Samstag, 30. November 2019

Uncle Fester: grad gelesen November 2019


Ian McDonald - Luna - Drachenmond (Band 3)
Endlich ist er da, der dritte und abschließende Band der Mondsaga. Passt als Vergleich auch gut zu Red Rising. Und ist auf alle Fälle besser, weil tiefgründiger. In diesem Abschluss der Saga versucht die Erde, dem Mond einen Finanzkapitalismus aufzuschwatzen. Auf dem Mond soll eine autarke Börse installiert werden; Menschen werden dazu nicht mehr benötigt. Die Machthaber der Erde könnten dann endlich wieder ruhig schlafen - ohne Angst vor einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Mond.
Der Roman beginnt gleich mit voller Action. Luna versucht mit Hilfe der Asamoahs, den im Koma liegenden Lucasinho aus Twe zur Universität Farside, welche sich auf der dauernd dunklen Rückseite des Mondes befindet, zu bringen. Nur dort sind die technischen Möglichkeiten vorhanden, um Lucasinho wieder aufwachen zu lassen. Dank des Einsatzes von Amanda Sun, Lucasinhos Mutter, kann der Angriff der Schergen McKenzies abgewehrt werden.
Es entbrennt danach ein juristischer Kampf um den Verbleib von Lucasinho. Sowohl Amanda Sun als auch Lucas Corta ringen um ihren Sohn. Jedoch hat sich Luna, gerade mal 9 Jahre alt, als Vormund eintragen lassen, um mit ihm in der Farside Uni bleiben zu können, wo ihm geholfen wird.
Ariel Corta ist auch wieder da und vertritt Lucasinhos Interessen vor dem Gericht gegen Amanda und ihren Bruder Lucas. Dies allerdings nicht persönlich, das erledigt ihre Praktikantin Abena Asamoah.
Und die erreicht doch tatsächlich, dass Lucasinho in Farside auf der Rückseite des Mondes bleiben kann, sehr zum Ärger von Amanda Sun und ihrem Clan. Tatsächlich gesundet Lucasinho im Laufe des Romans, obwohl sein Erinnerungsvermögen lediglich aus externen Quellen wiederhergestellt werden konnte. Eine wesentliche Rolle in dieser Geschichte spielen aber weder er noch Luna in den letzten beiden Dritteln. Die endgültige Gerichtsentscheidung über die Vormundschaft über Lucasinho ist dort die Bühne zur Vorbereitung des letzten Aktes.
Der eigentliche Konflikt des Romans findet an einer anderen Front statt. Die 3 Delegierten der Lunar Mandate Authority (LMA) sind die offiziellen Vertreter der Erdmächte. Sie versuchen den Clans eine Mondbörse aufzuschwatzen. Der perfide Hintergedanke der schrittweisen Beseitigung menschlicher Siedler, notfalls durch Genozid, wird den Suns und beiden McKenzie Gruppen nach und nach klar und sie wollen dies auch verhindern. Die Asamoahs und Woronzows spielen hierbei eher eine Nebenrolle, außer dass sie sich der Erde eben nicht enrtgegenstellen. Hier gewinnt man schon den Eindruck, dass die Vielzahl an Clans die Story leider nicht straffen kann.
Die sexuelle Gier von Bryce McKenzie löst eine verhängnisvolle Ereigniskette aus. Nachdem bei einem Attentat während einer Versammlung der Clanchefs Bryces Bruder Duncan, der Chef von McKenzie Metal, zu Tode kommt, lässt Bryce Robson Corta, der unter dem Schutz des Wolfes Wagner Corta steht, entführen, um ihn in aller Ruhe vergewaltigen zu können. Wagner kommt zu spät und muss auch noch den Mord an Analiese McKenzie, seiner Freundin, verkraften, die von Bryce gezwungen wurde, Robson zu betäuben Zum Dank wurde ihr die Kehle durchgeschnitten.
Obwohl er bei Lucas schwer gelitten ist, wendet sich Wagner hilfesuchend an seinen Bruder. Und Lucas weiß: Familie geht vor. Er holt sich Unterstützung von der LMA in Form von Söldnern und Hackern, um zu Bryce vordringen zu können. Als Gegenleistung verpflichtet er sich, bei der Abstimmung des Mondparlaments zur Einführung der Mondbörse keine Stimme abzugeben und sich zu enthalten.
Bryce soll dank der Unterstützung einer Giftmischerin der Asamoahs sterben. Die Giftpfeile werden von Haider, dem Liebhaber Robsons, anlässlich seines Besuches bei Bryce eingeschmuggelt. Bryce lässt den Besuch zu, weil Robson offiziell nicht als Gefangener gilt. Begleitet wird Haider von Alexia Corta, der „Eisenfaust“ von Lucas. Die Erdgeborene hatte Lucas im zweiten Band auf der Erde kennengelernt.
Und als Robson sein Höschen ausziehen muss, um zu Bryce in den Whirlpool zu steigen, nimmt er die Spritzen mit den 5 Giften aus seinem Haar und stößt diese in die Augen von Bryce, der qualvoll verendet. Alexia Cortaund und die eingekauften Söldner decken den Rückzug. Lucas Corta steht nun bei den 3 Abgesandten der LMA im Wort.
Zuvor findet jedoch die Gerichtsverhandlung über die Vormundschaft von Lucasinho statt. Wie es auf dem Mond „guter“ Brauch ist, wird hierüber in einem Zweikampf auf Leben und Tod entschieden. Dabei sind Stellvertreter (Saschitnik) erlaubt und auch üblich. Die Saschitnik der Suns hat hierbei im ersten Kampf gegen den professionellen Schwertkämpfer von Lucas keine Chance ist ist bereits nach wenigen Sekunden tot.
Sensationellerweise tritt darauf Ariel selbst in den Ring, um gegen den Profi zu kämpfen. Auf ihren Krücken hätte sie keine Chance. So ist es Lucas höchstpersönlich, der die Situation rettet und gegen Ariel in den Ring steigt. Schon nach kurzer Zeit rammen die beiden Krüppel ihre Schwerter in den Boden und ziehen sich zur Beratung zurück. Ihr Kampf ist das sichtbare Zeichen, dass die archaischen Gerichtskämpfe nicht mehr angezeigt sind.
Schnell handeln beide einen Deal aus. Lucas tritt als Mondadler zugunsten von Ariel, die diesen Job schon immer machen wollte, zurück. Lucas wird sich zukünftig nur noch um den Wiederaufbau von Boa Vista, der alten Metropole der Costa, kümmern. Gleichzeitig umgehen beide das Dilemma mit der LMA, die dadurch entmachtet ist.
Die Mondbörse wird natürlich nicht errichtet. Die Costas stimmen sich stattdessen mit den McKenzies und den Suns ab und verdammen die LMA dadurch zur Bedeutungslosigkeit. Forschungsprojekte der Woronzows im All sollen den Mond vollkommen autark von der Erde machen, die ihrerseits noch abhängiger von den Helium 3 Lieferungen des Mondes wird. Ein schönes Happy End für die Triologie also, oder?
Nein. Denn während des ganzen Romans wird immer mal kurz auf Marina Calzaghe auf der Erde geschaut. Die ehemalige Sekretärin und Freundin von Ariel Corta ist zunächst von ihrer Familie in Brasilien sehr herzlich empfangen worden. Ihre Schwester, Mutter und Nichten leben mit Marina auf dem Land.
Wie Lucas Corta im zweiten Band hat auch Marina mit der mittlerweile ungewohnt hohen Erdanziehungskraft zu kämpfen; und nicht nur das. Die Erdbewohner haben Angst, dass ihnen die Clans des Mondes den Strom abdrehen und feinden die „Mondfrau“ an. Marina wird sogar fast überfahren und entschließt sich , zum Mond zurückzukehren. Zumal sie weiß, dass dort ihre große Liebe - Ariel Corta - ist.
Sie schafft es im letzten Einspieler gerade so, auf ein Raumschiff zum Mond zu gelangen. Allerdings kommt es nicht mehr zum Treffen mit Ariel und auch sonst hat diese Nebengeschichte keine Verbindung zur Haupthandlung. Das riecht ganz stark nach einem vierten Band, wenn ihr mich fragt.
Im Vergleich zum zuvor gelesenen Red Rising Zyklus erreicht McDonald eine wesentlich größere Glaubwürdigkeit. Luna ist eben nicht eine Rittergeschichte im Weltall. So oder so ähnlich, wie McDonald es beschreibt, stelle ich mir unsere Zukunft vor.
Da freue ich mich richtig auf den vierten Band.

