Sonntag, 26. Juli 2020

Uncle Fester: grad gelesen Juli 2020


Terry Pratchett & Stephen Baxter - Der lange Mars (lange Erde 3)
Auch hier sind es mal wieder 3 Handlungsstränge, welche den dritten Roman der Reihe prägen. Neben immer weiteren Reisen auf der langen Erde wird auch noch der lange Mars bereist, ohne dass daraus wesentlich neue Elemente zum Plot des Romans hinzukommen. Das für den Zyklus wesentliche Geschehen findet auf bereits bekannten Welten statt.
Eine kleine Ausnahme davon ist zugegebenermaßen der erste Strang. Nachdem die Datum dank der Yellowstone Katastrophe in einer extremen Eiszeit versinkt und dadurch größtenteils unbewohnbar wird, fliegen Maggie Kauffman und ihr Vize Joe Mackenzie (Mac) mit den beiden Schiffen Armstrong II und Cerman bis zur langen Erde West 250 Millionen.
Sie sollen das Schicksal der verschollenen Armstrong I klären und nach Überlebenden suchen; Nebenbei sollen sie auf den „amerikanischen“ Gebieten der neuen Erden das Recht der auf der Datum untergegangenen Zentralregierung durchsetzen. Aus diesem Grund ist der Hardliner Cutler auch als Kapitän der Cerman installiert worden, mit dem sich Kauffman permanent in die Haare kriegt.
Die aus dem Vorband bekannten Yue-Sai und Schneeball sind ebenfalls noch mit von der Partie, werden aber - wie zuvor auch schon andere Hoffnungsträger der Handlung - so nach und nach in den Hintergrund gedrängt. Bereits im vierten Band werden beide nicht mal mehr erwähnt werden. Das finde ich irgendwie schade, aber wenigstens wird uns die Androidenkatze Shi-Mi erhalten bleiben, eine Inkarnation von Lobsang, der in diesem Band eine geringere Rolle spielt.
Auf Erde West 182 Millionen und ein paar finden sie schließlich das Wrack der Armstrong I. Wie sich bald herausstellt, hatte die Armstrong I 5 junge Leute aus der Gemeinde „Happy Landings“ - irgendwo bei Erde West Eineinhalb Millionen - mitgenommen. Happy Landings war ein mysteriöser Sammelort natürlicher Wechsler und Keimzelle der Bewegung der „Next“.
Diese hyperintelligenten Menschen, für die normale Menschen lediglich „Dumpfbirnen“ darstellen, sehen sich als neue Menschen an, die die Geschicke der langen Erde an Stelle der Normalos in die Hand nehmen werden. Dabei sind einige der Next durchaus auch gewaltbereit, z.B. der Anführer der 5 auf der Armstrong namens David.
Noch weiter westlich hatten David und seine Leute die Armstrong I übernommen und die Besatzung ausgesetzt. Sie flogen zurück Richtung Happy Landings, um dort die Herrschaft an sich zu reißen. Nur dank eines Normalos, der sich an Bord versteckt hielt und das Luftschiff zum Absturz brachte, wurde dies verhindert.
Maggie Kauffman geht kein Risiko ein und lässt die 5 Next unter Bewachung auf dieser entfernten Erde zurück, damit diese keine Dönekens machen können. Parallel zu diesem Strang trifft Joshua Valiente in der Stadt Madison auf Erde West 5 Paul Wagoner wieder, den er bereits als kleinen Jungen auf seiner ersten Reise über die lange Erde kennengelernt hatte..
Paul Wagoner gehört zur Gruppe der Next, die arrogant bis teilnahmslos wirken und sich in einer brutal schnellen Geschwindigkeit unterhalten, was für normal Sterbliche nicht nachvollziehbar ist. Präsident Crowley misstraut den Next und verfolgt sie. So gerät auch Joshua in den zweifelhaften Genuss einer Verhaftung anlässlich einer Razzia.
