Dienstag, 28. November 2023

Uncle Fester: grad gelesen November 2023

Dennis E. Taylor - Außerirdisch
Ein in sich abgeschlossener Roman vom Autor des Bobiverse-Zyklus. Laut Klappentext der ultimative Mix aus Per Anhalter durch die Galaxis und Men in Black. Da muss man natürlich zugreifen und wird dann auch prompt enttäuscht. Obwohl der Roman nicht wirklich schlecht ist, aber den selbst gestellten Anspruch kann er leider nicht erfüllen.
Jack Kernigan ist vom MIT geflogen und lebt noch bei seinen Eltern im Kaff Dunnville, Ohio. Nun muss er für seine Eltern, die einen Lebensmittelladen führen, Lieferfahrten ausführen. Bei einer dieser Touren knallt er mit einem unsichtbaren Gegenstand zusammen, welches sich kraft des Unfalls als totes Alien entpuppt.
Dank einer gefundenen Vorrichtung wird das Alien sichtbar und wandert erst einmal in eine Tiefkühltruhe, bis Jack das weitere Vorgehen mit seinen Freunden Patrick und Natalie absprechen kann. Insbesondere Patrick ist wie Jack ein Science Fiction Nerd reinsten Wassers; Nat ist dagegen vernünftiger und holt die Jungs ständig auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie im echten Leben halt.
Schnell wird sich die Mannschaft einig, dass man erst einmal das Raumschiff des toten Alien sucht, bevor man die Polizei einschaltet. Unweit der Unfallstelle werden Sie fündig; die KI des Raumschiffs spricht sogar unsere Sprache und warnt die Kids vor einer Invasion der Erde durch eine andere, den Menschen feindlich gesonnenen Gruppe von Aliens namens Loranna.
Das mit einer Tarnvorrichtung ausgestattete Raumschiff wird in der Scheune von Jacks Eltern versteckt und die Kids rüsten sich zum Kampf gegen die Loranna. Der Feind hat sich im örtlichen Gewerbegebiet verschanzt und ist gar für die Corona-Pandemie verantwortlich.
Impfgegner und Corona Leugner dienen ihnen zur Verbreitung der tödlichen Krankheit (na ja...). Und gegen Ende kommt endlich die Kavallerie der guten Aliens auf die Erde und sammelt die bösen Aliens ein. Die Exmatrikulation am MIT stellt sich als Irrtum heraus und der gute Jack kann dort wieder studieren.
Happy End für alle, mit tiefgreifenden philosophischen Überlegungen hat sich Taylor den Roman wohl nicht versauen wollen. Dass die Kids das Raumschiff Halo und die KI Sheldon nennen, ist ein nerdiger Gag, der sich dank ständiger Wiederholung leider schnell abnutzt.
Eigentlich ein Jugendroman - und ich werde den Verdacht nicht los, dass es sich bei diesem Roman um ein ganz frühes Erstlingswerk das Autors handelt, welches aufgrund der Popularität seiner Bobbyverse-Romane schnell noch mal verwurstet werden musste.
Man merkt dem Roman förmlich an, dass der Autor nicht über die Technik kommt. Ich denke, dass ich diesen Roman nicht auf eine einsame Insel mitnehmen würde.