Montag, 25. November 2019

Hartmudo: Vitalium 18


18
Im Tresen vor uns waren einige Salamis und noch mehr Wurst im Glas versammelt. Es handelte sich hierbei bis auf wenige Ausnahmen um Wurst vom Pferd, als Ausnahme hiervon war wohl lediglich Wild zugelassen. Die großen Tüten mit der Stutenmilch in Pulverform befanden sich dagegen auf dem Regal hinter dem Fleischer. Schon nach kurzer Info hatten sich Pocke und Patti mit genügend Pulver fürs nächste Quartal eingedeckt. Wir reden da über drei große Plastiktüten, die wie hochpreisiges Katzenfutter wirkten. Ich hoffe, dass Patti der Verzehr von Stutenmilch nach vorne bringt.
Meine Löwin deckte sich mit Leberwurst, gekochtem Mett und Corned Beef ein; natürlich alles vom Pferd. Als besonderes Leckerli erstand sie eine Pferdesalami, worauf selbst ich gespannt war. Selbstredend griff Pocke ebenfalls in die Wurstkiste.
Von dem Fleischer erfuhren wir noch, dass er die Pferde selbst aufzieht, aber eigenhändig nicht schlachten darf. Das Veterinärgesetz erlaubt ihm das nicht. So kann er lediglich seine Pferde persönlich zum Schlachthof begleiten. Er bleibt sogar bis zu einer halben Stunde nach der Tötung dort. Laut Fleischer spüren die Pferde keinen Schmerz. Nach dem Schuss sind sie sofort tot. Sie müssen also nicht leiden, so seine Botschaft.
Diese seine Botschaft nahmen wir auch noch mit, als wir wieder zurück nach Bad Lauterberg fuhren. In Bockelnhagen selbst wollten wir nicht zum Spazierengehen bleiben. Dazu war dieser Flecken einfach zu öde. Da war es schon besser, zum Wiesenbeker Teich zu fahren. Gleich am Ortseingang von Bad Lauterberg sahen wir das Schild und bogen rechts ab. Wir parkten den Wagen auf dem großen Parkplatz mit Blick auf den zugefrorenen Teich.
Cooper freute sich schon auf die Gelegenheit, etwas herumtollen zu können. Etwas an der Seite, eine Anhöhe hinauf, konnten wir eine Ansammlung von Hütten entdecken. Diese Appartementsiedlung voller Ferienhäuser sah schon hochpreisig aus, zu der Zeit war wohl allerdings nicht gerade viel los.
der zugefrorene Teich

Auf einem Wanderweg, der teilweise noch vom Schnee geküsst wurde, umrundeten wir den Teich komplett. Pocke ersparte es Cooper nicht, das Stöckchen von der Eisfläche des zugefrorenen Teiches aufzusammeln. Das Eis war natürlich dick genug, so dass keine Gefahr für Cooper bestand. Wenn er allerdings eingebrochen wäre, hätten wir ihn nicht retten können. Patti ermahnte Pocke so lange, bis er es endlich einsah und Cooper nicht mehr dauernd aufs Eis jagte.
Lediglich am Anfang kamen uns andere Menschen, teilweise ebenfalls mit Hund ausgestattet, entgegen. Der Weg war nur mit leichten Steigungen ausgestattet und damit leicht begehbar. Als wir die Runde um den Teich beendet hatten, kamen wir am Kneippkurhotel Wiesenbeker Teich vorbei, in dem wohl einst der Bruder meiner Löwin seine Hochzeit gefeiert hatte.
Das ist lange her. Heuer ist das Hotel geschlossen und bietet ein erschreckendes Bild. Das Areal ist dem Verfall preisgegeben, was eigentlich schade ist. Meine Löwin hielt den großen Pavillon vorn am Haus für Tanztees und ähnliche Schweinereien geeignet. Ich denke einfach mal, da hatte jemand kein Geld mehr zur Renovierung gehabt, um das Gebäude für das 21. Jahrhundert fit zu machen.
Kurz bevor wir den Parkplatz wieder erreichten, las ich auf einem Schild Erläuterungen zur Geschichte des Wiesenbeker Teichs., der ein künstlicher Teich ist und seit 2010 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Bereits 1715 ausgehoben, erfüllte er bereits seine Funktion als Staudamm. Neu für die damalige Zeit war das Abdichten des Erddamms mit Rasensoden. Zumindest im Harz war diese Technik zuvor unbekannt gewesen.
Nach diesem erfreulichen (weil reichlich Beute gemacht) Nachmittag sind wir schnurstracks zu unserem Parkplatz gefahren und noch einmal zu Fuß in die Innenstadt gegangen. Weil es noch knapp hell war, hatten wir ja genügend Zeit bis zum Abendessen. In der Fußgängerzone angekommen, tranken wir erst einmal einen Pfefferminztee vor dem Cafe Schnibbe. Bei herrlichem Wetter, sprich schöner heller Sonneneinstrahlung, standen wir an einem Stehtisch und genossen den Tee der Marke Messmer. Nach einer angeregten Unterhaltung gingen wir weiter. Pocke holte sich noch rasch Geld von der Bank, dann landeten wir alle bei McGeiz.
So konnten wir uns die Zeit vertreiben, bis das Abendessen näher rückte und wir uns Richtung Vitalium in Bewegung setzten. Wir schritten durch die Brauergasse an der Kaffeerösterei von Schnibbe vorbei... natürlich nicht, wir gingen da rein. Der Laden, bzw. das Cafe, ist im Vergleich zur Straße etwas tiefer gelegt.
Der Althippie im Laden erklärte uns genau, warum es beim Kaffee so diverse Unterschiede im Geschmack und den Aromen gibt. Wir konnten dies an den Bohnen riechen, probieren durften wir den Kaffee allerdings nicht. Denn Kaffee gilt leider als sauer und ist eben nicht basisch. Wir wollten uns schon noch an die Vorgaben im Vitalium halten. Daher kauften wir nur etwas Kaffee für Phil und Danny. Patti und Pocke wurden wie erwartet ebenfalls fündig, Cooper ging in diesem Laden leer aus.
Hinterher verstauten wir unsere Beute gleich in den Autos, damit wir sie nicht in den Zimmern herumliegen hatten. Zurück im Vitalium, zogen wir uns um und trafen uns auch gleich danach beim Abendessen im Speisesaal.
Einsam und verlassen stand auf den Plätzen der Heilfaster ein Glas mit rotem Saft. Wir konnten dahingehend übereinstimmen, dass es sich um Rote Beete Saft handelte. Aber woher kam dieser fruchtige Beigeschmack? Pocke tippte augenblicklich auf Kirsche. Darauf konnten wir uns einigen. Als Ergänzung zum Saft wurden uns wieder Orangenschnitze und jeweils eine Kanne Anis Fenchel Kümmel angeboten.
Gierig schlang ich auch das Pöttchen mit dem obligatorischen Honig hinunter. Dieses Pöttchen reicht normalerweise für zwei Brötchenhälften. Mit dem Teelöffel kratzte ich diese Köstlichkeit komplett aus dem Plastik heraus. Für mich war dies ganz klar das Highlight des Abendessens, wenn nicht gar des Tages. Direkt danach schraubte ich mir das Bittersalz in den Rachen.
Verglichen mit uns Heilfastern wurde Patti richtiggehend wie eine Prinzessin verwöhnt. Ihr wurde eine Zucchinihälfte serviert, die mit Gemüsestreifen gefüllt und leicht überbacken war. Dazu befanden sich noch gedünstete Kartoffelwürfel und ein Klecks Gemüsesoße auf ihrem Teller.
Und wie eine wahre Prinzessin verspeiste Patti lediglich den halben Teller dieser edlen Speise. Sie meinte dazu nur lapidar, dass sie die Gemüsestreifen so langsam nicht mehr sehen könnte. Automatisch krallten sich meine Fingernägel in die Tischplatte ob dieser Aussage. Ich überlegte: Wenn sie jetzt wegschaut... Vielleicht sieht es ja keiner...
Nach dem Essen gingen Patti und Pocke erst einmal in die Sauna. Da war es 19.00 Uhr und die Beiden hatten die Saunen für sich ganz allein, wie sie hinterher erfreut berichteten. Derweil vergnügten sich meine Löwin und ich mit „Take Five“ an unserem Kartentisch im vorderen Speiseraum.
Aber bevor wir mit dem Spielen anfingen, unterhielten wir uns noch kurz mit der Hausdame, die wie üblich durch den Saal schritt. Wir erfuhren zu unserem Erstaunen, dass sie doch nicht wie angenommen zur Familie gehört. Sie ist lediglich eine von insgesamt vier Hausdamen, die jeweils alle 4 Monate im Einsatz sind. Jede von ihnen bleibt 4 Wochen lang im Vitalium und nimmt nicht nur die Aufgabe als Hausdame wahr, sondern macht das Programm komplett mit. Unsere Hausdame jedenfalls ist vom Heilfasten begeistert und feierte am Freitag ihren Geburtstag, den sie gern im Vitalium verbringt. Für sie ist diese Tätigkeit Ablenkung von der Langeweile eines Rentners und Urlaub zugleich. Diesen Job könnte sich meine Löwin in ihrer Rente für sich ebenfalls vorstellen.
Wir schafften zwar nur 2 Partien „Take Five“, bis Patti und Pocke von ihrem Saunagang kamen, dafür hatten wir jedoch ein nettes Gespräch geführt und nachdenkenswerte Informationen erhalten. Zu viert spielten wir den restlichen Abend nur noch „11 nimmt“, hatten dabei aber einen Riesenspaß und hielten tatsächlich bis halb Elf durch. Dies war sicherlich unser fröhlichster Abend in der gesamten Woche. Nur für Pocke nicht, weil er nahezu jedes Spiel verlor.
Nachdem ich am Ende des Abends meine Löwin zu Bett gebracht hatte, las ich noch ein wenig in meinem Buch und knipste wieder mal kurze Zeit später das Licht aus. Den Wecker für den nächsten Morgen hatte ich zunächst eingeschaltet, stoppte ihn dann aber doch kurz entschlossen, um länger schlafen zu können. Quasi um Mitternacht beendete ich so diesen langen Tag.