Joshua kommt zwar frei, muss aber mitansehen, dass die gefangen genommenen Next auf der Datum Erde auf Hawaii interniert werden. Dort können sie keinen Schaden anrichten. Lobsang versucht noch mit Hilfe des Mittlers Nelson Azikwe eine Freilassung der Next zu erreichen, hat aber keinen Erfolg.
Am Ende erfolgt die Rettung der Next durch eine Befreiung mittels natürlicher Wechsler wie Joshua und auch Sally Linsay; ja Lobsang selbst und Agnes helfen ebenfalls mit. Auf einer weit entfernten Erde, an einem geheim gehaltenen Ort, organisieren sich die Next neu.
Damit bleibt noch der dritte und dem Roman einen Namen gebende Strang mit Sally Linsay. Diese wurde von ihrem verschollen geglaubten Vater Willis Linsay, dem Erfinder der Wechslerboxen, kontaktiert. Zusammen mit dem ehemaligen Astronauten Frank Wood fliegen sie durch die „Lücke“ zum Mars.
An einer Stelle der langen Erden hat sich die Erde gar nicht erst gebildet, so dass man von der daneben liegenden Erde in einer Raumkapsel bequem dorthin wechseln kann und von dort keine Erdanziehungskraft überwinden muss.
Das ermöglicht den Dreien die Reise über den langen Mars, der teilweise sogar grün und mit einer atembaren Atmosphäre ausgestattet ist. Stellenweise haben dort eine Art von Krustentieren eine Zivilisation aufbauen können.
Willis sucht und findet schließlich auch einen Weltraumaufzug, dessen widerstandsfähiges Material er einsammelt, um es auf den langen Erden benutzen zu können. Bei dieser Aktion verliert Frank sein Leben, als ein Jäger der Krustentiere Jagd auf die 3 macht. Frank opfert sein Leben für die Linsays. Vater und Tochter fliegen zur langen Erde zurück und gehen im Streit auseinander.
Nach dem dritten Band habe ich schon etwas den Eindruck, dass die Story dank immer neuen Themen und Figuren verwässert wird.
Das sind dermaßen viele lose Enden...




Terry Pratchett & Stephen Baxter - Das lange Utopia (lange Erde 4)

Lobsang und Agnes gönnen sich eine Auszeit auf Erde West 1.217.756. Er hatte seinen Tod vorgetäuscht, um als George Abrahams mit Agnes auf einem Hinterwäldlerplaneten die Menschen zu studieren und nebenbei ein menschliches Kind, den dreijährigen Ben, groß zu ziehen. Wie zu erwarten, war ihm eine Auszeit nicht vergönnt.
Denn Agnes muss leider feststellen, dass sich diese Erde immer schneller dreht; die Tage dort werden immer kürzer. Dank der Kinder, die in einer alten Höhle Kontakt mit den Silberkäfern, einer außerirdischen Zivilisation, aufnehmen, kommen unsere Helden dem Geheimnis auf die Spur. Lobsang schwingt sich mit dem herbeigerufenen Joshua in ein Twain und entdeckt, dass die Silberkäfer aus Eisen riesige Ringe um den Planeten bauen, die mit Hilfe von Rotoren das Magnetfeld verändern und den Planeten immer schneller drehen lassen, bis er dank tektonischen Veränderungen auseinanderfliegt.
Die Silberkäfer wollen dann die Materie des Planeten zum Bau von Dyson Sphären nutzen. So könnten die Silberkäfer dann über die angrenzenden Erden die komplette lange Erde vernichten. Gegen diese Gefahr arbeitet Maggie Kauffman sogar mit den Next zusammen. Am Ende kann nur noch die Evakuation dieser Erde - gegen den Widerstand der Farmer - diese Menschen retten.
Es bleibt dann Sally Linsay und Stan, einem Next, der im Gegensatz zur Mehrheit der Next Sympathien für die Menschen hegt, vorbehalten, diese Erde voll Sprengstoff auf den herbeikommenden Planeten der Silberkäfer zu steuern und sich selbst zu opfern. So scheidet Sally Linsay überraschenderweise am Ende dieses Buches aus der Story aus.
