Montag, 29. Januar 2018

Hartmudo: Jersey 8/x


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Witzigerweise befanden sich ganze Batterien von blauen Reisebussesseln in der großen Wartehalle für die Passagiere des Katamarans. Man könnte sie aber auch als Flugzeugsitze bezeichnen, so wie sie aufgestellt waren. In Dreierreihen hintereinander kommt augenblicklich ein richtiges Flugfeeling auf, obwohl die Stewardessen fehlten. Statt Saftschubsen gab es aber einen Imbissstand mit Sandwiches und Co – Donuts und Muffins nicht zu vergessen. An der Seite verkauften sie frisch gemachten Biokaffee. Wer so was braucht...
Bei dem Preis konnte es nur Biokaffee gewesen sein, den wir da in Form von 2 Cappuccino käuflich erworben hatten. Dazu kam, dass wir ungewohnt lange auf unsere To Go Becher warten mussten. Als wir uns nach Erhalt des heißen Getränks in eine der vielen Sitzreihen fallen ließen, konnten wir uns zumindest von dem Wohlgeschmack des Cappuccinos überzeugen.
Während wir so da saßen und die Atmosphäre in uns aufsaugten, regnete es draußen unaufhörlich. Zusätzlich brauchte der Kahn noch etwas Zeit, bevor er endlich ablegte. Den mittlerweile leichten Nieselregen konnten wir dann gut aushalten, wollten wir doch das Auslaufen aus St. Helier mitverfolgen. Bei weiterhin grauem Himmel ließen wir uns den nassen Wind um die Nase wehen.
Frisch war es da draußen an Deck, so dass wir uns bereits nach kurzer Zeit drinnen wieder aufwärmen mussten. Innen angelangt, gingen wir über eine breite Treppe, die sich in der Mitte des Decks befand, auf eine Empore. Dort befanden sich – wie überraschend – ebenfalls ganze Batterien der blauen Flugzeugsitze. Und eine Bar für den durstigen Säufer. Nein, nicht für mich. Kein Bier zu dieser frühen Stunde, erst abends war es Zeit, die Gerste frei zu lassen.
Also setzten wir uns wieder hin und warteten… dass der Duty Free Shop endlich öffnete. Die Mannschaft ließ sich nun wirklich reichlich Zeit mit der Öffnung des Ladens, aber irgendwann, fast schon am Ende der Überfahrt, war es dann endlich soweit. Voller Erwartung stürzten wir in den Laden, der sich kleiner als ein Aral Shop präsentierte. Das hielt meine Löwin und mich natürlich keineswegs davon ab, den Shop genauestens zu untersuchen. Es stellte sich jedoch heraus, dass die Preise denen in Deutschland ebenbürtig waren; und das, obwohl wir hier über einen zollfreien Einkauf reden. Egal ob Parfüm, Schnapps oder Schokolade: Diese Artikel gibt es auch in Deutschland zu kaufen.
Ausnahmen hiervon waren die verschiedenen Whiskey oder Gin; Cadbury Schoki und Basset Winegums sind zwar nett, waren aber bei Foodhall sicherlich nur geringfügig teurer, wenn überhaupt. Deshalb verließen wir den Shop unverrichteter Dinge nach kurzer Zeit wieder. Der Shop machte eh in Kürze zu, denn die Küste von Guernsey war schon in Sicht. Also gingen wir schnell raus an Deck, um den Einlauf in Guernsey zu beobachten.
Hafeneinfahrt Guernsey

Bei diesigem Wetter tauchte die Insel quasi aus dem Nebel auf. St. Peter Port ist das Zentrum der Insel. In diesem Ort leben die meisten Bewohner, hier läuft alles zusammen. Die Hafeneinfahrt wird von einem alten Kastell umarmt. Eine steinerne Mauer führt noch weiter aufs Meer hinaus, an der Spitze ist ein Leuchtturm. Und noch ein Unterschied zu St. Helier fiel uns sogleich ins Auge: Das Hafenbecken war voller Wasser und somit lagen hier auch die Yachten nicht auf dem Trockenen.
Kurze Zeit später verließen wir den Kahn; runde 8 Stunden würden wir jetzt auf Guernsey verbringen. Wir hatten uns bislang nicht wirklich einen Plan für diesen Besuch der Nachbarinsel von Jersey überlegt, da alles, was wir Sehenswürdigkeiten und Attraktionen im Reiseführer gefunden hatten, bei diesem Wetter einfach nicht durchführbar war. Selbstverständlich regnete es bei unserer Ankunft in Strömen.
Guernsey hat, ähnlich wie Jersey, nichts richtig Spektakuläres zu bieten. Museen über Waffen oder die deutsche Besatzung während des zweiten Weltkrieges wären eine Alternative, wenn unser Aufenthalt länger als 3 Tage gedauert hätte. Mehr als ein allgemeiner Rundblick war für uns eh nicht machbar gewesen, dies galt insbesondere für Guernsey. Und noch stärker als auf Jersey richtet sich das touristische Angebot in den Reisekatalogen an Radfahrer und Wanderer. Im Oktober diesen Jahres war das nicht angezeigt, was ich schade fand, da ich mir das vorher insgeheim gewünscht hatte.
Daher gedachten wir den Aufenthalt auf Guernsey zunächst im Bus zu verbringen. Dank der guten Erfahrungen mit Libertybus auf Jersey wollten wir uns hier in den Bus setzen und einmal um die Insel fahren. Mit Hilfe von Google und einem Prospekt bzw. Karte war der zentrale Busbahnhof von St. Peter Port schnell gefunden; einfach nur die Hafenstraße links vom Anleger weg und dann mit Kapuze vor der Stirn durch den Regen gehen.
endlich ein Foodhall

In unmittelbarer Nähe des Anlegers sichteten wir zu unserer großen Freude einen Foodhall, den wir auch sofort betraten. Meine Löwin brauchte noch etwas zu trinken für die bevorstehende Busfahrt, ein Päckchen Shortbread Fingers sollte eine Unterzuckerung vermeiden, da wir nicht wussten, wie lange die Fahrt um die Insel dauern würde. Dieser Foodhall war sehr übersichtlich sortiert. Kaum größer als ein Kiosk, aber wir hatten beim Verlassen des Ladens unsere ersten Guernsey Pfund vom Wechselgeld her in der Hand.
Die beiden Inselwährungen – Jersey Pfund und Guernsey Pfund – sind gegenüber dem britischen Pfund mit einem festen Wechselkurs gesegnet. Die Sinnhaftigkeit einer eigenen Inselwährung vermag sich mir deshalb nicht zu erschließen, aber die spleenigen Briten pflegen ihre Traditionen bekanntlich mit großer Begeisterung. Die Kanalinseln sind eben nicht Bestandteil von Großbritannien. Sie sind auch keine übriggebliebene Kronkolonie. Als Kronbesitz unterstehen sie direkt der Queen und sind auch nicht ein Teil der europäischen Union. Der damit verbundene, besondere Status und die Eigenschaft eines Steuerparadieses war der EU deshalb immer ein Dorn im Auge gewesen.

