Samstag, 26. Februar 2022

Uncle Fester: grad gelesen Februar 2022

Adrian Tchaikovsky - Die Kinder der Zeit
Laut Werbung ist Tchaikowsky der neue britische Stern am Science-Fiction Himmel. Mit diesem Roman gewann er den Arthur C. Clarke Award und hat auch einen spannenden Page Turner aufs Papier gebracht, doch da das Ende mich an einen Roman von John Brunner erinnert, halte ich die Begeisterungsstürme für verfrüht.
Die Menschen in der Zukunft haben den Planeten Erde richtig heruntergewirtschaftet, hatten es aber noch hinbekommen, Terraforming-Projekte in anderen Sonnensystemen anzuschieben. Als Einleitung startet die Story mit Doktor Avrana Kern, die auf dem weit entfernten Planeten Eden das dementsprechende Projekt leitet und dort zusätzlich Affen aussetzt, die Sie mithilfe eines Virus zu einer höheren Intelligenz entwickeln lassen will.
Doch leider sind es Ökoterroristen, die sowohl auf der Erde als auch bei Kerns Projekt eine Katastrophe auslösen. Auf der Erde bricht die Zivilisation zusammen und auf Eden übernehmen Spinnen und Ameisen statt der Affen den Virus und bauen eine Zivilisation auf.
Die Handlung des Romans setz hunderte von Jahren später ein, als die wieder erstarkte und doch zum Untergang geweihte Menschheit mit einer letzten Arche namens Gilgamesch vor Eden auftaucht, um dort den Fortbestand der Menschheit zu sichern. Die nun über tausende von Jahren spielende Story verläuft in zwei Strängen.
Zum einen die Evolution der Insekten auf Eden, zum anderen die letzten Menschen auf der Gilgamesch. Bei den Insekten tauchen über die Epochen immer dieselben 3 Namen auf: Portia, Bianca und Fabian. Befeuert durch das Virus verläuft die Evolution der Spinnen so ähnlich wie die der Menschen, jedoch realistischerweise mit artgerechten Abweichungen.
So muss sich ein Fabian die Emanzipation im Matriarchat der Spinnen erst erkämpfen. Dabei werden die Spinnen die ganze Zeit von Doktor Kern, deren vergänglicher Körper eine Symbiose mit dem Computersystem ihres Satelliten eingegangen ist, gefördert.
Die mittlerweile geisteskranke Wissenschaftlerin will ihre Schöpfung vor den Menschen der Gilgamesch schützen und jagt diese dank überlegener Waffentechnik fort. Die letzten Menschen sollen ihr Glück bei einem weiter entfernten Terraforming-Projekt versuchen.
Bei den Menschen sind der Historiker Holsten, die Leiterin der Technik Lain, Missionskommandant Guyen und Sicherheitschef Karst von der Kernmannschaft die hauptsächlichen agierenden Personen.
Nachdem die Besatzung der Gilgamesch feststellen musste, dass der Ausweichplanet unbewohnbar ist, dreht Guyen durch, verbindet sich ähnlich wie Dr. Kern mit dem Computer und etabliert auf dem Rückweg zu Eden ein Diktatur mit ihm als Gott. Zwar können Lain und Holsten ihn stoppen, aber die Gilgamesch kommt trotzdem auf der letzten Rille im System von Eden an.
Karst, der inzwischen die Befehle auf dem Schiff verteilt, ist auf eine Konfrontation mit den Spinnen aus. Holsten startet vergeblich einen letzten Versuch, mit Doktor Kern einen friedlichen Ausweg zu suchen. Am Ende besiegen die Spinnen die hoffnungslos unterlegenen Menschen, töten sie aber nicht, sondern pflanzen Ihnen einen Virus ein, der ihnen die Aggressivität nimmt.
Denn anders als die menschliche Natur versuchen die Spinnen, ihre Gegner nicht zu vernichten, sondern mit diesen zu kooperieren. Dies geschieht zum Wohl aller, daraus können wir in der realen Welt durchaus etwas lernen.
Als Fazit bleibt ein lehrreiches Ende, welches aber nicht ganz befriedigen kann. Im Epilog der letzten vier Seiten bricht das Raumschiff Voyager ein paar Generationen später mit einer Besatzung aus Spinnen und Menschen zu den Sternen auf. Als Cliffhanger zum zweiten Band taugt dies nur bedingt, denn eine große Spannung wird hier nicht gerade erzeugt.

                                           

Adrian Tchaikovsky - Erben der Zeit
Der zweite Band startet mit einer sehr langen Vorgeschichte. Die Terraformer zu Zeiten Avrana Kerns finden auf dem Planeten Nod scheinbar gute Bedingungen vor, ehe die Katastrophe über sie hereinbricht. Die Expedition strandet auf dem einzigen kleinen Eiland dieses Planeten, während Disra Senkovi, der Leiter des Terraforming Teams, allein in einer Kapsel um einen Mond kreist, weil sein Team durch einen blöden Zufall erstickt ist.
Jetzt kann Senkovi seinem Kindheitstraum frönen: Die Aufzucht von genetisch manipulierten Oktopussen. Und während die Oktopusse über Jahrhunderte auf dem Wassermond eine Zivilisation aufbauen, hat ein extraterrestrischer Organismus, der fremde Wirtskörper benötigt, die Expeditionsteilnehmer auf Nod übernommen.
Der Versuch, auch Senkovi zu übernehmen, scheitert dank der Unterstützung intelligenter Oktopusse. Senkovi ist schon lange verstorben, als die Oktopusse die Weltraumfahrt für sich entdecken und den Planeten Nod mitsamt dem Organismus unter Quarantäne stellen.
An dieser Konstellation knüpft der zweite Handlungsstrang an, der Jahrhunderte später die Spinnen von Eden und sogenannte Neumenschen, darunter die Enkelin von Holsten, in das System von Nod führt. Die Nachkommen unserer menschlichen Helden aus dem ersten Band haben sich inzwischen bei den Spinnen etablieren können.
Wesentliche Rollen spielen hierbei die Spinnen Viola und Fabian, hinzu kommt noch der Neumensch Meshner sowie eine Kopie von Avrana Kern. Meshner wird vom Organismus infiziert und eröffnet diesem die Perspektive, das Universum für sich zu entdecken. Am Ende ist es Kern, die nach Jahrtausenden ihre menschliche Seite wiederentdeckt und den Organismus davon überzeugen kann, dass er sich mit seinem Wirt Meshner arrangieren muss, weil er ihn sonst tötet und seine Ziele nicht erreichen kann.
Den Spinnen und Neumenschen wiederum macht Kern klar, dass sie mit einer Vernichtung von Meshner die einmalige Chance der Bereicherung ihrer Zivilisation durch Zusammenarbeit mit den Organismus versäumen. Die Oktopusse, welche durch Zufall den überlichtschnellen Antrieb erfunden haben, können zudem auch noch eingebunden werden.
Alle werden zusammenarbeiten, um die Galaxis zu erkunden. Dieser zweite Band las sich etwas zäh. Die Verhaltensweise der Oktopusse war nicht schlüssig, vor allem ihre Sprache durch Farbänderung der Haut machte die doch schnell zustande gekommene Kommunikation mit Menschen und Spinnen unglaubwürdig. Auf alle Fälle waren die spannenden Momente rar gesät. Dieser zweibändige Zyklus ist eher doch etwas für Leute, die richtig exotische Parameter bevorzugen.