Steven Baxter - Galaxias
Ein neuer und abgeschlossener Band von dem beliebten englischen Autor. Baxter war einer meiner Lieblingsautoren und hat mich mit seinen neueren Romanen zunehmend enttäuscht. So auch diesmal.
Beim Schreiben dieser Zeilen bin ich an der Hälfte angelangt und eins nervt mich so richtig: Bis auf einen sind alle Hauptpersonen weiblich, der einzige Mann ist auch noch schwul.
Ein paar Jahrzehnte in der Zukunft. Die Menschheit hat die Klimakrise überstanden, als die Sonne von einer Sekunde zur anderen verschwindet und nach exakt 24 Stunden wieder da ist. Die physikalischen Folgen für das Klima der Erde und damit das Überleben der Menschheit, insbesondere bei einer permanenten Abwesenheit der Sonne, hat Baxter sehr gut und anschaulich beschrieben.
Dies ist die Geschichte dreier alter College Freunde, welche sich selbst als die Insiderwitze (nicht cool) bezeichnen. Tash ist Mitarbeiterin des britischen Wissenschaftsministers Fred Bowles. Mel wiederum ist Wissenschaftlerin und arbeitet der Hofastronomin Charlie Marlowe zu. Dritter im Bunde ist der schwule Astronaut Wu Zhi mit chinesischen Wurzeln.
Zur Vervollständigung der Hauptpersonen fehlen jetzt nur noch Grace Butterworth, eigentlich die Leibwächterin von Bowles, und Wu Yan, eine wichtige Wissenschaftlerin im chinesischen Raumfahrtprogramm und ungeliebte Mutter von Wu Zhi.
Noch bevor ein außerirdisches Artefakt auf dem Mond entdeckt wird, schließen unsere Helden messerscharf, dass die Erde nur von einem interstellaren Einzelwesen bewegt worden sein kann, welches sich vor Äonen auf einem Wasserplaneten entwickelt hat. Und das, obwohl dieses Wesen namens Galaxias im gesamten Buch nicht auftaucht.
Ich finde das nicht nur etwas schwach, das hätte Baxter früher besser gemacht. Stattdessen konzentriert sich der Autor auf die zwischenmenschlichen Befindlichkeiten der Hauptpersonen, ohne auf einen Höhepunkt zusteuern zu können.
Kurz vor Ende stellt sich Grace als Spielverderberin heraus, als sie das Artefakt auf dem Mond in die Luft jagt und Wu Yan tötet. Sie gab Galaxias die Schuld am Tod ihre Nichte in Neapel. Galaxias sollte deshalb erzürnt sein - meinen jedenfalls unsere Helden.
Zum Glück hat Wu Zhi mit seiner Mannschaft unser Sonnensystem verlassen können und Galaxias' Barriere erreicht, wo er dem Alien das Missverständnis erklären soll. Natürlich kommt keine Kommunikation zustande, ist aber auch nicht nötig.
Die Chinesen sind schon dabei, unsere Sonne samt ihrer Planeten aus unserer Galaxis hinauszubewegen, damit Galaxias sich nicht weiter bedroht fühlt. Nach ein paar Millionen Jahren hätten die Menschen die Milchstraße verlassen.
Einen richtigen Schluss gibt es gar nicht - hoffentlich ist dies kein Anzeichen für eine Fortsetzung. Selten habe ich so einen hanebüchenen Quark gelesen.

Donnerstag, 23. November 2023

Warum spielt denn der Poldi nicht?