Dienstag, 23. Januar 2018

Hartmudo Spezial: Mutter


21
Wir Kinder saßen bei der Trauerfeier in der Nikolaikirche natürlich mit unseren Ehepartnern in der ersten Reihe. Krolls Mutter hätte ich sehr gern an meiner Seite gehabt, aber wir saßen hier ja quasi in einer öffentlichen Veranstaltung, in der die Formen einzuhalten sind. Niemand weiß das besser als Krolls Mutter, die sich im Hintergrund hielt.
Ich blickte genau in Richtung Flucht der Krypta. Durch die Kirchenfenster schien die strahlend helle Sonne des Spätsommers auf das Arrangement mit Mutters Sarg. Auf dem Boden um den Sarg hatte der Bestatter ein purpurnes Tuch drapiert. Verschiedene Kränze und eine Vielzahl von Kerzen waren stilvoll auf dem Tuch platziert.
Mutters Sarg stand leicht schräg auf der linken Seite. Im Vordergrund, also zur Trauergemeinde hin, hatte der Bestatter eine Staffelei mit einem Foto unserer Mutter hingestellt. Das ca. DIN A 4 große Foto zeigte Mutter im Alter von ungefähr 70 Jahren. Eine gute Wahl, denn auf einem Jugendfoto hätten sie die meisten der Anwesenden nicht erkannt. Und ein neues Foto, oder auch nur eines aus den letzten Jahren, wäre nicht wirklich schön gewesen.
Mit fast 93 Jahren (ein Monat fehlte zu diesem Geburtstag) sitzt die Haut halt auch nicht mehr so straff. Außerdem war Mutter nach dem Tod von Walter das Lächeln leider abhanden gekommen. Zusätzlich hatten wir uns ob Walters Tod zerstritten gehabt. Vielleicht hatte sie deshalb in meiner Gegenwart nicht mehr so richtig gelächelt. Jedenfalls sah sie mit 70 Jahren noch ziemlich frisch aus. Das war die Zeit, wo Vater gestorben war und sie Walter kennengelernt hatte.
Wie ich finde, ist das ein guter Kompromiss. Beide Männer, die ihr im Leben etwas bedeutet hatten, sind so irgendwie mit eingebunden. Bei der Predigt des Pastors kam dies nicht ganz so durch, da wurde nur erwähnt, das sie in Walter einen gleichgesinnten Gefährten zum Reisen in die Welt gefunden hatte.
Doch er war mehr als das. Ich glaube auch heute noch, das sie mit Walter ihre späte, aber große Liebe gefunden hatte. Anders als Vater war Walter ein pfiffiges Schlitzohr, wie ich ja beim Hickhack um die Beerdigungskosten und dieses leidige Testament, in dem er mich großspurig zum Nachlassverwalter bestimmt hatte und anschließend leider vergaß, mir mitzuteilen, das dieses Testament gar nicht gültig war, feststellen musste.
Wir hätten seine Wohnung im Augustinum nicht leerräumen dürfen und und und... Egal, Walter zeigte Mutter einiges von der Welt und sie hatten noch 2 glückliche Jahrzehnte zusammen. Außerdem war er ein kontaktfreudiger Mensch, ohne allzu extrovertiert gewesen zu sein. Also das genaue Gegenteil meines Vaters. Walter hatte die Eigenschaften, die Mutter in ihrer Ehe über 40 Jahre lang vermisst haben dürfte.
Der Pastor sprach die einleitenden Worte, danach griffen wir zu den Gesangsbüchern und sangen ein Kirchenlied mit Begleitung der Orgel. Und dann erzählte der Pastor den Lebenslauf von Mutter aus dem wenigen Begebenheiten, die wir Geschwister ihm 3 Tage vorher erzählt hatten. Doch er machte was daraus, er kriegte es gut hin.
Von der Kinderzeit erzählte der Pastor quasi nichts, ganz wenig aus ihrer Lehrzeit als Verkäuferin und etwas mehr aus ihrer Zeit bin Reichsarbeitsdienst in Berlin mitten im Krieg. Für die junge Frau war dies die erste Gelegenheit, aus dem provinziellen Holzminden auszubrechen. Ich denke, an diese Zeit in der Großstadt hat sie Zeit ihres Lebens gerne gedacht. Sie hatte immer so einen verträumten Blick, wenn sie von dieser Zeit berichtete.
Schön ist die Geschichte, wie sie dann Vater kennenlernte. Vater lag mit seiner Einheit, es muss wohl Anfang des Krieges gesehen sein, in Holzminden. Ein Kamerad von ihm brachte Mutter einen Zettel, in dem er darum bat, sich mit ihr treffen zu dürfen. Mutter stimmte zu, sie war wohl auch damals schon immer neugierig gewesen.
Auf einer Holzbrücke zum Soldatenlager auf der Weserinsel bei Holzminden haben sie sich dann wohl getroffen und Händchen gehalten. Ob es für beide die große Liebe war, weiß ich bis heute nicht. Jedenfalls kamen sie da zusammen. Die Hochzeit fand dann am 22. März 1945 unter widrigen Bedingungen statt.
Zu ihrer Hochzeit konnte Mutter wohl sogar Rosen organisieren, den Hochzeitsstrauss fand sie besonders schön, daran erinnerte sie sich immer gern. Aufgrund eines Bombenangriffes musste die Hochzeitsgesellschaft jedoch in den Wald fliehen. Vater lief sogar noch zurück, um Geschirr und das Essen in den Wald zu tragen, wo dann auch gefeiert wurde. Trotz der Umstände hatten meine Eltern im März 1945 eine schöne Hochzeit, meine Mutter meinte dies jedenfalls noch kurz vor ihrem Tod.
Lange konnten sich beide aber nicht aneinander erfreuen, da mein Vater nur kurz Urlaub von der Front bekommen hatte und Ende März wieder zu seiner Einheit, die da schon in Österreich lag, zurück musste. Der Zug wurde auf der Strecke angehalten und Vater wanderte für 4 Jahre in russische Kriegsgefangenschaft ans schwarze Meer.
Nur durch Zufall erfuhr Mutter später, was aus Vater geworden war. Irgendwie hatte ein Arzt im Lager Kontakt zu Mutter in Holzminden bekommen und schrieb sie an. Vater hatte Malaria bekommen und drohte zu sterben, da im Lager kein Penicillin zu bekommen war. Mutter organisierte dies in Holzminden vom Apotheker und schickte die Medizin in einem Paket ins Lager nach Rumänien. Nur durch das Penicillin blieb Vater seinerzeit am Leben. Diese Begebenheit zeigt mir deutlich, das Mutter für Vater seinerzeit auch Liebe empfunden haben musste.
Als Vater 1949 endlich aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause - also Holzminden - kam, war er erst einmal arbeitslos und musste zunächst in seinem erlernten Beruf als Schneider arbeiten, ehe er dann 1950 oder 51 beim Bundesgrenzschutz anfangen konnte. Er arbeitete letztendlich als Kontrolleur im innerdeutschen Zugverkehr.
Damit einher gingen mehrere Umzüge. Berta wurde noch in Holzminden geboren, Sunny danach in Lüchow-Dannenberg. Ich bin der klassische Nachzügler und wurde Jahre später in Helmstedt geboren, kurze Zeit später verzog meine Familie dann nach Braunschweig. Melverode blieb ihr Lebensmittelpunkt bis zum Schluss, sowohl für meinen Vater als jetzt auch für meine Mutter.
Ende der 60er, der kleine Hartmudo war gerade 8 Jahre alt geworden, fing Muttern wieder an zu arbeiten. Gegen den Willen meines Vaters übrigens, der sich aber nicht durchsetzen konnte oder wollte, wuckte sie abends im Kegelbären in der Küche. Es folgten über die Jahre mehrere Tätigkeiten, bis sie Ende der 80er Jahre in Rente ging. Da war sie schon seit mehreren Jahren bei Horten, das heute zu Galeria Kaufhof mutiert ist, gewesen.
Anfang der 70er Jahre ging es dann mit ihren Reisen los. Bis auf ganz wenige Ausnahmen kam mein Vater nie mit, Mutter fuhr zumeist allein. Bis heute bin ich immer noch stolz darauf, das Mutter der einzige mir persönlich bekannte Mensch ist, der sämtliche Erdteile besucht hat. Nord- und Südamerika, Tunesien, Kenia und Südafrika. Sie war in Australien, auch in China und Indien. Hatte ich Panama schon erwähnt? Von Europa rede ich da gar nicht mehr.
Und da kommt schließlich Walter ins Spiel. Der alte Vagabund und Genießer musste als Waisenkind aufwachsen und war später selbst kinderlos geblieben. Mein Vater war dagegen ein komplett anderer Typ gewesen, denn er wollte immer nur seine Ruhe haben. Stundenlang brütete er abends über seinen Lottoschein und ging dann noch mit unserem Cocker raus. Der Zigarrenraucher wollte auch nie mit meiner Mutter in den Urlaub mitfahren. Sein Kommentar dazu war immer: „Während des Krieges bin ich zu Fuß durch ganz Europa gelaufen, das reicht mir."
Wenigstens war er nicht wie Walter in der Waffen SS, aber wer weiß das schon. Weder Vater noch Mutter hielten es für nötig, ihren Kindern etwas aus dieser dunklen Zeit zu erzählen. Das bedauere ich bis heute, nein, das ärgert mich eher. Ihren Kindern haben die beiden damit wirklich keinen Gefallen getan. Denn zuhause galt das Motto: „Das ist halt so und aus." Bis heute haben wir drei deshalb Probleme, Sachen oder Begebenheiten zu hinterfragen, um Missverständnissen vorzubeugen. Da ärgern wir uns lieber grundlos schwarz.
Meine Schwestern und ich nehmen Tatsachen einfach so hin, wie sie uns erzählt werden. Meine Löwin ist jedes Mal wieder aufs Neue erstaunt, dass ich Hintergründe nicht hinterfrage, wenn mir z.B. ein Freund etwas von beruflichen Problemen erzählt. Oder wenn mein Arzt mir eine Diagnose stellt und anschliessend das Rezept schreibt. Warum, wieso - Hartmudo akzeptiert dies ohne Murren, so wie er es in seinem Elternhaus gelernt hatte.
Aber Anfang der 90er war ich froh, als Mutter nach Vaters Tod Walter kennengelernt hatte, denn ab diesem Zeitpunkt brauchte ich mich nicht mehr um das immer schlecht gelaunte Häufchen Elend zu kümmern. Sie blühte förmlich auf und lachte vor allem wieder, mehr als sie dies in ihrer Ehe getan hatte. Ohne Zweifel hatte sie mit Walter den wirklichen Mann ihres Lebens gefunden. Ihnen blieben mehr als 15 glückliche Jahre zusammen.
Meine beiden Schwestern hatten anfangs allerdings Vorbehalte. Sie hatten Angst, das „Mutter mit Walter das Erbe unseres Vaters durchbringen" würde. Berta verstand dabei erheblich schneller als Sunny, das diese Befürchtung absoluter Nonsens war. Schließlich war es eben nicht Vaters alleiniges Erbe, sondern ihr gemeinsames Vermögen gewesen, um das es ging. Mutter hatte uns 3 Blagen immerhin großgezogen, das hatten meine Schwestern kurzzeitig vergessen. Im Übrigen waren diese Befürchtungen ja haltlos, wie wir spätestens jetzt wissen.
Nach all den schönen Jahren mit Walter, ob auf Reisen oder im Sommer in seinem Haus in Steinhude, kam vor 3 Jahren der bittere Moment, als Walter verstarb. Dies und der anschließende Streit mit mir und meiner Löwin hatte sie verbittert gemacht. Auf meine Bitte hin ging sie zwar zum Altenkreis der Kirchengemeinde in Melverode, aber so richtig wohl fühlte sie sich dort nie.
Menschen waren ihr immer unwichtig gewesen, im Zweifelsfall galt dies auch für ihre Kinder. Aber genug davon, von Toten soll man nicht schlecht reden. Jedenfalls nicht bei der Beerdigung, und davon schreibe ich hier ja.
Als der Pastor mit der Lebensgeschichte unserer Mutter durch war, erklang „La Vie en Rose" von Edith Piaf in voller Länge. Das Lied hatte Sunny richtig ausgesucht, die Stimmung des Liedes passte perfekt. Meine Wenigkeit jedenfalls war voll ergriffen, doch weinen konnte ich trotzdem immer noch nicht. Im Zusammenhang mit der Beisetzung und der Haushaltsauflösung war noch einiges zu organisieren. Schließlich verhinderte meine Entfremdung von ihr nach der Nummer mit Walters Tod , dass ich die Trauer richtig ausleben konnte.
Nach einem weiteren Kirchenlied und dem Vaterunser war der Trauergottesdienst schließlich vorbei.