Mittwoch, 23. Februar 2022

Warum spielt denn der Poldi nicht?

05
Di. 14. Juni
Der Wecker klingelte nicht. Das lag aber daran, das ich bereits eine Viertelstunde vor dem geplanten Klingeln aufstand.
Thema des Tages waren sicherlich die Ausschreitungen durch verschiedene Hooligans. So drohte die UEFA Russland mit einem Ausschluss vom Turnier, falls sich Ausschreitungen im Stadion wie im Spiel England gegen Russland wiederholen sollten. Im Stadion, wohlgemerkt. Nicht außerhalb in der Stadt, wo auch die Engländer richtig zugeschlagen haben, was aber die UEFA nicht interessiert. Dafür ist ja die Polizei da.
Diese Bilder sind bereits seit Sonntag häufig im Fernsehen zu sehen. Der Russe, der einem Gehbehinderten einen Stuhl auf dem Kopf zerschlägt, so dass dieser eine steinerne Treppe herunterfällt. Der offensichtlich selbe Typ prügelt dann am Abend im Stadion – oder gar einen Tag später? – wild und zügellos auf andere, wohl Engländer, ein. Frage: Warum ist es nicht möglich, solche Idioten anhand des Filmmaterials zu identifizieren und diese dann spätestens bei Eintritt ins Stadion zu greifen und in Gewahrsam zu nehmen? Als normaler Zuschauer eines Fußballspiels habe ich immer den Eindruck, beim Betreten des Stadions komplett gefilzt zu werden. Sicherlich gibt es Erklärungen, warum hier keine Sicherheitsmaßnahmen griffen. Aber die offensichtlich alleinige Ausrichtung des Sicherheitskonzeptes auf befürchtete Terroranschläge ermöglicht solch unerträgliche Vorkommnisse.
ARD und ZDF haben sich dann auch heute bei der UEFA beschwert, weil ihnen das Bildmaterial von der EM nicht ausreichend genug erscheint. Keine Bilder von randalierenden Hooligans, gezündeten Bengalos oder Flitzern. Natürlich möchte die UEFA den Eindruck von friedlichen und fröhlichen Spielen vermitteln, aber der sensationsgeile deutsche Fernsehzuschauer möchte doch bitte schön genau informiert werden, oder nicht?
Nein, denn ansonsten hätten ARD und ZDF auch über Kloppereien zwischen deutschen und ukrainischen Hools vor dem Sonntagsspiel berichten müssen. Haben sie aber nicht. Das deutsche Fans des offiziell vom DFB anerkannten und wohl auch geförderten Fanclub DFB im Stadion Songs von den Bösen Onkelz skandiert haben sollen, mag ein Gerücht sein. Über besoffene Hools mit Reichskriegsflagge und entsprechenden Äußerungen habe ich aber u.a. in Spiegel Online gelesen. Wenn also die Russen aus dem Turnier fliegen sollen, dann müsste man dies auch für das deutsche Team fordern.
Macht natürlich keiner. Das Russenbashing in deutschen Medien geht nicht nur Contramann auf den Sack, ich kann es auch nicht mehr hören. Mal sehen, was morgen bei Russland gegen Slowakei passiert. Nicht zu vergessen Deutschland gegen Polen am Donnerstag. Da wird es im Vorfeld schon reichlich Dresche geben.
Eins hätte ich hierbei doch glatt vergessen: Fußball wird auch noch gespielt. Es fehlt nur noch die Gruppe F, deshalb sind es heute mal nur 2 Spiele. Das erste um 18.00 Uhr, deshalb konnte meine Löwin heute auch alles sehen. Pünktlich zum Anpfiff von Österreich gegen Ungarn stand ich dann auf dem Crosstrainer und strampelte los. Hierbei bewegte ich mich mehr als die österreichischen Stehgeiger auf dem Platz.
Olli Welke und der heutige Studiogast Franz Wohlfarth hatten doch glatt die Österreicher zum Geheimfavoriten der EM hochgejubelt, weil sie so eine super Qualifikation gespielt hatten. Das allerdings mit dem Spielstil, die die Ungarn jetzt gegen Österreich richteten. Hinten drin stehen und ab und zu schnelle und lange Bälle auf die Spitzen. Dabei fing es für die Ösis gut an.
Bereits nach 2 Minuten knallte Alaba einen herrlichen Weitschuss an den ungarischen Pfosten, das war es dann aber auch schon mit der Herrlichkeit. Obwohl sie spielbestimmend und drückend überlegen waren, entwickelten sie von Minute zu Minute weniger Gefahr. Die Konsequenz war Mitte der zweiten Halbzeit das überraschende 1:0 der Ungarn durch den Chancentod aus Hannover, Adam Szalaj. Das 2:0 in der Nachspielzeit machte dann ein anderer Blinder, der Nürnberger Stieber, mit einem wunderschönen Heber perfekt.
Die Österreicher zeigten nach dem Rückstand keinen gesteigerten Einsatz, die hätten noch Stunden für ein Tor gebraucht. In dieser Verfassung wird Österreich Letzter in der Gruppe. Denn im zweiten Spiel schafften die Isländer die wohl bislang größte Überraschung des Turniers.
Die Portugiesen sind laut Aussage ihres Trainers und auch CR7, dem dreimaligen Weltfußballer und schönstem Mann der Welt, mit nichts weniger als dem Titel zufrieden. Selbst ein zweiter Platz ist da inakzeptabel. Die Isländer dagegen sind froh, überhaupt dabei zu sein und brachten ca. 7000 Fans ins Stadion, die ihre Jungs stimmgewaltig unterstützten. So ging das Spiel um 21.00 Uhr los.
Schnell wurde klar, dass Island als Außenseiter sich nicht wie die Ungarn, Albanien oder Nord Irland einfach hinten rein stellte. Mit ihrem antiquierten 4-4-2 System und schnellen Kombinationen erspielten sie sich am Anfang einige Chancen, ehe die Portugiesen nach und nach, ruhig und abgezockt, das Kommando übernahmen und Island hinten einschnürte.
Nach einer halben Stunde dann folgerichtig das 1:0 für die Portugiesen durch Nani, der einmal als Nachfolger von Ronaldo galt und mittlerweile bei Fenerbahce versauert. Cristiano Ronaldo himself blieb während der gesamten Partie farblos, aber wahrscheinlich kommt er in den nächsten Spielen umso stärker. Zur Pause jedenfalls konnten die Isländer froh sein, sich nur ein Tor gefangen zu haben. Sie wirkten platt, eine Klatsche in der zweiten Halbzeit schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein.
Als Island dann kurz nach der Halbzeit den Ausgleich erzielte, waren die isländischen Zuschauer vollkommen aus dem Häuschen. Die Bierverkäufer haben sich nach dem Spiel wahrscheinlich einen Porsche bestellen können, so schön waren die doch sehr lauten Gesänge. Die isländischen Spieler bekamen die zweite Luft, hatten sogar noch eine Chance zum Siegtreffer, aber am Ende waren sie glücklich über das 1:1 gegen den selbsternannten Turnierfavoriten Portugal.
Die Interviews hinterher habe ich mir erspart und ging zügig ins Bett, meine Löwin und die Katzen schliefen da längst. Was ich noch erwähnen möchte: Zwischen beiden Spielen rief mich Mutter kurz vor halb neun an. Sie vermisste ihren Taxenschein zur Lymphdrainage von ihrer Krankenkasse, den sie bei mir vermutete. Automatisch sagte ich ihr, das ich gleich zu ihr losfahre. Die Hose gerade angezogen, merkte ich allerdings, das ich diesen Schein am Samstag eben nicht mitgenommen hatte. Ich konnte also zuhause bleiben und Portugal in Ruhe gucken, musste nur kurz noch mit Mutter reden. Was für ein Schlamassel.