Zuvor stöbert Nelson auf Bitte Joshuas in der Familiengeschichte der Valientes herum. Bereits im Revolutionsjahr 1848 scharrte der britische Prinz Albert ein Korps von natürlichen Wechslern um Oswald Hackett und Luis Valiente um sich, die dank ihrer Talente einen Umsturz durch die damals tatsächlich existierenden „Chartisten“ (Vorläufer der Gewerkschaften) zuvorkamen.
Während des gesamten Romans werden kurz mal einzelne Kapitel dem Schicksal des Vorfahren von Joshua gewidmet, ohne das ein Zusammenhang mit der laufenden Story erkennbar wird. Hier wäre ein zusätzlicher Roman abseits des Plots besser gewesen. So aber lesen wir, dass sich Luis Valiente vom Korps abwendet und 1895 von Hackett erfährt, dass im Korps Ehen arrangiert werden, um durch eine Art Zuchtprogramm natürliche Wechsler zu produzieren. Auch Valiente kann dem nicht entfliehen.
Joshua erfährt dies dank Nelson in den verschütteten Gewölben der Royal Society auf der Datum und berichtet dies Sally Linsay, die ihrerseits eine Nachfahrin Hacketts ist und auf einer entlegenen Erde dabei ist, Verbrecher zu bestrafen bzw. zu töten. Kurz darauf kommen alle zum Showdown auf der Erde mit den Silberkäfern zusammen.
Gefallen an diesem Buch hat mir neben dem unerwarteten, aber doch schlüssigem Tod von Sally noch die anrührende Sterbeszene von Shi-Mi. Des Lebens überdrüssig, regelte sich die Androidenkatze zur sterblichen Existenz herunter. Kurz vor ihrem Tod verliert sie die Sprache, schnurrt noch ein letztes Mal, als Agnes sie streichelt. Das wars. Die Melancholie und Anmut dieser Szene können aber wohl nur Katzenliebhaber verstehen.

Terry Pratchett & Stephen Baxter - Der lange Kosmos (lange Erde 5)

ErdeWest 17.297.031 Maggie Kauffman hatte auf der Welt der Krabben 3 Freiwillige zurückgelassen, die diese Zivilisation erforschen soll. Jetzt will sie wissen, was aus ihnen geworden ist. Dachte ich, doch kaum erwähnt Baxter dies, lässt er Maggies Vorhaben kommentarlos fallen und erwähnt die Käfer nicht mehr. Ein Zeichen dafür, dass die Story nach 5 Romanen auserzählt ist. Baxter hatte wohl ohne Pratchett, der aufgrund seines Todes an diesem Band nicht mehr schreiben konnte, keinen Bock mehr. Aber was hat Baxter allein hinbekommen? Nun, dass Storyboard stand ja wohl bereits vorher fest.
„Mach mit!“ - diese Botschaft wird überall auf der Erde von Radioastronomen, ja selbst von Trollen aufgenommen. Der mittlerweile 70jährige Joshua Valiente hört diesen Ruf und er zieht zum letzten Mal in die hohen Megas hinaus. Seinem Sohn Daniel Rodney, der sich von Joshua über die Jahre entfremdet hatte, gefällt dies nicht.
Und tatsächlich hockt er bald darauf in der Wildnis einer weit entfernten Erde und wird dort von einer Elefantenmutter schwer verletzt. Der Troll Sancho, mit dem er sich angefreundet hatte, rettet ihn vor den Raubtieren. Von einer Gruppe Trolle wieder aufgepäppelt, zieht er mit der Gruppe in die Wildnis hinaus, als Daniel Rodney mit einem Flugzeug auftaucht, um ihn abzuholen. Lobsang und Nelson brauchen ihn.
Leider wird Rodney von einem Raubtier mit riesigem Maul entführt und Joshua und Sancho müssen ihn suchen. Sie wechseln auf eine merkwürdige Erde, auf der sie einem Baum meilenweit hinaufklettern. Irgendwann fliegen Gegenstände sogar von selbst nach oben. Schließlich können sie das Untier mit Feuer töten und Rodney retten. Joshua reist zur Datum Erde.
