Donnerstag, 26. Dezember 2019

Hartmudo: Mutter

53
Um Weihnachten herum hatte ich noch einmal mit Sunny per WhatsApp Kontakt aufgenommen, und zwar am 15. Dezember. Ausgangspunkt war hier die Absage der Interessenten, die am 11. Dezember Mutters Wohnung besichtigt hatten. Nach der Besichtigung hatten wir uns ja dolle in die Haare gekriegt, das war aber nicht der Grund für die Absage.
Tatsächlich war hier sicherlich der Preis maßgebend, den Sunny ja unbedingt auf 135.000€ fixiert haben wollte. Ich weiß im Nachhinein leider nicht mehr, ob wir während der Besichtigung schon weiter heruntergegangen waren oder uns unverrichteter Dinge vertagt hatten, weil der Vater des Interessenten die Finanzierung noch checken wollte. Auf alle Fälle wollte der Interessent bzw. dessen Vater sich nochmal melden.
Dies tat er dann wohl auch bei Berta und sagte uns ab. Berta informierte mich über die Absage am Dienstag oder Mittwoch; wegen der schlimmen Eskalation mit Sunny schob ich das erst mal vor mir her. Deshalb informierte ich Sunny erst am 15. über die Absage. Das selbstredend nicht am Telefon, sondern per WhatsApp.
Da ich sie von der Arbeit aus kontaktierte, wollte ich meinen Kolleginnen nicht dieses Gebrülle vom Wochenende zumuten. Mir selbst allerdings auch nicht, ich war eh noch geladen. Daher schrieb ich ihr nur lapidar, dass die Wohnung geräumt war und das der Interessent abgesprungen war, weil er den Kauf nicht finanziert bekam.
Ich bat sie noch, den Auftrag für den Makler zu unterschreiben und mir zurückzuschicken, damit wir ihn beauftragen konnten. Zuletzt fragte ich sie noch, ob sie noch von anderen Interessenten wüsste. Sie war ja so schlau und meinte wohl, dass uns die Leute selbst für ihren Preis die Bude einrennen würden.
Sunnys Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Keine 5 Minuten später schrieb sie mir, dass sie keinen anderen Interessenten hätte. Ein Bewohner des Hauses, der sich wohl auch für Mutters Wohnung interessiert hatte, wollte den von Sunny geforderten Preis nicht zahlen. Was für eine Überraschung! Allein da hätte sie schon mal ins Grübeln kommen können, ob ihre Preisvorstellung realistisch ist.
Den unterschriebenen Auftrag für den Makler hatte sie mir dann am nächsten Tag in den Briefkasten gesteckt. Dafür war sie sogar extra nach Lehndorf gefahren - Donnerkiesel! Wenn sie nur so schnell und zügig zu Mutters Lebzeiten gewesen wäre. Zum Beispiel, um sie mal zum Kaffeetrinken abzuholen. Das hatten Berta und ich jahrelang gemacht - da kam von Sunny in den letzten 30 Jahren gar nichts.
Ein paar Tage später, am Montag vor Weihnachten, schrieb sie noch, dass sie bei Löbbecke war. Da fehlte ja auch noch ihre Unterschrift. Und... sie hatte noch Walters Zahngold beim unsäglichen Juwelier für 56,- € verkauft; der firmiert da grad um die Ecke vom Bankhaus Löbbecke. Meine Güte, das Zahngold! Da werden bei mir Erinnerungen an alte Dokumentationen über die Befreiung von Auschwitz wach. Obwohl.... Walter war seinerzeit ja bekanntlich in der Waffen SS. Ironie des Schicksals, möchte ich meinen.
Ich konnte Sunny noch bestätigen, dass sowohl der Makler als auch der Steuerberater alle Unterlagen hatten. Am nächsten Tag musste ich das allerdings noch einmal präzisieren. Denn wie ich von Berta erfahren hatte, mussten wir dem Makler noch ein extra Auftragsformular unterschreiben. Dafür kam er zu jedem von uns 3 Geschwistern nach Hause. Warum das unbedingt sein musste, ist mir zwar nie klar geworden, aber wenigstens mussten wir nicht zu ihm fahren. Ein knappes „OK" von Sunny signalisierte mir ihre Zustimmung, Weihnachten sollten wir also alle ruhig verbringen.
Von dem alljährlichen Geschwistertreffen war natürlich nicht mehr die Rede gewesen. In der Regel trafen wir uns am 2. Weihnachtstag bei Berta. Dieses Jahr, so kurz nach dem Tod unserer Mutter, fiel es dann komplett aus. Auch ich wollte nach den ganzen Vorkommnissen kein Treffen allein mit Berta bzw. unseren Partnern. Der Streit saß noch zu tief; Nichts gegen Berta, aber ich wollte nicht da sitzen und doch nur die ganze Zeit über Sunny motzen. Das gehört nicht zu Weihnachten. Berta stimmte mir dann letztendlich zu und so fiel das Treffen aus. Nächstes Jahr wieder.
Aber zurück zu Sunny. Am 27. Dezember, also einen Tag nach Weihnachten und unserem früher üblichen Treffen, erhielt ich nachmittags wieder mal eine WhatsApp von ihr. Ich weiß nicht, welcher Teufel sie geritten hatte, aber sie fing schon wieder mit dem Kaufpreis an. Oder war sie gefrustet, weil das Geschwistertreffen am Vorabend ausfiel? Dachte sie, Berta und ich hätten uns ohne sie getroffen? Lacht nicht, ich halte das durchaus für möglich, so verdreht wie sie (wir) dachte/-n.
Jedenfalls wollte Sunny unbedingt genauer wissen, warum der Interessent die Wohnung nicht genommen hatte. Sie hatte noch einmal mit Dörtes Freundin, die selber bei einem Makler arbeitet, gesprochen und war der felsenfesten Überzeugung: „Da geht mehr." Sie war mit dem Preis, den unser Makler vorgeschlagen hatte, nicht einverstanden. Sie wollte nicht, „das die Wohnung so einfach verscherbelt wird." Im neuen Jahr würden die Preise extrem steigen. Als Beweis schickte sie ein Foto mit irgendeiner Tabelle mit; dieses Foto ging mir zwischenzeitlich aufgrund einer defekten Speicherkarte verloren, so dass ich dies jetzt nicht mehr nachvollziehen kann.
Quatsch war es in jedem Fall. Da war ich auch sofort genervt und antwortete prompt, riss mich in der Formulierung aber zusammen. Eigentlich wollte ich mich doch nicht mehr aufregen. Der Bemerkung, dass ich ihr den Grund für den Rückzug des Interessenten bereits beim letzten whatsappen genannt hatte, schickte ich voraus. Den Begriff „zu teuer" betonte ich ausdrücklich, zumal mir das schon bei der Wohnungsbegehung durch ihn und seinen Vater klar war.
Für Sunny wiederholte ich es aber nochmals, obwohl ich das vorher bereits mehrfach verdeutlicht hatte. Dritter Stock ohne Fahrstuhl und eine vorsintflutliche Elektrik dank des fehlenden FI Schalters. Wie oft sollte ich es Sunny denn noch erklären? Deshalb vergaß ich auch nicht zu erwähnen, dass die Freundin von Dörte diese Punkte offensichtlich nicht berücksichtigt hatte, da sie noch nicht einmal selbst in der Wohnung gewesen war.
Süffisant fügte ich noch hinzu: „Wenn sie da etwas Konkretes anzubieten hat, nur zu." Ich bat Sunny zu bedenken, dass die Kosten der Wohnung weiterlaufen würden, wenn wir einen Verkauf noch weiter in die Länge ziehen würden. Könnten wir meinetwegen natürlich machen. Doch ich erinnerte Sunny daran, dass sie es schließlich war, die diese Angelegenheit schnell hinter sich haben wollte.
Kurz und knapp meinte sie nur, dass sie bei ihren 135.000,- € Angebot bleiben wollte. Abschließend schrieb ich ihr noch, dass der Makler uns alle noch mal besuchen würde. Da könnte sie ja mit ihm noch einmal sprechen. Und wenn sie das hinterher immer noch anders sehen würde, bräuchten wir eine Alternative. Dem konnte Sunny zustimmen.
Das war von mir ausnahmsweise richtig diplomatisch gelöst, denn ich wusste genau, dass der etwas niedrigere Preisvorschlag vom Makler kam. Nein - eigentlich wollte er die Wohnung für 120.000 anbieten; nur auf Sunnys Druck gingen wir auf 130.000 rauf. Sunny hatte das wohl vergessen, aber sei es drum. Dafür hatten wir den Makler. Und Dörtes Freundin hatte entweder keine Ahnung vom Geschäft oder kannte einzelne Fakten nicht. Wie auch immer; da die Wohnung am Ende doch verkauft wurde, ist dies heute nicht mehr wichtig. Nach wie vor ärgert mich dieser Austausch über WhatsApp um Weihnachten herum jedoch immer noch, weil mich diese Geldgier meiner Schwester selbst heute wütend macht. Nur raffen und abgreifen, aber für Mutter war sie in all den Jahren nicht präsent. Höchstens wenn es Geld gab. Das stimmt mich für meine Mutter traurig. Das hat kein Mensch verdient.

Mittwoch, 25. Dezember 2019

H. Lecter – Garagenhof 2/2


Die Teppichstange zwischen den ersten beiden Blöcken hatte zum Schlesiendamm hin noch einen Drahtzaun zu bieten. An diesem Durchgang konnten wir deshalb zwar nicht vor Krüger fliehen, aber dafür wurden wir auch nicht durch lästigen Fußgängerverkehr gestört.
Die anderen Durchgänge waren ja zum Schlesiendamm hin und damit dem kürzesten Weg zum Heidberg offen. Und egal ob jemand seinen Hund Gassi führte oder zum Einkaufen oder zur Schule in den Heidberg ging – der Schlesiendamm mit seinem Trampelpfad über die brach liegende Fläche war der bevorzugte Weg dorthin.
In unserem kleinen und abgeschlossenen Bereich bescherte uns die Teppichstange 2 gleich große Spielfelder für eine Art Volleyball. So weit ich mich jedoch erinnere, haben wir den Ball nicht geprellt, sondern gefangen und über die Stange zurückgeworfen. Bei den kleinen Plastikbällen, mit denen wir da hantierten, ging das auch gar nicht anders. Zumeist war bei den Bällen eh schon die Luft raus. Außerdem hatten sie in der Regel einen Durchmesser von höchstens 10 bis 15 Zentimetern. Da kannst Du das Prellen natürlich vergessen.
Gegen dieses Ballspiel hatte Krüger nichts einzuwenden, so dass wir dies häufig spielten, wenn unser Fußball mal wieder weg war. Ob eins gegen eins oder zwei gegen zwei, dieses Wurfspiel machte richtig Spaß. Selbstredend waren die rot geziegelten Garagenwände als Bande sehr hilfreich, um den einen oder anderen Punkt erzielen zu können.
Manches Mal herrschte auf dem Spielfeld aber auch ein tierisches Gedränge, weil wir auch häufiger 3 gegen 4 spielten. Das war dann ein richtiges Gangbang – nein, Halt! Das ist etwas anderes, glaube ich. Wir waren ja noch nicht voll entwickelt gewesen.
Gern aber beschränkten wir uns auf diese relativ schmale Fläche von nicht mal zwanzig Quadratmetern, um unsere überschüssige vorpubertäre Energie abbauen zu können. Da waren Kinder dabei, an deren Namen ich mich schon drei oder vier Jahre später nicht mehr erinnern konnte. Da schwärmte ich bereits von Karin Polotzek, aber das ist eine andere Geschichte. Die wohnte auch am anderen Ende von Melverode.
In vielen heißen wie engen Spielen konnten wir unsere Wurftechnik ständig verbessern, was aber Fehlwürfe nicht grundsätzlich ausschließen konnte. Ärgerlich waren hierbei nicht die Würfe, die den Weg über die Teppichstange einfach nicht finden wollten oder derart weit geflogen waren, dass sie hinter der imaginären Linie im Aus landeten.
Als Problem erwiesen sich nämlich die Würfe über die Bande. Aufgrund unserer geringen Körpergröße hatten einige Kinder eh schon Schwierigkeiten, den Ball – oder besser gesagt die „Leiche“ des Balles ohne Luft – über die Stange zu werfen. Und aus Ein-Meter-Zwanzig Körpergröße sind die Zielpunkte für die Bandenwürfe eben enorm weit weg. Da ging ein Ball schon einmal daneben und verfehlte die Garagenwand.
Auf gut Deutsch: Der Ball landete auf dem Dach. Und nicht Krüger war der Übeltäter, sondern einer von uns. Da war also wie immer eine Räuberleiter angezeigt. Und bei einer dieser Rettungsaktionen ereignete sich das Unglück. Sonst klappte es immer, aber dieses eine Mal…
Wie und warum die Pille auf dem Dach landete, weiß ich nicht mehr. Aber wir würden ihn uns wiederholen, das stand außer Frage. Wahrscheinlich stand ich bei der Räuberleiter unten und hob UMD mit meinen zusammengefalteten Händen an der Wand hoch, so dass er die Teppichstange fassen konnte. Vielleicht wurde er aber auch von Kroll hochgewuchtet, oder Kroll und ich packten zusammen an.
Letzteres ist wohl am wahrscheinlichsten. UMD war schließlich kein Spargeltarzan gewesen. Aber immerhin gelenkig genug, um die Teppichstange zu greifen und sich mit den Füßen von (m)einer Schulter und der Wand auf die Teppichstange zu wuchten. Jetzt befand sich sein Oberkörper auf der Stange, der Rest war nur noch Formsache.
UMD bekam die Dachumrandung der Garage zu fassen und wuchtete gleichzeitig seine Knie auf die Teppichstange. Er hatte den Ball schon vor Augen, denn er war auf dem Dach nicht weit entfernt. Vielleicht wurde UMD deshalb unvorsichtig, als er seine Füße auf die Stange stellte und sich aufrichtete. Er fühlte sich mit beiden Händen an der Dachkante sicher. Zu sicher!
Denn urplötzlich bewegte sich das Sch…ding. Die Eisenstange von ca. sieben bis acht Zentimeter Durchmesser war an beiden Seiten in Eisenrohren befestigt, welche in die Wände eingemauert waren. Leider hatten die Bauarbeiter seinerzeit vergessen, die Teppichstange mit den Rohren zu verschweißen, damit sie sich nicht bewegen konnte.
Nun ja, eigentlich hatten sie es nicht vergessen gehabt, weil sich eine Teppichstange selbstverständlich bewegen können musste, um einen Teppich nach dem Ausklopfen abrollen lassen zu können. Ich selbst hatte dort in den Jahren auch ein paar Mal mit meiner Mutter oder einer meiner Sestras unseren Orientteppich ausgeklopft. Ach, war das ein Spaß! Wie schön das gestaubt hatte!
UMD hatte weniger Spaß. Überrascht durch die rollende Teppichstange, rutschte er mit einem Bein sofort ab und zog dadurch seinen Oberkörper mit. Die Erdanziehungskraft und UMDs Schwungmasse zogen seinen gesamten Körper auf die eine Seite. Weder seine Hände an der Dachkante noch das andere Bein waren in der Lage, den vollkommen überrumpelten UMD auf der Stange zu halten.
Der durch die Stange erzeugte Spin bewirkte, dass UMD nicht mit den Füßen zuerst auf den Garagenhof zuflog, sondern eine Drehung in der Luft vollführte. Beim Wasserspringen nennt man diese Figur wohl eingesprungener Salto mit Schraube. Doch selbst wenn UMDs Sprung eine gute Haltungsnote verdient gehabt hätte – der Boden vom Garagenhof bestand leider aus Teer und nicht aus Wasser.
Irgendwie landete UMD mit dem rechten Oberarm zuerst auf dem Hof und rollte sich instinktiv ab. Nur… leider war er keine Katze. Die landen immer auf den Pfötchen. Wir alle – inclusive UMD – waren erst einmal einige Sekunden lang geschockt und sprachlos.
Erst dann sah ich es. Der Oberarmknochen war gebrochen und ragte in zwei Teilen aus seinem Arm hervor. Das heißt, dass die Enden noch in den jeweiligen Gelenken befestigt waren, aber leider aus dem Arm herausgebrochen und mit diesem ein wunderschönes Dreieck bildeten, wahrscheinlich sogar gleichschenklig.
Es war nur der weiße Knochen zu sehen, so wie bei einem komplett abgeknabberten Hähnchenschenkel. Da blutete auch nichts weiter. Nicht mal an der Bruchstelle schimmerte es rot. Ein faszinierender Anblick war das gewesen, gar keine Frage. So etwas hatten wir in unserem jungen Leben zuvor nicht gesehen.
Den Anblick habe ich 50 Jahre lang nicht vergessen können, noch heute habe ich dieses Bild klar vor Augen. Und was ich ebenfalls mit absoluter Gewissheit sagen kann, ist angesichts der Verletzung umso mehr erwähnenswert: Nicht eine Träne lief UMD über seine kindlichen Wangen.
Das lag nicht nur am Schock. Auch als er dann um die Ecke nach Hause ging, heulte er nicht. Sein Vater war ja schließlich Arzt, da war er sicherlich bestens aufgehoben. Wir anderen Kinder schauten ihm nur hinterher; eine gewaltige Schockstarre hatte sich unser bemächtigt. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber ich könnte mir vorstellen, dass wir an jenem Tag zum letzten Mal unser „Volleyball“ an der Teppichstange spielten.
Und eins dürfte Dir jetzt endgültig klar geworden sein, lieber Leser. Solltest Du UMD persönlich kennen, weißt Du ab jetzt, dass UMDs geheimer Spitzname nicht von seinem mexikanisch wirkenden Outfit oder Auftreten herrührt.
Nein,. Machete kennt keinen Schmerz!