Samstag, 23. November 2019

Hartmudo: Mutter

51
Als ich aus dem Haus draußen war und auf dem Parkplatz stand, holte mich Berta ein. Sie hatte Mutters Wohnung gleich nach mir verlassen. Auch sie ließ sich mit Sunny, die wohl noch eine Zeit lang weiter krakeelt hatte, auf keine Diskussionen mehr ein. Berta berichtete mir noch von einigen Schimpfwörtern, die Sunny mir hinterher gerufen hatte. Doch ich vergaß dies binnen Sekunden; es interessierte mich einfach nicht mehr, ich war wegen Sunny noch viel zu angepisst.
So fühlte ich mich einerseits immer noch tiefenentspannt, weil ich mich nicht von Sunny provozieren ließ, als sie mich mit der Vollmacht, die sie einfach nur unterschreiben musste, einfach im Regen stehen gelassen hatte. Andererseits ärgerte ich mich doch noch über Sunnys Auftritt. Sie tat gerade so, als ob sie sich alleine um Mutters Angelegenheiten gekümmert hätte.
Sie besuchte Mutter im Krankenhaus oder dem Heim in der Reuterstraße auch nicht öfter als Berta oder meinereiner. Die Einkäufe für Mutter, als diese es im späten Frühjahr nicht mehr selbst konnte, wurden nahezu komplett von Berta erledigt. Und Berta war es auch, die Mutter beim Schriftkram und dem Zahlungsverkehr über die Bank half. Ich war lediglich wegen der Eigenanteile bei Verordnungen und Medikamenten involviert - da wollte Mutter allerdings keine Unterstützung, weil sie da dem Steuerberater vertraute. Sunny war bei diesen Tätigkeiten nicht präsent.
Die Organisation von Mutters Beerdigung in Travemünde bzw. der Trauerfeier in Melverode blieb in erster Linie mir, aber auch Berta überlassen. Sunny wurde erst aktiv, als es um die Auflösung, sprich Verkauf, von Mutters Hab und Gut ging. Hier hätten sich Berta und ich zugegebenermaßen mehr engagieren können, aber Sunnys permanente Wutausbrüche und Haßtiraden waren einfach nicht zu ertragen.
Den „Höhepunkt" von Sunnys Eskapaden hatten Berta und ich vor ein paar Minuten erleben dürfen. In abartiger Selbstgerechtigkeit war sie durch die Wohnung gestiefelt. Sie äußerte sogar noch, das sie Mutters Wohnung zum letzten Mal betreten hätte. Sie musste also leiden, sie war das Opfer. Diese Rolle spielte sie sehr überzeugend. Allein, es stimmt ja nicht. Sunny hatte es doch tatsächlich geschafft, ihre Sicht der Vorgänge seit Mutters Tod ins Gegenteil zu verkehren.
Wahrscheinlich war sie so hasserfüllt, weil wir einfach über ihren Kopf hinweg eine andere Firma zum Ausräumen der Wohnung beauftragt hatten. Dabei hatte ich es ihr doch am Telefon ausführlich erklärt. Geld bekommen statt Geld zu bezahlen war doch genau ihr Ding, sie meinte doch noch einige Wochen vorher, das sie Mutters Sachen nicht einfach so verschenken wollte.
Berta und ich unterhielten uns noch ein paar Minuten auf dem Parkplatz, dann fuhren wir beide nach Hause. An diesem Abend war ja noch Kegeln angesagt. Ohnehin war jetzt für mein Dafürhalten in Mutters Angelegenheiten nichts mehr zu regeln. Sunny würde ich nur noch bei dem Wohnungsverkauf, also beim Notar, sehen müssen. Bei der Kontoauflösung übrigens auch, aber dazu später.
Es war wohl an jenem Kegelabend, wo wir nochmal über das Boozeln in Dettum sprachen; das im nächsten Jahr ausgetragen werden sollte. Hier konnten sich Berta und ich nicht mehr bergen und erzählten dann doch einiges über den Streit, den wir gerade mit Sunny hatten. Berta hatte hier ein wenig mehr Mitteilungsbedürfnis als ich an den Tag gelegt, aber dennoch konnten wir wenigstens klarstellen, das dies unsere eigene Meinung ist und die Trantüten ruhig gegen die Dettumer boozeln könnten. Nur auf uns müssten sie dann halt verzichten.
Am folgenden Wochenende, genauer gesagt am Samstag, den 17. Dezember, war die Wohnungsräumung terminiert. Durch die Firma, die Berta dann als Ersatz für Sunnys Vorschlag ausgesucht hatte. Wir hatten bekanntlich dieselben Konditionen wie Sunny, und das auch nur dank des beherzten Einsatzes von Berta.
Ich kann mich deshalb noch so gut an das Datum erinnern, weil ich an jenem schönen Tag mit meinen alten Kumpels Wolfgang und Bela beim Auswärtsspiel in Karlsruhe war. 17. Spieltag und Kroll war aus dem Schwarzwald ebenfalls angereist. Das Tannenzäpfle von Rothaus ist aber auch gut - das Spiel war es nicht. Für mich war dies jedoch ungeachtet des lahmen 0:0 eine willkommene Abwechslung zu dem ganzen Stress mit der Familie. Endlich hatte ich mal nicht an die Streitereien denken müssen, die Wiedersehensfreude mit den Kumpels und das Tannenzäpfle halfen da doch sehr.
Nicht das ihr das falsch versteht. Meine Löwin hatte mich auch während all der Wochen und Monate moralisch unterstützt und mir auch viel Druck genommen. Einfach, weil sie da war. Mich aus der Lethargie gerissen, wenn es nötig war. Oder mich zum Lachen gebracht oder getröstet, wenn ich es am nötigsten brauchte. Aber - nichts für Ungut, meine Liebste - einfach raus und mal weg von allem, dazu ein Besuch im Stadion des Gegners, das tut dann gut.
Schon während der Hinfahrt hatte ich mich mit Bela gut unterhalten, auch Wolfgang war da noch guter Dinge. Kroll holten wir am Bahnhof ab und über einen Supermarkt (eine Flasche Bier auf die Faust) erreichten wir guter Dinge das Stadion. 0:0, wie gesagt. Kroll war irgendwann weg und auch wir waren auf der Rückfahrt im Zug nicht mehr so gesprächig und dösten so vor uns hin.
Zuhause angekommen, fühlte ich mich etwas ermattet. Meine Löwin war noch wach, von der Wohnungsräumung hatte ich keine Infos bekommen. Nicht das ich wirklich daran gedacht hatte oder mich sorgte, es könnte etwas schiefgegangen sein. An diesem Tag hatte ich den ganzen Streit hinter mir gelassen und mich auf das Auswärtsspiel gefreut. Endlich konnte ich durchatmen, ja befreit aufspielen.
Der Angstschweiß stand mir erst am nächsten Tag im Gesicht, als mich Berta anrief.