Donnerstag, 18. Januar 2018

Contramann: kurz gesehen im Januar

http://www.spiegel.de/sport/fussball/dfb-regionalliga-projekt-chinas-u20-kehrt-zurueck-nach-hause-a-1180405.html
Ja, so kann das gehen. Nach dem Eklat beim ersten Spiel der chinesischen U20 gegen einen Südwest Regionalligisten hatte der DFB die nächsten 3 schon festgelegten Spiele abgesagt, weil „der Verband Zuschauern nicht die freie Meinungsäußerung verbieten könne“. Wäre auch noch schöner, wenn irgendwelche grobschlächtigen Ordner den Protestlern ihre Tibet Fahnen einsammeln würden.
Insoweit richtig. Konsequenterweise sind die Chinesen daraufhin abgereist. Und lassen den DFB als Buhmann erscheinen. Warum der DFB die Spiele überhaupt abgesagt hatte, kann ich nicht nachvollziehen. Erst ist dem DFB die Ablehnung der Fans der Regionalligisten egal und sie organisieren diese unnötigen Spiele zuungunsten des FK Pirmasens, dann ziehen sie den Schwanz ein. Dumpfbacken, Dünnbrettbohrer!

http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/dieselgipfel-staatsversagen-kommentar-a-1180751.html
Ein sehr schöner Kommentar zum mittlerweile so genannten „Dieselgate“. Der Kommentator erinnert zurecht daran, dass die Politik es versäumt hatte, die Abgastests derart festzulegen, dass die ermittelten Werte auch der Realität des Straßenverkehrs entsprechen. Insofern nahm unsere Regierung, egal ob Schröder oder Merkel als Kanzler, die europaweit ca. 10.000 Toten als Folgeerscheinung überhöhter Werte an Stickoxiden billigend in Kauf.
Als bislang unrühmlichen Höhepunkt darf nun das Ergebnis des von Merkel großspurig ausgerufenen Dieselgipfels gelten. Damit die Automobilhersteller drohende Fahrverbote in 28 Städten dank der überaus hohen Werte vermeiden können, durften sie sich mit lächerlichen 250 Millionen Euro freikaufen. Allein die Gewinne von BMW, Mercedes und selbst VW zusammen sind vorletztes Jahr ca. 90mal höher gewesen.
Und dass die „Schummelsoftware“ jetzt großzügig und vor allem billig mit einer Softwarelösung beseitigt werden soll, ist eine Frechheit sondergleichen. Dass sich diese Regierung nicht schämt, dieses Desaster als Vermittlungserfolg zu verkaufen, ist ein noch größerer Skandal als der Dieselgate per se.
Als Krönung schmückt der Staat noch eine Milliarde für Elektrobusse und E-Taxen an die Gemeinden. Bis auf den E-Scooter der Post gibt es keine deutschen Anbieter in dem Marktsegment. Und so stürzen sich die deutschen Automobilkonzerne voll in die Entwicklung von Elektromotoren, wohl wissend, dass dies eine Inseltechnologie ist, aber vom Staat subventioniert wird.
Wer will denn die ganze Infrastruktur zum Aufladen der Batterien bereit stellen? Selbst wenn man nur für jedes 10. Auto einen Aufladeplatz bereit stellen müsste, vorausgesetzt, der Elektromotor setzt sich durch, fehlt dazu der Platz und die bereit zu stellende Energie … Kohle- oder Atomkraftwerke wären unverzichtbar.
Bloß weg mit diesen Idioten um Merkel und Schulz. Da frag ich mal im Supermarkt irgendeinen Kunden. Der macht das garantiert auch nicht schlechter.

http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-begraebt-die-republik-kommentar-a-1143564.html
Nichtskönner wie Merkel oder Schulz halte ich genau so schlimm wie Erdogan, der letztes Jahr auch im Fokus unserer staatstragender Medien stand. Erdogan hatte eine Volksabstimmung über eine Verfassungsreform veranlasst, um über eine Abschaffung der parlamentarischen Demokratie zugunsten einer Präsidialdemokratie abzustimmen. Dies, während 40.000 Menschen wegen der Beteiligung an einem (angeblichen?) Staatsstreich im Gefängnis sitzen und die Medien quasi gleichgeschaltet sind, da die kritische Meinung im Knast sitzt.
Das hört sich gruselig an, oder? Aber überlegen wir doch erst einmal. In diesem Spiegel Kommentar steht noch nicht einmal, warum die 40.000 im Knast sitzen. Und sicherlich gibt es für einen von Erdogan behaupteten Staatsstreich keinen Beweis, aber für das Gegenteil lassen sich auch keine näheren Anzeichen finden – in keinem staatstragenden westlichen Medium. Aber selbst wenn mir dies entgangen sein sollte, ist folgende Frage interessant.
Kann so etwas in Deutschland nicht passieren? Antwort: Doch! Staatliche Aggression nach einem erfundenen Angriff ist bekanntlich den Deutschen nicht fremd (Sender Görlitz 1939). Und eine Gleichschaltung der Medien gab es bislang nur unter den Nazis und in der DDR, so zumindest die offizielle Lehre. Allerdings ist die Meinungsvielfalt in unserer Republik mittlerweile wie in der Türkei auf der staatstragenden Meinung versammelt, da Springer und Bertelsmann hier ein Monopol errichtet haben und insbesondere Frau Merkel dies zur Steuerung der öffentlichen Meinung zu nutzen weiß. Oder wird die Kanzlerin von Liz Mohn und Friese Springer gelenkt, wie einige vermuten?
Das Verhalten der Polizei beim G20 Gipfel in Hamburg gibt zur Sorge Anlass, wenn auch keine 40.000 Menschen inhaftiert wurden. Da bleibt mir nur noch festzustellen: Wenn sich in Deutschland irgendein Idiot wieder einmal unlauterer Mittel a la Erdogan bedient, können wir alle froh, wenn dieser lediglich eine Präsidialdemokratie anstrebt. Schließlich haben die USA eine ebensolche Demokratie vor 240 Jahren errichtet. Und auch ein Trump ist kein Hitler.