Sonntag, 20. Februar 2022

guterPlatzzumBiertrinken: Treffpunkt Netto Timmerlah

Dienstag, 13. September. In der zweiten Woche meines Urlaubs wollte ich noch einmal eine Runde drehen. Da traf es sich gut, dass der Lange ebenfalls Urlaub hatte. Bereits am Dienstag der Vorwoche waren wir nach Wolfenbüttel geradelt, wo wir im Bayerischen Hof zu Mittag dinierten. Ich hebe dies jetzt mal hervor, weil mein Hackbraten mit Spiegelei und Bratkartoffeln einfach sensationell gut schmeckte.
Der Lange war mit seinem Wiener Backhendl zwar nicht so zufrieden gewesen, dafür saßen wir aber draußen mit einem gezapften Pils und genossen einen schönen Spätsommertag. Dasselbe schöne Wetter, also strahlend blauer Himmel und ab und an ein kühlender Wind, erfreute uns am Dienstag den 13.
Eigentlich wollten wir in Richtung der Rieselfelder fahren und suchten einen geeigneten Treffpunkt dafür. "Auf halber Strecke, bei Netto in Timmerlah." Darauf konnten wir uns am Vorabend telefonisch einigen. Weil ich meine Löwin und Berta frühmorgens um 6 Uhr zum Bahnhof fahren musste (sie reisten nach Oslo) und um 8 Uhr meinen jährlichen Check beim Hausarzt erledigte, schien 10.30 Uhr der geeignete Termin für den Beginn unserer Radtour zu sein.
Nach den ersten beiden Terminen fütterte ich die Katzen und pumpte mein Rad noch einmal auf, denn wir würden etwas länger unterwegs sein. Ich gondelte durch den Westpark, fuhr einen kleinen Umweg über Wiglo und ärgerte mich beim Rest des Weges auf der Straße, dass die Stadtverwaltung es nicht hinbekommen hatte, auf dieser stark befahrenen Straße zwischen der Weststadt und Timmerlah einen Fahrradweg einzurichten.
Punkt 10 Uhr erreichte ich den Netto Markt, als der Lange gerade mit einem Tablett aus dem Bäckerei Café herauskam. Schnell sicherte ich mir ebenfalls einen Pott Kaffee und nahm noch einen Donut hinzu. Da waren wir beide nun schon ein paar Kilometer geradelt, so dass wir beim Kaffee das weitere Vorgehen besprechen konnten.
Für die Planung der Streckenführung brauchten wir nicht lange, denn das hatten wir bereits am Telefon besprochen. Irgendwie nach Wendeburg, dann ab über die Rieselfelder. Beim Kaffee sprachen wir deshalb hauptsächlich über den Samstag zuvor, an dem wir u.a. mit Urmel und Ilka spazieren gegangen waren.
Daneben ließen wir noch die Überraschungsparty zu Pockes 60. Revue passieren. Nicht zuletzt dank Pattis Organisation war jene ein großer Erfolg gewesen. Nach vielleicht ner halben Stunde waren wir ausgesabbelt und fuhren endlich los.
Wir durchquerten Timmerlah, fuhren an Klein Gleidingen vorbei und bogen dann in Denstorf Richtung Norden ab. Bei erneut strahlend blauen Himmel passierten wir Wedtlenstedt links und den Yachthafen rechts. Hinter Bortfeld überquerten wir den Mittellandkanal und erreichten schließlich das Einkaufszentrum in Wendeburg, wo wir bei Rewe auf den Hof fuhren.
mitten in der Sonne, heißer Sattel