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Do. 30. Juni

Ab heute Abend beginnen die Viertelfinals. Das heißt, an den folgenden 4 Abenden werden wir jeweils ab 21.00 Uhr ein Spiel sehen. Ergänzend dazu habe ich mir für den morgigen einen Tag Urlaub gegönnt. Eigentlich war der Tag dazu gedacht, meine Löwin bei der Vorbereitung ihres Geburtstages am Samstag zu unterstützten. Jetzt wird das aber erheblich abgespeckt, weil meine Liebste dank ihres entzündeten Knies den Brunch bei uns absagen musste.
Bemerkenswerterweise hält sie sich schon die ganze Woche trotz der Schmerzen und der Bewegungseinschränkung tapfer und klagt nicht. Ich wäre da schon längst grummelig geworden und hätte mit meiner "guten" Laune allen möglichen Gästen die Laune verdorben. Und trotzdem kam bei ihr keine Langeweile auf. Sie muss halt immer etwas zu tun haben und hasst es, tagelang nur rumzuhängen und ihre Serien zu schauen.
Da bin ich bekanntermaßen anders gestrickt, aber ich arbeite auch im öffentlichen Dienst. Bei der kleinen Firma meiner Löwin ist ihr permanenter Einsatz gefordert, zumal der joviale Chef und Firmenbesitzer nächste Woche in Urlaub geht. Meine Löwin ist seine Vertreterin, aber nicht der Vizechef. Viele andere in der Firma sehen sich da eher in der Rolle als Chefvertreter, was sie meine Löwin auch gern mal spüren lassen.
Im öffentlichen Dienst kann ich solche Idioten relativ gut auflaufen lassen, ohne das die mir an die Karre pinkeln können. Meine Liebste kann das nicht bringen, im Gegenteil! Sie sah sich in der Not, ihren Chef trotz Krankheit bei dem wichtigen Auftrag zu unterstützten. Durch Hausarbeit, sie brauchte nur eine Excel Datei und dann konnte sie heute in Ruhe, ohne ihr Knie zu belasten, sich darum kümmern. Trotz des Knies ist sie ja nicht bettlägerig.
Dazu sollte sie gestern die Datei erhalten. Erst per Mail und dann noch auf einen Stick, den eine Kollegin abends vorbei brachte. Zunächst konnte sie die per Mail übersandte Datei nicht öffnen, weil die Kollegin diese im falschen Format gesendet hatte. Ich konnte es dank Libre Office schnell umwandeln, doch nun stellte sie fest, das sie ihr eine falsche Datei geschickt hatten. Schön, das auf dem Stick noch dieselbe falsche Datei war.
Die richtige Datei bekam sie am späten Abend nur dank Frida und Harald, die den Schlüssel fürs Rolltor hatten und uns reinlassen konnten, damit sie sich schnell die richtige Datei ziehen konnte. Derweil plauderte ich mit Harald und Frida übers Einkaufen im Supermarkt; so in der Art „ein Schlachter ist viel zu teuer und außerdem schlachten die meist auch nicht mehr selbst und holen das Fleisch aus dem Schlachthof.“
Nach nicht mal einer Viertelstunde hatte meine Löwin die richtige Datei gefunden und sich auf einen Stick gezogen. War ja fast wie bei "Mission Impossible", bloß ohne Tom Cruise. Wir verloren hinterher auch keine Zeit und fuhren gleich nach Hause. Meine Löwin sichtete dort noch kurz ein paar weitere Unterlagen, danach war es Zeit für die Heia.
Ja, sollte man nicht machen, wenn man krank geschrieben ist, weiß ich doch. Aber arbeitet ihr mal in einem Zwölf-Mann Betrieb, der vom Chef verkauft wird, weil er endlich mit 70 in Rente gehen will. Bei einem Großunternehmen ist ein Ausfall nicht so schlimm, doch in so einer kleinen Klitsche... Und zur Lymphdrainage fahre ich sie ja auch, da muss sie genauso ins Auto auf den Beifahrersitz steigen. Also mecker nicht und halte das Maul, oder willst Du gleich eins in die Fresse?
Heute morgen hatte ich dann schon beim Aufstehen Kopfschmerzen und einen krampfenden Darm, was mich während der gesamten 12 Stunden im Büro so richtig quälte. Hinzu kam eine schwüle Luft, die das Innenleben des Rathauses einschließlich meines Büros in eine Sauna verwandelte. Stellenweise hatte ich große Koordinationsprobleme, insbesondere am Vormittag, an dem ich an einem komplizierten Vorgang arbeitete und immer wieder durch Telefonate in meiner Konzentration gestört wurde.
Wie ein Fisch an der Wasseroberfläche japste ich nach Luft, während mich die Krämpfe quälten und mich in den gewissen Raum trieben, zu dem meine Kolleginnen keinen Zugang haben. Und diese Müdigkeit, eigentlich hatte ich doch lange geschlafen. Aber dieser komische Traum, aus dem ich kurz vor dem Weckerklingeln aufwachte, war sicher dafür verantwortlich.
Irgendwie hatten meine Löwin und ich uns im Urlaub in eine Wohnung eingenistet. Ich erinnere mich noch, das es für eine Woche war, denn länger fahren wir eh nie weg. Das Ganze im südlichen Ausland, Spanien oder Italien also. Das Haus war ein richtig großer, verwinkelter Hochhausblock. Ich spannte noch etwas in der Wohnung aus, warum auch immer.
Wir hatten mehrere Zimmer und es war sehr gemütlich, also unaufgeräumt. Doch ich wollte zu meiner Löwin in die Innenstadt. Dort war sie mit Mutter und Walter unterwegs und ich würde sie schon in irgendeinem Straßencafe finden, einen Treffpunkt hatten wir nicht ausgemacht. Ich überlegte noch, welche von meinen 5 Mützen aus 2 Zimmern ich aufsetzen sollte, denn draußen war hellster Sonnenschein angesagt.
Kaum war ich aus den verwinkelten Hausfluren ins Freie getreten, befand ich mich auch schon in der Innenstadt. Die ganze Fußgängerzone war voller Leute. Es herrschte eine volksfestartige Stimmung. Und plötzlich, nachdem ich angestrengt meinen Blick in alle Richtungen wandern ließ, sah ich Mutter allein an einem Biertisch in einem Cafe rechts von mir sitzen. Walter und meine Löwin sah ich auch gleich, sie brachten gerade Geschirr weg.
Jetzt wurde es wirr. Wir wollten wohl gleich nach Hause, aber meine Löwin, Mutter und Walter gingen vor einem Bus und ich dahinter. Ich hatte sie wohl noch nicht einmal länger gesprochen. Und als ich mich bis vor den Bus durchgedrängelt hatte, waren die 3 weg. Mit dem Bus - inzwischen war es tiefste Nacht - wollte ich dann nach Hause fahren.
Aber ich verpasste die Abzweigung zu unserer Wohnung, der Bus fuhr weiter und ich stieg irgendwann weit von unserem Hotel entfernt in einer Hafengegend aus. Ich wusste jedoch, dass ich mit der Linie 113 fahren musste, um genau vor der Wohnung auszusteigen. Ich wartete und wartete, mehrere Busse kamen, aber nicht der Richtige. Dann wachte ich mit starken Kopfschmerzen auf. Zeit, um zur Arbeit zu fahren.