Dienstag, 24. Dezember 2019

H. Lecter – Garagenhof 1/2


Anfang August traf ich UMD auf der Geburtstagsparty von Patti. Er erinnerte mich an ein altes, gemeinsames Erlebnis aus frühen Tagen und bat mich, dies zu skizzieren. Gern komme ich diesem Wunsch nach, zumal ich bislang eher wenig - oder zumindest seit längerer Zeit nicht mehr – über die glückliche Zeit unserer Kindheit berichtet hatte.
Wir sprechen da über eine Zeit, als die Sommer noch schön waren, ohne dass wir uns eincremen mussten, um keinen Sonnenbrand zu bekommen. Eine Zeit, in der im Winter immer genügend Schnee zum Schlittenfahren vorhanden war. Kurz und gut: Ende der 60er Jahre war die Welt noch in Ordnung.
Seinerzeit trafen wir uns immer draußen zum Spielen. Häufig habe ich zu der Zeit mit Kroll und Jopi, die ja beide in der vorderen Reihe der Blöcke an Reihenhäusern gewohnt hatten, gespielt. Aber eine Zeitlang waren Kroll und ich auch in der dritten Reihe dieser Blöcke unterwegs gewesen.
Dieser Block war die Trachenbergstraße. Und dort, vor dem Hauseingang Nr. 4, saßen wir dann häufiger zusammen. Außer Kroll und mir noch UMD, der im nächsten Block, der wieder zur Militschstraße gehörte, wohnte. Ja, wir saßen vor dem Haus von Welkers; mit Petra Welker und von Liebe wussten wir nicht viel.
Petra war schon etwas älter als wir, aber auch noch nicht voll entwickelt. Ich kann mich noch dunkel an einen Abend erinnern, an dem wir 3 Jungs mit Petra abends bis Anbruch der Dunkelheit auf den Treppenstufen zur Eingangstür saßen und einfach nur erzählten. Heute sind wir alle drei über 50 und würden sicher wieder gern mit Petra auf der Treppe sitzen, um ein bisschen zu plaudern und zu scherzen. Nur plaudern, denn wir sind ja auch schon über 50. Wer weiß, ob wir mit 20, 30 oder gar mit 40 Lenzen mit Petra nur hätten plaudern wollen. Also mit einer Petra, die schon voll entwickelt gewesen wäre.
Und heute? Der Name Welker klingt ja auch schon nach vergangener Blüte, da dürfte eine nette Plauderei genau das richtige sein. Wir würden uns mit Petra auf alle Fälle über Krüger unterhalten müssen, einem Mann, der in UMDs Reihe wohnte und Ende der 60er Jahre eine für unsere Entwicklung außerordentlich wichtige Funktion wahrnahm.
Denn Krüger war der Kinderschreck! Wenn wir Kinder laut juchzend über den Garagenhof tobten, der sich am Ende der Trachenbergstraße anschloss, dann kam er irgendwann immer mit lautem Gebrüll angelaufen, um uns einen gehörigen Schrecken einzujagen. Mit befehlsgewohnter Stimme forderte er uns auf, doch gefälligst leise zu sein.
Das sahen wir selbstverständlich immer sofort ein. Deshalb klingelten wir auch ab und an gern mal an seiner Tür, um uns zu vergewissern, dass er auch zu Hause war. Auch skandierten wir häufig aufmunternde Sprechchöre wie „Krüü – ger, Kinderschreck!“ Leider missdeutete Krüger unsere Sympathiekundgebungen vollkommen und beschwerte sich bei unseren Eltern häufiger mal über die rotzfrechen Gören.
Richtig unangenehm wurde es regelmäßig, wenn Krüger uns den Ball abnahm. Wir als gefühlt zukünftige Nationalspieler kannten zwar den später gern bemühten Begriff des Straßenfußballers noch nicht, aber tatsächlich waren wir aus jenem Holz geschnitzt. Aus Ermangelung einer Rasenfläche zum Bolzen mussten wir wohl oder übel mit dem Garagenhof vorlieb nehmen.
Da sich die Garagen in langen Reihen gegenüber standen, waren die Garagentore wie gemacht, um die fehlenden Fußballtore zu ersetzen. Der Abstand von Tor zu Tor betrug zwischen 20 und 30 Metern; ideal also für uns kleinen Knirpse, zumal seinerzeit noch nicht an Tempofußball zu denken war. Denn auf die Technik kommt es an. Ob beim Fußball oder Petra Welker (voll entwickelt), wobei wohl keiner von uns Petra getroffen hatte, als sie voll entwickelt war.
Eine Trennung von Damen- und Herrenfußball gab es bei uns nicht. Seinerzeit war Frauenfußball sogar noch verboten gewesen; uns scherte das nicht. Bei uns waren die Mädchen schon gleichberechtigt gewesen, ohne dass wir von Oswald Kolle auch nur irgendetwas gehört hätten.
Und die Mädchen spielten genauso gut oder schlecht wie wir Jungs. Wenn sie den Ball in das Tor reinhämmerten, schepperte es in derselben Lautstärke wie bei uns auch. Natürlich begriffen die Mädels erst sehr spät, dass es sinnvoll ist, den Ball in einer gewissen Höhe aufs Tor zu knödeln. Denn da wir alle grad mal nen Kopf größer als ein Erdnuckel waren und somit die oberen Regionen des Tores als Torwart nicht erreichen konnten, war es relativ einfach, ein Tor dank entsprechender Schusstechnik zu markieren.
Sicherlich gelang es den Mädchen höchst selten, auf diese Art und Weise ein Tor zu erzielen. Den Fuß unter den Ball zu treten und die Pille dann in die obere linke Ecke zu schippen lag ihnen fern. Nun gut, im späteren Leben mussten sie ja auch keinen hoch kriegen.
Ja, es war wirklich noch die gute alte Zeit, in der Wert auf eine Mittagsruhe von 13.00 bis 15.00 Uhr gelegt wurde. Nur leider waren wir mittags in der Regel gerade von der Schule nach Hause gekommen und von unseren Müttern verköstigt worden, wobei ich ab Mitte 1969 schon Schlüsselkind war. Und das lag nicht daran, weil meine Mutter da gerade in Woodstock weilte, sondern weil sie als Aushilfe in der Küche des Kegelbären angefangen hatte. Mein Vater musste damals dazu noch seine Zustimmung erteilen – verheiratete Frauen durften das nicht so einfach mal eben machen. Die gute alte Zeit halt…
Egal, auch wenn ich mich selbst verköstigen musste, schaffte ich es anschließend auch immer, die Hausaufgaben auf einen späteren Zeitpunkt am Tage zu verschieben. Wie bei den anderen Kindern auch galt es erst einmal, den Spieltrieb zu befriedigen. Das ging natürlich am besten beim Bolzen auf dem Garagenhof in der Mittagsruhe, um unsere überschüssige Energie abzuleiten.
Ein weiterer positiver Aspekt unserer Aktivitäten bestand darin, Krüger eine sicherlich willkommene Abwechslung in seinem drögen Alltag zu bescheren. Mit jedem Bollern des Balls gegen ein Garagentor wurde sein Kreislauf sanft angeregt. Der kurze Jogginglauf hin zu uns forcierte sicherlich auch seinen Stoffwechsel. Sein dabei laut gebrülltes „Euch wird ich helfen, Ihr Racker“ würde ich heute als Tai Chi mäßige Übung zur Reinigung von Körper und Geist bezeichnen.
Wenn Krüger also laut brüllend um die Ecke bog, fühlten wir uns genötigt, unverzüglich Fersengeld zu geben. Ohne es absprechen zu müssen, zerstreuten wir uns wie die jugoslawischen Partisanen in den Jahren der Blütezeit unserer Eltern in sämtliche Richtungen, meistens zwischen den Garagenblöcken auf der Seite des Schlesiendamms. Denn der Schlesiendamm war zu der Zeit eine brach liegende Fläche mit viel Gestrüpp und somit ebenso vielen Verstecken. Krüger hatte da keine Chance.
In seiner Verzweiflung schwärzte er uns stattdessen bei unseren Eltern an. Der eine oder die andere mag daraufhin im zarten Vorgriff auf die später folgende antiautoritäre Erziehung ein böses „Du Du“ zu hören bekommen haben, geholfen hatte dies allerdings nur wenig.
Deshalb verlegte sich Krüger auf die (illegale) Beschlagnahme des Balls und warf denselben auf eines der zahlreichen Garagendächer. Dank dieser Maßnahme lernten wir schon frühzeitig die Räuberleiter als Problemlösung zur Überwindung ansonsten unüberwindlich erscheinender Problemstellungen schätzen.
Als wichtige Aufstiegshilfe diente uns hierbei eine Teppichstange, die in ca. 2 Meter Höhe zwischen zwei Garagenblöcken an der Schlesiendammseite angebracht war. Und diese Teppichstange ist der eigentliche Grund, weswegen mich UMD auf Pattis Geburtstagsfeier angesprochen hatte.