Mittlerweile war es kurz vor Mittag - Zeit für eine Dose Bier. Aus dem Kühlschrank dort holte ich drei Dosen Becks und packte sie in meine Fahrradtasche, dann fuhren wir weiter. Wir brauchten jetzt eine Parkbank. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen? Wir fuhren aus Wendeburg heraus, immer weiter Richtung Harvesse. Dort war ich noch nie gewesen.
Da bekamen wir endlich unsere Chance: Am Rande eines kleinen Wäldchens auf der linken Seite, kurz bevor die Straße unter der A2 hindurch führte. Auf gut Glück fuhren wir in den Feldweg hinein und sahen nach kurzer Zeit einen Hochsitz, der geradezu ideal für unser Vorhaben war. Hier stiegen wir die hölzernen Stufen hinauf und blickten über ein kleines Feld, während uns die Sonne ins Gesicht knallte.
Dies dürfte der schönste Platz im Sinne dieser Rubrik der letzten Wochen gewesen sein. Angeregt unterhielten wir uns über das Altern, insbesondere über das Fit bleiben. Die Eskapaden der alten Zeiten von vor 30 Jahren kamen uns dabei in den Sinn. Statt vieler Konzerte mit noch mehr Bier ist jetzt halt Bewegung angesagt, also Aktion am Tage statt spät in der Nacht.
Der Vollsuff ist halt nicht mehr erstrebenswert, wenn die folgenden zwei Tage nur noch liegend ertragbar sind. Nach diesem Altherrengespräch - ich trank noch eine zweite Dose - fuhren wir weiter nach Groß Schwülper. Auf der Strecke dorthin ist noch das VW Logistikzentrum am Rande der B214 erwähnenswert. So ein riesiges Teil hatte ich hier nicht vermutet, aber ab dort kannte ich mich wieder aus.
In Groß Schwülper angekommen, befand sich das Gemeindezentrum auf der linken Seite. Ob Oster- oder Weihnachtsmarkt: In den vergangenen Jahren war ich bereits mehrfach mit dem Rad hierhergefahren, um ein leckeres Fischbrötchen in der Bude des Angelvereins von meiner Löwin entgegenzunehmen.
Die Mittagszeit war nunmehr fast abgelaufen, da mussten wir doch noch feste Nahrung zu uns nehmen. Das ehemalige "Anno" firmiert jetzt als Orient-Grill Elster und hält das erwartete Speisenangebot vor. Während der Lange einen Dönerteller verspeiste, wagte ich mich an Bratnudeln, welche mit einer fettigen Knoblauchsoße überzogen waren.
Man achte auf die fettige Sauce
Die zwei Halbliter Wolters halfen uns über den Schmerz hinweg, obwohl das Essen nicht so schlimm war, wie sich das vielleicht anhört. Egal, der Bauch war jetzt voll. Unsere Tour ging weiter über die lange Steigung zum Ortsausgang hinaus, wo wir die Abkürzung über Feld und Flur nach Walle nahmen.
Rothemühle -- Watenbüttel - PTB - Kanzlerfeld. Diese Strecke ist mir sattsam bekannt, wir radelten sie straight herunter, anstatt über Ölper zu fahren. Den letzten Stopp legten wir bei mir zuhause ein, um dort auf dem Balkon noch eine Limo zu trinken. Ich hatte knapp 40 km hinter mir, der Lange musste jetzt noch 10 km bis zu sich nach Stöckheim strampeln.
Dies dürfte für dieses Jahr die letzte größere Tour gewesen sein, denn das Wetter, wie wir es an diesem Tage erlebten, wird sich nicht mehr lange halten können. 25 Grad Mitte September, das ist schon erwähnenswert. Da ist es um so schöner, das der Lange und ich einen unterhaltsamen Tag verbracht hatten.
So gingen wir nicht sturzbesoffen und mit klingelnden Ohren aus einem Konzert hinaus, sondern wach und leidlich ausgeruht in den Abend hinein. Old farts cycles at last.

Sonntag, 13. Februar 2022

Sam Phillips

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Tatsächlich schaffte es Charlie, einige akzeptable Songs zu schreiben, welche von Johnny Cash und Jerry Lee Lewis interpretiert wurden. Bis auf "Lonely Weekends" jedoch floppten seine Singles bei Sun und er verließ 1963 das Label. Immerhin erreichte der Song 1959 Platz 22 der Billboard Charts. Charlie Rich musste bis 1973 warten, ehe er seine Karriere als Country-Sänger durchstarten konnte.
Mit Charlie Rich zusammen nahm Sam Phillips in Nashville, Tennessee, noch Songs auf. Sam mochte die Atmosphäre in Nashville, aber es war mehr und mehr spürbar, dass Sam das Interesse an der Musikproduktion verlor. Mehr und mehr zog er sich aus der Arbeit in den Sun Studios zurück und überließ die Arbeit seinen Angestellten, auch seinen Söhnen.
Er selbst widmete sich verschiedenen Projekten, vor allem dem Betrieb verschiedener Radiostationen. Diese alte Liebe hatte er für sich wiederentdeckt, doch er fand auch ein neues Hobby. Sam Phillips, der dem Alkohol Zeit seines bisherigen Lebens eigentlich eher abneigend gegenüberstand, fing an zu saufen!
Und wie so viele vor ihm, die sehr spät mit dem Trinken angefangen hatten, steigerte er seinen Trinkkonsum zunehmend in wahre Exzesse hinein. Eigentlich kümmerten sich nur noch seine Söhne Knox und Jerry um Sun Records. Ohne Sam beschleunigte sich der langsame und schleichende Niedergang des Labels. Vielleicht hätte Sam seine Meinung ja noch geändert, wenn er nicht den nächsten großen Trend verpasst hätte.
Und dieser startete u.a. auch in Memphis, beteiligt war hier mit Stan Kessler ein ehemaliger Musiker und Komponist von Sun Records. Der Bewunderer der Produzententätigkeit von Sam Phillips hatte mittlerweile sein eigenes Studio, indem er mithalf, aus dem Rhythm 'n' Blues den Soul und später den Funk zu entwickeln. Booker T and the MGs, Otis Redding und Wilson Pickett sind untrennbar mit dem Label Stax Records verbunden.
WHER Radio - männerfreie Zone