Freitag, 17. November 2023

Udorallala: Top Songs 18/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Strassenjungs - nachts auf Tour
Ich weiß noch, dass Pocke damals die Single „Nachts auf Tour / Birgit O“ hatte und ich bei ihm diesen seinerzeit von der Fachpresse zu Unrecht verschmähten Klassiker gehört hatte. Erst dieses ewig lange wie einfache Gitarrenintro und dann dieser hingerotzte Gesang von Nils Selzer. Auch heute noch genial.
Auf die Straßenjungs bin ich wieder gestoßen, als ich die traurige Nachricht vom Tode Nils Selzers am 4. März diesen Jahres hören musste. 75 Jahre alt ist er geworden. Ebenso wie Peter Hein ist ihm nie die verdiente Anerkennung für die Verdienste um die deutschsprachige Rockmusik zugesprochen worden.
„Nachts auf Tour“ ist der Opener von „Dauerlutscher“, einer der wichtigsten LPs der deutschen Rockgeschichte, welche von der Fachpresse seinerzeit „runtergeschrieben“ worden war.
Der umtriebige Produzent Axel Klopprogge hatte 1977 den Erfolg der Sex Pistols in England verfolgt und wollte in Deutschland ein ähnliches Projekt aufziehen - mit der Gründung der Strassenjungs. Doch Klopprogge besaß nicht die visionäre Kraft eines Malcolm McLaren. Er verstand auch nicht, dass Punkrock weitaus mehr war als anstößige Texte und provokante Kleidung.
Nils Selzer und seine Band wiederum verstanden dies und gründeten nach dem zu erwartenden kommerziellen Misserfolg der CBS-Produktion „Dauerlutscher“ gar eine eigene, bis heute bestehende, Plattenfirma namens Tritt-Records. Dort veröffentlichten sie über die Jahre ihre hervorragenden Produktionen - um Längen mehr Punk und besser als die Toten Hosen, aber dank Selbstständigkeit eben auch ohne Airplay in den Medien.
Für den 1977 doch eher biederen deutschen Rockfan, der Lindenberg oder Westerhagen schon als Elternschreck wähnte, waren folgende Anfangszeilen schon zu viel:


„Spätestens um Mitternacht wird alles zu gemacht
Drehn wir nen Ding zusammen, um an Kohle ranzukommen
Dann wird kräftig eingesackt und noch n Automat geknackt
Aber auch nen schnellen Wagen können wir gut vertragen
Nachts auf Tour, Nachts auf Tour
Nachts auf Tour, Nachts auf Tour
und bloß nicht nach Haus, das zahlt sich aus.“
Der aggressive Gesang von Nils Selzer harmonierte gut mit dem harten Rock`’n‘ Roll der Band, der Beach-Boys gemäße Backgroundchor am Ende des Songs gemahnte an die Ramones, was die Strassenjungs in späteren Jahren noch ausbauen sollten.
Aber was war denn im September 1977, als Dauerlutscher herauskam, in den deutschen Single-Charts los? Ganz vorne befand sich Space mit „Magic Fly“, Baccara belegte gar Platz 2 (Yes Sir, I can Boogie) und 4 (Sorry, I’m a Lady). Dazwischen Donna Summer mit „I feel Love“. Erst auf Platz 9 ging Jürgen Drews „Barfuß durch den Sommer.“
Viele halten ja Udo Lindenberg oder Marius Müller-Westernhagen für diejenigen, die Rockmusik mit deutscher Sprache salonfähig gemacht hatten. Das stimmt sicherlich, wenn man lediglich auf die Wahrnehmbarkeit in den Medien abstellt.
Doch Rockmusik - insbesondere der Punkrock der 70er Jahre - hatte eine soviel tiefere Bedeutung als es Verkaufszahlen ausgedrückt hatten. Schon seit den Anfängen in den 50er Jahren ging es um „Rebellion“ - Auflehnung gegen Eltern und das Establishment, Sex vor der Ehe und Freiheit von gesellschaftlichen Zwängen.
Das machte die Musik so wichtig für die Kids. Natürlich ging es immer nur um die Kohle - die Sex Pistols waren das beste Beispiel dafür. Aber eine Abkehr von dem Mief der bürgerlichen Bonner Republik mit Udo oder Marius? Wohl eher nicht.

„Dauerlutscher“ war aber genau der Sound von desillusionierten Jugendlichen in Deutschland, die nicht so sein wollten wie ihre Alten. Rau und primitiv, obzöne Texte wie in „Ich brauch‘ mein‘ Suff“ waren auch für die 68er Generation nicht erträglich und genau deshalb waren Strassenjungs DIE deutsche Rockband der 70er. Ton, Steine, Scherben waren eben noch zu tief mit der Hippiegeneration verstrickt, als das sie als wilde Rockband durchgehen konnten.
Und dennoch… Als Abwärts oder Mittagspause ihre ersten Platten veröffentlichten, zählten die Strassenjungs nicht mehr zur Fraktion der Rockrebellen, da ihre Musik wohl einfach zu eingängig geworden war. Verrückte Zeiten waren das damals.