In England auf Erde West 20.000 bekommt Nelson Azikiwe Besuch von Schwester Agnes, die nicht mehr weiterleben will und sich von ihren Weggefährten noch verabschieden will. Sie hilft ihm weiter, denn Nelson sucht seinen Enkel Troy, von dessen Existenz ihm Lobsang erzählte. Und er findet ihn beim Durchquerer, der durch die verschiedenen Welten streift. Dieser wurde in einem er ersten beide Bände erwähnt. Dort, wo Nelson überraschend Sex hatte.
Mitten in die Idylle des Familientreffens wechselt der Durchquerer mit Troy urplötzlich vor einer Sturmflut und lässt Nelson und seinen Sohn allein auf dem Meer zurück. Der verzweifelte Nelson wendet sich an Lobsang, der sich ins Kloster zurückgezogen hat - als Novize.
Auf der Datum Erde besucht Joshua das Grab von Helen, seiner Frau. Dort trifft er auf Nelson Azikiwe und Lobsang. Zusammen wollen sie sich auf die Suche nach Nelsons Enkel machen.
Dev Bilaniuk ist der wissenschaftliche Leiter von Gap Space, welches in Nordengland neben der Lücke ist. Die Spannungen durch die Arroganz von Stella Welsh und Roberta Golding, der Führerin der Next, werden sichtbar, als beide Next mit Dev und Lee Malone in die Lücke zum Backsteinmond, der an der Erdposition kreist und mühsam von Trollen errichtet worden war, wechseln. Die Next hatten hier das Clarke Projekt - ein riesiges Teleskop - errichten lassen, um die außerirdische Botschaft, die aus Richtung des Sagittarius kommt, entschlüsseln zu können.
Jan Roderick wächst im Heim in Madison auf und ist ein hochbegabter Next. Roberta Golding rekrutiert den 10jährigen; er soll helfen, in der Lücke eine Maschine zu bauen, die auf den noch zu entschlüsselnden Codes basiert. Golding macht sich Sorgen dass die Maschine gefährlich sein könnte. Sind die Außerirdischen bösartig? Maggie Kauffman und die Flotte des Präsidenten werden zu Hilfe geholt, auch der Beagle Schneeball ist wieder mit von der Partie.
Dann taucht überraschend eine Dissidemtengruppe der Next auf. Ihr Repräsentant Martin Lovelace sieht die Menschen nicht als „Dumpfbirnen“ an.
Am Ende führen die Handlungsstränge zusammen, ohne dass alle auch wirklich aufgelöst werden können. Die Story kulminiert in einen Vorstoß der „Space Cowboys“ Joshua, Lobsang, Maggie Kauffman und Sancho in die Lücke, um über die von den Next gebaute Maschine mit den Aliens Kontakt aufzunehmen.
Sie wechseln kreuz und Quer in verschiedenen Universen umher und wandern auf irgendeiner Erde bis zu 5 riesigen Monolithen. Die Inschrift stammt aus dem selben Alphabet wie die, welche Sally Lindsay einst auf dem langen Mars entdeckt hatte.
Und das wars. mit der Story. Die Space Cowboys finden auf diesem Planeten noch eine ganze Gruppe an Durchquerern, hier scheint ihre Heimat zu sein. Und selbstverständlich kann Nelson endlich seinen Enkel Troy in die Arme schließen. Danach löst sich alles in Wohlgefallen auf und jeder zieht seiner Wege.
Ein leider enttäuschendes Ende. Da hätte ich schon ein schlüssiges Ende mit einem richtigen Höhepunkt gewünscht. Eigentlich sollte man nach 5 Bänden das Buch hinlegen, noch ein Bier aufmachen und die Story erst einmal sacken lassen. Dies ist hier leider nicht der Fall. Das eher mysteriöse, meinetwegen mystische Ende nervt.
Auch in diesem Band wurden viele kleine und abgeschlossene Geschichten eingestreut, die man auch als Kurzgeschichtenband veröffentlichen könnte. Ich bleibe dabei: Band 5 ist mit seiner wirren Handlung nicht zu empfehlen. Da bin ich jetzt von Baxter enttäuscht. Schade.