Leider wurden die bekannten unabhängigen Labels, die für den Rock n' Roll Boom der 50er verantwortlich zeichneten, an die Plattenindustrie verkauft. Warner Brothers kauften im Oktober 1967 Atlantic Records, Chess Records ging im Dezember 1968 an General Recorded Tape und Speciality war sowieso schon tot.
Schließlich verkaufte Sam Sun Records am 1. Juli 1969 an Shelby Singleton, einem ehemaligen Manager von Mercury Records, den er in Nashville kennengelernt hatte und der Country Musik produzierte.
Sun Records hatte seine große Zeit, als der Schallplattenmarkt dank der Singles boomte. Ab Mitte der sechziger Jahre ging der Umsatz der Singles zugunsten der Langspielplatten stark zurück. Gegen Ende produzierte das Label nur noch wenige Singles. Singleton machte aus Sun quasi einen Ramschladen, indem er alte Aufnahmen und Outtakes zusammenfasste und als Langspielplatten wiederveröffentlichte. Das brachte ihm zwar einige Umsätze, das Label beerdigte er irgendwann aber trotzdem.
Sam Phillips hingegen genoss seine neu gewonnene Freiheit bzw. Freizeit. Die letzten bald 30 Jahre seines Lebens kümmerte sich Sam um diverse Radio Projekte, die aber wenig bemerkenswert waren. Bei diversen Galas und Showveranstaltungen fiel der häufig stark betrunkene Sam lediglich durch Pöbeleien und wirre Reden auf.
Am Ende seines Lebens war er lungenkrank und hing an einem Beatmungsgerät. Als er am 30. Juli 2003 in Memphis verstarb, trauerten außer seiner Familie hauptsächlich seine Geliebte Sally und Kemmons Wilson, der Gründer der Holiday Inn Motelkette, mit dem Sam Zeit seines Lebens verbunden war, um ihn.
Obwohl er mit der Zeit vergessen worden war, gilt er bis heute als einer der wichtigsten Mentoren des Rock 'n' Rolls, ja gar als Erfinder desselben, weil er Elvis Presley entdeckt hatte. Der Titel dieses wunderschönen Buches deutete es ja bereits an. Ein paar Anmerkungen möchte ich allerdings trotzdem machen.
Das ganze Buch über berichtet Guralnick davon, mit welchen finanziellen Schwierigkeiten Sam Phillips zu kämpfen hatte. Als Jerry Lee Lewis seine Millionseller einfuhr, erwähnt Guralnick nur kurz, dass endlich Geld hereinkommen würde. In der Folge wird über Geld gar nicht mehr geredet. Zwischen den Zeilen erkennt man lediglich, dass Sam keine Geldsorgen mehr hatte. Wenn man bedenkt, dass Sam bis zu seinem Durchbruch ständig in Geldsorgen lebte, finde ich das doch etwas dünn.

Mittwoch, 9. Februar 2022

Contramann: kurz gesehen im Februar

Auch diesen Monat starte ich mit Rubikon, der für den einen oder anderen eine Fake News Quelle darstellt. Hier wird aber nicht mit Fakten argumentiert, sondern mit einem logischen Vergleich. Als Quintessenz wird die zuletzt gern geäußerte Forderung, Ungeimpfte die Kosten einer Behandlung im Falle einer Covid-Erkrankung selbst bezahlen zu lassen oder ihnen die Behandlung gleich komplett zu verweigern, ad absurdum geführt.
Insbesondere das in meinem Umfeld gern geäußerte Argument, dass Ungeimpfte schließlich ja auch andere gefährden, wird mit dem Beispiel der Raucher schon ausgehebelt. Denn wer A sagt, muss eben auch B sagen. Übergewichtige dagegen stecken zwar keine anderen Menschen an, aber sie nehmen Kranken eben auch Plätze auf den Intensivstationen weg. Die fehlenden Plätze auf den Intensivstationen war jetzt auch ein gern geäußertes Argument von Befürwortern einer Ächtung von Ungeimpften.
Und derartige Äußerungen, welche ich in den letzten Monaten auch von eigentlich intelligenten Menschen in meinem Umfeld gehört hatte, weisen in meinen Augen auch schon beängstigende Züge eines nahenden Faschismus auf, auch wenn diese Leute dies für sich glaubhaft ablehnen werden.
Aber die allgegenwärtige Angst vor Einbußen im Einkommen oder Lebensstandard, verbunden mit der tatsächlichen Angst zu erkranken, verleitet den Großteil unserer Mitbürger zum Rückfall in überwunden geglaubte Verhaltensmuster. Ca. 75 Jahre nach Ende des Nationalsozialismus oder auch 30 Jahre nach Ende der DDR Diktatur ist die freiheitlich demokratische Grundordnung - das Kernelement unserer Verfassung - nur noch dazu da, den eigenen Arsch zu retten.
Meinung von Minderheiten werden nicht mehr akzeptiert, sondern verteufelt. Ungeimpften wird pauschal eine Schuld unterstellt, die unser Rechtssystem bei „normalen“ Verbrechen wie Mord, Diebstahl oder Vergewaltigung ablehnt. Da muss immer erst die individuelle Schuld bewiesen werden - und zwar vom Ankläger, nicht vom potenziellen Täter.
Und wer diese Beweispflicht umkehrt, ist für mich ein Faschist. Zumindest so lange, wie die Argumentation der Befürworter all der Schutzmaßnahmen so löchrig ist, was die „Schuld“ der Ungeimpften angeht.

https://www.heise.de/tp/features/Elf-Dinge-die-ich-als-Radfahrerin-nicht-mehr-hoeren-kann-6287941.html
Dies ist, mal abgesehen von der gender*innen Sprache, ein überfälliger und guter Beitrag zur leidigen Debatte um die deutsche Autokultur. Die Anhänger der Kirche der Automobilfetischisten wird diesen Beitrag zwar als überflüssig brandmarken, zeigt aber durch seine pauschale Ablehnung der Argumente gegen einen überbordenden individuellen Automobilverkehr seine dogmatische Religiösität.
50% aller Autofahrten in Deutschland haben eine Länge von unter 5 km. Allein dieser Wert zeigt, dass es bei der Diskussion um CO2 Reduzierung weniger um eine Schönrechnung der gewollten E-Mobilität gehen kann, sondern tatsächlich um eine weitestgehende Einschränkung des Individualverkehrs.
Zumindest in städtischen Räumen mit einem entsprechenden Angebot an Öffis, seien es Busse, S-Bahnen und U-Bahnen, Taxis oder gar Rikschas. Eine Nutzungsgebühr von 50,- € pro PKW für das Einfahren in den Innenstadtbereich kann da nützlich sein.
Notwendige Übergangsregelungen habe ich jetzt ausgespart, das Ziel zählt.