Donnerstag, 9. November 2023

Contramann: kurz gesehen im November

https://taz.de/Die-Wahrheit/!5962383/
Meine Güte, ist das schlimm. Die TAZ zeigt hier in dem wohl als Satire gemeinten Artikel, dass Haltung wichtiger als die Realität ist. Zumindest in den Augen der TAZ-Redakteure. Jegliche Kritik an der jahrzehntelangen Besatzungspolitik der Israelis in Gaza oder dem Westjordanland wird ohne Auseinandersetzung mit vorgebrachten Argumenten als rechts abgebügelt. Solche Leute wie die TAZ-Redakteure blenden die Geschehnisse der letzten 75 Jahre einfach aus, als ob die brutale und zu verurteilende Gewalt der Hamas am 7. Oktober aus heiterem Himmel erfolgt wäre.
Ist sie aber nicht, und:
„Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten.“ (Helmut Kohl 1995)

https://www.zeit.de/kultur/literatur/2023-10/slavoj-zizek-frankfurter-buchmesse-eroeffnung-palaestina-protest?utm_referrer=https%3A%2F%2Fwww.google.com%2F
Aufgrund der Aktualität stelle ich diesen Beitrag mal etwas weiter nach vorn. Anläßlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse am 17. Oktober äußerte Slavoj Žižek, ein slowenischer Philosoph, doch tatsächlich Verständnis für die Palästinenser. Dass er zuerst die Hamas für die Gräultaten am 7. Oktober verurteilt hatte, ging da sofort unter.
In einem klassischen Beißreflex verließen mehrere Gäste den Saal, der Antisemitismusbeauftragte von Hessen, CDU-Mann Uwe Becker, glaubte eine Relativierung des Hamas-Terrors zu erkennen und nützte die günstige Gelegenheit, sein kleines Licht unter dem Scheffel hervorzuholen.
Der eigentliche Skandal aber ist ein anderer. Die palästinensische Autorin Adania Shibli sollte für ihren Roman „Eine Nebensache“ ausgezeichnet werden - das ging natürlich aktuell nicht und wurde verschoben.
Sowohl auf dem Gymnasium als auch während meines Studiums „Recht und Verwaltung“ wurden die Grundrechte als höchstes Gut unserer (damals noch vorläufigen) Verfassung geschildert. Circa 40 Jahre später entpuppt sich dies in meinen Augen fast als Farce.
Freie Meinungsäußerung, Versammlungsfreiheit oder auch das Recht auf Unverletzbarkeit der Person: Wenn etwas gegen die „Mehrheitsmeinung“, welche uns von Regierung und Medien vorgesetzt wird, kritisch angemerkt wird, hört heutzutage die Akzeptanz anderer Meinungen (was laut meinen damaligen Lehrern die Überlegenheit unseres Gesellschaftssystems sichtbar macht), blitzschnell auf.
Ob Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg oder jetzt der Terror in der Levante: Wer hier nicht auf Regierungslinie liegt, ist nicht nur Querdenker, sondern auch gleich „rechtsaffin“ und soll sich aufgrund dessen gar nicht zu diesen Themen äußern dürfen. Dass neben den Medien auch Leute, die vor 40 Jahren gegen Aufrüstung und für Frieden auf die Straße gegangen sind, in dieselbe Kerbe schlagen, macht mich traurig.
Denn wir reden da auch über Bekannte, Freunde, Verwandte, Kollegen… Und ich Idiot hatte seinerzeit meinem Vater eine Unterstützung des Nazi-Regimes unterstellt und keine Antwort auf die Frage bekommen, warum er das mitgemacht hatte. Jetzt weiß ich es.
Es ist Angst. Angst vor Ächtung durch die Gesellschaft. Die einstigen „Helden“ sind alt geworden und scheißen sich in die Hose - der Verlust des SUVs oder des Eigenheims könnte drohen. So wie eben auch meine Eltern empfunden hatten.