Donnerstag, 23. Juli 2020

Hartmudo: Mutter


60
Meine Sestras und ich warteten also nach der Wohnungsbegehung mit dem Dottore auf einen Termin beim Notar zur Unterzeichnung eines Kaufvertrages. Witzigerweise war der Notar dann ganz in der Nähe meines Büros in Salzgitter stationiert.
Traditionellerweise bestimmt der Käufer den Makler. Und der Dottore wickelte seine Geschäfte gern über diesen Notar in Salzgitter-Lebenstedt ab. Montag, 20. März 2017 in der Chemnitzer Strasse. Das ist keinen Kilometer von meinem Büro entfernt, mitten in der Fußgängerzone. Knapp hinter dem Notar befindet sich mit der Jever meine alte Stammkneipe. Nein, keine Angst, ich wollte mich weder vor noch nach dem Termin beim Notar zusaufen.
Das Treffen war für 18.00 Uhr angesetzt, weil Reiner noch solange arbeiten musste und Sunny nicht allein dort aufkreuzen wollte. Hierfür habe ich nach wie vor vollstes Verständnis, auch wenn ich mich fast nur noch despektierlich über meine Sestra Sunny zu äußern pflege. Hier bricht meine allseits bekannte Objektivität durch; böse Zungen bezeichnen dies auch als Beamtenmentalität.
Berta ließ sich natürlich von Bud hinfahren, der aber, wie Reiner auch, im Wagen blieb. Beide hatten mit der Vertragsunterzeichnung eh nichts zu tun und wollten wohl auch keinen Grund für weitere Streitereien liefern. Es kann allerdings genauso gut sein, dass beide nach all den Begebenheiten mehr als genervt von den unnötigen Streitereien waren. Meine Löwin wollte dort nicht extra hinfahren, das war ja nun auch wirklich nicht notwendig. Bud konnte mich anschließend auch nach Hause fahren.
18.00 Uhr am Montag bedeutete für mich, dass ich eben nicht wie gewohnt um 15.00 Uhr nach Hause fahren konnte. Die Zeit nutzte ich am Arbeitsplatz und nicht in der Jever. Wäre doch zu blöd gewesen, wenn ich zum Termin des Wohnungsverkaufes unserer Mutter beim Notar strunzbesoffen aufgelaufen wäre.
Ich denke, Ihr könnt Euch alle vorstellen, das ich an jenem Nachmittag nicht mit 100%iger Konzentration bei der Arbeit war. Obwohl ich mich auf Standardtätigkeiten wie das Bezahlen von Rechnungen oder Überprüfen von Betriebskostenabrechnungen beschränkte, konnte ich das gelegentliche Abschweifen meiner Gedankengänge nicht verhindern.
Als sich Mutter im späten Frühjahr - ein Jahr zuvor - nicht mehr so wohl fühlte und wir Geschwister, also vorwiegend Berta und ich, verstärkt um sie gekümmert hatten, begann die ganze leidige Angelegenheit. Schon als es Wochen später um die Unterbringung von Mutter in einem Heim ging, brachen zwischen Sunny und mir die ersten Gräben auf. Nach Mutters Tod eskalierte die Situation zwischen uns Geschwistern vollends, weil Berta den Schmuck auf mein Betreiben hin gesichert hatte und Sunny ihr böse Absichten unterstellte.
Der weitere Ablauf war dann nur noch widerlich, hier hatte sich keiner von uns mit Ruhm bekleckert. Und jetzt endlich würden wir mit unseren Unterschriften unter dem Kaufvertrag die ganze Geschichte zu einem Ende führen. Erst danach würden wir durchatmen und um den Verlust unserer Mutter trauern können. Im Nachhinein war ich traurig, weil Mutter es nicht verdient hatte, dass sich ihre Kinder nach ihrem Ableben derart übel in die Haare kriegten. Allein dieses Bild beim Juwelier, als dieser Mutters Schmuck, auf den sie so stolz gewesen war, mit einem Hämmerchen einfach emotionslos kaputt kloppte.