Montag, 23. Dezember 2019

Hartmudo: Mutter

52
Nach dem Spiel in Karlsruhe verbrachte ich mit meiner Löwin einen ruhigen 4. Advent. Vorerst jedenfalls, denn am frühen Nachmittag rief Berta an und ließ aus meinem Ballon der guten Laune die Luft ab.
Sonntag, der 18. Dezember. Panik machte sich breit, mir stand der Schweiß auf der Stirn. Berta war mit Bud am Mittag in Mutters Wohnung gewesen, um das Ergebnis der Wohnungsräumung durch die Firma zu begutachten. Das heißt... Sie wären in der Wohnung gewesen, wenn sie reingekommen wären.
Mit der Firma aus Walle, die die Räumung ausgeführt hatte, war abgesprochen worden, dass die Packer den Hausschlüssel nach der Räumung in den Briefkasten werfen sollten. Doch als Berta den Briefkasten geöffnet hatte, musste sie feststellen, dass dort kein Schlüssel drin lag. Wir reden hier über den einzigen Schlüssel, den Berta besessen hatte.
Dunkel kann ich mich daran erinnern, dass bei Berta und mir die Panik den Nacken hochgekrochen kam, weil Berta diesen Schlüssel für die Wohnung noch an den Makler weitergeben musste, damit dieser mit den hoffentlich zahlreichen Interessenten die Wohnung von Mutter begutachten konnte.
Berta war völlig aufgelöst und konsterniert, auch mir war nicht wohl zumute. Berta hatte natürlich sofort den Mann von der Firma aus Walle angerufen und ihn gefragt, warum er den Schlüssel nicht wie vereinbart in den Briefkasten geworfen hatte. Doch dieser schwor Stein und Bein, dass er nach der Räumung von Mutters Wohnung den Schlüssel in ihren Briefkasten geworfen hatte.
Meine Sestra kam daraufhin zu dem Schluss, dass Sunny sich den Schlüssel gekrallt haben musste. Denn warum sollte die Firma den Schlüssel behalten wollen, das ergibt schließlich keinen Sinn. Wahrscheinlich hatte Sunny einen Zweitschlüssel, vielleicht von den Nachbarn erhalten. Nur um Berta zu ärgern, hatte sie nach Bertas Meinung den Schlüssel geklaut.
Mir gingen diese Gedankengänge zu weit. So verschlagen wie hinterlistig schätzte ich Sunny nicht ein. Wahrscheinlicher erschien es mir, das Berta Sunny in dieser Angelegenheit einfach für alles verantwortlich machte, was da schiefgelaufen war. Ich sagte ihr das auch, aber Berta war schwer zu beruhigen.
Andererseits... warum sollten die Packer den Schlüssel für sich behalten wollen? Waren sie nicht fertig geworden und wollten dies verschleiern? Das ergab irgendwie gar keinen Sinn. Oder das sie es einfach nur vergessen hatten und jetzt nicht zugeben wollten? Vielleicht hatten sie die Wohnung nicht vollständig ausgeräumt und wollten das jetzt verschleiern. Oder ein Nachbar hatte sich den Schlüssel gekrallt, weil er noch mal in der Wohnung stöbern wollte...
Ehe ich jetzt noch Berta der Lüge verdächtigte, entschloss ich mich in dieser Situation, ihr doch erst einmal Recht zu geben.
Denn alles andere ist Blödsinn, da war eine schnelle Wegnahme des Schlüssels durch Sunny schon wahrscheinlicher. Und das nicht nur aus Schikane, sondern weil sie Berta und mich zwingen wollte, sie anzurufen. Denn Sunny hatte ja selbst einen Wohnungsschlüssel. Um die Räumung zu kontrollieren, brauchte sie selbst keinen.
Doch wie dem auch sei... Berta wie ich konnten es nicht verknusen, bei Sunny zu Kreuze kriechen zu müssen. So nach dem Motto: „Da könnt ihr mal sehen, was für eine Scheißfirma Ihr da beauftragt habt. Aber Ihr musstet ja unbedingt ne andere Firma nehmen, Ihr ward ja so schlau!"
Berta holte mich nach dem Telefonat ab, auf das wir zusammen noch einmal in Mutters Wohnung nachgucken konnten. Vielleicht hätte ja irgendein Nachbar doch noch einen Wohnungsschlüssel gehabt. Meine Löwin und ich hatten offiziell auch nie einen Schlüssel gehabt, deswegen war diese Angelegenheit für mich persönlich sehr ärgerlich. Der aufmerksame Leser merkt schon... Das Stichwort hier ist offiziell!
Mir selbst fiel noch ein, das wir in einer Zeit, als Mutter mal wieder im Krankenhaus lag, irgendwann wohl einmal heimlich einen Zweitschlüssel gemacht hatten. Ich wusste zwar nicht mehr, wo dieser war, verortete diesen dann aber in der Schublade unseres Schuhschrankes zuhause. Diesen Schlüssel, von dessen Existenz Berta nichts wusste, nahm ich natürlich mit, als Berta mich abholte.
Auf der Fahrt nach Melverode spekulierten wir weiterhin über den Verbleib des Schlüssels; und auch jetzt erzählte ich Berta nichts von dem „inoffiziellen" Wohnungsschlüssel. In einer Mischung aus Ärger, Angst und Wut standen wir dann vor dem Hauseingang des Blocks von Mutters Wohnung.
Und tatsächlich... Da war kein Schlüssel zu sehen. Beim Schauen in den Briefkasten war nichts vom Türöffner zu erkennen. Ich kontrollierte sogar den Fußboden innen (ein Nachbar drückte auf unser Klingeln hin den Türsummer, um uns herein zu lassen) und außen, selbst unter der kleinen Hecke neben dem Türeingang versuchte ich mein Glück.
All das war erfolglos, so dass ich mich entschloss, Farbe zu bekennen und Berta von dem Zweitschlüssel und dem Grund, weshalb ich ihn angefertigt hatte, zu erzählen. Denn es machte während Mutters Krankenhausaufenthalt durchaus Sinn, einen Schlüssel ohne Mutters Zustimmung anfertigen zu lassen. Seinerzeit ging es ihr schon nicht mehr so gut, doch sie hatte keinen von uns Kindern einen Schlüssel geben wollen.
Die Aktion ging also auf meine Kappe, da wollte ich meine Schwestern nicht auch noch mit hinein ziehen. Ich hatte Nutters Hausschlüssel wohl ein einziges Mal benutzt, um Kleidung für ihren Aufenthalt im Krankenhaus aus ihrer Wohnung zu holen. Ich nutzte die Gelegenheit, um bei Khan diesen Zweitschlüssel anfertigen zu lassen. Natürlich rückte ich erst jetzt damit heraus, weil ich mir nicht irgendwelche Vorwürfe seitens meiner Schwestern anhören wollte, dass ich in der Wohnung gewesen wäre, um Wertgegenstände heraus zu nehmen.
Ihr erinnert Euch - genau das war der Vorwurf von Sunny an Berta gewesen. Beim Hinaufgehen in Mutters Wohnung erzählte ich dies meiner Sestra. Und sie konnte meiner Argumentation folgen, verstand auch meine Beweggründe. Da war ich dann beruhigt, es ging mir gleich viel besser.
Und oben an der Wohnungstür wieder schlechter. Denn mein Schlüssel passte nicht in das Schloss. Offenbar hatte ich doch nie einen Schlüssel besessen. Es kann sogar gut sein, dass ich gar keinen Nachschlüssel gemacht hatte, denn außer dem, den ich in dieser Sekunde dabei hatte, war kein Schlüssel bei uns im Haus vorrätig. Oder hatte ich ihn anderweitig abgegeben? Ich war mit einem Schlag noch mehr verunsichert. Die ganze Aufregung in diesem familiären Streit der letzten Wochen hatte mich total kirre gemacht. Offenbar konnte ich Phantasie und Realität zeitweise nicht mehr unterscheiden.
Gerade als mir durch den Kopf ging, dass ich Berta am besten gar nichts von einem Zweitschlüssel erzählt hätte, kam sie mit einem überraschenden Geständnis aus dem Knick. Wir standen noch unverrichteter Dinge vor Mutters Wohnungstür, als Berta ihrerseits einen kleinen Schlüsselbund hervorzauberte.
Gundula hatte diesen Schlüssel wohl beim Wohnungsflohmarkt bekommen. Vielleicht auch irgendwann anders, das weiß ich heute nicht mehr so genau. Und zu unserer großen Freude passte dieser Schlüssel doch tatsächlich ins Schloss. Endlich konnten Berta und ich uns davon überzeugen, dass die Firma die Wohnung wie versprochen geräumt hatte. Jetzt endlich konnte der Makler tätig werden.
Wieso Berta nicht vorher mit dem Schlüssel aus dem Knick kam, überlegte ich in dem Moment nicht. Mir war einfach nur ein riesiger Stein von den Schultern gefallen. Ich denke, Berta erging es ähnlich. Denn ich hatte ja ebenfalls nichts vom zugegebenermaßen „vermeintlichen" Schlüssel geflüstert. Da muss ich mit Vorwürfen mal ganz ruhig sein.
Im Endeffekt ist es mit der „Verheimlichung" der Schlüssel auch gut gelaufen. Sowohl Berta als auch ich hatten wegen des ganzen Ärgers mit Sunny Angst, dass der jeweils andere das falsch auffassen könnte. Denn eigentlich wären diese Nachschlüssel ja nicht nötig gewesen, wenn der richtige Schlüssel im Briefkasten gelandet wäre.
So aber mussten wir letztendlich Farbe bekennen. Gut ist, dass wir uns hinterher nicht mit gegenseitigem Misstrauen überschüttet hatten. Das hätte lediglich Sunny in die Karten gespielt.
Endlich war der Stress vorbei, jetzt, da die Wohnung auch gut ausgeräumt war. Der Makler würde den Rest erledigen. Da kann doch kein Stress mehr aufkommen... dachte ich so in meinem jugendlichen Leichtsinn.

Sonntag, 22. Dezember 2019

Uncle Fester: grad gelesen Dezember 2019

Peter Cawdron - Habitat
Der Neuseeländer Peter Cawdron wurde von Philip K. Dick und Arthur C. Clarke inspiriert. So die Beschreibung zum Autor. Klingt irgendwie nach Spargel mit Spagetti - passt also nicht. Aber: Der Roman ist gut und erschreckend passend zur aktuellen Lage auf diesem Planeten.
Aber jetzt zur Sache Schätzchen. 120 Forscher sollen über eine Zeitraum von 10 Jahren die Möglichkeit einer Besiedelung des Mars ausloten. In 4 Modulen sind die 4 Machtblöcke der Erde abgedeckt. Die Amis arbeiten mit den Russen, Chinesen und Eurasiern (also dem Rest der Welt) kollegial zusammen, bis die Nachricht vom 3. Weltkrieg den Mars erreicht.
Die Amerikanerin Liz ist mit Jianyu, dem chinesischen Chefarzt der Mission, liiert und nach dem Atombombeninferno auf der Erde entsetzt, wie schnell sich die Animositäten der Machtblöcke auf der Erde in der eigentlich unpolitischen Atmosphäre auf dem Mars auswirkt.
Zugespielt werden den Wissenschaftlern auf dem Mars Aufnahmen von den tödlichen Abwürfen der Atombomben auf die Metropolen dieser Welt. Zunächst scheinen die US Amerikaner die Aggressoren zu sein, was Liz von ihren Landsleuten entfremdet. Die Amis geben den Russen die Schuld und am Ende stellt sich eine künstliche Intelligenz als Übeltäter heraus.
Jianyu wird durch einen Bot getötet. Endlich raufen sich die Menschen zusammen und vergessen ihre bisherigen kleinlichen Händel. Da die KI dank der von ihr kontrollierten Bots das Habitat der Eurasier und das Verbindungsmodul zwischen den 4 Habitaten zerstören konnte, müssen die überlebenden Forscher zu entfernten Außenposten auf dem Mars fliehen.
Am Ende ist es die Ich Erzählerin Liz, die mit Hilfe von Harrison, ihrem Ex Geliebten und stellvertretenden amerikanischen Kommandanten, die KI besiegt. In einer ausgiebig geschilderten Sequenz erwehren sich beide angreifenden Bots, während LIZ die Stecker im Serverraum zieht, so dass die KI am Ende tot ist.
Im Epilog ist den Forschern die Lage auf der Erde immer noch nicht klar, dem Leser aber auch nicht. Wichtiger war es Cawdron, dem Leser Verständnis für die Andersartigkeit einer künstlichen Intelligenz näher zu bringen. Deshalb ist die KI nach dem Neustart der Server von Jianyus Bewusstsein beseelt. Da hat Liz genug zu forschen.
Ein schöner Roman mit einer klar umrissenen Handlung, bei dem es mal nicht um die Rettung des Universums geht.