Samstag, 16. November 2019

Contramann: Aus dem Forum zu…


... Telepolis zu diesem Artikel vom 27.8.2019:
https://www.heise.de/tp/features/Die-Verschwoerungstheorie-von-der-Sogwirkung-der-Rettungsschiffe-4505709.html
Es ist ja nicht alles falsch in diesem Artikel von Franz Alt, dessen Arbeit ich in den 80ern beim Politmagazin Report sehr geschätzt hatte. Leider bleibt Herr Alt in der Welt der 80er Jahre gefangen und zieht Vergleiche die einfach nicht passen.
Für mich sitzt Franz Alt in der digitalen Gummizelle. Doch hier schnell noch der Forumsbeitrag zum Artikel:
„Fakten wie der Ort der Aufnahme auf ein Schiff und Labels wie "VT"
Vor einigen Jahren war ich auch noch skeptisch, als dem Pull-Faktor der Rettungsschiffe eine große Bedeutung beigemessen wurde. Aber damals war die Situation auch noch eine andere. Die meisten Fälle, in denen Menschen auf Rettungsschiffe aufgenommen wurden, waren irgendwo mitten im Meer oder z.B. in der Nähe von Lampedusa. Damals wurden Boote benutzt, mit denen Europa im Prinzip hätte erreicht werden können, und die Seenotrettung spielte vor allem dann eine Rolle, wenn etwas schief ging. Es war plausibel anzunehmen, dass die meisten, die ohne Einreiseerlaubnis auf dem Meer nach Europa fuhren, dies auch ohne diese Rettungsschiffe getan hätten. Einen gewissen Einfluss als Pull-Faktor wird es durch die Risikoverminderung schon damals gegeben haben, aber das war kaum das Dominierende, und aus einer utilitaristischen Perspektive würde ich sagen, dass selbst dann, wenn deswegen vielleicht ein paar Personen mehr über das Meer fuhren, die Vorteile der Rettungsschiffe ziemlich sicher stark überwogen.
Die damalige Situation war auch eher mit den Boat People aus Vietnam vergleichbar, die auch nicht mit untauglichen Gummibooten ein paar Kilometer aufs Meer hinaus fuhren und dort abgeholt wurden, sondern Boote verwendeten, die zwar sicher überfüllt, riskant und nicht gut ausgerüstet waren, aber nicht prinzipiell ungeeignet, um ihr Ziel zu erreichen.
Aber seither hat sich die Situation stark geändert, wahrscheinlich in erster Linie als Folge der Bekämpfung der Schlepper. Die meisten Fälle, in denen Personen auf NGO-Schiffe aufgenommen werden, sind jetzt in der Nähe der libyschen Küste. Diese Entwicklung wird auf einer interaktiven Karte der New York Times gut dargestellt: https://www.nytimes.com/interactive/2017/06/14/world/europe/migrant-rescue-efforts-deadly.html
Jetzt ist die typische Situation von Personen, die auf NGO-Schiffe aufgenommen werden, dass sie Boote verwenden, die untauglich sind, um damit Europa (und sei es Lampedusa) zu erreichen, und sie werden - wenn für sie alles gut geht - nach einem kleinen Bruchteil der Strecke von den NGO-Schiffen aufgenommen. In dieser Situation ist es natürlich höchst plausibel, anzunehmen, dass die Präsenz dieser NGO-Schiffe dafür, dass Menschen mit untauglichen Gummibooten von der afrikanischen Küste aus aufs Meer fahren, eine bedeutende Rolle spielt.
Natürlich kann Franz Alt eine andere Meinung vertreten und behaupten, diese Afrikaner würden ganz unabhängig von den NGO-Schiffen mit Booten, die ungeeignet sind, Europa zu erreichen, aufs Meer hinaus fahren (es wäre interessant, wie Franz Alt das begründen würde, hält er diese Afrikaner für sehr dumm?).
Aber es ist sicher nicht sinnvoll, für die Idee, dass Afrikaner nicht einfach aus Dummheit mit untauglichen Gummibooten aufs Meer hinausfahren, sondern dass die Präsenz von Schiffen, die sie, wenn alles gut geht, auf dem Meer kurz vor der Küste abholen und nach Europa bringen, eine Rolle spielt, den Begriff der "Verschwörungstheorie" zu verwenden. Wer soll sich hier mit wem "verschwören"? Der Begriff der Verschwörungstheorie ist ohnehin problematisch und wird oft für spekulative Theorien, welche der jeweilige Sprechende nicht mag, verwendet (nicht aber für spekulative Theorien, die er mag). Aber hier hat eine weitere Analyse, weshalb der Begriff "Verschwörungstheorie" verwendet wird, wohl gar keinen Sinn, sondern Franz Alt meint damit einfach: "Ich bin dagegen, habe aber keine Argumente und will keine verwenden und nicht auf die Argumente anderer eingehen, aber es ist pfui, so etwas zu denken."
"Niemand verlässt freiwillig seine Heimat"
Nun gut, viele Menschen ziehen freiwillig in ein anderes Land um. Aber es ist klar, dass bei der Migrationsbewegung von Europa nach Afrika das große Wohlstandsgefälle eine wichtige Rolle spielt.
Ein kleiner Teil mag die Bedingungen für Asyl erfüllen, und ich bin durchaus dafür, dass Möglichkeiten geschaffen werden, damit aus anderen Ländern Asylanträge gestellt werden können, die dann ohne vorherige Einreise geprüft werden. Aber es sind sich wohl alle einig, dass das nur einen kleinen Teil der Migrantinnen aus Afrika betrifft, die meisten haben keine Chance auf Asyl.
Es geht auch keineswegs um eine begrenzte Zahl der Menschen, denen es besonders schlecht geht und die jetzt in einem Akt der Menschlichkeit aufgenommen werden müssen. Erstens zeigen viele Untersuchungen, dass es nicht die Ärmsten sind, die sich auf den Weg nach Europa machen - eine solche Reise kostet etwas, und die Ärmsten können sich das im Allgemeinen nicht leisten. Zweitens ist das keineswegs eine begrenzte Zahl von Personen - in Umfragen sagt ein bedeutender Teil der afrikanischen Bevölkerung, dass sie gerne (unter anderem nach Europa) auswandern würden, und gerade weil bei allen wirtschaftlichen Problemen der Wohlstand in Afrika doch auf tiefem Niveau tendenziell steigt, ist eher mit mehr Personen zu rechnen, die einen solchen Wunsch auch in die Tat umsetzen würden. Die afrikanische Bevölkerung wird sich gemäß Prognosen bis zum Ende dieses Jahrhundert verdreifachen bis vervierfachen. Dann müssen wir uns schon ernsthaft fragen, ob es für Afrika und für Europa die richtige Lösung ist, hunderte von Millionen von Afrikanerinnen, die wahrscheinlich zu einem großen Teil schwer zu integrieren sein werden, nach Europa einwandern zu lassen. Ich glaube nicht, dass es hilfreich ist, mit Schlagworten, dass alle, die über die potenzielle Zahl längerfristig zu erwartender Migrationswilliger nachdenken, angeblich "Rechte" seien, das ist nur eine Verweigerung einer rationalen Debatte. Zu sagen, jetzt seien es ja noch nicht so viele, bedeutet einfach den Kopf in den Sand zu stecken - sollen jetzt noch alle, die ein paar Kilometer aufs Meer fahren, nach Europa gebracht werden und dort bleiben können, und ab irgendeiner Zahl heißt es dann plötzlich, jetzt sei die Obergrenze erreicht?
Ich meine, dass die wohlhabenden Länder (in Europa, Amerika und Asien) in erster Linie eine moralische Verpflichtung haben, armen afrikanischen Ländern zu helfen. Sicher ist das nicht einfach und viele Arten der Entwicklungshilfe sind ineffektiv oder zum Teil möglicherweise kontraproduktiv, aber das betrifft kaum alle Arten, es scheint durchaus effektive Entwicklungshilfe zu geben. Auf jeden Fall kann mit dem Geld, das für einen einzigen Migranten aus Afrika, der nicht in die Arbeitswelt in Europa integriert werden kann, in Europa ausgegeben wird, einer großen Zahl von Menschen in Afrika, wo die Lebenskosten viel tiefer sind, geholfen werden.
Von mir aus kann es auch Programme geben, mit denen eine begrenzte Zahl von Personen aus Afrika nach Europa kommen können (eher solche, die bessere Integrationschancen haben), aber das ist kaum die effektivste Methode, um Afrika zu helfen.
Für eine staatliche Seenotrettung wäre ich auch, aber es müsste sichergestellt werden, dass es die Wahrscheinlichkeit, nach Europa zu kommen, nicht erhöht, wenn sich jemand in Seenot begibt. Wer mit untauglichen Booten von der afrikanischen Küste aus aufs Meer fährt, soll gerettet und zurück nach Afrika gebracht werden (natürlich gibt es dort zum Teil noch Probleme mit der Rückaufnahme, diese sollen gelöst werden). Es ist eher absurd, wenn so getan wird, dass es nicht dazu führt, dass Menschen ihr Leben aufs Spiel setzen, wenn eine Fahrt mit dem Gummiboot den gewünschten Transport nach Europa mit vorläufigem Bleiberecht zur Folge hat, und jeder der nicht will, dass Menschen ertrinken, müsste meines Erachtens gegen eine solche Regelung sein, bei der Seenot für bestimmte Personengruppen eine notwendige und hinreichende Bedingung für eine Aufnahme in Europa ist.
Franz Alt hat offensichtlich eine andere Antwort. Er meint, dass man von Menschen in Afrika verlangen soll, dass sie ihr Leben auf Gummibooten aufs Spiel setzen, und wenn sie diese Bedingung erfüllen, sollen sie das Recht erhalten, in Europa zu bleiben und Sozialgelder zu bekommen. Dass einige dabei ertrinken, wird hingenommen. Ich halte das für äußerst unmenschlich.
Franz Alt halte ich aufgrund seiner Texte für einen Menschen, dem es vor allem wichtig ist, sich selbst in seinen eigenen Augen moralisch über andere zu erheben. Dass das, was er propagiert, wahrscheinlich unmenschliche Folgen hat, scheint ihn nicht zu kümmern. Schließlich gehört er ja zu den Guten, dann ist seine Aufgabe, seine Gegner mit schlimmen Labels zu versehen, nicht darüber nachzudenken, was für Folgen das, was er propagiert, hat.“