Dank derart düsterer Gedanken ging ich kurz vor 18.00 Uhr nicht gerade mit federnden Schritten zum Notar hinüber. Mir war eher schwer ums Herz, so ein Ende hatte ich nicht gewollt. Aber Sunny hatte mir keine Wahl gelassen, das sehe ich heute immer noch so. Diese sch... Kohle hatte alles kaputt gemacht, das schöne Familienidyll, das ich mir so sehnlichst gewünscht hatte. Aber wenigstens brauchte ich mir ab sofort keine Gedanken mehr um ein besseres Verhältnis zu Sunny und Reiner zu machen. Das war jetzt endgültig perdu.
Da ich den kürzesten Anfahrtsweg von uns allen zum Notar hatte, war ich wie erwartet als Letzter dort. Das feuchte Wetter passte perfekt zum Anlass; eigentlich wäre ein Gang zur Jever hier passender gewesen. Aber nun...
Die Sekretärin bat mich ins Wartezimmer, wo ich auf meine Sestras und den Dottore nebst Frau traf. Nach kurzer Wartezeit, in denen wir Geschwister uns mit dem Dottore, aber nicht untereinander unterhielten, führte uns seine freundliche Mitarbeiterin ins Allerheiligste - sein Büro. Der gutgelaunte Notar schüttelte jedem von uns die Hand und lenkte uns zu den bereit gestellten Sitzplätzen.
So saßen wir in einer leichten Kurve vor seinem Schreibtisch. Wir drei Geschwister nahmen hier die rechte Seite neben dem Fenster ein. Zur Sicherheit setzte ich mich in die Mitte, da ich einem möglichen Handgemenge zwischen Berta und Sunny zuvorkommen wollte.
Als Vorgeplänkel, quasi zum Warm-Up, redete der Notar mit dem Dottore und dessen Frau. Hier war deutlich erkennbar, dass sie sich kannten. Und einen hatte ich jetzt doch tatsächlich vergessen: Der Makler war ebenfalls vor Ort. Auch er verfiel in ein charmantes Plaudern mit den Käufern. Diese Vertrautheit erinnerte mich stark an unseren Auftritt beim Juwelier, wo Sunny und Reiner ebenfalls beinahe Kochrezepte mit dem Inhaber ausgetauscht hatten.
Wir mussten nicht lange auf den Hauptgang warten. Nach einigen Minuten öffnete sich die Tür und die Mitarbeiterin brachte die Mappe mit dem grob ausgearbeiteten Vertrag. Die Show konnte beginnen.
Zuerst belehrte uns der Notar noch schnell über die Regularien beim Wohnungsverkauf, vor allem über seine Pflichten als Notar. Ausführlich erklärte er uns, verstärkt uns Geschwistern, die einzelnen Paragraphen des Vertrages. Ein Notar trägt eine Auflassungsvormerkung ein, schaut in die einzelnen Abteilungen des Grundbuches, um nach irgendwelchen eingetragenen Belastungen zu forschen und und und.
Für mich war dies wahrlich kein Neuland, hatte ich doch schon während meiner Ausbildung im städtischen Liegenschaftsamt gearbeitet und vor allem 1987 für das Land Niedersachsen im Straßenbauamt Hildesheim bald ein halbes Jahr lang Kleinstgrundstücke (meist unter 5 qm) im Zuge des Ausbaus von Ortsdurchfahrten ge- und verkauft. Also für mich hätte sich der Notar das ganze Gedöns sparen können.
Doch darum geht es bei solchen Terminen nicht, beim Kauf der Wohnung von meiner Löwin und mir lief das haargenau so ab. Wir reden hier eher über ein Ritual, fast eine religiöse Handlung. Meine Sestras hörten dem Notar deshalb andächtig, fast ehrfürchtig, zu. Dieser wendete sich mit seinen Erklärungen auch hauptsächlich in unsere Richtung, als ob er irgendwelche Teletubbies vor sich gehabt hätte.