                              

Andreas Brandhorst - Eklipse
In diesem Brandhorst muss nicht das Universum , sondern nur die Erde gerettet werden. Ich frage mich jedes Mal, woher Brandhorst all seine Ideen nimmt. Peter F. Hamilton fällt mir zu diesem Einzelroman als mögliches Vorbild ein. Und Brandhorst schaffte es auch diesmal, mich zu begeistern. Trotz großem beruflichen Stress brauchte ich für die satten 480 Seiten keine 2 Wochen.
Nach fünf Jahrzehnten kehrt das Raumschiff Eklipse mit reicher Beute von Ausgrabungen auf fremden Welten zur Erde zurück. Dank der Artefakte werden die Besatzungsmitglieder als reiche Menschen ihr restliches Leben bestreiten - dachten sie.
Doch sie haben unwissentlich ein „Spike“ an Bord. Diese von den Tahota, einem verschwundenen Volk, welches einst die Galaxis kolonialisiert hatte, konstruierte Lebensform vernichtet sämtliches tierische Leben auf den Planeten, auf die es losgelassen wird. Wie ein Virus verbreitet es sich in den Wirtskörpern, um dann in großer Gestalt quasi unbezwingbar zu werden. Die Besatzung hat nur acht Tage Zeit, die Erde zu retten, als sie bemerken, dass die Spike Sporen nicht nur Swift, die Nummer Eins des Teams an Bord, während der Tiefschlafphase getötet hatten, sondern auch schon zur Erde unterwegs sind.
Außerdem muss die Crew feststellen, dass niemand ihre Rufe beantwortet. Die Erde schweigt, Dazu hat sich um das Sonnensystem eine Gravitationsanomalie gelegt, die die Eklipse fast auseinanderreißt. Die überlebenden Besatzungsmitglieder müssen die Eklipse verlassen, um dem Spike hinterherzujagen. Eine Bombe (Kernbrecher) nehmen sie noch mit; die einzige Chance, dass Spike zu zerstören.
Lediglich Grayland, der Archäologe des Teams, bleibt an Bord, um mit der KI das antriebslose Schiff zu reparieren und zur Erde mit der gesamten Beute aus 50 Jahren zurückzuführen. Alle wussten aber, dass ein Besatzungsmitglied vom Spike infiziert ist und die Katastrophe eingeleitet hatte. Jeder verdächtigt jeden - praktischerweise erfährt Grayland sehr schnell, wer der Infizierte ist. Der Autor verrät es uns allerdings nicht.
Brandhorst baut die Spannung dadurch erst richtig auf. Während die Nummer 2, Samantha, zusammen mit dem Wissenschaftler Rufus M., der zwei Persönlichkeiten hat, auf der deformierten Erde landet und sich auf der Suche nach dem Spike unter die wenigen noch lebenden Menschen mischt, fliegen Lorenti, der Bordingenieur, und Kralle, die Pilotin vom Volk der Katzenwesen Innanawitt, getrennt. Beide hassen sich und verdächtigen sich gegenseitig, der Verräter zu sein. Letztendlich stirbt Lorenti bereits in der Mitte des Buches durch Markus, dem Machthaber auf dem Teil der Erde, auf dem die Crew gelandet war.
Markus war und ist Chef der Transportgesellschaft und herrscht mit eiserner Hand über eine postindustrielle Zivilisation, in der technisches Wissen verloren ging, Flugzeuge oder Autos aber noch funktionieren, bis sie repariert werden müssten. Die zerrissene Erde ist seit dem großen Bruch in viele voneinander abgeschottete Teile zerfallen. Andere Teile kann man nur über die Bögen erreichen, die eigentlich Tore sind und die einzelnen Teile verbinden. Nur die „Stadt im Eis“ ist nicht zu erreichen.
Dort, wo die alte Technologie sich gehalten hat, will Markus hin und sich an den „Alten“ rächen, die angeblich ihn und den Rest der Menschheit im Stich gelassen haben. Er jagt die junge Rebecca, die mit dem Waisenknaben Jasil vor seinen Häschern flieht. Denn Rebecca (und auch Jasil) hat die Gabe, Bögen zu spüren. Mit ihrer Hilfe hofft er die Stadt im Eis zu erobern.
Rebecca glaubt, dass die Rettung und Wiederherstellung der Erde aus dem All in Form von Samantha und Rufus M. naht. Mit ihrer Hilfe kann Rebecca Markus entkommen und erreicht schließlich die Stadt im Eis. Immer gejagt von Markus. Und auch das Spike hat inzwischen seinen kaum besiegbaren Endzustand erreicht.
Kralle ist unterdessen Markus und seinen Schergen entkommen. Über einen Bogen konnte sie Kontakt zur Eklipse herstellen und versucht zusammen mit Grayland, Samantha eine Nachricht zukommen zu lassen. Denn Samantha ist diejenige, die mit dem Spike infiziert wurde, und das war genau so vom Institut geplant. Der Institution, die die Eklipse einst auf die Reise schickte und die sich in die Stadt im Eis zurückgezogen hatte.
Es stellt sich heraus, das das Institut ein Artefakt der Tahota - die „Varianz“ - auf die Erde gebracht und eingeschaltet hatte. Die Varianz löste dann den Bruch aus, der sich immer weiter ausbreitet und sogar die Milchstraße zu zerstören droht. Die Besatzung der Eklipse versucht, wie in „Täglich grüßt das Murmeltier“ die Varianz durch das Spike in Samantha zu zerstören. Bislang waren sie aber immer gescheitert, weil zumeist die Unabhängigen, radikale Umweltschützer und Gegner des Institus, die Zerstörung verhindert hatten.
Dieses Mal endlich kann Kralle Samantha eine Nachricht schicken, um das Spike nicht zu zerstören. Zu dem Zeitpunkt haben Rebecca und Jasil den Bogen zur Stadt im Eis geöffnet. Dort, wo keiner mehr lebt, weil die Unabhängigen und die Institutsleute sich gegenseitig niedergemacht hatten, kommt es scheinbar zum Showdown mit Markus und seinen Leuten, aber als das Spike schließlich die Varianz zerstört, ist der Teufelskreis zerbrochen.
Kralle und Grayland verschlägt es mit der Eklipse bis in den Andromeda Nebel, den sie erforschen wollen. Samantha starb bei der Zerstörung; ihr Bewusstsein wird vom Spike zu den in einer sternenlosen Leere gestrandeten Tahota gebracht. Markus ist mit seiner Frau als Wissenschaftler auf einem Planeten im Alpha Centauri System gelandet, während Rebecca und Jasil auf der Erde die Gräber für die Besatzungsmitglieder der Eklipse pflegen. Rufus M. besucht ein Kloster auf einem fernen Planeten und wird das Buch schreiben, welches Rebecca während der ganzen Story gelesen hatte und ihr den Weg wies.
Gut, Lorenti fehlt hier, der war aber auch schon vorher raus. Brandhorst hat ein rundes Ende für diesen Roman gewählt und ließ mich nachdenklich zurück. Mir hat die Story sehr gefallen, insbesondere die überraschende Auflösung gegen Ende mit der Zeitschleife. Dieser abrupte Handlungswechsel erinnert mich stark an Dick. Kann man einem deutschen Autor ein größeres Kompliment machen?

Freitag, 13. Dezember 2019

Ray Sharpe 1/2


Edward Ray Sharpe erblickte am 8. Februar 1938 in Fort Worth, Texas, das Licht dieser Welt. Noch als er ein kleiner Junge war, ließen sich seine Eltern scheiden und seine Mutter musste fortan hart kämpfen, um ihre vier kleinen Kinder trotz allergrößter Armut aufzuziehen. Heute kann sich wohl niemand vorstellen, wie schwierig das damals gewesen sein muss.
Denn Ray Sharpe schaffte trotzdem seinen Highschool Abschluss, was für einen schwarzen Jungen, zumal aus „so“ einem Elternhaus, damals schon höchst ungewöhnlich war. Fast noch ungewöhnlicher für einen Schwarzen war seine schon während der Schulzeit beginnende Leidenschaft für Country Music, die ihn mehr noch als Blues inspirierte, Gitarre zu spielen. Ständig übte er auf seiner Gitarre und legte sie eher selten aus der Hand.
Nach seinem Highschool Abschluss 1956 gründete Ray dann auch folgerichtig ein Trio mit dem Namen „Ray Sharpe and the Blue Whalers“. In der Besetzung Gitarre und Gesang (Sharpe), Piano (Raydell Reese) und Schlagzeug (Cornelius Bell) waren sie ständig in den Clubs von Fort Worth und Dallas aktiv. Ray gelang es in dieser Zeit, sich einen Ruf als faszinierender Entertainer aufzubauen. Das erreichte er allerdings nicht mit Country Music, sondern mit dem unwiderstehlich aufkommenden Rock `n`Roll.
in jungen Jahren

Hierbei war ein anderer schwarzer Musiker Vorbild für Ray. Man kann anhand seines Sounds an der Gitarre sehr gut nachvollziehen, dass der Einfluss von Chuck Berry auf seinen Gitarrenstil ein prägender gewesen sein muss.
Ray Sharpe hatte sich dann im Laufe der Zeit einen guten Ruf in der Gegend um Fort Worth und Dallas erspielt. Und da „Ray Sharpe and the Wailers“ für einen kleinen Zeitraum im Radiosender „KCUL“ zu hören waren, ergatterten sie ein Engagement im Penguin Club, einem der seinerzeit besten Clubs der Gegend.
Zu den Förderern von Ray Sharpe gehörten seinerzeit der Musikautor Artie Glenn und sein Sohn Darrel, welcher 1953 den Millionseller „Crying in the Chapel“ geschrieben hatte. Elvis Presley machte den Song nach diversen Streitereien mit Artie Glenn, der die Rechte hielt, 1965 erst unsterblich; Zuvor hatte der Countrysänger Rex Allen sowie die Orioles den Song Mitte 1953 zum kommerziellen Erfolg geführt.
Artie und Darrel Glenn hatten Ray im Penguin Club gesehen und waren derart beeindruckt, dass sie Ray Sharpe Anfang 1958 endlich die Möglichkeit gaben, zwei Demos mit selbst geschriebenen Songs aufzunehmen. Bei Darrel Glenns nächster Studio Session war noch etwas freie Zeit übrig geblieben, die Ray nutzen konnte. Im Gegenzug unterstütze Ray Darrel bei der Session als Studiogitarrist.
Die beiden Songs des Demos waren das Instrumental „Presley“ und das unnachahmliche „That`s the Way I feel“. Hazlewood ließ den letzteren Song zu der Zeit auch von Sanford Clark einspielen, aber diese Aufnahme blieb bis 1992 unveröffentlicht. Artie Glenn schickte die Demos an seine Kontakte in der Musikindustrie, darunter Lee Hazlewood und Lester Sill. Lee Hazlewood hatte mit Sill zusammen bereits Duane Eddy zum Durchbruch verholfen. Lester Sill war später noch Phil Spector bei der Gründung seines Labels Philles Records behilflich.
Hazlewood und Sill sahen das Potential von Ray Sharpe und gaben ihm eine Aufnahmesession in den Audio Sounds Studios von Phoenix. Dort spielte Ray am 2. April 1958 „That`s the Way I feel“ nochmal neu ein. Hinzu kam ein neuer Song: „Oh my Baby`s gone“. Bei beiden Titeln war Duane Eddy an der Gitarre behilflich. Diese Single Kopplung gilt heutigen Sammlern als ein genialer Mix aus Texas-Blues und Rockabilly, wie ihn auch Chuck Berry verstand.
Doch leider ließ sich diese Mixtur 1958 nicht verkaufen. Das veröffentlichende Label Hamilton Records, einem Sublabel von Dot Records, hatte einen Ladenhüter veröffentlicht. Doch da Hazlewood und Sill immer noch an einen Durchbruch von Ray Sharpe glaubten, holten sie ihren jungen Hoffnungsträger ins Studio zurück. So entstanden in einer zweiten Session am 18. Mai 1959 4 Songs, welche die Karriere von Ray ankurbeln sollten.
Ray blieb bei den ersten beiden Titeln seinem bisherigen Sound treu und nahm zunächst zwei selbstgeschriebene Songs auf: „Kewpie Doll“ und „Monkey`s Uncle“. Das Cover von „Red Sails in the Sunset“ kommt eher als Shuffle daher, hat aber ein schönes wie kurzes Saxophon-Solo zu bieten. Dann fehlte Ray Sharpe noch ein weiterer Song, um die Session abzuschließen.
Der Produzent Hazlewood fragte Ray, ob er noch einen Song hätte. Und da fiel Ray gerade noch ein älterer von ihm geschriebener Song ein. Nur deshalb wurde „Linda Lu“ eben noch eingespielt; Ray hatte ihn eigentlich schon ad acta gelegt.
Er hatte „Linda Lu“ irgendwann in den 50ern geschrieben und hat hierzu später der Autorin Randy McNutt erklärt: „Ein Kumpel namens Mike hatte mich gebeten, einern Song über seine Freundin Linda zu schreiben, die immer zum Tanzen in den Club kam. Ich schrieb den Song, um sie ein wenig zu necken. Weißt Du, sie hatte sozusagen einen faszinierenden Po. Wenn sie tanzte, sahen die Leute zu.“ (übersetzt mit Deepl)

Mittwoch, 11. Dezember 2019

Contramann: kurz gesehen im Dezember

https://www.focus.de/politik/deutschland/schwarzer-kanal/die-focus-kolumne-von-jan-fleischhauer-die-neue-spd-verbindet-mehr-mit-der-afd-als-viele-denken_id_11433076.html
Fleischi ist wieder da! Und wie! Mittlerweile treibt er auf Focus Online sein Unwesen. Das er seine Kolumne „Schwarzer Kanal“ nennt, ist hier als besonderes Topping zu werten, obwohl er das Ekelniveau eines Gerhard Löwenthal (zum Glück) nicht erreicht.
Natürlich hat Fleischi recht, dass 46% der SPD Mitglieder ihre Partei offensichtlich egal ist, weil sie an der Wahl zum SPD Vorsitz nicht teilgenommen hatten. Aber Borjans und Eskern Unkenntnis zu unterstellen, ist einfach nur schwach. Beide als populistisch zu verunglimpfen und sie dann noch in die Nähe zur AfD zu rücken, ist einfach nur noch falsch.
Denn Fleischi hat bei all seinem Elitedenken das wesentliche Element unserer politischen Ordnung, der Demokratie, einfach außer Acht gelassen: Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Da wäre eine gewisse „Unbedarftheit“ eher eine Voraussetzung zur Ausübung eines öffentlichen Amtes als ein Hindernis.
Die ganzen „Spezialisten“ wie Scholz und Gabriel haben doch die SPD zu Tode gerockt.

https://www.rubikon.news/artikel/die-grune-mauer
Um die Wüste Gobi zurückzudrängen, hatte die Volksrepublik China vor 40 Jahren ein Entwicklungsprogramm für eine Fläche von 4 Millionen Quadratkilometern aufgelegt und das durch jahrhundertelange Abholzen entwaldete Gebiet wieder aufgeforstet.
Nicht nur an diesem Beispiel wird deutlich, dass im Unrechtsstaat China oder aber in Indien oder in Afrika Umweltprobleme angegangen werden und nicht wie hierzulande lediglich diskutiert aber nicht angegangen werden.
Dass China dies dank seines „undemokratischen“ Systems eher umsetzen kann, ist mir schon klar. Aber da ich den Umweltschutz mehr und mehr für das wichtigste politische Thema erachte, stellt sich mir schon die frage, ob unser politisches System noch zeitgemäß ist.

https://www.welt.de/debatte/kommentare/article202735040/Sea-Watch-Kapitaenin-Carola-Racketes-eigenartiger-Plan.html?wtrid=kooperation.reco.taboola.free.welt.desktop
Meine Güte, wie mich die Rackete nervt. Erst dieser Hype um die Seenotrettung der Flüchtlinge, bei der sie eher die italienische Regierung und besonders den rechten Politiker Salvini um jeden Preis attackieren wollte (hatte ich vor einigen Wochen näher ausgeführt). Jetzt stellt sie sich bei „Extinction Rebellion“ auf die Bühne, um bei der Klimarettung auch noch mitzumischen.
Eine richtige Rampensau. Als ich dann in diesem Bericht lesen musste, dass Frau Rackete just ein Buch veröffentlicht hat, war für mich die Schublade klar, in die sie einzuordnen ist. Solche Selbstdarsteller(-innen) sind eigentlich für jede Bewegung Gift.

https://www.welt.de/politik/deutschland/article203638688/AfD-Delegation-in-Syrien-zu-Gespraechen-mit-Assad-Regierung.html
Unglaublich. Wie oft habe ich schon kritisiert, dass die etablierten Parteien (auch die ach so demokratischen Grünen) den demokratisch gewählten Assad als Diktator einstufen und lieber den IS und Al-Kaida im Kampf gegen den rechtmäßigen Präsidenten unterstützt hatten.
Jetzt ist es ausgerechnet die AfD, die das Gespräch mit Assad sucht. Nicht weil sie sein System gutheißen - weit gefehlt. Sondern weil sie als einzige Partei (außer Teilen der Linkspartei - Teile wegen Kipping und Co, den U Booten des Neofeudalismus) einsehen, dass es ohne Assad keine Regelung in Syrien geben wird.
Auch wenn ich die Gründe der AfD für diese Einsicht überhaupt nicht teile, aber ironischerweise ist die AfD als einzige Partei auf den Spuren Willy Brandts. Eine weitere Ohrfeige für die SPD.