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/tuerkei-referendum-das-merkwuerdige-wahlverhalten-der-deutschtuerken-kommentar-a-1143582.html
Dass die türkischen Wahlberechtigten in Deutschland sich bei diesem Referendum mehrheitlich für den Kurs von Erdogan entschieden hatten, halte ich auch für merkwürdig. Und es kann auch sein, dass viele Deutschtürken sich für Erdogan entschieden hatten, weil sie sich in Deutschland nicht willkommen fühlen.
Daraus zu schließen, dass die Integrationsbemühungen verstärkt werden müssen, halte ich dagegen für einen falschen Schluss. Denn Integration kann nur gelingen, wenn beide Seiten, Türken und Deutsche, dies wollen. Leider ist es aber so, dass religiöser Fanatismus in der 3. oder 4. Generation der Türken in Deutschland droht, hier Mauern aufzubauen. Und leider sind die bereits hier in Deutschland integrierten Türken nicht bereit, dies zu verhindern.
Also, Leute, macht mit. Gegen religiösen Fanatismus.

http://www.spiegel.de/spiegel/unispiegel/warum-analoge-besitztuemer-nicht-aus-der-mode-kommen-essay-a-1142937.html
In den letzten Jahren ist es in Mode gekommen, Medien wie Videos, Musik und Bücher in digitaler Form zu konsumieren. Die Unterhaltungsindustrie hatte sich davon neue Umsatzrekorde versprochen, doch Napster und Audiogalaxie für Musik und später Kazaa, emul und Bittorrent für Filme eröffneten den Konsumenten den Zugang zu den entsprechenden Medien zwar nicht legal, dafür aber umsonst. Mittlerweile bekommt man ja auch ebooks für lau im Netz.
Die Industrie hat weit über ein Jahrzehnt gebraucht, um auf das geänderte Konsumverhalten ihrer Kunden zu reagieren. Dank eines Abonnements per Netflix, Deezer, Amazon Prime oder Audible braucht der Kunde das Medium nicht mehr käuflich zu erwerben, Leihe und lediglich Konsum ist jetzt Pflicht.
Aber insbesondere bei Büchern, auch bei Musik in Form von Schallplatten, kommt es neuerdings zur Rückbesinnung auf alte, analoge Werte. Auch ich betrachte gerne die Bücher in meinen Regalen, statt vor dem Rechner zu sitzen und vor lauter ebooks nicht mehr zu wissen, was ich bereits gelesen habe und was nicht. Dekorativ ist es obendrein. Bei Musik sehe ich das anders, bei Videos auch.

https://www.facebook.com/markusbarth.de/posts/10155267408328214
Zum Abschluss des ersten Rundumschlags dieses Jahr noch mal schnell ein Kommentar eines Facebook Dussels. Vor kurzem hatte ich ja noch übers Amazon Bashing gelästert, jetzt der Link zu dem Post, der mich geärgert hat.
Eine Buchhandlung, auf die man sich verlassen kann. Qualifiziertes Fachpersonal… Träumerle. Und dass ein Buchhändler meine Daten nicht verkauft – wer das glauben möchte – bitteschön. Das mit dem DHL Boten stimmt, aber wenn ich extra für ein Buch in die Stadt fahren muss, dann kann ich mich auch beim Kiosk zur Paketausgabe anstellen.
Also, verehrter Facebook Dussel: Ein frohes neues Jahr und schlaf weiter.

Donnerstag, 11. Januar 2018

Contramann: Bash, Amazon, Bash!

Wie jedes Jahr an Weihnachten gibt es ein Amazon Bashing. Selbst auf den Nachdenkseiten. Ich als bekennender Amazon Käufer sehe das anders, bleibe aber trotzdem links. Brüder zur Sonne, zur Freiheit! Ok – here we go:
http://www.nachdenkseiten.de/?p=41662
Jetzt ist es soweit. Ein Beitrag von Jens Berger auf den Nachdenkseiten, mit deren Tendenz ich nicht übereinstimmen kann. Dass die Löhne für die Paketboten zu niedrig sind, einverstanden. Da bin ich voll bei Berger. Aber hier ist mal wieder die Politik gefragt. Und diese hat – wie spätestens seit Helmut Kohl üblich – in vollem Umfang versagt. Die vielen Ausnahmen vom Mindestlohn reizen die Logistikunternehmen, die erwünschten Gewinnmargen durch entsprechenden Druck auf die Mitarbeiter zu erzielen. Das gilt es abzustellen, da dürften Herr Berger und ich einer Meinung sein.
Im Übrigen organisiert Verdi jedes Jahr vor Weihnachten Streiks gegen Amazon, weil das Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht nach den Tarifen des Einzelhandels bezahlen will, sondern die Logistikbranche als maßgebend ansieht. Der Job als Packer bei Amazon ist sicherlich anstrengend; ich möchte so eine Arbeit auch nicht machen müssen. Überwachung der Mitarbeiter, wenig Pausen etc. Das ist im Lager bei Ikea oder XXXL Lutz aber auch nicht anders. Und da kommt keine Gewerkschaft auf die Idee, die Löhne der Lagerarbeiter an die der Verkäufer anzupassen.
Denn bei den Gewerkschaften wie auch bei Herrn Berger ist Amazon aufgrund der gelebten Steuervermeidung (alles legal – die Politik hat dies zu regeln) der Bösewicht, der am Ende hinter den unzumutbaren Arbeitsbedingungen bei den Paketdiensten steckt. Dabei wird vollkommen ausgeblendet, dass auch die Konkurrenz wie Otto oder Zalando oder oder oder die Preise der Paketdienste ohne Ende drückt. Und auch diese Unternehmen sehen zu, dass sie Steuern sparen. Das machen übrigens sämtliche internationalen Konzerne, nicht nur Amazon.
Am Ende singt Berger ein Hohelied auf den Einzelhandel. Dies kann ich nur als Versuch werten, den Leuten den Verzicht auf Bestellungen bei Amazon schmackhaft zu machen. Denn auch Herr Berger wird wissen, dass im gelobten Einzelhandel eine Fachberatung nicht mehr stattfindet, auch nicht mehr in der Fülle an Informationen wie bei Amazon möglich ist. Die Verkäufer im Buchhandel müssen sich zumeist selbst erst einmal im Internet schlau machen, das am besten gar noch bei Amazon, um überhaupt eine Beratung durchführen zu können.
Ganz ehrlich… Da kann man dann auch jeden hinstellen. Will man Verkäufer dann passenderweise nicht auch nach dem Logistiktarif bezahlen, wenn diese außer Dekorieren und Einsortieren keine weiteren Funktionen ausüben? Dazu ist der Job nicht so anstrengend wie der eines Packers bei Amazon. Das sollte evtl. doch vorhandene Unterschiede in der Qualität der Mitarbeiter bezüglich der Arbeitsanforderungen ausgleichen. Den Buchhändler, der sich im gesamten oder wenigstens Großteil des Sortiments auskennt, gibt es im Internetzeitalter nicht mehr. Wahrscheinlich hat es ihn in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts noch gegeben, aber seitdem… Absolut überbewertet, wenn ihr mich fragt.
Abgesehen davon muss sich der Käufer mindestens einmal zum nächstgelegenen Laden (zumeist in der Stadt) erst einmal hinbegeben, auch wenn eine telefonische Bestellung im Vorfeld machbar ist. Da reden wir über Fahrtkosten und selbstverständlich Umweltbelastung, wenn ich in mein Auto extra für ein oder zwei Bücher steige. Das halte ich nach wie vor nicht weiter für erstrebenswert. Die Chance des Einzelhandels, hier beim Buchhandel, liegt woanders.
Anstatt zu versuchen, wie weiland die Droschkenkutscher die Zeit anzuhalten, sollten sich Buchhändler spezialisieren, so dass sie wieder eine Beratung in einer Nische anbieten können. Hierbei zieht ein Laden dann besser als Amazon, weil man dort Gleichgesinnte trifft und sich austauschen kann. Die dadurch entstehende Kommunikation – womöglich in Verbindung mit Autorenlesungen – kann Amazon nicht bieten. Ein Cafe sollte auch integriert werden, Leseecken fallen mir spontan auch noch ein. Graff in Braunschweig ist da schon auf einem guten Wege, allein die Spezialisierung müsste noch ausgeprägter erfolgen.
Aber ich befürchte, hier geht es wie üblich nur darum, bestehende Pfründe zu sichern. Daher wird das Ladensterben von alteingesessenen Händlern weitergehen, bis nur noch Amazon und Co sowie einige Wagemutige mit einem vernünftigen Konzept überleben. Diese Entwicklung lässt sich auch nicht durch die fortgesetzte Dämonisierung von Amazon aufhalten. Je eher Verdi und auch Herr Berger dies begreifen, desto besser.
Allerdings wäre ich auch dafür, Steuerschlupflöcher für internationale wie nationale Konzerne zu schließen und die Arbeiter im Logistikgewerbe besser zu bezahlen. Dann darf das Paket auch ruhig 3,-€ mehr kosten, da bin ich dabei.

