht und hinterher ist man immer schlauer. Mein tief empfundenes Mitgefühl gilt all den Entscheidern in der Politik, die quasi im Blindflug die richtigen Maßnahmen befehlen ääh veranlassen müssen.

https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/alter-die-midlife-kolumne-die-ruepel-sind-entfesselt-a-98eb60e9-98dc-433c-8dd8-5ffd727eb1fc
Denn: "Freundlichkeit wird einem in Deutschland oft als Schwäche ausgelegt." Die Autorin, die sich selbst als Althippie verortet, beklagt nicht zu Unrecht den Wandel unserer Gesellschaft vom „Miteinander“ der Hippies zur „Geiz ist geil“ Ellenbogen-Mentalität der Gegenwart. Selbst mir als Gleichaltrigen und Nicht-Hippie (oder doch?) ist ein Begriff wie „gegenseitige Rücksichtnahme“ nicht fremd.
Wobei ich zugegebenermaßen auch sagen muss, dass dieser zu beklagende Wertewandel nicht nur auf die nachfolgenden Generationen beschränkt ist. Auch die Alt68er haben den Luxus eines großen Autos oder andere materieller Dinge schätzen gelernt. Mir selbst geht es mit zunehmenden Alter auch nicht anders.
Aber dennoch war es schön, mal wieder so eine Stimme wie Christina Pohl zu hören. Sie erinnert mich gerade in der Corona Krise daran, dass es „früher“ auch mal andere, nämlich soziale Werte gab. Und darauf sollten wir uns alle besinnen. Gerade jetzt.

https://www.spiegel.de/auto/wasserstoff-wie-die-brennstoffzelle-die-weltweite-mobilitaet-veraendert-a-268d3939-b0ab-43ca-af01-a32bc130f19c#ref=rss
Wasserstoff und Brennstoffzelle sind für mich nach wie vor der Kraftstoff der nahen Zukunft. Wie so üblich spricht eigentlich nur der Herstellungspreis gegen den Wasserstoff. Hierbei sei auch daran erinnert, dass sich der Benzinmotor um 1900 herum gegen die damals leistungsfähigeren Konkurrenten Strom und Dampf (na gut, Dampf wohl nicht leistungsfähiger) dank der billigeren wie einfacheren Herstellung durchsetzen konnte.
Dies ist heutzutage vergessen, genau wie die „Elektromobilität“ trotz großen Aufwands scheitern wird, weil sie im Alltag einfach unpraktikabel ist. Eine Umrüstung der Tankstellen von Benzin auf Wasserstoff sollte leichter zu bewerkstelligen sein als eine unnötig Ressourcen verschwendende Produktion von Elektroakkus zum Direktantrieb. Allein die Ladezeiten... Wer denkt sich so etwas und warum aus?
Die für mich einzige logische Erklärung speist sich aus dem Vergleich mit der schönen bunten Unterhaltungsindustrie aus den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts. Da wurden hier noch die Vorzüge der DVD gegenüber dem VHS System betont, als in Japan schon die ersten Blue Ray Player auf den Markt kamen.

https://www.spiegel.de/panorama/gendergerechte-sprache-ich-frage-mich-wovor-diese-menschen-eigentlich-angst-haben-a-968ab99e-ee39-4f59-9f77-47590da829c6#
Zum Abschluss mal was Lustiges. Die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Hannover hatte die Einführung der geschlechterneutralen Sprache in der Stadtverwaltung seit Anfang 2019 begleitet. Ihre Argumentation ist für mich in vielen Punkten auch nachvollziehbar, aber in ihrer Gesamtheit nicht akzeptabel.
Eine veränderte Sprache unterliegt dem Wandel der Zeit. Eine verkopfte Veränderung aus ideologischen - hier emanzipatorischen - Gründen lehne ich wie die meisten Menschen ab. Übrigens auch die meisten Frauen, was aber eine Kämpferin für die Rechte der Frauen nicht abschreckt.
Da versuchen die einen Frauen, mit Hilfe der Sprache einen Sieg im Geschlechterkampf zu erringen, während sich andere Mädels in ein Dasein als bequeme Hausfrau (-drachen) oder unter Verschleierung (zugegebenermaßen selten) flüchten. Diese ewige Gleichmacherei von Menschen oder auch Dingen, die eben nicht gleich sind, stößt mich ab.
Es geht doch wohl eher darum, die jeweiligen Eigenheiten der Geschlechter zu schützen, weil diese Unterschiedlichkeit der Geschlechter und damit die verschiedenen Sichtweisen unser aller Leben bereichert.
Mein (nicht ernst gemeinter) Chauvi-Kommentar zum Abschluss: Wahrscheinlich sind deshalb viele „Emanzen“ sexuell gleichgeschlechtlich orientiert.