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/30-jahre-mauerfall-der-fehler-liegt-in-unserer-erinnerung-a-1293740.html
Im Vorwort zu seinem Essay sieht der wohl 1981 geborene Autor einen Aufschwung von Links- und Rechtspopulisten in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Im Essay selbst erwähnt er lediglich rechtsextreme Ausschreitungen im Osten in den 90ern. Wenn er „Ostalgie mit PDS und Spreewaldgurken“ als Linkspopulistisch verortet, zeigt er nur, dass das deutsche Bildungssystem bereits in den 90ern (seiner Schulzeit) auf den Hund gekommen sein muss. Penner!
Ich glaube nach wie vor, dass die ehemaligen DDR Bürger einfach nur die kapitalistische Konsumgesellschaft haben wollten. Die Repressalien, die Kritiker in der DDR auszuhalten hatten, interessierten auch damals schon nur die wenigen Furchtlosen, die sich in der DDR getraut hatten, ihre Meinung frei heraus zu äußern.
Diejenigen Ostler, die in all den Jahren dank Arbeitslosigkeit oder schlecht bezahlter Jobs die negativen Seiten der freien Marktwirtschaft kennenlernen durften, wählen heute aus Enttäuschung AfD. Insgesamt sind die Gräben zwischen Ost und West in den letzten 30 Jahren eher tiefer geworden.
Was für ein krasser Unterschied zum „Aufbau“ der BRD im Westen, wie ich ihn 1979 als 18jähriger nach ebenfalls 30 Jahren erleben durfte. Mitten im Abitur, diskutierten wir frei und offen über die politischen Systeme. Baulücken bzw. Ruinen aus dem Zusammenbruch 1945 gab es keine mehr; als ob es nie einen 2. Weltkrieg gegeben hätte.
Und jetzt im Osten nach 30 Jahren Wiedervereinigung? Wenn Du da über die Landstraßen durch die Dörfer kommst, siehst Du auch noch nach 30 Jahren abgewrackte Häuser. Tristesse, wohin man schaut. Die Westintegration beschränkt sich lediglich auf die großen Städte. Das war 1979 in Westdeutschland ganz anders gewesen.
Die Ostler haben sich 1989 wie die Lemminge in den Abgrund gestürzt und die Profiteure aus dem Westen haben sich über deren Dummheit gefreut. Erst nach vielleicht 25 Jahren haben es die Ostler mitgekriegt, wie sie verarscht wurden. Selbst schuld, muss man leider sagen.
Und wir Westler sollten gefälligst nicht über den Ostler im Allgemeinen schimpfen. Die AfD ist systembedingt. Und das System ist das westliche Modell. Und nichts anderes.

https://www.heise.de/tp/features/SpaceX-1000-Raketenstarts-fuer-den-Aufbau-einer-Marskolonie-4587983.html
Ein mit Zahlen nur so gespickter Beitrag von Florian Rötzer, seines Zeichens Salonlinker und deshalb häufig von mir kritisierter Autor auf Telepolis. Hier für mich das Zitat, weshalb ich mal wieder meckern muss:
„Manche argumentieren ernsthaft, dass die Entwicklung der Raumfahrt auch deswegen notwendig sei, weil die Menschen vermutlich die Erde über Gebühr ausbeuten und als Lebensraum für Menschen durch Klimaerwärmung, Umweltzerstörung, Vergiftung oder einen nuklearen Krieg vernichten werden. Weltraumfahrt und die Kolonisierung von anderen Planeten wird da als Ausstiegsprogramm verkauft, wenn man die Erde hinter sich verbrannt hat.“
Ja, Rötzer. Ernsthaft. Denn der Mensch ist eben auf seinen persönlichen Vorteil bedacht. Z.B. immer größere Autos – bloß nicht zurückstecken. Dieses Zurückstecken wäre aber nötig, um das Klima bzw. die Umweltschäden in den Griff zu kriegen. Und auch wenn alle Salonlinken mich jetzt als Fascho titulieren: Ohne Geburtenkontrolle und langfristige Absenkung der Bevölkerungszahl auf diesem Planeten wird es nicht gehen. Das will aber keiner.
Das sind gerade mal zwei Beispiele, warum die Utopie von einer Ausbreitung der Menschheit im Weltraum die einzige Chance ist, diesen Planeten mit der Menschheit zu retten. Da können Rötzer und alle Salonlinken noch so schmunzeln über die verrückten Pläne eines Elon Musk.
Oder anders: Rötzer, wir sehen uns in der Donnerkuppel.

Aus dem Forum …
Von Telepolis vom 14.11.2019 zu folgendem Artikel:
https://www.heise.de/tp/features/Ist-die-deutsche-Auto-Industrie-noch-zu-retten-4586388.html
Warum die deut. Elektroauto-Lobby den rechten Putsch in Bolivien begrüsst
Man glaubte sich schon am Ziel, Das Joint-Venture der deutschen ACI Systems Alemannia mit dem bolivianischen Staat "sollte erstmals einem deutschen Unternehmen den direkten Zugriff auf Lithium eröffnen" (SPON, 11.11.2019). Bolivien gilt als das Lithium-reichste Land des Globus und die Verfügungsmacht über grosse Mengen des Batteriestoffs ist die Voraussetzung für den gewünschten Hype der Autoindustrie auf Elektrobasis.
Doch nach Protesten der örtlichen Bevölkerung, die wohl zu Recht davon ausging, dass das geschlossene Joint-Venture ihr mehr Nachteile als Vorteile bringt, musste Morales den Vertrag nach wenigen Tagen bereits aufkündigen.
Die Empörung bei dem betroffenen Unternehmen und der Elektroauto-Lobby in Deutschland war gross. "Deutsches Lithium-Unternehmen ruft Altmaier zu Hilfe" überschrieb SPON seinen Artikel. "Wir geben das Unternehmen nicht auf...jetzt werden Lösungen gesucht und gefunden, dazu brauchen wir die Unterstützung der Politik", wurde der ACI-Chef zitiert.
Und die Lösung scheint nun gefunden zu sein. Mit der Machtübernahme der evangelikal-faschistischen Clique in Bolivien ergeben sich "neue Chancen für das deutsche Lithium-Projekt" (Deutsche Wirtschafts-Nachrichten). Erfreut über den Putsch zeigten sich prombt die deutschen Grünen. "Das Militär hat die richtige Entscheidung getroffen und sich auf die Seite der Demonstrierenden gestellt", erklärte der aussenpolitische Sprecher deren Bundestatsfraktion, Nouripor. Der TAZ fiel die Aufgabe zu, ihrer Leserschaft die Botschaft von der "Unrechtmässigkeit der Morales-Präsidentschaft" einzuhämmern.
Während Nouripor die deutsche Öffentlichkeit mit der Fake-News von durch die OAS angeblich festgestellten schwerwiegenden Wahlfälschungen des Morales-Lagers belieferte, unterschlägt die TAZ, dass die Rechtmässigkeit der Morales-Kandidatur vom bolivianischen Verfassungsgericht im November 2017 ausdrücklich bestätigt wurde.
Und weil ein Rädchen ins andere passt, soll uns nun der vermeintliche Klimaschutz-Apostel Franz Alt von der hervorragenden Bedeutung der Elektro-Mobilität überzeugen. Dass es in Wirklichkeit eine global alles andere als nachhaltige Dinosaurier-Technologie ist, spielt keine Rolle. Die langfristige Sicherung von Umsatz und Profit der Autoindustrie sind wichtiger.

https://www.porsche.com/germany/models/taycan/taycan-models/taycan-4s/
Das ist endlich mal ein Elektroauto, mit dem man gern CO2 einspart. Bis zu 761 PS, in 2,8 auf 100 – da können Daimler, BMW und Audi mal an meinem Auspuff schnuppern! Und trotzdem wiegt die Batterie lächerliche 650 Kilo. Diese geile Karre kriegst Du dann sogar noch zum Schnäppchenpreis ab 105.607,- €.
Wenn ich da noch die staatliche Förderung (4000 €? 6000 €?) berücksichtige, dann ist das ein Hammer!

Sonntag, 8. Dezember 2019

H. Lecter: Alf


10
Leider war in diesen Urlauben nicht alles so lustig oder wenigstens niedlich, wie man jetzt vielleicht vermuten könnte. Dass ich am allerersten Tag nicht aufs Zimmer konnte, wie ich bereits berichtete, gehört eindeutig dazu. Das verbuchte ich unter „kann mal passieren“. Ich erinnere mich allerdings auch an eine Gelegenheit, die ich nicht so locker nehmen konnte. Die mich richtig genervt hatte.
Das müsste eigentlich auch schon beim ersten Besuch auf Mallorca gewesen sein. Wir hatten uns wohl äußerst erfolgreich durch die üblichen Läden wie El Bucho Verde oder das Hofbrauhaus Latino gesoffen und kamen im Hotel Lancaster an. Alf und ich waren selbstverständlich im selben Zimmer untergebracht. Max war wahrscheinlich mit Klaus-Ewald auf einer Bude, während Moritz ein Einzelzimmer gebucht hatte.
Alf war bereits reichlich angezählt und fiel gleich nach dem Reingehen ins Zimmer auf seine Seite des Doppelbetts. Wie ein nasser Sack – seit dieser Szene weiß ich wirklich, was das bedeutet. Eine Abfederung des Sturzes unter Zuhilfenahme seiner primären Greiforgane kam hierbei für Alf nicht mehr in die Tüte. Sein Kopf landete ungebremst leicht seitlich auf der Matratze, dicht gefolgt vom Oberkörper. Die Beine schafften es nicht mehr ins Bett und hingen über die Kante hinaus.
Mich störte das nur unwesentlich, da er es dank seiner akrobatischen Fähigkeiten schaffte, auf seiner (der rechten) Seite des Bettes zu bleiben. Mein erster Weg führte mich ins Bad und dort auf die Toilette, da ich den Überschuss an Flüssigkeit schnell loswerden wollte. Bitter Lemon treibt ja auch so derartig…
„Hartmuuudo! Hilll – fe!“ Aus dem Schlafzimmer ertönte eine Stimme aus der Gruft, die ich als schreiendes, verzweifeltes Flüstern beschreiben möchte. Da reagierte ich nicht sofort, weil ich den Wasserfluss nicht stoppen konnte. Gefühlte 2 Liter waren zwar schon draußen, aber in meiner Blase schien immer noch genügend Substanz für einen vollen Eimer zu sein.
„Hiiilf mir, Hartmudo! Meine Hose… Ich krieg mei – ne Hooose nicht ausss…“ Das hatte mir gerade noch gefehlt. Zu der Grabesstimme gesellte sich noch ein trauriges Schluchzen, dazu schien Alf sich mit irgend etwas abzumühen. Urplötzlich verspürte ich ein Interesse, die Entleerung meiner Blase auf keinen Fall vorzeitig abzubrechen.
„Haaart – muuu – do!“ Alfs Rufe klangen immer drängender, aber auch leiser. Vielleicht schläft er ja auch gleich ein. Nicht das ich ihm noch seinen Schlafanzug anziehen muss. Da stand mir so gar nicht der Sinn nach.
„Zieh meine Hooose aus…“ Na, da hatte ich ja Bock drauf. Hilflose Person an Bord! Alle Mann in die Boote! Da hatte er mehrere Mischungen – und die schenkten da immer gute Mischungen aus – weggenagelt, die ersten noch auf Ex. Und jetzt lallte er mich voll. Ich hoffte nur, dass er sich nicht noch eingekotet hatte. Das fehlte mir grad noch.
Verständlicherweise hatte ich es überhaupt nicht mehr eilig mit meinem Toilettengang. Als ich die letzten Tropfen abschüttelte und alles wieder ordnungsgemäß verstaut war, hatte das Gegreine aus dem Nebenzimmer aufgehört. Anscheinend hatte er sein Problem mit der Hose selbst lösen können.
Hatte er nicht… ganz. Ein unglaublicher Anblick empfing mich im Schlafzimmer. Alf lag bäuchlings mit dem Oberkörper auf dem Bett, der Kopf war zur Seite gedreht. Seine Arme lagen eng am Körper angelehnt, während die Beine vom Bett herunterbaumelten. Quasi so, als ob er vorm Bett gekniet hätte und dann nach vorne umgefallen wäre.
Schockierend aber fand ich, dass er seine Hose nebst Unterhose halb heruntergezogen bekommen hatte, so dass mich sein behaarter Arsch anblickte. Wenn ich nicht so eine alte Hete wäre, hätte ich da glatt noch mein Rohr versenken können, so wie er mir seinen Pöter anbot.
Kopfschüttelnd entspannte ich mich. Einen Braunschweiger Jung haut bekanntlich nichts so schnell um. Doch leider fing Alf unverzüglich an zu schnarchen. In einer Lautstärke… das war nicht mehr feierlich. Anfassen wollte ich ihn nicht. Aufgewacht wäre er wohl sowieso nicht.
Ans Schlafen war so allerdings auch nicht zu denken. Wutentbrannt ob seines vollkommenen Kontrollverlustes verließ ich fluchtartig das Zimmer und begab mich in die Nacht. Auf der Suche nach einer Bar, nach einem Wodka Lemon oder wenigstens Gin Tonic.
El Arenal ist die ganze Nacht geöffnet, da werde ich sicher nach dem Hofbrauhaus Latino, welches ich zuerst ansteuerte, noch etwas gefunden haben. Erst zum Frühstück am nächsten Morgen kehrte ich ins Hotel Lancaster zurück. Strunzbesoffen zwar, aber auf keinen Fall mit nackten Arsch unter Verlust der heimischen Muttersprache.
Besoffen konnte Alf aber auch anstrengend sein, meine Güte.