Montag, 8. Januar 2018

H Lecter: Onkel Hotte 12/x

12
Ruhig und entspannt saß ich also an der Theke dieser Kneipe, in der die ganze Zeit Rockmusik lief. Gerade so wie im Pano Zuhause. Der Gin Tonic schmeckte hervorragend und der Sound aus den Boxen wirkte auf mein Gemüt wie eine Massage nach stundenlangem Graben im Garten. Die gute Laune zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.
Stinkbesoffen war ich noch dazu. Daher kann es sogar sein, dass ich mir vor Betreten dieser Kneipe noch eine Rakete angezündet hatte. Es mag ebenso sein, dass mein debiles Grinsen die Blondine, welche fünf Meter neben mir saß, auf den Plan rief. Und obwohl Westernhagen an jenem Abend nicht gespielt wurde... „die Frau neben mir lächelte nett..."
Schnell kamen wir ins Gespräch und rückten näher zusammen. Ich hatte da offenbar eine waschechte Rockerfrau neben mir sitzen, die ihre Lederkutte nebst geschnürter Lederhose nicht lediglich zur Zierde trug. Während wir uns unterhielten, zog sich der langhaarige Rocker, der sich vorher mit ihr unterhalten hatte, dezent, aber sichtbar zurück. Sollte es sich bei ihm um den sogenannten besten Freund gehandelt haben?
Sein freundliches Lächeln, das wohl eher als Grinsen zu bezeichnen war, signalisierte mir dies jedenfalls. Wie die Blonde und ich nun genau ins Gespräch kamen, weiß ich natürlich nicht mehr. Bestimmt hatte ich ihr von dem geschlichteten Streit zwischen Wastl und Onkel Hotte erzählt. Und irgendwann hatte ich erwähnt, dass ich aus Braunschweig komme.
Die Blonde konnte da doch tatsächlich einhaken; Braunschweig sei ihr nicht fremd, war sie doch mit einem Rocker vom Hardcore liiert gewesen. Sie nannte mir garantiert dessen Namen, aber den Typen kannte ich nicht. Von jenem legendären Braunschweiger Motorradclub kannte ich lediglich zwei Citycarfahrer ganz gut, weil ich ja selbst drei Jahre lang nachts auf den Braunschweiger Straßen unterwegs gewesen war.
Natürlich kannte sie die beiden und so erzählten wir munter weiter über die Jahnstraße und diese Szenerie dort, in die ich in den 80er Jahren kurz reingeschnuppert hatte, ohne wirklich ein Teil dieser Szenerie gewesen zu sein. Was auch gut war, denn da waren wirklich einige richtig schräge Vögel unterwegs gewesen. So scherzten und lachten wir so vor uns hin; ja, ich begann mir sogar Hoffnungen zu machen.
Blondie erzählte mir, dass sie auf Granni als Prostituierte arbeitete und das Geld von den alten Säcken abziehen würde. Damals war ich selbst ja erst Mitte 30, fühlte mich also nicht als „alt" angesprochen. Stinkbesoffen wie ich war, versteifte ich mich gar zu der Ansicht, dass sich die Blonde für mich interessierte, weil ich doch so nett bin.
Wir schwooften dann noch ein wenig auf der Tanzfläche, was auch wesentlich angenehmer rüber kam als Tage zuvor bei Günther Siebert. Aber dabei kam ich nicht umhin, noch einmal auf den langhaarigen Rocker zu schauen, dessen Grinsen immer breiter wurde. Irgendwie beschlich mich das unangenehme Gefühl, dass es hierbei eher um die Anbahnung einer rein finanziellen Transaktion ging als um das zufällige Kennenlernen zweier Liebender.
Bilder von dunklen Hofeinfahrten mit mir als zusammengeklopptes Hähnchen auf dem Strassenpflaster kamen mir in den Sinn, ausgeraubt und fern der Heimat. Ihr mögt es paranoid nennen, aber ich trank schnell aus und verabschiedete mich mit einem langen Kuss, dann eilte ich nach draußen. Eigentlich war ich ja auch selber schuld; ich hätte bloß meine Hände bei mir behalten sollen als wild an ihr herumzufingern. Wir hätten einfach über Braunschweig gelabert und gut ist. Egal, ich schnappte mir ein Taxi und fuhr in unser Appartement im „Balkon" zurück. Das immer breiter werdende Lachen des langhaarigen Rockers begleitete mich bis zum Herniedersinken auf meiner Matratze.
Sehr lange hatte ich dann wohl nicht mehr gebraucht, um einzuschlafen. Eine Rakete startete ich dann nicht mehr, ich hatte auch so angenehme Träume. Überhaupt hatte ich an jenem Abend irgendwie schon erahnt, dass meine gar nicht mal so alten Kontakte in Salzgitter nicht so eng waren, wie ich seinerzeit gedacht hatte. Nach diesem Urlaub sollte es jedoch noch einige Zeit dauern, bis mir das endgültig bewusst wurde.