https://taz.de/Normalitaetsbegriff-von-Olaf-Scholz/!5818980/
Die TAZ hatte ich früher eher als notwendiges Gegengewicht zur National Zeitung empfunden. Heute folgt sie leider dem typischen linken Narrativ, dass man zunächst abweichende Ansichten bei den eigenen Leuten bekämpft, um einen Alleinanspruch auf die Deutungshoheit über die Bekämpfung der „Rechten“ anzumelden.
Dies wird in diesem Kommentar von Stefan Reinecke besonders deutlich, in dem er sich erblödet, Olaf Scholz als Beschützer der kleinen Leute und Sahra Wagenknecht als Spalterin der Gesellschaft und Aufhetzerin eben dieser Leute hinzustellen. Die Kritik Wagenknechts an den woken Linken hatte die TAZ sichtlich beeindruckt.
Olaf Scholz - der „Held“ des Hamburger G20 Gipfels und „Beschützer“ der Warburg Bank - als „richtiger Freund der einfachen Leute“. Diese Phrase von Scholz auf einem Parteitag hat der Kommentator zugegebenermaßen nicht als Tatsache hingestellt, aber Scholz eher Unbedarftheit unterstellt, während er Wagenknecht geißelt.
Das ist die TAZ von heute. Die Erde ist halt eine Kugel. Man muss eben nur weit genug nach links laufen, um rechts anzukommen.

https://www.nd-aktuell.de/artikel/1158792.corona-und-das-bildungsbuergertum-die-pandemie-der-gebildeten.html
Genau so sehe ich das auch. Ich zitiere hier einfach nur aus dem Text:
„Es gibt also keine »Pandemie der Ungeimpften«. Was es gibt, ist eine Pandemie der Gebildeten. Sie haben ihre Bildung vor den Karren der zum Prinzip erhobenen Rücksichtslosigkeit des Marktes gespannt und wissen sich in der selbst herbeigeführten Katastrophe nicht besser zu helfen, als zu gewohnten Reflexen zu greifen: nach unten treten.“
Etwas drastisch sicherlich, aber die Argumentation im Text deckt sich mit meinen Erfahrungen während der Hartz-IV-Demos. Aktuell fühlen sich die meisten gutsituierten Mitbürger in ihrer Freiheit beschnitten, weil Ungeimpfte die Pandemie unnötig verlängern würden. Und Ungeimpfte sind entweder Ungebildete (hiermit entlarven sich viele Linke als Heuchler) oder Querdenker. Kann ja gar nicht anders sein.
Auch bei den aktuellen „Montags-Spaziergängen“ in Braunschweig fällt mir auf, dass dort ganz normale Menschen der Mittelklasse - also Arbeiter und Angestellte - unterwegs sind. Ungebildete, wie übrigens auch Rechtsradikale, sind nicht sichtbar bzw. in der absoluten Minderheit. Der ganze Protest wird eben nicht von den „Machern“ und Hochgebildeten unserer Gesellschaft getragen, im Unterschied zu den Gegenveranstaltungen von Verdi und Co.
Hass und Häme kommen eher aus der Richtung, nicht von den angeblichen Schwurblern. Das hat mich dann doch nachdenklich werden lassen über die wahren Motive der Gegendemonstranten, obwohl sie es selbst nicht eingestehen können. Denn sie sind die eigentlichen Profiteure dieser Pandemie.