Freitag, 6. Dezember 2019

Hartmudo: Fastenwoche


Das Jahr über habe ich sehr viel über meine "Badekur" aus dem Februar in Bad Lauterberg berichtet. Das auch noch derart umfangreich, dass ich die Geschichte jener Woche noch nicht komplett veröffentlichen konnte. Über die Eintracht hätte ich viel mehr schreiben können, gleiches gilt für diverse Kurzurlaube während des Jahres.
Nun jedoch sitze ich hier am 1. Advent morgens vor dem Fernseher, während auf dem TV das Springen einer nordischen Kombition läuft. Soeben habe ich meine geplante Fastenwoche beendet und eine Schale mit Müsli eingeatmet. Wenigstens wisst Ihr jetzt, dass mir der Aufenthalt im Vitalium in Bad Lauterberg sehr gefallen haben musste.
Da ich das Vitalium gut überstanden hatte, ja sogar zu Hause mit meiner Löwin noch eine ganze Woche weiter fasten konnte, hatte mich ermutigt, im November eine weitere Woche des Fastens einzuschieben. Meine Löwin wollte eigentlich auch mitmachen, jedoch hatte sie das Pech, dass sie just um diese Zeit Zahnprobleme bekam.
Am 15. November wollte ich mit dem Fasten beginnen; diesen Termin hatte ich mir bereits Ende des Sommers gesetzt. Leider ereilte mich in der Vorwoche zu jenem Freitag ein mittelschwerer Schnupfen, so dass ich die geplante Fastenwoche schweren Herzens um eine komplette Woche verschieben musste.
Endlich ging die Chose dann vorletzten Freitag los. Ich radelte am 22. November wie gewohnt mit dem Rad zum Bahnhof, um den 5:51 Uhr Zug nach Lebenstedt zu erwischen. Aber anstatt dann wie gewohnt im Büro gegen 8:00 Uhr eine Schale Müsli oder Knäckebrot mit vegetarischer Paste (wenn mir das einer vor 30 Jahren gesagt hätte... vegetarische Paste... tss tss) zu mir zu nehmen, drückte ich mir lediglich einen Halben Liter Karottensaft rein.
Zum Mittag folgte noch ein halber Liter Gemüsesaft, danach brachten diverse Kräutertees etwas Geschmack in meine vom Wassertrinken bestimmte Ernährung. Am Abend genoss ich dann endlich eine von meiner Löwin extra frisch gekochte Gemüsebrühe ohne Salz, ehe ich das beim Fasten erforderliche Bittersalz mit einem Glas Wasser hinunter spülte.
Als ich tags zuvor das Bittersalz aus der Apotheke (2,39 €) gekauft hatte, fragte mich die Verkäuferin freundlich: "Wissen Sie, wie man das Bittersalz benutzt?" Meine Antwort hierauf war einstudiert: "Ja. Einen Teelöffel davon morgens in den Kaffee meines Chefs und es läuft." Die Verkäuferin lachte lauthals und kommentierte knapp: "Sie sind ja ein Schlimmer!"
Ich hoffe, ich habe sie da nicht zum Nachmachen angeregt. Bei mir wirkte das Bittersalz jedenfalls wie gewünscht. Die folgende totale Darmentleerung verhinderte, dass dieses nervige Hungergefühl während des Fastens mich überwältigte. Nur so kann man eine Fastenwoche ohne unnötige Quälerei durchstehen.
So oder so ähnlich verliefen seitdem alle Tage bis zum heutigen Morgen, dem sogenannten Fastenbrechen. Weder während der sehr stressigen Arbeitswoche, in der sich meine beiden Vertreterinnen mit grippalen Infekt krank gemeldet hatten, noch an den Wochenenden bin ich schwach geworden.
Stattdessen hatte ich sogar den Honig und die Orangenschnitze weggelassen - halt: Vorgestern bei Edeka genoss ich den Bissen einer Orange vom Probiertablett. Dazu fiel mir in den ersten Tagen des Fastens auf, dass mir nachts im Bett die Hüften zeitweise schmerzten. Dies war zugegebenermaßen unangenehm.
Doch als ich am Dienstag wieder begann, morgens mit dem Fahrrad zum Bahnhof zu radeln, schwanden dieses Wehwehchen nach und nach dahin. Sicherlich merkte ich anfangs, dass mir etwas Kraft fehlte, so dass ich relativ langsam unterwegs war. Aber am Ende der Woche konnte ich bereits wieder kraftvoll in die Pedale treten.
Den üblichen Verlockungen des Alltags hatte ich nicht nachgegeben. Gut, ich war abends nicht unterwegs, da der Doppelkopfabend am Dienstag ausfiel und Hotte für Mittwoch ebenfalls abgesagt hatte. Weder bei diversen Besuchen in Supermärkten, noch beim Treffen am Freitag mit Randy bei McDonalds war ich schwach geworden.
Hierbei erwies sich McDonalds vor zwei Tagen als größte Herausforderung. Obwohl das nun wirklich ein ungesundes Essen ist, fahre ich nach wie vor darauf ab. Für mich stellt das eine ebenso große psychische Abhängigkeit dar wie seinerzeit der Genuss diverser "Raketen". Mann, bin ich froh, dass ich jenes Laster vor bald 20 Jahren ad acta gelegt hatte. Die negativen Aspekte des Raketentreibstoffs, gerade im Zusammenspiel mit Alkohol, sind mir immer noch gut in Erinnerung. Selbst heute noch muss ich mit den negativen psychischen Folgen kämpfen. Dank dieser Erfahrungen habe ich jetzt ein anderes Bild dieses Vergnügens bekommen.
Jedenfalls habe ich in dieser Fastenwoche sechseinhalb Kilo an Gewicht verloren, was mir wieder ein bisschen Luft verschaffen sollte. Denn dies war mein eigentliches Ziel für diese Woche gewesen.
Ich weiß, dass man nicht wegen des Abnehmens, sondern wegen der Entschlackung des Körpers fasten sollte. Leider habe ich das Problem, dass ich sowieso schon viele Pillen schlucke und dazu noch jede Woche eine starke chemische Keule in meinen Bauch spritzen muss. Von der leider notwendigen Schlafmaske, die ich seit bald 5 Jahren benutze, ganz zu schweigen.
Für mich ist Gewichtsverlust die beste Chance, die kommenden Jahre noch gut verleben zu können, ohne mich zu Hause einschließen zu müssen, weil es hier oder da zwackt. Vor zwei Jahren hatte mir mein Doc bei 123 Kilo die Einnahme von Tabletten wegen Diabetes Mellitus angedroht.
Das wäre mein Ende gewesen, weil es von da an nahezu unmöglich wird, das Steuer nochmal herrumzureißen. Heute Morgen zeigte die Waage angenehme 102 Kilo. Sicherlich werde ich die nicht halten können. Das schaffte ich auch nach dem Vitalium nicht. Aber einen JoJo Effekt, den mir alle prophezeit hatten, kann man leicht vermeiden.
Einfach alle halbe Jahre ne Fastenwoche einlegen und ansonsten sich eben nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Kante geben. Zur Zeit kann ich dies ruhigen Gewissens behaupten, da ich dies praktiziert habe. Aber erst dieses Jahr. Deshalb gilt es, meine Erfolge in den nächsten Jahren zu bestätigen.
Nachtrag: Nachdem ich diese Zeilen beendet hatte, fuhr ich freudestrahlend mit dem Rad zum Weihnachtsmarkt nach Groß Schwülper, um dort wie jedes Jahr meine Löwin zu besuchen, die dort für ihren Angelverein zusammen mit Mary Fischbrötchen verkaufte. In Watenbüttel legte ich bei Ziebart einen Zwischenstopp ein, um dort ein Laugenbrötchen mit Ei zu essen.
Sehr, sehr lecker. Dazu einen Kaffee und weiter ging es Richtung Groß Schwülper. Leider musste ich dann nach wenigen Metern feststellen, dass die Pedalaufhängung und damit auch das Radlager sich gelockert hatten und hin und her wackelten. Daher musste ich meine Radtour schweren Herzens abbrechen und war froh, dass ich es trotzdem ohne Probleme bis nach Hause schaffte.
Man gut, dass ich das Risiko mit einer Weiterfahrt und dann entsprechend längeren Rückfahrt nicht eingegangen bin. Bei meinem Glück hätte das Rad unterwegs wahrscheinlich die Grätsche gemacht. So kann ich das Rad in Ruhe reparieren, indem ich die entsprechende Mutter mit der Gegenmutter kontere und festziehe. Falls das nicht klappt, kann ich es wenigstens noch zur Reparatur fahren.

Dienstag, 3. Dezember 2019

Hartmudo: Rampensau


Als ich im November mit meiner Löwin – oder auch allein – auf VOX unterwegs war, lief jedes Mal in der Werbepause ein Trailer für eine neue Serie. Diese Eigenproduktion des Senders wurde natürlich beworben ohne Ende. Der Name der Serie – Rampensau – erschloss sich mir anfangs nicht. Überhaupt war mein Interesse an dieser Serie eher nicht vorhanden. Deutsche Serien im Free TV, zumal bei einem RTL Sender, sind allgemein zu platt.
Bereits mit dem „Club der roten Bänder“ hatte VOX einen Erfolg sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern erzielen können. Bei mir allerdings nicht, was zugegebenermaßen am Thema (krebskranke Jugendliche) lag. Obwohl ich nie eine Folge gesehen hatte, war ich voreingenommen und ignorierte diese mehrfach preisgekrönte Serie. Das bei der Rampensau dieselben Showrunner unterwegs sind wie bei den Bändern bekam ich übrigens erst nach den ersten beiden Folgen mittels Recherche heraus.
Am Buß- und Bettag (20.11.), einem Mittwoch, lief die Rampensau bei VOX zur Primetime um 20.15 Uhr an. Jeweils 5 Mittwoche hintereinander haut VOX die Serie jeweils in Doppelfolgen raus; danach ist Weihnachten. Am frühen Abend saß ich vor meinem Rechner, haute in die Tasten und fuhr nebenbei einige Strecken auf Mario Kart Tour, dass bereits am ersten Tag der Veröffentlichung einen neuen Downloadrekord aufstellen konnte. Meine Löwin befand sich außerhäusig bei Freundinnen und erschien erst kurz nach 20.00 Uhr. Die zweite Staffel von „Jack Ryan“ auf Amazon Prime anzufangen, schien mir deshalb nicht angezeigt zu sein.
Ich fragte meine Löwin, ob wir die Rampensau schauen wollten, da sie noch Telefonate führen musste und beim Serieneinstieg in Jack Ryan sicher nicht vor Müdigkeit wegdämmern wollte. Sie erklärte sich einverstanden und ich stellte gleich mal den richtigen Sender ein. Da lief noch „Prominent“, eine Sendung wie eine Frauenzeitschrift und genauso informativ. Ich musste zum Glück nur den letzten Beitrag ertragen, und der befasste sich schon mit der Rampensau.
Die Schauspielerin Jasna Fritzi Bauer – eine Schweizerin – ist 30 Jahre alt und wollte nicht mehr Teenagerrollen spielen. Ihr Problem: Sie sieht halt aus wie ein 16jähriges Mädchen, ist aber keins. Doch für die Rampensau hatte sie noch einmal eine Ausnahme gemacht, denn… sie spielt dort eine 30jährige Schauspielerin namens Shiri, die es leid ist, ewig aufgrund ihres Aussehens für einen Teenager gehalten zu werden.
Doch um ihren Freund aus dem Knast zu helfen, lässt sich Shiri mit der Polizei auf einen Deal ein: Shiri ermittelt in einem Gymnasium Undercover gegen einen Dealer Ring, der dort Ecstasy Pillen an die Kids vertickt und dafür wird ihr offensichtlich unschuldiger Freund, dem der Verkauf zur Last gelegt wird, frei gelassen.
Das klang dann doch schon mal interessant und als ich 5 Minuten später die ersten Szenen sah, wo die kratzbürstige Shiri von den Dealern aufgegriffen wird, einen Polizisten verraten soll und als Drohung mit dem Kopf vor einem durchdrehenden Reifen eines Transporters gelegt wird, war ich positiv überrascht.
Als dann die Einblendung „…6 Tage zuvor“ mit einem Mini-Intro für die Serie kam, ahnte ich schon, dass ich an diesem Abend die richtige Wahl getroffen hatte. Zusammen mit der gut hörbaren Musik von Tina Pepper geht es gleich hinein in die Schulhofszenerie. Auch der Frust, den Shiri bei ihren Dulli-Jobs schiebt, und ihre Wutausbrüche lassen von Beginn an keinen Zweifel: Das ist keine RTL Familienunterhaltung, die alle ansprechen soll (und es dann eh nie schafft) und eine heile Welt vermittelt.
Dankenswerterweise haben die Macher hier den Weichspüler weggelassen. Und Jasna Fritzi Bauer ist in all ihrer Wut die Rampensau, die man entweder mögen muss oder eben nicht. Ihr überdrehtes Spiel erinnert stark an die Vorzeigeserien der neuen Fernsehwirklichkeit. Als da wären „Breaking Bad“ oder „Fargo“, um nur zwei zu nennen.
Wer die vorgenannten Serien mag, sollte seine Bedenken gegen RTL Serien kurz auf den Balkon stellen und sich einfach mal auf diese Serie einlassen. Zwei oder drei Nebendarsteller aus der überragenden ZDF Serie „Weißensee“ runden hier das gute Casting ab. Und das Beste: Der erste Werbeblock kam erst nach eineinhalb Stunden – also eine gute Viertelstunde vor Ende der zweiten Folge!
Wenn der schleimige Bulle von Shiri einen Gefallen einfordert (und damit die Arbeit Undercover meint) und diese dann augenblicklich anfängt, ihre Bluse aufzuknöpfen… Oder sie einen Regisseur bittet, ihren Freund Jan nicht aus dem Film rauszuschmeißen! Da muss sie in einer Schulmädchenuniform Krümel vom Boden auflecken – immer „freiwillig“ wegen „#metoo“ gefilmt! Um diesen Typen dann in die Eier zu treten.
Einiges an dieser Serie ist sicherlich etwas platt, aber das trübt nicht den insgesamt guten Eindruck. Ich möchte abschließend mal so sagen: Tatort war gestern!