Ich denke, der Forist hat hier den Dogmatismus der strikten Befürworter einer unkritischen Sennotrettung der MFlüchtlinge im Mittelmeer nach Europa anschaulich herausgearbeitet. Da können Franz Alt oder Carola Rackete noch so leidenschaftlich argumentieren. Jeder in Europa aufgenommene Flüchtling verschlechtert die Lebenschancen ihrer Landsleute in Afrika. Denn es sind die Armen und eher schlecht Ausgebildeten, die in Afrika zurückbleiben und ihre Länder nicht voran bringen können.
Diejenigen, die das könnten, sitzen dann in einer deutschen Großstadt, erhalten Sozialgeld und haben zumeist kaum Chancen, hier Fuß zu fassen. Die Hilfe für die Menschen muss in Afrika erfolgen und nicht im Mittelmeer, egal wie diese Hilfe auch aussieht.

Donnerstag, 14. November 2019

Hartmudo: Vitalium 17

17
Erneut legte ich meinen Kopf in die Mulde der Massagebank und atmete durch das Laken, welches ich als Unterlage mitgebracht hatte. Die entspannende Massage ließ mich überlegen, mich auch mal in Braunschweig ab und an massieren zu lassen. Selbst eine kurze Entspannung wirkt ja schon beruhigend auf Körper und Geist. Als die Masseurin gegen Ende auch noch meinen Rücken nebst Schultern massierte, musste ich wohl oder übel in die sitzende Position gehen. Zugegebenermaßen hatte ich leichte Probleme, aus dem Liegen heraus in diese Position zu gelangen. Mir war irgendwie mehr nach Liegen bleiben.
Hinterher bedankte ich mich artig und verabschiedete mich von der Masseurin, da dies die zweite und letzte Massage war. Ich hätte sicherlich eine zusätzliche Massage vor Ort buchen können, doch darauf kam ich einfach nicht. Daher führte mich mein Weg aufs Zimmer zurück ...und sofort, aber sofort, auf das Klo.
Mittlerweile sank der Verbrauch an Klopapier pro Sitzung spürbar. Da allerdings die Anzahl der Sitzungen gleichzeitig anstieg, war das Ganze papiertechnisch ein Nullsummenspiel. Doch egal, anschließend schaute ich bei meiner Löwin vorbei. Sie war ebenfalls gut drauf; zusammen packten wir noch schnell die Einkäufe vom Vortag in das Auto, wir hatten ja noch etwas Zeit bis zum Mittag.
Auf dem Weg zurück klopften wir noch schnell im Appartement bei Patti und Pocke an, um unseren Blutdruck zu messen. Wie immer freute sich Cooper höllisch, uns zu sehen. Bei mir zeigten die digitale Ziffern einen Wert von 138:77 an. Da war ich natürlich richtig begeistert; auch meine Mitstreiter waren mit ihren Werten zufrieden. Da hatten die paar Tage in Bad Lauterberg sich bereits positiv bemerkbar gemacht.
Wo wir gerade so nett zusammen herumsaßen, beratschlagten wir sogleich die Planung für den Nachmittag. Pocke griff wieder seinen Vorschlag vom Frühstück auf. Er wäre gern zur Odertalsperre gefahren, weil wir dort auf einer flachen Strecke laufen könnten. Keine Steigungen - für das linke Knie meiner Löwin wäre das ein Segen gewesen.
Meine Löwin fiel als Alternative ein anderer Wanderweg ein. Wir hätten von Romkerhall, dem kleinsten Königreich der Welt, zum Fuß der Okertalsperre wandern können. Diesen Weg waren meine Löwin und ich schon mal mit den Trantüten, unserem Kegelverein, gegangen. Auch dort hätten wir mit keiner Steigung zu kämpfen gehabt.
Jetzt kam von Patti die dritte und beste Alternative. Sie hatte bereits mit der Osteopoathin gesprochen, die sie wegen ihrer Magenprobleme aufgesucht hatte. Stutenmilch wäre für Patti genau das Richtige; passenderweise gibt es da in Thüringen, quasi gleich hinter Hohegeiß, einen Hofladen in einem Ort namens Bockelnhagen. Landkreis Eichsfeld, Home of the Stracke. Pocke hatte es blitzschnell recherchiert: Wir bräuchten bloß 10 km über kleine Landstraßen zu fahren, schon wären wir dort.
Ein Hofladen - da war auch meine Löwin sofort begeistert. Die Entscheidung für Pattis Alternative fiel einstimmig aus. Voller Vorfreude begaben sich die Heilfaster zum Mittagessen, während Patti zunächst zu ihrem Termin um 12.00 Uhr bei der Osteopathin ging. Cooper bewachte solange das Appartement.
Wir betraten den Speisesaal etwas später als die Tage zuvor und waren erstaunt, dass gar kein Essen für Patti auf den Tisch stand. Auch unsere Plätze waren leer; wir gierten doch aber förmlich nach der für diesen Mittag angekündigten Fastensuppe. Kurze Zeit später setzte sich Patti an den Tisch. Ihr Termin mit der Osteopathin war so gut verlaufen, dass sie eine Fortführung dieser Behandlung in Braunschweig ins Auge fasste. Meine Löwin wollte sich dies ebenfalls überlegen und nach der Kur einen Osteopathen suchen.
Wir saßen noch am blanken Tisch, als eine Servicekraft bei uns vorbeischaute und uns Heilfaster wegen des planmäßigen Fastenbrechens ab Freitag befragte. Meine Löwin und ich blieben standhaft und äußerten den Wunsch, mit dem Heilfasten weiterzumachen. Pocke dagegen nahm die Anregung des Fastenbrechens begeistert auf. Das Bittersalz war ihm ja schon nicht gut bekommen. Noch dazu schob er von Tag zu Tag mehr Kohldampf, so dass er das Ende des Fastens händeringend herbeisehnte.
Jetzt endlich wurde uns die Fastensuppe serviert. Beim Blick über die Tassen befiel mich eine gewisse Traurigkeit, weil bei Pocke und auch bei meiner Löwin ein Fitzelchen mehr an Suppe vorhanden war. Wie in den letzten Tagen auch konnten wir die Zutaten dieser himmlisch schmeckenden Köstlichkeit nicht identifizieren. Da hieß es also ordentlich mit Pfeffer nachwürzen und Löffel frei!
Die Küche hatte Patti selbstverständlich nicht vergessen. Der Koch kredenzte ihr eine Lore gedünstetes Gemüse und zwei Pellkartoffeln mit Schälmesser dazu. Es folgte dasselbe Prozedere wie die Tage zuvor. Während wir Heilfaster unsere Suppentassen fast ausgeleckt hätten, verzehrte Patti vielleicht die Hälfte ihres nicht gerade üppigen Mahls. Wie kann man da nur satt sein? Noch eine Woche länger fasten, und ich hätte für ihren Teller getötet.
Nach dem Essen nahm ich beim Gang aufs Zimmer noch die Rechnung für meine Löwin und mich mit. Diese war bereits in unseren Fächern bei der Rezeption hinterlegt. Pocke hatte seine bereits vorher abgeholt und zum Mittag dabei und sogar bezahlt gehabt. Er hatte mir seine Rechnung beim Essen gezeigt; bei ihm waren die ärztlichen Leistungen und Untersuchungen nebst Verordnungen zur Erstattung durch seine Krankenkasse explizit aufgeführt.
Genau diese Aufstellung brauchte auch ich für meine Krankenkasse und bekam sie selbstverständlich nicht. Stattdessen wurde auf meiner Rechnung lediglich der Pauschalpreis nebst Kurtaxe kommentarlos ausgewiesen. Da war ich dann erst mal richtig stinkig, denn mit diesem Wisch würde ich nicht eine müde Kopeke erstattet bekommen.