https://overton-magazin.de/kommentar/politik-kommentar/schoen-dass-es-die-ossis-gibt/
Schöner Kommentar vom 3. Oktober, dem Tag der nationalen Einheit. Roberto de Lapuente räumt mit der Mär auf, dass “wir“ uns 1990 mit den „Ossis“ quasi den Rechtsruck eingehandelt hätten. Sicherlich habe ich in der Vergangenheit auch oft über die „Ostler“ geschimpft; eine rechtsradikale Grundeinstellung hatte ich dort allerdings nie verortet.
Der gewöhnliche Wessi hat schon wieder vergessen, dass Helmut Kohl 1989/90 bereits abgewirtschaftet hatte und sich nur dank der Wiedervereinigung als Kanzler der Einheit aufspielen konnte. Zugegebenermaßen gefickt eingeschädelt, aber die Friedensbewegung war da ja schon nach wenigen Jahren am Ende gewesen und ein kritisches Bewusstsein dem Staat gegenüber… Das hatte es im Westen außer den Jugendbewegungen doch eh nie gegeben.
Die DDR Bürger, welche nach westdeutschem Verständnis Demokratie nicht verstanden hatten, wussten aus diesem Grund dagegen genau, dass man dem Staat nicht bedingungslos vertrauen kann. Im Westen drehte sich damals schon alles nur ums Geld. Luxus und Konsum - Politik war alle 4 Jahre bei der Wahl.
Und „die da oben“ sollen dann machen. Überwiegend nur dank der Ossis wird die Demokratie überhaupt noch ausgelebt in diesem Land, auch wenn mir wahrlich nicht alles passt, was der enttäuschte Ostbürger meint.

Alsdann: Bleiben Sie links, bleiben Sie kritisch. Und:
„I`m so bored with the USA. But what can I do?“

Samstag, 4. November 2023

GuterPlatzzumBiertrinken: deutscher Herbst

Sonntag 15 Oktober. Gern hätte ich im letzten Vierteljahr schon wieder ein paar Touren gemacht, aber irgendwie kam mir immer etwas dazwischen. Erst war es zu heiß und als es dann Ende September endlich losgehen sollte, als meine Löwin mit Berta auf der AIDA in Norwegen verweilte, fragte der Lange nach einer Radtour an und so waren wir zu fünft auf dem Ringgleis unterwegs gewesen.
Eine sehr schöne Tour übrigens, bei der wir am Ende in Marions Schinderhannes landeten und das eine oder andere Bier schlürften. Eigentlich ideal für diese Rubrik, aber alleine kann ich besser meinen Gedanken nachhängen und deshalb schreibe ich diesen Beitrag an einem anderen Tag, und mal wieder ohne Bier.
Was heute auch gar nicht passen würde, da wettermäßig der Herbst an diesem Tag begonnen hat. Bereits seit ein paar Tagen hatte ich mich diesen Sonntag auf eine Solo-Radtour geeicht, der gestrige Besuch vom Kanonier bei uns hatte mich zusätzlich bestärkt.
Denn er als gestresster Familienvater hat seit kurzem das Radfahren für sich als ideales
Entspannungsmoment entdeckt, ja sogar seine Ernährung umgestellt. Letzteres will ich auch schon das ganze Jahr über durchziehen, jedoch habe ich es bislang nicht hinbekommen.
Außer dem Besuch des Kanoniers war dieses Wochenende alles äußerst ruhig verlaufen - letztes Weekend waren wir mit dem Kegelverein in Wien und nächstes Wochenende ist Berlin angesagt. Urmel und Ilka besuchen, dazu feiern meine Löwin und ich unseren 16. Hochzeitstag. Wann also, wenn nicht jetzt?
Freudestrahlend radelte ich vorhin los. Keine 10 Grad, es weht zurzeit ein kalter Wind, gepaart mit einem lange vermissten „Irish Mist". Samstag waren es tagsüber noch 20° gewesen, die Wochen und Monate zuvor wurden eher höhere Werte gemessen. Da verwundert es nicht, dass es mich beim Einbiegen aufs Ringggleis ein wenig fröstelte.
Meine bei „Charme und Anmut" erworbene Übergangsjacke musste ich schon zuziehen, da ich lediglich ein Poloshirt drunter trug. Ursprünglich wollte ich das Cafe Magie in Gliesmarode ansteuern, aber der ständige Wechsel zwischen hellem Sonnenschein und dunklen Wolken mit dem bereits erwähnten Inselwetter erforderte ein näheres Ziel.
Daher sitze ich jetzt im Café Momento im neuen Viertel am Lampadiusring und diktiere diese Zeilen in mein Smartphone. Zwei doppelte Espresso Macchiato später ist es Zeit für die Rückfahrt. Bis dahin aber ließ ich meine Gedanken während der Hinfahrt Revue passieren.
Acht Tage zuvor, am 7. Oktober, hatte die Hamas vom Gazastreifen aus ca. 1200 Israelis brutal getötet und eine Vielzahl von Geiseln genommen. Israelische wie amerikanische Politiker sprachen relativ offen davon, die Hamas auszurotten. Unsere feministisch angehauchte Außenministerin sicherte dem Staat Israel volle Unterstützung zu, vor allem Waffen.
Auch wenn ich angesichts der Brutalität der Hamas die überschäumenden Emotionen der Israelis durchaus nachvollziehen kann, aber die fast an nationalsozialistische Propaganda erinnernde Formulierung durch führende israelische Politiker hat mich dann doch sehr betroffen gemacht. Und die Zwei Millionen Menschen zählende Bevölkerung des Gazastreifens von der Strom- und Wasserversorgung abzuschneiden und damit Unbeteiligte Zivilisten in Sippenhaft zu nehmen, halte ich für eine übertriebene Reaktion angesichts des Leids, welches die Juden durch die Nazis erleiden mussten.
Die UN hatte die Reaktion der Israelis richtigerweise als völkerrechtswidrig gebrandmarkt. Fast alle Leute in meinem Umfeld können sich nicht zu einer differenzierten Sichtweise des Konflikts durchringen. Bei der Corona-Pandemie und im Krieg gegen die Ukraine war dies leider nicht anders gewesen.
Momento