Samstag, 30. November 2019

Uncle Fester: grad gelesen November 2019


Ian McDonald - Luna - Drachenmond (Band 3)
Endlich ist er da, der dritte und abschließende Band der Mondsaga. Passt als Vergleich auch gut zu Red Rising. Und ist auf alle Fälle besser, weil tiefgründiger. In diesem Abschluss der Saga versucht die Erde, dem Mond einen Finanzkapitalismus aufzuschwatzen. Auf dem Mond soll eine autarke Börse installiert werden; Menschen werden dazu nicht mehr benötigt. Die Machthaber der Erde könnten dann endlich wieder ruhig schlafen - ohne Angst vor einer wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Mond.
Der Roman beginnt gleich mit voller Action. Luna versucht mit Hilfe der Asamoahs, den im Koma liegenden Lucasinho aus Twe zur Universität Farside, welche sich auf der dauernd dunklen Rückseite des Mondes befindet, zu bringen. Nur dort sind die technischen Möglichkeiten vorhanden, um Lucasinho wieder aufwachen zu lassen. Dank des Einsatzes von Amanda Sun, Lucasinhos Mutter, kann der Angriff der Schergen McKenzies abgewehrt werden.
Es entbrennt danach ein juristischer Kampf um den Verbleib von Lucasinho. Sowohl Amanda Sun als auch Lucas Corta ringen um ihren Sohn. Jedoch hat sich Luna, gerade mal 9 Jahre alt, als Vormund eintragen lassen, um mit ihm in der Farside Uni bleiben zu können, wo ihm geholfen wird.
Ariel Corta ist auch wieder da und vertritt Lucasinhos Interessen vor dem Gericht gegen Amanda und ihren Bruder Lucas. Dies allerdings nicht persönlich, das erledigt ihre Praktikantin Abena Asamoah.
Und die erreicht doch tatsächlich, dass Lucasinho in Farside auf der Rückseite des Mondes bleiben kann, sehr zum Ärger von Amanda Sun und ihrem Clan. Tatsächlich gesundet Lucasinho im Laufe des Romans, obwohl sein Erinnerungsvermögen lediglich aus externen Quellen wiederhergestellt werden konnte. Eine wesentliche Rolle in dieser Geschichte spielen aber weder er noch Luna in den letzten beiden Dritteln. Die endgültige Gerichtsentscheidung über die Vormundschaft über Lucasinho ist dort die Bühne zur Vorbereitung des letzten Aktes.
Der eigentliche Konflikt des Romans findet an einer anderen Front statt. Die 3 Delegierten der Lunar Mandate Authority (LMA) sind die offiziellen Vertreter der Erdmächte. Sie versuchen den Clans eine Mondbörse aufzuschwatzen. Der perfide Hintergedanke der schrittweisen Beseitigung menschlicher Siedler, notfalls durch Genozid, wird den Suns und beiden McKenzie Gruppen nach und nach klar und sie wollen dies auch verhindern. Die Asamoahs und Woronzows spielen hierbei eher eine Nebenrolle, außer dass sie sich der Erde eben nicht enrtgegenstellen. Hier gewinnt man schon den Eindruck, dass die Vielzahl an Clans die Story leider nicht straffen kann.
Die sexuelle Gier von Bryce McKenzie löst eine verhängnisvolle Ereigniskette aus. Nachdem bei einem Attentat während einer Versammlung der Clanchefs Bryces Bruder Duncan, der Chef von McKenzie Metal, zu Tode kommt, lässt Bryce Robson Corta, der unter dem Schutz des Wolfes Wagner Corta steht, entführen, um ihn in aller Ruhe vergewaltigen zu können. Wagner kommt zu spät und muss auch noch den Mord an Analiese McKenzie, seiner Freundin, verkraften, die von Bryce gezwungen wurde, Robson zu betäuben Zum Dank wurde ihr die Kehle durchgeschnitten.
Obwohl er bei Lucas schwer gelitten ist, wendet sich Wagner hilfesuchend an seinen Bruder. Und Lucas weiß: Familie geht vor. Er holt sich Unterstützung von der LMA in Form von Söldnern und Hackern, um zu Bryce vordringen zu können. Als Gegenleistung verpflichtet er sich, bei der Abstimmung des Mondparlaments zur Einführung der Mondbörse keine Stimme abzugeben und sich zu enthalten.
Bryce soll dank der Unterstützung einer Giftmischerin der Asamoahs sterben. Die Giftpfeile werden von Haider, dem Liebhaber Robsons, anlässlich seines Besuches bei Bryce eingeschmuggelt. Bryce lässt den Besuch zu, weil Robson offiziell nicht als Gefangener gilt. Begleitet wird Haider von Alexia Corta, der „Eisenfaust“ von Lucas. Die Erdgeborene hatte Lucas im zweiten Band auf der Erde kennengelernt.
Und als Robson sein Höschen ausziehen muss, um zu Bryce in den Whirlpool zu steigen, nimmt er die Spritzen mit den 5 Giften aus seinem Haar und stößt diese in die Augen von Bryce, der qualvoll verendet. Alexia Cortaund und die eingekauften Söldner decken den Rückzug. Lucas Corta steht nun bei den 3 Abgesandten der LMA im Wort.
Zuvor findet jedoch die Gerichtsverhandlung über die Vormundschaft von Lucasinho statt. Wie es auf dem Mond „guter“ Brauch ist, wird hierüber in einem Zweikampf auf Leben und Tod entschieden. Dabei sind Stellvertreter (Saschitnik) erlaubt und auch üblich. Die Saschitnik der Suns hat hierbei im ersten Kampf gegen den professionellen Schwertkämpfer von Lucas keine Chance ist ist bereits nach wenigen Sekunden tot.
Sensationellerweise tritt darauf Ariel selbst in den Ring, um gegen den Profi zu kämpfen. Auf ihren Krücken hätte sie keine Chance. So ist es Lucas höchstpersönlich, der die Situation rettet und gegen Ariel in den Ring steigt. Schon nach kurzer Zeit rammen die beiden Krüppel ihre Schwerter in den Boden und ziehen sich zur Beratung zurück. Ihr Kampf ist das sichtbare Zeichen, dass die archaischen Gerichtskämpfe nicht mehr angezeigt sind.
Schnell handeln beide einen Deal aus. Lucas tritt als Mondadler zugunsten von Ariel, die diesen Job schon immer machen wollte, zurück. Lucas wird sich zukünftig nur noch um den Wiederaufbau von Boa Vista, der alten Metropole der Costa, kümmern. Gleichzeitig umgehen beide das Dilemma mit der LMA, die dadurch entmachtet ist.
Die Mondbörse wird natürlich nicht errichtet. Die Costas stimmen sich stattdessen mit den McKenzies und den Suns ab und verdammen die LMA dadurch zur Bedeutungslosigkeit. Forschungsprojekte der Woronzows im All sollen den Mond vollkommen autark von der Erde machen, die ihrerseits noch abhängiger von den Helium 3 Lieferungen des Mondes wird. Ein schönes Happy End für die Triologie also, oder?
Nein. Denn während des ganzen Romans wird immer mal kurz auf Marina Calzaghe auf der Erde geschaut. Die ehemalige Sekretärin und Freundin von Ariel Corta ist zunächst von ihrer Familie in Brasilien sehr herzlich empfangen worden. Ihre Schwester, Mutter und Nichten leben mit Marina auf dem Land.
Wie Lucas Corta im zweiten Band hat auch Marina mit der mittlerweile ungewohnt hohen Erdanziehungskraft zu kämpfen; und nicht nur das. Die Erdbewohner haben Angst, dass ihnen die Clans des Mondes den Strom abdrehen und feinden die „Mondfrau“ an. Marina wird sogar fast überfahren und entschließt sich , zum Mond zurückzukehren. Zumal sie weiß, dass dort ihre große Liebe - Ariel Corta - ist.
Sie schafft es im letzten Einspieler gerade so, auf ein Raumschiff zum Mond zu gelangen. Allerdings kommt es nicht mehr zum Treffen mit Ariel und auch sonst hat diese Nebengeschichte keine Verbindung zur Haupthandlung. Das riecht ganz stark nach einem vierten Band, wenn ihr mich fragt.
Im Vergleich zum zuvor gelesenen Red Rising Zyklus erreicht McDonald eine wesentlich größere Glaubwürdigkeit. Luna ist eben nicht eine Rittergeschichte im Weltall. So oder so ähnlich, wie McDonald es beschreibt, stelle ich mir unsere Zukunft vor.
Da freue ich mich richtig auf den vierten Band.

Montag, 25. November 2019

Hartmudo: Vitalium 18


18
Im Tresen vor uns waren einige Salamis und noch mehr Wurst im Glas versammelt. Es handelte sich hierbei bis auf wenige Ausnahmen um Wurst vom Pferd, als Ausnahme hiervon war wohl lediglich Wild zugelassen. Die großen Tüten mit der Stutenmilch in Pulverform befanden sich dagegen auf dem Regal hinter dem Fleischer. Schon nach kurzer Info hatten sich Pocke und Patti mit genügend Pulver fürs nächste Quartal eingedeckt. Wir reden da über drei große Plastiktüten, die wie hochpreisiges Katzenfutter wirkten. Ich hoffe, dass Patti der Verzehr von Stutenmilch nach vorne bringt.
Meine Löwin deckte sich mit Leberwurst, gekochtem Mett und Corned Beef ein; natürlich alles vom Pferd. Als besonderes Leckerli erstand sie eine Pferdesalami, worauf selbst ich gespannt war. Selbstredend griff Pocke ebenfalls in die Wurstkiste.
Von dem Fleischer erfuhren wir noch, dass er die Pferde selbst aufzieht, aber eigenhändig nicht schlachten darf. Das Veterinärgesetz erlaubt ihm das nicht. So kann er lediglich seine Pferde persönlich zum Schlachthof begleiten. Er bleibt sogar bis zu einer halben Stunde nach der Tötung dort. Laut Fleischer spüren die Pferde keinen Schmerz. Nach dem Schuss sind sie sofort tot. Sie müssen also nicht leiden, so seine Botschaft.
Diese seine Botschaft nahmen wir auch noch mit, als wir wieder zurück nach Bad Lauterberg fuhren. In Bockelnhagen selbst wollten wir nicht zum Spazierengehen bleiben. Dazu war dieser Flecken einfach zu öde. Da war es schon besser, zum Wiesenbeker Teich zu fahren. Gleich am Ortseingang von Bad Lauterberg sahen wir das Schild und bogen rechts ab. Wir parkten den Wagen auf dem großen Parkplatz mit Blick auf den zugefrorenen Teich.
Cooper freute sich schon auf die Gelegenheit, etwas herumtollen zu können. Etwas an der Seite, eine Anhöhe hinauf, konnten wir eine Ansammlung von Hütten entdecken. Diese Appartementsiedlung voller Ferienhäuser sah schon hochpreisig aus, zu der Zeit war wohl allerdings nicht gerade viel los.
der zugefrorene Teich