Montag, 7. Februar 2022

Hartmudo: voller Impfschutz 2/2

Bei einer Krankheit wie Pocken oder Malaria mit einer Todesquote von 10% der Infizierten könnte ich es ja verstehen. Anstatt im Oktober letzten Jahres, als dieser Impfstoff schon in der Kritik stand, die Änderung des Impfstatus bei einer Fristsetzung von einem Monat anzukündigen und durchzuführen warteten die Penner in Berlin ein Vierteljahr lang ab und beriefen sich auf eine neue Einschätzung des Robert-Koch-Instituts bzw. des ehrlichen Pauls, um dann den Status frist- und kommentarlos zu ändern...
Doch all mein Klagen änderte nichts an der Lage und so parkte ich mein Rad vor dem Impfzentrum in der Stadthalle. Der freundliche Security Mann lotste mich dank des zuvor gebuchten Termins gleich zum Schalter im Eingangsbereich, wo mich ein Arzt schon erwartete.
Nach Blick in meinen Impfausweis empfahl er mir Moderna, da dieser bei Personen über 60 Jahren immer empfohlen wird. Der muss ja auch weg, können ja nicht alle mit Biontec versorgt werden.
"Mir egal, von mir aus auch Moderna", antwortete ich.
Als nächstes empfahl mir der Arzt die dritte Impfung vier Wochen später, am besten mit Biontec. Durch diese Mischung wäre ein optimaler Impfschutz gegeben.
Ich stellte ihm eine einfache Gegenfrage: "Nein Danke. Trinken Sie verschiedene Sorten Alkohol auch immer durcheinander?" Zum Glück war ich noch in der Lage, meinen Ärger lustig rüberzubringen.
Der Arzt antwortete mit einem Lächeln. "Manchmal schon."
"Sehen Sie!"
Hierbei beließ ich es, was sicherlich auch angemessen war. Der Arzt konnte ja auch nichts dafür, dass ich mich von Lauterbach, Wieler und Co total verarscht fühlte.
Anders als im letzten Frühjahr wurde ich nun sofort zu einer Kabine mit einer Krankenschwester geschickt, welche die Impfung durchführen würde. Als erstes nahm sie die von mir bereits zu Hause ausgefüllte Einwilligungserklärung entgegen.
Ach ja, die Einwilligungserklärung. Auf die hatte der Arzt soeben lediglich kurz draufgeschaut und vielleicht eine Sekunde gestockt, ehe er sein normales Programm abgespult hatte. Die mitfühlende Krankenschwester reagierte da ganz anders, als sie den von mir eingefügten Kommentar las: "Einwilligung aufgrund sozialen Drucks und rechtlich fragwürdiger Praxis des Bundesministeriums für Gesundheit".
"Das finde ich gut, ich sehe es ja genauso." meinte sie traurig.
Ich fragte sie nicht, warum sie denn bei der ganzen Sache überhaupt mitmacht, wenn Sie eine andere Meinung vertritt. Das wäre unfair gewesen, denn ich machte ja selbst mit. Also setzte ich mich hin, zog den Pullover aus und ließ mir die Spritze in den linken Oberarm setzen. Die Krankenschwester erklärte mir noch, dass ich viel trinken und in den nächsten drei Tagen keinen Sport machen sollte, dann war ich durch.
An einem anderen Stand wurde die entsprechende Marke für Moderna in meinen Impfausweis geklebt. Als ich den jungen Typen hinter dem Schreibtisch fragte, ob ich meine digitale Impfbescheinigung wieder über das Portal des Landes Niedersachsens herunterladen könnte, war ich von seiner Antwort überrascht.
Das Land hatte die entsprechende Funktion mittlerweile abgeschaltet, so dass ich eine Apotheke aufsuchen müsste, wo man mir ein EU-weit gültiges Impfzertifikat ausstellen würde. Den darauf abgebildeten QR-Code sollte ich über meine Covid App einscannen können.
Das meine nach außen zur Schau gestellte Ruhe täuschte, merkte ich daran, dass ich total wuschig war. Ich vermisste meine Mütze und suchte hektisch das komplette Infocenter ab. Am Ende fand ich die Mütze in meinem wieder angezogenen Pullover.
Dreimal atmete ich durch, dann fuhr ich mit dem Rad zurück Richtung Heimat. Da ich noch nicht gefrühstückt hatte, wollte ich mich nach der Impfung mit ein paar Brötchen belohnen. Und weil ich durch die Innenstadt zurück fuhr, bot sich hier das weiße Ross als Anlaufziel förmlich an.
Überraschenderweise sprang mir keine Apotheke auf dem Weg ins Auge, aber beim Weißen Ross gibt es diesbezüglich ja eine große Auswahl. In der Apotheke weißes Ross wurde mir dann das Impfzertifikat ausgestellt. Ich brauchte nicht zu bezahlen, was auch gut war, denn andernfalls hätte ich mich wieder bockig zeigen wollen.
Den dort aufgedruckten QR-Code werde ich allerdings erst in zwei Wochen einscannen, weil ich mich nicht noch einmal aufregen möchte. Ich argwöhne, dass mein derzeitiger Impfstatus in der Covid App durch das Einscannen sofort auf "noch nicht vollständig geimpft" geändert wird. Dabei hätte man auch rechtzeitig eine Warnung über diese App verbreiten können, dass der Impfstatus für Johnson & Johnson Geimpfte in, sagen wir mal zwei Wochen, auf "nicht vollständig geimpft" geändert wird.
In der zuletzt am 14. Januar geänderten Schutzmaßnahmen-Ausnahmenverordnung lässt sich zwar in $ 2 Nummer 3 herauslesen, dass der Impfstatus im Prinzip durch das Paul-Ehrlich-Institut festgelegt wird. Aber eine Fristenregelung bei einer Veränderung, hier Verschlechterung, des Status fehlt in dieser Verordnung. Einer der wichtigsten Rechtsgrundsätze dieses Staates, der Bestandsschutz bzw. die Verlässlichkeit von Gesetzen und Verwaltungsakten, ist hier einfach missachtet worden.
Das klingt jetzt sicherlich etwas trocken und ist für politisch eher weniger Interessierte etwas unverständlich, aber die Aushöhlung verfassungsrechtlicher Prinzipien hatte seinerzeit bereits die Weimarer Republik zerstört. Ich weiß ja, dass viele von euch derartige Vergleiche ungern hören. Es mag stark übertrieben sein, aber ich sag immer: Wehret den Anfängen!
Ich bin halt lieber Cassandra als der Untertan. Trotzdem bin ich jetzt das zweite Mal geimpft, was sich offensichtlich mit meinen soeben gemachten Äußerungen etwas beißt. Da ich aber nach wie vor an die demokratischen Prinzipien glaube, erkenne ich die Mehrheitsmeinung an und respektiere diese, indem ich bei dem Budenzauber mitmache. Meine davon abweichende Meinung dokumentiere ich selbstverständlich, damit es hinterher nicht wieder heißt: "Das wussten wir gar nicht. Woher hätten wir das wissen sollen?"