Hierzu kann ich nur Helmut Kohl zitieren: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten."
Denn kurz nach dem ersten Weltkrieg waren es die von den Nazis verfolgten Juden gewesen, die gewaltsam im Völkerbundmandat Palästina eingewandert waren und 1948 gegen den Willen der britischen Besatzungsmacht den Staat Israel gründeten.
Nach mehreren Kriegen gegen die muslimischen Nachbarstaaten und vergeblichen Friedens- und Vermittlungsbemühungen diverser Nationen und Institutionen stehen sich Juden und Palästinenser immer noch unversöhnlich gegenüber. Dies entschuldigt den Terrorakt der Hamas nicht, aber ein blindes Draufhauen auf die Palästinenser wird den Konflikt garantiert nicht lösen können.
Mittlerweile sind im Gazastreifen dank der israelischen Bombenabwürfe sogar mehr Kinder und alte Menschen als beim Hamas Attentat vom 7 Oktober gestorben. Und wenn man als Wertewesten die Ukraine sogar mit Waffen unterstützt, dann sollte man sich zumindest im Gazastreifen für einen Waffenstillstand stark machen. Alles andere ist unglaubwürdig.
Bei etwas stärkeren Regen verließ ich das Café Momento und brauchte nun nicht mehr zu überlegen, einen kleinen Umweg über die Innenstadt zu fahren. Auf dem kürzesten Weg begab ich mich nach Hause, schneller als sonst radelte ich über den Asphalt. Nass wie ein Pudel erreichte ich endlich die heimischen Gefilde.
Unnötigerweise möchte ich noch erwähnen, dass der Regen kurz vor Ende meiner Fahrt aufgehört hatte und die Sonne wieder schien. Ist das der Indian Summer? Wohl eher nicht, deutscher Herbst ist angesagt. Sowohl beim Wetter als auch in der deutschen Außenpolitik: Es wird zunehmend kälter und dunkler.