Freitag, 5. Januar 2018

Uncle Fester: grad gelesen noch Januar 2017

Alastair Reynolds – Enigma (Poseidon`s Children 3)
Auf gehts - noch ein paar Jahrhunderte später - mit dem (vorerst?) letzten Band. Satte 950 Seiten galt es diesmal zu bewältigen. Mittlerweile sind wir im Jahr 2640 angekommen. Reynolds arbeitet in dem Abschlussband der Triologie wieder mit zwei Handlungssträngen.
Kanu ist alt und weise geworden. Als Botschafter der vereinten Wassernationen auf dem Mars beginnt er seinen Handlungsstrang. Der zweite Strang startet auf Crucible mit Goma, der Tochter von Ndege, die sich auf Crucible zusammen mit ihrer Frau Ru um die letzten Tantoren kümmert.
Ausgangspunkt für beide Handlungsstränge ist aber ein Funkspruch des fernen Systems Gliese 163. „Schickt Ndege“ lautet die kurze Botschaft. Und sofort ist nicht nur dem Leser, sondern auch den entscheidenden Leuten auf Crucible wie den Maschinenintelligenzen auf dem Mars klar, dass diese Botschaft nur von Eunice, Chiku Grün und Dakota, einer Tantorin, die Ende des zweiten Bandes zusammen mit Chiku und Eunice entführt worden war, stammen kann.
Kanu und die anderen Botschafter untersuchen ein abgestürztes Raumschiff von Aktivisten, die den Mars von den Maschinenintelligenzen befreien wollen, da diese den Mars mittlerweile komplett übernommen haben. Die ursprünglich von June Wing kreierten KI können den Mars dank einer Blockade durch Kampfraumer der Erdflotte nicht verlassen.
Kanu stirbt bei diesem Attentat, kann aber nicht zuletzt dank der Hilfe von Swift, einer Maschinenintelligenz, die sich gern als englischer Adliger mit Zylinder manifestiert, wieder ins Leben zurückgeholt werden. Geschickterweise integrieren die Maschinenintelligenzen Swift im Gehirn von Kanu, so dass sie nun erstmals außerhalb des Mars aktiv werden können.
Dieser weiß nichts von seinem Glück und fliegt auf die Erde nach Lissabon, um dort seine Exfrau Nissa wiederzutreffen. Nissa ist Kunstexpertin und forscht nach Kunstgegenständen von Sunday Akinya, die im 27. Jahrhundert endlich als Künstlerin berühmt wurde, was ihr zeitlebens missgönnt war. Kanu und Nissa finden schnell wieder zusammen.
Nissa will auf dem Jupitermond Europa Skulpturen von Sunday erwerben und nimmt Kanu mit. Dieser wiederum erfährt durch Swift von der kurzen Botschaft und nutzt diese Möglichkeit, um ein altes Raumschiff der Akinyas zu erhalten, welches dort vom Markgraf, einem Warlord in dieser wunderschön geschilderten Umgebung einer Unterwasserwelt, aufbewahrt wird. Dieses Schiff ist mit einem ultramodernen Chibesa Antrieb ausgestattet; Damit plant Kanu, die Reise nach Gliese 163 anzutreten.
Doch da die Erdstreitkräfte Kanu wegen Swift als Bedrohung ansehen, greifen sie Markgraf an, während sich Kanu mit Nissa entzweit. Kanu flieht mit der „Eisbrecher“ von Europa und nimmt Kurs auf Gliese 163. Markgraf erweist sich als Ehrenmann und bringt die auf Kanu extrem saure Nissa vor den Erdstreitkräften in Sicherheit - auf der Eisbrecher. Kanu und Nissa bleibt nur, sich für die jahrhundertelange Reise in den Tiefkühlschlaf zu begeben.
Die Botschaft war ja eigentlich an Ndege auf Crucible gerichtet. Doch Ndege ist seit 100 Jahren in Ungnade gefallen und steht unter Hausarrest, weil sie bei der Erforschung des Mandalas von Crucible einen Unfall verursacht hatte, der 400.000 Siedler das Leben kostete und die Überreste der Sansibar auf eine Reise ins Ungewisse schickte. Zum Glück konnte ihr Bruder Mposi sie vor dem Mob beschützen, da er als Diplomat die entsprechenden Kontakte spielen ließ.
Aufgrund der Botschaft und dem sanften Druck durch Mposi rüstet die gefestigte Gemeinschaft von Crucible, die den Planeten zivilisieren konnte, eine Expedition nach Gliese 163 aus. 54 Plätze hat das Raumschiff; Mposi ist selbstverständlich mit an Bord. Für die an und für sich gerufene Ndege, die zu alt und gebrechlich geworden ist, fliegt ihre Tochter Goma mit. Deren Ehefrau Ru ist ebenfalls mit von der Partie und wird eine tragende Rolle in diesem Roman einnehmen.
Goma wie Ru hatten sich um die Nachfahren der Tantoren und Elefanten der Sansibar gekümmert. Diese werden von Generation zu Generation dümmer, so dass sich die über Jahrhunderte erreichten Erfolge einer Förderung der Intelligenz von Elefanten verflüchtigen. Ebenfalls mit an Bord der „Travertine“ sind aus Gründen der Homogenität Kritiker einer Ausbreitung der Menschen im Weltraum namens „die zweite Chance“.
Mposi vermittelt während der Reise zwischen der Kapitänin Gandhari Vasin und dem Anführer der Ausdehnungsgegner namens Korsakow. Mposi befürchtet, dass ein Anschlag oder Sabotage den Erfolg der Travertine verhindern soll. Ehe er jedoch den Saboteur ausfindig machen kann, wird er ermordet. Grave, ein Vertrauter von Korsakow, wird trotz Beteuerung seiner Unschuld für schuldig befunden und zwangsweise in den Tiefschlaf versetzt.
Als die Travertine nach einem Jahrhundert Gliese 163 erreicht, treffen sie dort eine ganze Armada von Wächtern an, die den Wasserplaneten Poseidon in großer Entfernung beobachten. Auf dem vollständig mit Wasser bedeckten Poseidon ragen riesige Räder aus dem Wasser heraus, die offenbar auf dem Meeresboden stehen. Um den Planeten sind mehrere Monde aus dem gleichen Material platziert. Es handelt sich um die Hinterlassenschaft der M Baumeister, M wie Mandala.
Beim Anflug auf Poseidon wird die Travertine von den Monden fast zerstört und rettet sich auf den Planeten Orison, weil die Besatzung einen Funkspruch von Eunice von dort auffangen konnte. Eunice war einst mit Chiku und Dakota ins System Gliese 163 gebracht worden. Und auch die Reste der Sansibar befinden sich im Asteroidensystem in der Nähe. Doch nachdem Chiku verstorben war, übernahm wohl Dakota die Kontrolle auf der Sansibar und tötete lt. Eunice die Menschen auf dem Schiff. Lediglich die meisten Siedler, die immer noch im Tiefschlaf liegen, könnten eventuell noch wiedererweckt werden. Eunice rettete sich mit 6 treuen Tantoren ins Exil auf Orison und hatte den Funkspruch abgesetzt.
Als Dr. Nhamedjo Ru ein Virus spritzt, um die Tantoren zu töten, klärt sich endlich die Identität des Saboteurs auf. Dr. Nhamedjo bezahlt seine Tat mit dem Leben, aber auch 2 Tantoren müssen dran glauben. Grave wie auch Korsakow sind damit rehabilitiert, spielen aber im weiteren Verlauf der Geschichte keine Rolle mehr. Reynolds wirft damit die Charaktere förmlich weg. Er hat ja auch genug tragende Figuren zur Verfügung, aber ich hätte mir da mehr von der „zweiten Chance“ erhofft.
Derweil haben Kanu und Nissa das Wrack der Sansibar erreicht und werden von Dakota unter Druck gesetzt, einen Transporter zur Landung auf einem der Räder auf Poseidon umzubauen. Dakota droht damit, die noch im Tiefschlaf befindlichen Menschen zu töten, falls Kanu nicht kooperiert. Kanu wie auch Swift versuchen sich zwar zu widersetzen, aber Dakota ist einfach zu schlau.
Denn Dakota wurde von den Wächtern mit einer nochmals verstärkten Intelligenz ausgestattet. Auch Eunice wurde von den Wächtern nach der Entführung optimiert. Aus dem Roboter machten sie ein menschliches und unsterbliches Wesen aus Fleisch und Blut. Von Chiku Grün wird im Roman nur kurz berichtet, dass sie sich um die Tantoren gekümmert hatte und sich gegen eine Optimierung durch die Wächter sträubte. Lapidar wird nur noch erwähnt, dass sie irgendwann stirbt. Und wieder wirft Reynolds eine tragende Figur einfach weg. Schade.
Die Wächter stellen sich als Maschinenintelligenz heraus, die so intelligent sind, dass sie ihr Bewusstsein verloren haben und deshalb von den M Baumeistern geschnitten werden. Wobei die Räder auf Poseidon wie auch die Monde lediglich ein automatisiertes Verteidigungssystem darstellen. Die M Baumeister selbst haben sich wohl in einem nicht näher bezeichneten Raum zwischen den Universen zurückgezogen.
Denn das Universum ist vergänglich. Kanu und Nissa wird das „Grauen“ beim Anflug auf Poseidon vermittelt. Die M Baumeister waren der Meinung, dass alles vergänglich und deshalb ohne Bedeutung ist. Religion, Kinder… Bauwerke – alles ohne Bedeutung. Und Kanu glaubt das auch noch! Dies ist eine Schwäche dieses Zyklus: Das die wohl am höchsten entwickelten Intelligenzen des Universums so einen Schmarrn als letztendliche Weisheit verkaufen, ist mir zu billig. Nissa kann Kanu zwar vom Gegenteil überzeugen, aber allein dass Reynolds dies als als Motivation der über die 3 Bände als geheimnisvolle Instanz hinter den Kulissen wirkenden M Baumeister verkauft, ist dann doch etwas mau.
Jedenfalls landen, nein stranden Kanu, Dakota und Nissa auf Poseidon in der Nabe eines Rades und müssen von Eunice, Goma und Ru gerettet werden. Dakota stellt sich doch noch als guter Charakter heraus, stirbt aber während der Rettungsaktion. Hektor ist dann der einzig überlebende Tantor aus der Gruppe um Dakota, die über ein Jahrhundert eine stabile Zivilisation von Tantoren auf der Sansibar geleitet hatte.
Denn Eunice hatte vorher noch das Mandala im System aktivieren können dank der Codes, die sie von Ndege entliehen hatte. Die Mandalas sind wohl über das gesamte Universum verteilt und bilden ein Netzwerk von Transportern. Während Nissa am Ende im Sterben liegt, opfert sich Eunice, um die fast sterbende Ru zu retten. Ru und Goma sind am Ende zur Erde über Crucible unterwegs, um das Herz von Eunice zum Anfangspunkt der Story zu bringen: Der Farm der Akinya am Kilimandscharo.
Doch sie kommen nur bis Crucible. Dort ist nochmal ein Jahrhundert vergangen und Goma wie Ru sind dort fremd, werden aber zur Betreuung der überlebenden Tantoren von Orison und Hektor benötigt. Kanu macht sich auf den Weg zur Erde. Mit Nissa, die er dort von den Ärzten zu retten hofft und dem Herz von Eunice.
Die letzten 4 bis 5 Seiten gehören dann der Sansibar und Dakotas Vertreter Memphis, der die Tantoren dort trotz aller Widrigkeiten an einem unbekannten Ort anführen wird. Ein sehr schlampiges Ende meiner Meinung nach; das Ganze schreit nach einer Fortsetzung. Die kommt aber wohl nicht, so dass ich annehme, dass sich Reynolds am Ende einfach in der Story verrannt hatte und den Ausgang nicht fand. Schön und spannend zu lesen war es allerdings, Reynolds kann Geschichten ja auch packend erzählen.
Dem Autor werde ich daher treu bleiben.