Auf einem Wanderweg, der teilweise noch vom Schnee geküsst wurde, umrundeten wir den Teich komplett. Pocke ersparte es Cooper nicht, das Stöckchen von der Eisfläche des zugefrorenen Teiches aufzusammeln. Das Eis war natürlich dick genug, so dass keine Gefahr für Cooper bestand. Wenn er allerdings eingebrochen wäre, hätten wir ihn nicht retten können. Patti ermahnte Pocke so lange, bis er es endlich einsah und Cooper nicht mehr dauernd aufs Eis jagte.
Lediglich am Anfang kamen uns andere Menschen, teilweise ebenfalls mit Hund ausgestattet, entgegen. Der Weg war nur mit leichten Steigungen ausgestattet und damit leicht begehbar. Als wir die Runde um den Teich beendet hatten, kamen wir am Kneippkurhotel Wiesenbeker Teich vorbei, in dem wohl einst der Bruder meiner Löwin seine Hochzeit gefeiert hatte.
Das ist lange her. Heuer ist das Hotel geschlossen und bietet ein erschreckendes Bild. Das Areal ist dem Verfall preisgegeben, was eigentlich schade ist. Meine Löwin hielt den großen Pavillon vorn am Haus für Tanztees und ähnliche Schweinereien geeignet. Ich denke einfach mal, da hatte jemand kein Geld mehr zur Renovierung gehabt, um das Gebäude für das 21. Jahrhundert fit zu machen.
Kurz bevor wir den Parkplatz wieder erreichten, las ich auf einem Schild Erläuterungen zur Geschichte des Wiesenbeker Teichs., der ein künstlicher Teich ist und seit 2010 zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Bereits 1715 ausgehoben, erfüllte er bereits seine Funktion als Staudamm. Neu für die damalige Zeit war das Abdichten des Erddamms mit Rasensoden. Zumindest im Harz war diese Technik zuvor unbekannt gewesen.
Nach diesem erfreulichen (weil reichlich Beute gemacht) Nachmittag sind wir schnurstracks zu unserem Parkplatz gefahren und noch einmal zu Fuß in die Innenstadt gegangen. Weil es noch knapp hell war, hatten wir ja genügend Zeit bis zum Abendessen. In der Fußgängerzone angekommen, tranken wir erst einmal einen Pfefferminztee vor dem Cafe Schnibbe. Bei herrlichem Wetter, sprich schöner heller Sonneneinstrahlung, standen wir an einem Stehtisch und genossen den Tee der Marke Messmer. Nach einer angeregten Unterhaltung gingen wir weiter. Pocke holte sich noch rasch Geld von der Bank, dann landeten wir alle bei McGeiz.
So konnten wir uns die Zeit vertreiben, bis das Abendessen näher rückte und wir uns Richtung Vitalium in Bewegung setzten. Wir schritten durch die Brauergasse an der Kaffeerösterei von Schnibbe vorbei... natürlich nicht, wir gingen da rein. Der Laden, bzw. das Cafe, ist im Vergleich zur Straße etwas tiefer gelegt.
Der Althippie im Laden erklärte uns genau, warum es beim Kaffee so diverse Unterschiede im Geschmack und den Aromen gibt. Wir konnten dies an den Bohnen riechen, probieren durften wir den Kaffee allerdings nicht. Denn Kaffee gilt leider als sauer und ist eben nicht basisch. Wir wollten uns schon noch an die Vorgaben im Vitalium halten. Daher kauften wir nur etwas Kaffee für Phil und Danny. Patti und Pocke wurden wie erwartet ebenfalls fündig, Cooper ging in diesem Laden leer aus.
Hinterher verstauten wir unsere Beute gleich in den Autos, damit wir sie nicht in den Zimmern herumliegen hatten. Zurück im Vitalium, zogen wir uns um und trafen uns auch gleich danach beim Abendessen im Speisesaal.
Einsam und verlassen stand auf den Plätzen der Heilfaster ein Glas mit rotem Saft. Wir konnten dahingehend übereinstimmen, dass es sich um Rote Beete Saft handelte. Aber woher kam dieser fruchtige Beigeschmack? Pocke tippte augenblicklich auf Kirsche. Darauf konnten wir uns einigen. Als Ergänzung zum Saft wurden uns wieder Orangenschnitze und jeweils eine Kanne Anis Fenchel Kümmel angeboten.
Gierig schlang ich auch das Pöttchen mit dem obligatorischen Honig hinunter. Dieses Pöttchen reicht normalerweise für zwei Brötchenhälften. Mit dem Teelöffel kratzte ich diese Köstlichkeit komplett aus dem Plastik heraus. Für mich war dies ganz klar das Highlight des Abendessens, wenn nicht gar des Tages. Direkt danach schraubte ich mir das Bittersalz in den Rachen.
Verglichen mit uns Heilfastern wurde Patti richtiggehend wie eine Prinzessin verwöhnt. Ihr wurde eine Zucchinihälfte serviert, die mit Gemüsestreifen gefüllt und leicht überbacken war. Dazu befanden sich noch gedünstete Kartoffelwürfel und ein Klecks Gemüsesoße auf ihrem Teller.
Und wie eine wahre Prinzessin verspeiste Patti lediglich den halben Teller dieser edlen Speise. Sie meinte dazu nur lapidar, dass sie die Gemüsestreifen so langsam nicht mehr sehen könnte. Automatisch krallten sich meine Fingernägel in die Tischplatte ob dieser Aussage. Ich überlegte: Wenn sie jetzt wegschaut... Vielleicht sieht es ja keiner...
Nach dem Essen gingen Patti und Pocke erst einmal in die Sauna. Da war es 19.00 Uhr und die Beiden hatten die Saunen für sich ganz allein, wie sie hinterher erfreut berichteten. Derweil vergnügten sich meine Löwin und ich mit „Take Five“ an unserem Kartentisch im vorderen Speiseraum.
Aber bevor wir mit dem Spielen anfingen, unterhielten wir uns noch kurz mit der Hausdame, die wie üblich durch den Saal schritt. Wir erfuhren zu unserem Erstaunen, dass sie doch nicht wie angenommen zur Familie gehört. Sie ist lediglich eine von insgesamt vier Hausdamen, die jeweils alle 4 Monate im Einsatz sind. Jede von ihnen bleibt 4 Wochen lang im Vitalium und nimmt nicht nur die Aufgabe als Hausdame wahr, sondern macht das Programm komplett mit. Unsere Hausdame jedenfalls ist vom Heilfasten begeistert und feierte am Freitag ihren Geburtstag, den sie gern im Vitalium verbringt. Für sie ist diese Tätigkeit Ablenkung von der Langeweile eines Rentners und Urlaub zugleich. Diesen Job könnte sich meine Löwin in ihrer Rente für sich ebenfalls vorstellen.
Wir schafften zwar nur 2 Partien „Take Five“, bis Patti und Pocke von ihrem Saunagang kamen, dafür hatten wir jedoch ein nettes Gespräch geführt und nachdenkenswerte Informationen erhalten. Zu viert spielten wir den restlichen Abend nur noch „11 nimmt“, hatten dabei aber einen Riesenspaß und hielten tatsächlich bis halb Elf durch. Dies war sicherlich unser fröhlichster Abend in der gesamten Woche. Nur für Pocke nicht, weil er nahezu jedes Spiel verlor.
Nachdem ich am Ende des Abends meine Löwin zu Bett gebracht hatte, las ich noch ein wenig in meinem Buch und knipste wieder mal kurze Zeit später das Licht aus. Den Wecker für den nächsten Morgen hatte ich zunächst eingeschaltet, stoppte ihn dann aber doch kurz entschlossen, um länger schlafen zu können. Quasi um Mitternacht beendete ich so diesen langen Tag.

Samstag, 23. November 2019

Hartmudo: Mutter

51
Als ich aus dem Haus draußen war und auf dem Parkplatz stand, holte mich Berta ein. Sie hatte Mutters Wohnung gleich nach mir verlassen. Auch sie ließ sich mit Sunny, die wohl noch eine Zeit lang weiter krakeelt hatte, auf keine Diskussionen mehr ein. Berta berichtete mir noch von einigen Schimpfwörtern, die Sunny mir hinterher gerufen hatte. Doch ich vergaß dies binnen Sekunden; es interessierte mich einfach nicht mehr, ich war wegen Sunny noch viel zu angepisst.
So fühlte ich mich einerseits immer noch tiefenentspannt, weil ich mich nicht von Sunny provozieren ließ, als sie mich mit der Vollmacht, die sie einfach nur unterschreiben musste, einfach im Regen stehen gelassen hatte. Andererseits ärgerte ich mich doch noch über Sunnys Auftritt. Sie tat gerade so, als ob sie sich alleine um Mutters Angelegenheiten gekümmert hätte.
Sie besuchte Mutter im Krankenhaus oder dem Heim in der Reuterstraße auch nicht öfter als Berta oder meinereiner. Die Einkäufe für Mutter, als diese es im späten Frühjahr nicht mehr selbst konnte, wurden nahezu komplett von Berta erledigt. Und Berta war es auch, die Mutter beim Schriftkram und dem Zahlungsverkehr über die Bank half. Ich war lediglich wegen der Eigenanteile bei Verordnungen und Medikamenten involviert - da wollte Mutter allerdings keine Unterstützung, weil sie da dem Steuerberater vertraute. Sunny war bei diesen Tätigkeiten nicht präsent.
Die Organisation von Mutters Beerdigung in Travemünde bzw. der Trauerfeier in Melverode blieb in erster Linie mir, aber auch Berta überlassen. Sunny wurde erst aktiv, als es um die Auflösung, sprich Verkauf, von Mutters Hab und Gut ging. Hier hätten sich Berta und ich zugegebenermaßen mehr engagieren können, aber Sunnys permanente Wutausbrüche und Haßtiraden waren einfach nicht zu ertragen.
Den „Höhepunkt" von Sunnys Eskapaden hatten Berta und ich vor ein paar Minuten erleben dürfen. In abartiger Selbstgerechtigkeit war sie durch die Wohnung gestiefelt. Sie äußerte sogar noch, das sie Mutters Wohnung zum letzten Mal betreten hätte. Sie musste also leiden, sie war das Opfer. Diese Rolle spielte sie sehr überzeugend. Allein, es stimmt ja nicht. Sunny hatte es doch tatsächlich geschafft, ihre Sicht der Vorgänge seit Mutters Tod ins Gegenteil zu verkehren.
Wahrscheinlich war sie so hasserfüllt, weil wir einfach über ihren Kopf hinweg eine andere Firma zum Ausräumen der Wohnung beauftragt hatten. Dabei hatte ich es ihr doch am Telefon ausführlich erklärt. Geld bekommen statt Geld zu bezahlen war doch genau ihr Ding, sie meinte doch noch einige Wochen vorher, das sie Mutters Sachen nicht einfach so verschenken wollte.
Berta und ich unterhielten uns noch ein paar Minuten auf dem Parkplatz, dann fuhren wir beide nach Hause. An diesem Abend war ja noch Kegeln angesagt. Ohnehin war jetzt für mein Dafürhalten in Mutters Angelegenheiten nichts mehr zu regeln. Sunny würde ich nur noch bei dem Wohnungsverkauf, also beim Notar, sehen müssen. Bei der Kontoauflösung übrigens auch, aber dazu später.
Es war wohl an jenem Kegelabend, wo wir nochmal über das Boozeln in Dettum sprachen; das im nächsten Jahr ausgetragen werden sollte. Hier konnten sich Berta und ich nicht mehr bergen und erzählten dann doch einiges über den Streit, den wir gerade mit Sunny hatten. Berta hatte hier ein wenig mehr Mitteilungsbedürfnis als ich an den Tag gelegt, aber dennoch konnten wir wenigstens klarstellen, das dies unsere eigene Meinung ist und die Trantüten ruhig gegen die Dettumer boozeln könnten. Nur auf uns müssten sie dann halt verzichten.
Am folgenden Wochenende, genauer gesagt am Samstag, den 17. Dezember, war die Wohnungsräumung terminiert. Durch die Firma, die Berta dann als Ersatz für Sunnys Vorschlag ausgesucht hatte. Wir hatten bekanntlich dieselben Konditionen wie Sunny, und das auch nur dank des beherzten Einsatzes von Berta.
Ich kann mich deshalb noch so gut an das Datum erinnern, weil ich an jenem schönen Tag mit meinen alten Kumpels Wolfgang und Bela beim Auswärtsspiel in Karlsruhe war. 17. Spieltag und Kroll war aus dem Schwarzwald ebenfalls angereist. Das Tannenzäpfle von Rothaus ist aber auch gut - das Spiel war es nicht. Für mich war dies jedoch ungeachtet des lahmen 0:0 eine willkommene Abwechslung zu dem ganzen Stress mit der Familie. Endlich hatte ich mal nicht an die Streitereien denken müssen, die Wiedersehensfreude mit den Kumpels und das Tannenzäpfle halfen da doch sehr.
Nicht das ihr das falsch versteht. Meine Löwin hatte mich auch während all der Wochen und Monate moralisch unterstützt und mir auch viel Druck genommen. Einfach, weil sie da war. Mich aus der Lethargie gerissen, wenn es nötig war. Oder mich zum Lachen gebracht oder getröstet, wenn ich es am nötigsten brauchte. Aber - nichts für Ungut, meine Liebste - einfach raus und mal weg von allem, dazu ein Besuch im Stadion des Gegners, das tut dann gut.
Schon während der Hinfahrt hatte ich mich mit Bela gut unterhalten, auch Wolfgang war da noch guter Dinge. Kroll holten wir am Bahnhof ab und über einen Supermarkt (eine Flasche Bier auf die Faust) erreichten wir guter Dinge das Stadion. 0:0, wie gesagt. Kroll war irgendwann weg und auch wir waren auf der Rückfahrt im Zug nicht mehr so gesprächig und dösten so vor uns hin.
Zuhause angekommen, fühlte ich mich etwas ermattet. Meine Löwin war noch wach, von der Wohnungsräumung hatte ich keine Infos bekommen. Nicht das ich wirklich daran gedacht hatte oder mich sorgte, es könnte etwas schiefgegangen sein. An diesem Tag hatte ich den ganzen Streit hinter mir gelassen und mich auf das Auswärtsspiel gefreut. Endlich konnte ich durchatmen, ja befreit aufspielen.
Der Angstschweiß stand mir erst am nächsten Tag im Gesicht, als mich Berta anrief.