Und während meine Mitstreiter nach dem Essen ihren Heuwickel genossen, chillte ich erst einmal nicht etwas ab, sondern reklamierte die Rechnung. Die Sekretärin entdeckte ihren Fehler zum Glück nach kurzem Blättern in einem Aktenordner und entschuldigte sich für das Missgeschick. Ein Versehen sei es gewesen; bis zum nächsten Tag wollte sie eine neue Rechnung schreiben. Nun endlich konnte ich mich wie gewohnt zum Schreiben auf mein Zimmer zurückziehen.
Zu meiner großen Überraschung meldete sich meine Löwin bereits kurz nach halb Zwei bei mir. Dieses Mal benötigte sie keine Verschnaufpause nach dem Heuwickel, denn die Aussicht auf den Besuch eines Hofladens setzte bei ihr zusätzliche Kräfte frei. Und so beendete ich schnell meine Schreibtätigkeit und ging mit ihr zusammen zum Appartement, um den Rest der Mannschaft zu aktivieren.
Mit Pockes Mercedes fuhren wir dann alle an Hohegeiß vorbei Richtung Bockelnhagen. Auf der holprigen Landstraße kamen wir gut voran; meine Löwin und ich saßen hinten und hatten Cooper in unsere Mitte genommen. Auf immer kleineren Straßen erreichten wir endlich Bockelnhagen in Thüringen. Wir hatten im Ort sogar die Einfahrt zum Hofladen übersehen, da diese sehr unscheinbar ausgeschildert ist.
Das war allerdings kein Problem. Wir parkten einfach am Straßenrand der Hauptstraße und brauchten bloß ein kleines Stück zu laufen, um dann über eine kleine Brücke einen Bach zu überqueren. Wir erreichten einen Bauernhof, an dessen Ende ein Haus mit großer Schaufensterfront und einer hölzernen Terrasse stand. Über der Tür daneben stand Hofladen drüber, wir waren also richtig.
Witzigerweise stand da ein großer Kicker auf der Terrasse. Eine Fernsehzeitung lag dort auch noch herum. Die Kinderkarre ließ eine familiäre Atmosphäre erahnen. Das wirkte auf jeden Fall erst einmal unprofessionell und ließ uns ein schlecht gehendes Geschäft vermuten, zumal der Laden dunkel war und sich an der Tür ein Schild mit der Aufforderung „bitte klingeln“ befand.
Diesem Wunsch kamen wir umgehend nach und wurden auch mit dem Öffnen der Tür durch die Dame des Hauses belohnt. Die kräftige Mittfünfzigerin begrüßte uns freundlich, aber nicht überschwänglich. Kurze Zeit später kam noch ihr Mann hinzu, der uns letztendlich bediente und auch nicht mit Infos über seinen Betrieb geizte.

Freitag, 8. November 2019

H. Lecter: Alf


9
Mit Hinlegen vor dem Konzert wird wohl nicht so viel gewesen sein. Das üppige Abendessen – noch heute denke ich mit Grausen an die Buffets im Hotel Lancaster zurück – hatte uns ausreichend ausgenüchtert. Zur Erklärung: Da ich bekanntlich ziemlich mäklig bin, hatte ich die Stücke Schweine- oder auch mal Rinderbraten verschmäht, denn man konnte den Stücken eine gewisse Knorpeligkeit nicht absprechen.
Die Kartoffeln salzarm und medium rare zubereitet, das Gemüse leicht blanchiert und ungewürzt. Nein, das ist nicht meins und wird es nicht mehr werden. Mit Salat hatte ich es seinerzeit nicht so, da blieben nur noch die frittierten Sachen wie Pommes oder irgendwelche panierten Hähnchenschnitzel. Gesunde Vollwertkost halt.
Nach dem gehaltvollen Abendessen zogen wir los. Zuerst natürlich ins Hofbrauhaus Latino, die Happy Hour mitnehmen. Das allseits beliebte Vorglühen, dass ich jahrelang auch mit Pocke, Uli und vielen anderen vor Konzerten wie Dr. Feelgood, Lou Reed, Neil Young und und und durchexerziert hatte.
Irgendwann, wohl so gegen halb Elf, liefen wir im Oberbayern auf, dem damaligen Schlagertempel schlechthin. Im großen und quadratischen Raum, der schwarz gestrichen war, befand sich an einer Seite die Bühne. Der ganze Raum dient als Tanzfläche; anders als im Hofbrauhaus Latino gab es hier keine Holzumrandung. Dafür aber ein diffuses, bald düsteres Licht.
Als die Band dann endlich anfing zu spielen, war die Tanzfläche ob der üblichen Gassenhauer, unter die sich sogar einige bekannte Rocksongs mischten, gut gefüllt. Und die Band war wirklich gut. Ich habe in meinem Leben selten so eine perfekt zusammenspielende Combo erlebt, da konnten sich die allermeisten Bands, die ich im letzten Jahrhundert so erlebt hatte, eine Scheibe von abschneiden.
Und dann – endlich, weit nach Mitternacht – kam Michelle auf die Bühne. So klein und zierlich hatte ich sie gar nicht eingeschätzt. Ihr trägerloses Abendkleid sah dagegen Spitze aus. Souverän bewegte sie sich vor der Bühne, die kleine Frau mit dem Mikro.
Die Tanzfläche war derweil leergefegt, was sicherlich an der Security lag, die die zumeist gröhlenden Besoffenen an die Ränder des quadratischen Raums drängte, so dass sich Michelle auf der Fläche austoben konnte. Nein, sie tanzte nicht zu ihren Songs, aber sie schwebte auf der Fläche vor und zurück. Sehr grazil, fast majestätisch.
Und als einer der Zuschauer es dann doch wagte, durch den Kordon der Security durchzubrechen, wurde er bereits nach wenigen Schritten eingeholt und zurück in die Masse am Rand zurückgedrängt. Dies geschah nicht überhastet und brutal, sondern ganz gemächlich und souverän.
Michelle sang auch ihren Hit. Den musste ich eben doch tastsächlich in Wikipedia nachschlagen – ich wusste es nicht mehr. „Heut Nacht will ich tanzen“ hieß er. Ich kann mich eigentlich nur noch an die Textzeile „und heut` Abend hab` ich Kopfweh“ in Erinnerung behalten. Obwohl ich Kopfschmerzen in jenen Jahren immer nur am Morgen nach dem Aufstehen verspürte.
Erstaunlicherweise blieb die anfangs tobende Meute mucksmäuschenstill und lauschte ergriffen. Die „Ausziehn, ausziehn“ Rufe blieben zu meiner Verwunderung ebenfalls aus. Michelles klare Stimme, die exquisite Band im Rücken, eine souveräne Körpersprache… Da war ich beeindruckt. Diese Klasse hätte ich von einer Schlagertussi niemals erwartet.
Das Rosenberg Cover ersparte sie uns nicht. „Er gehört zu mir“ ist einer der Songs, die ich nicht wirklich hören muss. Beeindruckt bei dieser Interpretation hatte mich aber Michelles Stimme. Diese Kraft – Michelle hatte offenbar eine hervorragende Gesangsausbildung durchlaufen. Was das angeht, bin ich seinerzeit bei den von mir bevorzugten Musikern nicht gerade verwöhnt worden.
Nach dem Konzert stand Michelle sogar noch an der Theke für Autogrammwünsche zur Verfügung. Wo meine persönlich signierte Autogrammkarte im Laufe der Jahre abgeblieben ist, vermag ich nicht mehr zu sagen. Aber ich erinnere mich wenigstens daran, dass Alf sein Sabbern aus Geilheit gerade noch rechtzeitig abstellen konnte und Michelle eben nicht ins Dekolletee griff.
Ein rundum gelungenes Konzert also. Das lag aber auch an dieser phantastischen Live Band, die nach Michelles Auftritt noch mal so richtig aufdrehte. Würde ich mir heute glatt wieder ansehen – allerdings nicht nüchtern.