Mittwoch, 3. Januar 2018

Uncle Fester: grad gelesen Januar 2017

Alastair Reynolds – Duplikat (Poseidon`s Children 2)
Wir befinden uns im Jahr 2365. Bindeglied zwischen den zwei Handlungssträngen ist Chiku Akinya, die Tochter von Sunday und Jitendra. Chiku hatte sich in jungen Jahren selbst geklont; Seitdem existieren Chiku Grün, Chiku Gelb und Chiku Rot gleichberechtigt nebeneinander. Ein Original gibt es nicht mehr.
Während Chiku Gelb weiterhin auf der Erde mit ihrem Freund Pedro lebt, hat es die beiden Anderen ins Weltall verschlagen. Chiku Rot hatte sich ein Raumschiff mit dem neuen Chibesa Antrieb geschnappt, um ihrer Urgroßmutter Eunice, die nicht wirklich verstorben war, ins All zu folgen. Hierzu wird gleich zu Beginn des Romans erwähnt, dass Chiku Rot das Schiff von Eunice gefunden hatte; jedoch war Eunice im Tiefkühlschlaf endgültig gestorben. Chiku Rot schafft es zwar zurück zur Erde, ist augenscheinlich aber selbst verstorben.
Bleibt noch Chiku Grün. Diese ist auf einem der riesigen Holoschiffe nach Crucible im System 61 Virginis f unterwegs. Die Auswandererschiffe beherbergen jeweils an die eine Million Menschen und sind bereits seit 200 Jahren unterwegs. Chiku Grün ist eine Repräsentantin des Parlaments auf dem Holoschiff Sansibar und mit Noah verheiratet. Ihre Kinder Ndege und Mposi werden im abschließenden dritten Band eine große Rolle spielen.
Wie der erste Band startet Duplikat gemächlich. Die Geschichte um Chiku Gelb ist sehr unspektakulär, um nicht zu sagen langweilig zu nennen. Es beginnt damit, dass sich Mecufi, ein Repräsentant der vereinigten Wassernationen, an Chiku wendet, um ihr eine Schachtel mit Motiokugeln zu überreichen. Diese Kugeln setzen beim Zerbrechen Nanomaschinen frei; sie dienen aber hauptsächlich dazu, emotionelle Eindrücke von Personen zu vermitteln, die dadurch z.B. den Wahrheitsgehalt von Erklärungen etc. verifizieren können.
Die letzte Kugel dieser Box wird am Ende des Romans eine wesentliche Rolle spielen. Mecufi ist darüber hinaus in der Lage, Chiku beim verloren gegangenen Kontakt zwischen ihren einzelnen Inkarnationen zu helfen, bzw. zu Chiku Grün, da Rot (vorerst) als tot gilt. Im Verlauf der Handlung ergibt sich auch eine Annäherung zu ihrem Sohn Kanu, der sich in jungen Jahren den Wasserbewohnern angeschlossen hatte und mit seiner Mutter eigentlich nichts zu tun haben wollte.
Chiku sucht June Wing, eine alte Freundin von Jitendra und Weggefährtin von Arethusa / Lin Wei auf der Venus auf, um ihr von Arachnes falschen Meldungen über Crucible zu berichten; dies hatte sie von Chiku Grün erfahren. Chiku Gelb sucht und findet dort Aufzeichnungen von Okular über Cruncible, die nicht von Arachne manipuliert worden waren. Es zeigt sich, dass 22 ominöse künstliche Objekte um Crucible schweben und das voraus gesandte Roboter von Arachne keine Städte für die Siedler auf Crucible gebaut haben. Stattdessen ist dort das Mandala, ein riesiges stählernes Bauwerk, zu sehen.
Drohen den Siedlern der Sansibar und den anderen Holoschiffen dort ungeahnte Gefahren? Chiku Gelb jedenfalls hat es im Sonnensystem im Verlauf der Handlung nicht einfach. Sowohl auf der Venus als auch später auf der Erde am Kilimandscharo wird sie von Arachne verfolgt und fast getötet. Pedro fällt bei einer Flucht in den Weltraum einem Attentat zum Opfer.
In den Folgejahren kann Chiku Rot dank der Hilfe von Mecufi gesunden und fast wieder normal leben. Auch Kanu söhnt sich mit Chiku Gelb aus; am Ende – im Jahr 2463 – öffnet Chiku Gelb in der Schlussszene des Romans die letzte Motiokugel. Deren Inhalt ist ein Virus, der den gesamten Mechanismus der Erde und damit Arachne auf Erden zerstört.Auch Chiku Gelb kommt dabei um. Ab diesem Zeitpunkt sind die Menschen des Sonnensystems vom Schutz der allgegenwärtigen Maschinen befreit.
Im Roman springt die Handlung selten von Chiku Gelb zu Grün; Immer nur dann, wenn eine ihre Erfahrungen an die andere per Funk versenden kann. Die spannende Frage während des Romans bleibt, welches Geheimnis sich auf Crucible verbirgt. Aber auch sonst ist die Situation auf der Sansibar nach 2 Jahrhunderten nicht entspannt.
Die Siedler sind einst losgeflogen, ohne überhaupt zu wissen, wie sie ihre Holoschiffe abbremsen können, um nicht an Crucible vorbeizurauschen. Um das Problem in den Griff zu kriegen, führt Travertine, ein ehemaliger Freund von Chikus Familie, heimlich Experimente mit der Chibesa Physik, bei der ein kompletter Bereich (Kaverne) von Sansibar zerstört wird. Es bleibt für den Leser unverständlich, warum sich die Siedler nicht intensiv mit dem Problem des Abbremsens beschäftigt hatten. Die vagen Erklärungen, die Reynolds da anbietet, können nicht wirklich überzeugen.
Travertine wird hierfür mit dem Entzug von Verjüngungsmaßnahmen bestraft; er altert als Einziger, ist aber bis zum Schluss noch am Leben und wesentlich am letztendlichen Erfolg der Landung auf Crucible beteiligt. Vorher jedoch entdeckt Chiku bei der Untersuchung der von Travertine zerstörten Kaverne eine zusätzliche und geheime Kaverne, in der das Konstrukt von Eunice lebt und sich um eine Herde von Tantoren, den intelligenten Nachfahren der Elefanten aus dem ersten Band, kümmert. Eunice gibt den entscheidenden Anstoß zum Bau eines Raumgleiters, welcher dank eines verbesserten Chibesa Antriebs der Flotte von Holoschiffen gen Crucible vorauseilt.
Mit an Bord sind selbstverständlich Chiku Grün und Travertine. Die 22 ominösen Gebilde stellen sich als „Wächter“ einer maschinellen Aliengesellschaft heraus, die dort seit Jahrmillionen ausharren und nach anderen Maschinenintelligenzen Ausschau halten, um diese in ihrem uralten Kampf gegen die „Organischen“ zu unterstützen.
Am Ende sind diese Aliens gar nicht so unbarmherzig. Chiku kann mit den Wächtern eine Besiedelung des Planeten durch die Siedler aushandeln. Dafür muss sie sich zusammen mit Eunice und den Wächtern in die Tiefen des Alls ins Ungewisse begeben. Der Part von Arachne auf Crucible bleibt dagegen dort und ist vorerst auch nicht von der Auslöschung wie auf der Erde bedroht. Und enttäuscht, dass er von den Wächtern verschmäht wurde.
Chiku entzweit sich zwischendurch noch mit ihrem Mann und den Kindern, das passte hier jetzt nicht mehr rein. Auch der zweite Band ist insgesamt lesenswert, obgleich ich mich immer noch frage, ob 800 Seiten wirklich sein mussten.