Donnerstag, 3. Februar 2022

Hartmudo: voller Impfschutz 1/2

Mitte Januar änderte der irrlichternde Gesundheitsminister Lauterbach dank der Einschätzung des Paul-Ehrlich-Instituts den Impfstatus von genesenen Infizierten des Coronavirus und den Geimpften, die das Vakzin von Johnson & Johnson erhalten hatten. Eine einfache Veröffentlichung auf der Webseite des Paul-Ehrlich-Instituts reichte aus, um den Impfschutz der Genesenen am gleichen Tag von sechs auf drei Monate herabzusetzen.
Diejenigen, die mit Johnson & Johnson geimpft worden waren, verloren mit dem gleichen Tage ihren vollen Impfschutz. Dieses Vakzin wurde noch im Frühjahr 2021 vom heutigen Bundesgesundheitsminister stark angepriesen, weil lediglich eine Impfung zum vollen Impfschutz benötigt wurde.
Zwar stand Johnson & Johnson schon lange Zeit in Verdacht, einen geringeren Impfschutz aufgrund der einmaligen Dosis zu bieten, aber eine Aberkennung des vollen Impfstatus stand bislang nicht zur Debatte. Und dann die urplötzliche Aberkennung des vollen Impfschutzes ohne Vorankündigung!
Ihr ahnt es schon: Hartmudo ist davon betroffen. Ich hatte mich im Mai letzten Jahres impfen lassen, damit ich wenigstens noch mit dem Zug zur Arbeit fahren konnte. Zugegebenermaßen auch, weil ich eine soziale Ausgrenzung befürchtete. Eine solche war auf allen Ebenen - Beruf, Verwandte und Freunde - zu befürchten.
Der Impfstoff von Johnson & Johnson wurde mir kommentarlos verabreicht, ich hatte keine Wahlmöglichkeit. Es war schlichtwegergreifend so, dass Johnson & Johnson einfach weg musste. Natürlich war ich heilfroh, dass ich mich nur einmal pieksen lassen musste. Doch wenn ich gewusst hätte, dass ich meinen Impfschutz Anfang 2022 unverschuldet verlieren würde, hätte ich letztes Jahr notfalls noch gewartet, um mit Biontec oder Moderna oder Astra Zenica geimpft zu werden.
Und nach der Mail des Personalamtes Anfang der vierten Woche stand fest, dass ich nicht nur für die Fahrt zur Arbeit mit Bus und Bahn, sondern auch zum Betreten meines Arbeitsplatzes im Rathaus eine zweite Impfung benötigen würde. Ersatzweise hätte ich mich auch jedes Mal vorher testen können, was für mich aber an der schikanösen Behandlung nichts ändert.
Für mich als Verwaltungsbeamten, der tagtäglich darauf achten muss, Entscheidungen zu Lasten der betroffenen Hilfeempfänger verständlich zu begründen und vor allen Dingen mit Fristen zu arbeiten, ist die Vorgehensweise des Bundesgesundheitsminister skandalös und vor allen Dingen rechtswidrig.
Diese Praxis des Herrn Lauterbach widerspricht sämtlichen Rechtsgrundsätzen, die mir während meines Studiums beigebracht wurden und die ich seit nunmehr 30 Jahren meiner Tätigkeit umsetze. Nicht einmal das Parlament wurde beteiligt, lediglich die Einschätzung und Veröffentlichung durch die Bundesanstalt Paul-Ehrlich-Institut reichte zur Aberkennung meines vollen Impfschutzes aus.
Ich befürchte, jetzt zeigt die neue Bundesregierung in ihrer Corona Politik totalitäre Tendenzen, die wir in Deutschland schon überwunden zu haben glaubten. Gerade im aktuellen Gedenken an den Holocaust empfinde ich dies als besonders bitter. In diesem Zusammenhang stößt mir auch die derzeitige Ukraine-Krise besonders auf, aber genug davon, ich wollte doch von meiner zweiten Impfung erzählen.
Also: Nachdem ich die Mail des Personalamtes am 25. Januar gelesen hatte und kurze Zeit später von meinen Kolleginnen auf meinen (ihnen bekannten) Impfstatus angesprochen wurde, regte ich mich zunächst tierisch auf und wollte die Mail, störrisch wie ich nun mal bin, komplett ignorieren. Schließlich ist mein digitaler Impfnachweis technisch nach wie vor gültig, für mich als Johnson & Johnson Geimpfter wird lediglich eine Auffrischung empfohlen.
Da steht nichts vom Verlust des vollen Impfschutzes, nach meiner Corona App gelte ich noch bis Mitte Juni als voll geimpft. Hinzu kommt noch dieses mir beigebrachte Rechtsempfinden, wie zuvor schon geschildert. Zumal bei mir auf der Arbeit gerade zu dieser Zeit Bestands- und Vertrauensschutz von Verwaltungsakten ein großes Thema ist.
Aber wenn es darum geht, die Pfründe von Pharmakonzernen zu sichern, muss natürlich alles andere zurückstehen. Da war es nur konsequent, dass ich am Freitag von meinem neuen Fitnessstudio eine E-Mail lesen musste, nach der ich zur Zeit nicht trainieren kann, da ich dank Johnson & Johnson nun als nicht mehr vollständig geimpft gelte.
Erst jetzt beruhigte ich mich und verschaffte mir schnell einen Impftermin. An dieser Stelle war ich also eingeknickt, aber mein schlechtes Gewissen deswegen hielt nicht lange vor. Aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit - gerade bei der Arbeit - lehne ich es bereits seit Jahren ab, als Märtyrer durch die Gegend zu laufen.
Erst sind alle deiner Meinung und klopfen dir für deine Standfestigkeit auf die Schulter, um dann später doch die Meinung des Chefs zu vertreten, wenn dieser dich maßregelt. In diesem Fall der möglichen Entsagung einer zweiten Corona Impfung hätte es lediglich eine Selbstkasteiung bedeutet.
Denn eine zweite Impfung hätte ich im Februar oder März sowieso vornehmen wollen, wie ich mir jetzt eingestehen musste. Die Unvermeidbarkeit dieses Vorgangs war mir vorher schon bewusst gewesen. Zwar wollte ich eigentlich auf den verbesserten Impfstoff mit der Omikron Formel warten, aber was nicht ist ist halt nicht.
So war ich dann frühmorgens am Samstag den 29. Januar mit dem Fahrrad zur Stadthalle unterwegs. Mein Termin im dortigen Impfzentrum war für 8:45 Uhr vorgesehen. Im Nachhinein war ich froh über diese kurzfristige Entscheidung, da der volle Impfschutz erst zwei Wochen nach der Impfung gilt.
Bis dahin muss ich meinen Teamleiter im Büro jedes mal einen negativen Coronatest vorlegen, weil ich ansonsten meinen Arbeitsplatz nicht betreten darf und deshalb keinen Anspruch auf Besoldung habe. Der geneigte Leser mag dies vielleicht als richtig empfinden, aber eine Zwangsmaßnahme bleibt es dennoch.
Daher sollte sich ein derart geneigter Leser selbst fragen, wie er bei Zwangsmaßnahmen reagieren oder auch nur fühlen würde. Hierbei habe ich das große Glück, dass meine Löwin zurzeit gerade in einem Testcenter als Testerin arbeitet. Sie führt bei mir die Tests durch und darf diese auch bescheinigen.
Die Wattestäbchen kitzeln zwar unangenehm in meiner Nase, aber dafür bleibt der Reibach des Testens in der Familie. Meine Termine im Fitnessstudio habe ich auch noch entsprechend verschieben können, so dass mir dort wenigstens kein finanzieller Schaden entsteht.
Obwohl die Lage für mich dank meiner Löwin besser aussah als für andere Johnson & Johnson Geimpfte, würde ich meine Stimmung während der Fahrradfahrt als bockig bezeichnen. Die rein politische Entscheidung der Änderung des Impfstatus stieß mir immer noch auf. Nicht, weil ich die medizinische Beurteilung anzweifle, aber der in unserem Rechtssystem wesentliche Grundsatz des Vertrauensschutzes wurde von den Dilettanten in Berlin einfach mal eben weggewischt.