Dienstag, 5. November 2019

Contramann: kurz gesehen im November


https://www.fr.de/meinung/afd-setzt-aufs-klima-thema-gaulands-meuthens-fischen-greta-kritikern-nach-stimmen-13068212.html
Das wird ja immer verrückter. Ich kann den Hype um Greta Thunberg mittlerweile nicht mehr nachvollziehen, weil ich mir nicht vorstellen kann, inwieweit sich die Anhänger von „Fridays for Future“ der Konsequenzen eines wirksamen Klimaschutzes bewusst sind. Als da wären öffentlicher Personennahverkehr statt bzw. vor Individualverkehr. Einsparung von Müll - vor allem Plastikmüll – müsste durch Verbot von Einwegartikeln bei Verpackung als auch Haushaltsartikeln wie Besteck, Geschirr oder selbst Taschentücher erreichbar sein. Aktuell sind ja auch nicht nur Smartphones, sondern sämtliche Elektrogeräte Wegwerfartikel. Eine Reparatur lohnt sich halt nicht, ist teurer als eine Neuanschaffung.
Hier bin ich ausnahmsweise mal bei Dieter Nuhr, der nebenbei fehlende Argumente bei Fridays for Future anmahnte. Er wurde im Netz jedoch nicht dafür stark angefeindet, sondern wegen seiner gewohnt flachen Witze, z. B. keine Heizung für diese Kids am Freitag usw. Da wird Nuhr quasi zum Antichrist hochstilisiert:
https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/thunberg-witze-unter-humorverbot-nuhr-komisch-ist-das-nicht/25082084.html
Beeindruckend hier der Vergleich zu Böhmermann, der für seine Schmähungen zum Helden aufstieg. Da merkt man mal wieder, dass die Aktivisten gegen rechtes Gedankengut selber nicht von faschistischen Denkansätzen frei sind.
Und dazu dann noch Fridays for Hubraum! Diese von der AfD unterstützte Facebook Gruppe erhielt schnell enormen Zulauf, hält sich aber wenigstens radikale Kräfte vom Leib oder positioniert sich zumindest gegen diese. Man mag zu diesen armen Irren stehen wie man will (Ich mag sie auch nicht), aber sie versuchen wenigstens, die üblichen Hassprediger auszuschließen. Von Rechts und Links, wohlgemerkt.

https://www.bento.de/politik/rechtsextreme-auf-telegram-warum-der-messenger-bei-identitaeren-und-neonazis-beliebt-wird-a-bc1b4560-9a92-4a8b-b718-c1455ae76df1
Aha. Auf diesem Messenger namens Telegram waren also früher Islamisten unterwegs, jetzt tummeln sich dort wohl die Faschos. Auf Telegram kann man geschlossene Chats eröffnen, aber auch offene Räume sind möglich. So können die Faschos unter sich bleiben - wenn sie wollen - oder ihr krudes Gedankengut der Öffentlichkeit zugänglich machen.
Keiner breiten Öffentlichkeit wohlgemerkt, denn die ist bekanntlich bei Facebook, Whatsapp und Co. Typisch Bento: Die ganzen Handy Apps sind so schick, da kann man sich nichts anderes mehr vorstellen als Messengerdienste. Den Faschos geht das sicherlich genauso. Ist schon irre, das jetzt bereits Apps Fascho sein können.

https://www.spiegel.de/auto/aktuell/iaa-2019-volkswagen-enthuellt-das-elektroauto-vw-id3-a-1285605.htmlSo ein geistiger Dünnpfiff. Der ID3 von VW soll ja der Nachfolger vom Golf werden. Mit dieser Karre, so VW Chef Herbert Diess, „könne man Klimaschutz und individuelle Mobilität unter einen Hut bringen.“
Und genau die individuelle Mobilität ist eben das Problem. Schränkt diese ein, z. Bsp. durch kleinere und schwächer motorisierte Autos, oder großflächige Umstellung auf einen besseren öffentlichen Bus- und Bahnverkehr. Dann kann man über Klimaschutz reden.
Aber da wir uns alle ja nicht verschlechtern wollen, wird das eh nichts. Und die VW Karre ist meiner Meinung eh zu teuer. Nicht nur im Moment, auch später.

https://www.zeit.de/wissen/2019-09/exoplanet-weltall-wasserdampf-forschung-astronomie
Es ist wirklich erstaunlich, was sich in den letzten Jahren herauskristallisiert hat. In unmittelbarer Nachbarschaft unseres Sonnensystems (110 Lichtjahre sind – bezogen auf die Milchstraße – quasi im selben Haus) wurde Wasserdampf in der Atmosphäre eines Planeten entdeckt. Nun ist das sicherlich kein Beweis für die Existenz eines bewohnbaren Planeten, geschweige denn einer fortschrittlichen Zivilisation.
Aber mit jeder neuen Entdeckung im All, die aufzeigt, dass unsere Erde gar nicht so einzigartig ist wie bislang angenommen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Planeten existieren, auf denen menschliches Leben etabliert werden könnte. Egal ob mit oder ohne Terraforming – Entfernungen von 110 Lichtjahren wollen erst einmal überwunden werden.
Ähnlich wie viele Science Fiction Autoren sehe ich in der Ausbreitung der Menschen auf andere Sonnensysteme die einzige Möglichkeit, unsere Zivilisation langfristig zu erhalten. Machen wir uns nichts vor. Der Mensch als Individuum wird diesen Planeten, zumindest seine eigene Zivilisation, über kurz oder lang zerstören. Das ließe sich lediglich durch ein Beschränken des momentanen Standards, besser noch durch weitreichende Einschränkungen wie z.B. dem Verbot des Individualverkehrs, verhindern.
Und genau das schafft die Menschheit eben nicht. Von daher kann es nur heißen: „Auf zu den Sternen!“

Spruch:
Henryk M. Broder in der Welt vom 8.4.2019:
Erstaunlicherweise ist unsere Regierung in der Lage zu bestimmen, wie sich das Klima bis 2050 entwickeln wird. Nur wie viele Klassenzimmer und Wohnungen benötigt werden, scheint eine nicht zu lösende Rechenaufgabe zu sein.