Montag, 1. Januar 2018

Hartmudo: MS Johannes Brahms 2/2

Jeder von uns nützte somit die Zeit nach dem Frühstück für sich, da wir ja ansonsten ständig zusammen waren. Obwohl das für Bud nicht so zutraf, da er wegen seiner Schmerzen im Knie nur am ersten vollen Tag in Mainz mit an Land ging. Und dies auch nur für 200 Meter, dann musste er mit schmerzverzerrtem Gesicht umkehren. er blieb deshalb nach dem Frühstück eigentlich immer in der Kabine. Das habe ich jetzt notgedrungen vereinfacht dargestellt, um den Bericht nicht zu sehr zu zerfasern.
...der Geist des Weines!
Am ersten Tag machte Berta in Heidelberg den obligatorischen Stadtrundgang mit den anderen Passagieren noch mit, danach ersparte sie sich das. Es war aber auch besser, die Städte auf eigene Faust zu erkunden. Definitiv. So erlebten wir, das heißt meine Löwin, Berta und ich, die Weihnachtsmärkte und die Stationen dieser Reise - Heidelberg, Mainz, Rüdesheim und Koblenz - auf eigene Faust.
Aber Gemach, vor diesen Stadtgängen gab es noch das mittägliche Buffett an Bord, bei dem ich mich an dem Salat abarbeitete. Vielleicht nahm ich noch eine Scheibe Baguette mit Butter dazu, aber zu mehr ließ ich mich nicht mehr hinreißen, schließlich gab es abends auch noch reichlich zu essen. Erst nach diesen mittäglichen Snacks ging es an Land, wobei sich Bud dann regelmäßig in seine Kajüte zurückzog.
An vier Nachmittagen waren wir also in diesen Städten unterwegs. Wir gingen dort jedes Mal über die Weihnachtsmärkte, schauten uns aber außer in Rüdesheim auch in den Shopping Arealen der Gemeinden um. In Rüdesheim gab es das allerdings nicht; das Städtchen war tatsächlich ein einziger Weihnachtsmarkt.
Das Abendessen wurde so gegen 19.00 Uhr serviert. Vereinzelt waren wir aber auch schon kurz nach 17.00 Uhr zurück und griffen dann in der Bar zu Kaffee und Keksen. Am Sonntag in Rüdesheim waren wir sogar um 16.30 Uhr wieder an Bord, damit wir ja nicht das Adventssingen verpassten. Die Szenerie während jener Veranstaltung fand ich dermaßen ätzend, das ich laut mitgröhlte, bloß um die Singerei zu stören. Allein… es gelang mir nicht.
Abends gab es dann ein jeweils hervorragendes 3 Gänge Menü. Vorsuppe, Hauptgang und Dessert, welches bei mir immer aus einer kleinen Käseplatte bestand. Dazu hämmerte ich mir jedes mal zwei bis drei Halbe Veltins rein, auf das der Abend beginnen möge. Nach dem Essen gingen wir in die Bar, um dort Karten zu spielen. Während dieser Reise blieben wir passig beim Schwimmen, obwohl wir auch noch andere Spiele dabei hatten.
das Tor zu Rüdesheim

Daneben gab es – außer dem unsäglichen Singen – noch verschiedene Animationen in der Bar. So gestalteten die Kellner und Zimmermädchen an einem Abend ein durchaus ansprechendes Showprogramm mit Gesang und Tanz, andere lustige Spiele sollten die Stimmung anheben. Positiv blieb mir da aber nur das Bingo in Erinnerung; das Tanzen nach der Musik des polnischen Pianisten war dagegen überflüssig und wurde von uns ignoriert; Dreißig Einhalb waren beim Schwimmen das wichtigere Ziel.
Irgendwann an jedem Abend hatte ich mich am Veltins abgearbeitet, auch meine Löwin und Berta genossen die Cocktails des Tages. So nach 22.00 Uhr war es Zeit für die Kajüte. Dort schauten meine Löwin und ich noch ein wenig fern, bevor sie einschlief und ich noch ein paar Seiten meines Buches durchblätterte. Anzumerken bleibt noch, dass ich trotz der schmalen Koje alle 4 Nächte sehr gut pennen konnte.
Da bleibt mir abschließend nur noch der Blick auf die 4 Weihnachtsmärkte. Zusammengefasst kann ich sagen, dass bis auf Rüdesheim die Märkte in Mainz, Heidelberg oder auch Koblenz nicht wirklich lohnend sind. Entweder handelte es sich um jeweils eine Vielzahl von kleineren Märkten oder aber eine lose Aufreihung verschiedener Marktbuden in der Fußgängerzone, so besonders schrecklich in Koblenz. Da kann ich genauso gut in Lebenstedt meinen Glühwein oder besser noch Eierpunsch trinken.
Überhaupt war Eierpunsch unser bevorzugter Drink auf diesen Märkten. Wo der Weihnachtsmarkt langweilig war, begaben wir uns in die Geschäfte und schauten uns dort um. Das ich mir gleich in Heidelberg eine neue Winterjacke im Ausverkauf zugelegt hatte, war dem widerspenstigen Reißverschluss meiner schönen, in Heiligenhafen erworbenen Jacke geschuldet. Die Jacken im Mountain Warehouse waren aber auch derart gut, dass sich meine Löwin ebenfalls eine Jacke aussuchte.
Wie schon erwähnt war Rüdesheim die Topadresse der ganzen Landgänge. Nicht nur in der Drosselgasse steigerten sich die Buden und Sonderstände der einzelnen Geschäfte in eine stimmige Atmosphäre hinein. Meine Löwin und Berta fanden hier ausreichend Gelegenheit zum Stöbern, während ich einen Apfelpunsch mit Whiskey genoss. Dies war besonders schön, da es sich bei dauerndem Schneefall unter einer der vielen aufgebauten, offenen Holzhütten gut aushalten ließ. Derart stimmig und entspannt möchte ich den Braunschweiger Weihnachtsmarkt auch mal erleben, dann gehe ich dort mal wieder hin.
Wir gönnten uns in einem Cafe noch eine Rüdesheimer Schokolade, die uns am Tisch von der Bedienung zubereitet wurde. Dazu erzählte sie noch einiges zur Entstehung dieser Spezialität. So muss das sein. Rüdesheim und Asbach gehören einfach zusammen.
Man sieht nichts, aber der indonesische Kellner war gut
Absolutes Highlight des ganzen Urlaubs war für mich aber das Areal der Finnen. Der Markt in Rüdesheim stand insgesamt unter dem Motto „Markt der Nationen.“ Die Finnen boten hier in einem Hof ein besonders großes wie schönes Gebiet an. Ob Rentierburger oder Strickpullover, hier vertickten sie alles Mögliche, was man mit Finnland so verbindet.
Ich selbst bin ja bekanntermaßen ein Liebhaber des finnischen Glöck. Der schmeckt mit Finnlandia schon gut, aber der Likör namens Rentierblut hatte 60 Umdrehungen und war deshalb die logische Wahl. Mintuu ist ein finnischer Spirituosenhersteller, der hauptsächlich (Überraschung!) Minzliköre produziert. Der mit 50% war ganz lecker und schmeckte sogar meinen beiden Begleiterinnen. Rüdesheim war auf alle Fälle sehr schön, da würde ich gern noch einmal hinfahren, zumal nur dort ein Beiprogramm mit Livemusik auf einer Bühne geboten wurde. Das Duo in der Machart von Rosenstolz war wirklich gut.
So positiv wie sich meine Schilderung über diese Reise auch anhören mag, aber ich möchte sie nicht noch einmal mitmachen. Denn außer Rüdesheim waren die Märkte nicht wirklich sehenswert. Hinzu kommt, dass die gezwungene Weihnachtsstimmung unter den Passagieren mir auf den Senkel ging. Die Dänen waren da wenigstens noch lustig dabei. Aber damit zum Schluss keine Missverständnisse aufkommen: Ich bereue diese Reise nicht, da ich jetzt wenigstens weiß, warum ich solche Touren nicht mag.
Am besten Ihr macht so eine Fahrt selbst einmal mit.