Sonntag, 3. November 2019

Hartmudo: Vitalium 16


16
Donnerstag in aller Herrgottsfrühe. Diesmal war die Frau mit dem Wickel sogar noch vor dem Wecker bei mir im Zimmer! „Guten Morgen!“ schmetterte ich ihr wortgleich zurück, musste jedoch gleichzeitig feststellen, dass ich mich besser vorher ins Bad begeben sollte. Eine halbe bis Dreiviertel Stunde würde ich ohne Toilettengang nicht durchstehen können. Sie war so freundlich, mir die Zeit dafür zu gönnen. Wenn auch widerwillig.
Danach kam wieder der Lendenwickel zum Einsatz. Und schon ging sie wieder fort, nachdem sie mich fest zugedeckt hatte. Wieder ließ sie mich im Dunkeln liegen. Ich wartete noch ein paar Minuten, bis es unter der Decke schon wieder warm wurde. Jetzt hatte ich wieder Zeit zum Lesen. Ich schaltete das Licht an und drehte mich mit dem Buch auf die Seite.
Endlich konnte ich die Tücher entfernen und legte alsbald das Buch zur Seite. Schnell ging ich um halb Acht zu meiner Löwin hinüber, um ihr zu sagen, dass ich wieder nicht am Frühsport teilnehmen würde. Nachdem das schnell geklärt war, haute ich am Schreibtisch auf meine Tastatur ein und ging dann selbständig zum Frühstück.
Die anderen Drei erschienen ebenfalls kurze Zeit später. Meine Löwin berichtete sofort von ihrem Ärger mit der Vorturnerin, die an diesem Morgen mal wieder den Frühsport geleitet hatte. Die immer noch rüstige Rentnerin unterwies die Interessierten im Gebrauch von Therabändern. Ursprünglich hatte sie dies für Mittwoch angekündigt, doch da war ja die Osteopathin aktiv gewesen.
Schade, denn für die Therabänder hatte ich mich bekanntlich ebenfalls erwärmen können. Doch wenn der Frühsport dann derart abging... Was war passiert? Patti, die an diesem Morgen wieder den Weg zum Frühsport fand, bekam zufällig mit, dass die Vorturnerin zwei Frauen, die dank ihrer Leibesfülle bei den Übungen Probleme bekamen, arrogant und abwertend als „unsere Balletttänzerinnen“ bezeichnete.
Nun mochte die Vorturnerin keine Übungsleiterausbildung genossen haben, aber all ihr sicherlich vorhandenes Engagement läuft natürlich ins Leere, wenn sie sich über ihre Schüler im Kurs lustig macht. Dies rief dankenswerterweise meine Löwin auf den Plan, deren Gerechtigkeitssinn stark ausgeprägt ist.
Sofort beschwerte sie sich bei der Vorturnerin über die herablassenden Sprüche. Fast noch schlimmer allerdings war, dass die Vorturnerin bei den Sportlern nicht auf eine korrekte Haltung bei den Übungen geachtet hatte. Die Kritik überspielte die Vorturnerin wohl mit einem Lächeln. Selbstvertrauen ist sicherlich immer gut, aber Unfähigkeit zur Kritik sollte dabei nicht herauskommen.
Aus diesem Grund ist meine Löwin kurz vor Ende des Frühsports rausgerannt und hat sich beim Doktor über die schlechte Vorstellung der Vorturnerin beschwert. Dies halte ich wohlgemerkt nicht für ein „Petzen“, sondern für eine notwendige Beschwerde, schließlich können sich gerade ungeübte Sportler bei einer fehlerhaften Körperstellung böse Verletzungen einhandeln.
Wir sinnierten diesen Morgen also zu diesem Thema und genossen Möhrensaft und Tee. Wie übrigens schon seit Montagmorgen gönnten sich meine Löwin und ich ein leckeres Glas mit aufgelöster Heilerde. Dies soll den Stoffwechsel anschieben und den durch das Heilfasten bedingten Mundgeruch verhindern; Auf alle Fälle knirscht es gewaltig zwischen den Zähnen.
Lange konnte ich das Frühstück sowieso nicht genießen, da ich um 9.00 Uhr wieder meinen täglichen Termin bei der Bademeisterin im Keller wahrnehmen musste. Für diesen Morgen hatte ich den glorreichen Einfall, gleich die Badeshorts statt einer Unterhose anzuziehen, weil ich anschließend sofort weiter ins Schwimmbad wollte.
Das war dann aber doch eine Fehlentscheidung, weil an diesem Morgen ein besonderer Guss anstand. Die Bademeisterin forderte mich auf, die Shorts auszuziehen, da bei dem sogenannten Wechselschenkelguss auch die Arschbacken abgespritzt werden.
Daher ergab sich die bizarre Situation, dass ich nackt vor der Bademeisterin stand und diese den Wasserstrahl des Schlauches über meine Oberschenkel führte. Mittendrin musste ich mich umdrehen, damit meine Arschbacken auch etwas Spaß bekamen. Wir standen uns also direkt gegenüber, wobei ich stur geradeaus in ihre Augen blickte. Die Bademeisterin hingegen blickte betont irgendwo anders hin, bloß nicht mir in die Augen. Das empfand ich als bizarr.
Als sie aufs kalte Wasser wechselte, zwiebelte es noch einmal stärker als am Vortag. Dies erschien mir höchst unangenehm und ich befürchtete für den folgenden Tag Übles, weil da ein Wechselbrustguss angesagt war. Davor bekam ich richtig Schiss, zumal ich eh schon unter Bluthochdruck leide.
Auch dieser Guss dauerte gerade mal 5 Minuten, die Zeit kam mir diesmal allerdings erheblich länger vor. Wenigstens hatte ich meine Badeshorts dabei und konnte sofort die zwei Stockwerke zum Schwimmbad hinauf gehen. Meine Löwin drehte dort bereits ihre Runden, die Dauerkrause war dagegen nicht zu sehen.
Mir passte das hervorragend, denn dadurch hatte ich mehr Platz für mein Programm. Jeweils 5 Minuten schwimmen, danach 5 Minuten „stretchen“ bzw. zu Fuß durchs Wasser gehen. Nach einer guten halben Stunde war ich durch und stellte mich nebenan im Saunaraum auf die Waage. Mein Schock war groß angesichts der 107,5 kg, bei der sich die Gewichte einpendelten. Jedoch beruhigte ich mich schnell. Sicherlich hatte ich am Vortag die Waage falsch bedient, denn wovon sollte ich zugenommen haben?
Woran es nun genau lag, darüber konnte ich nicht mehr lange grübeln. Noch vor 10.00 Uhr verließen meine Löwin und ich das Schwimmbad, weil wir an diesem Tag unsere zweite Massage genießen wollten. Meine Löwin wurde um 10.20 Uhr erwartet, meine Massage war unmittelbar danach, um 10.40 Uhr, terminiert.
Da ich noch etwas lesen wollte, begleitete ich meine Löwin um kurz nach 10.00 Uhr in den 1. Stock kurz vor dem Schwimmbad. Noch auf der Treppe fiel meiner Löwin auf, dass wir die Unterlagen vergessen hatten. Fast im Laufschritt eilten wir in unsere Zimmer, um die Unterlagen zu holen, und hetzten dann zur Massage.
Unterlagen, was für Unterlagen? Nein - keine Papiere. Es ging um die Unterlagen, welche uns die Masseurin am Montag überlassen hatte, damit wir diese zum zweiten Termin mitbringen. Und ich hatte mich die letzten Tage bereits gefragt, wofür dieses weiße Laken, welches ich wohl am Montag in den Kleiderschrank geprummelt hatte, gut sein sollte. Erst jetzt fiel bei mir der Groschen: Für die Massage, zum Un - ter - le - gen!
Endlich waren wir am Hamamelis Raum zur Massage angekommen. Gerade noch rechtzeitig, denn wir hatten uns gerade auf die schmale Bank vor dem Massageraum gesetzt, da wurde meine Löwin auch schon von der Masseurin hineingebeten. In der Folge hatte ich immerhin die Zeit bekommen, um in meinem Buch fast 30 Seiten zu lesen, bevor ich an die Reihe kam.