Der Dottore und seine Frau nickten während dieser "Bibelstunde" lediglich mit ihren Köpfen auf und ab. Ein Vater Unser hätte da noch gefehlt. Ich dagegen setzte mein Pokerface auf, was für den Notar wohl überraschend kam, da er seine Erklärungen hauptsächlich an meine Adresse richtete.
Wie beim Juwelier! Meine Güte, als ob meine Schwestern die totalen Honks wären. Berta als auch Sunny (obwohl ich mit ihr im Clinch lag - doof ist sie nicht) haben selbst Häuser, kannten das Prozedere also. Vielleicht hielt der Notar beide für Dorfpomeranzen. Eine absolute Fehleinschätzung, aber so sind sie, die studierten Anzugträger.
Irgendwann war selbst dieser Spuk vorbei. Auf die übliche Frage gab es die übliche Antwort, will sagen: Keiner hatte Einwände gegen den Vertragstext vorzubringen. Wir unterschrieben alle, gaben uns gegenseitig die Hand - also den Vertragspartnern gegenüber, nicht alle miteinander.
Draußen auf der Straße verabschiedeten wir noch den Makler. Mit dem Dottore und seiner Frau sprachen wir noch kurz über die bevorstehende Eigentümerversammlung der Wohnanlage in Melverode, an der Frau Dottore bereits teilnehmen wollte. Uns selbst interessierte es ja nicht mehr. Zwar waren meine Sestras und ich offiziell noch Eigentümer, doch was sollten wir da?
Nachdem wir uns auch freundlich vom Dottore und seiner Frau verabschiedet hatten, standen meine Sestras und ich allein in der Dunkelheit im regenverhangenen Lebenstedt herum. Reiner schlich in der Nähe von uns sichtbar herum; wie Bud hatte er sich bewusst herausgehalten, um einer Eskalation vorzubeugen.
Der Abschied zwischen meinen Schwestern verlief ausgesprochen frostig. Wortlos gingen beide auseinander. Sunny und ich rafften uns wenigstens noch zu einem "Tschüss" auf. Kurz sprachen wir noch darüber, das wir uns noch wegen der Kontoauflösung sehen würden. Dann ging ich mit Berta Richtung Auto und Bud; die Beiden fuhren mich nach Hause. Die Stimmung im Auto war schwer zu beschreiben. Weder gelöst noch verkrampft, Berta und ich fühlten uns nur noch leer.
Sunnys Gefühle vermag ich nicht zu beschreiben. Nach meinem Abschiedsgruß gingen Berta und ich auch gleich los. Ich drehte mich auch nicht mehr nach Sunny um. Mir fiel auf alle Fälle ein Riesenstein vom Herzen, weil ich gerade eben einen schweren Termin überstanden hatte.

Sonntag, 19. Juli 2020

Contramann: Randale in Stuttgart


Am 20. Juni abends kam es in Stuttgart (!) anlässlich einer Polizeikontrolle – wegen eines „BTM-Vergehens“ – zur Eskalation der Gewalt. Warum auch immer, griffen die „Leute aus der Event-Szene“ die Polizisten an. Die Polizisten orderten Verstärkung an. Ihnen gegenüber standen 400 – 500 Leute im Alter von 14 – 30 Jahren (offizielle Angaben).
Flugs per Twitter hochgeladene Videos zeigten u.a. einen maskierten Menschen, der mit ausgestreckten Beinen voran in einen Polizisten hineinsprang. Angeblich seien auch „Allah Akbar“ Rufe zu hören gewesen. Letzteres habe ich nicht mitgekriegt und halte es auch in der Beurteilung der Geschehnisse für zweitrangig, weil eine neue Migrantendiskussion hier auch am Thema vorbeigeht.
23 Polizisten wurden bei der folgenden Randale, bei der die Leute in kleineren Gruppen durch die Stuttgarter Innenstadt zog und 37 Geschäfte beschädigt hatten, verletzt. In 9 von diesen Geschäften wurde auch geplündert, vorwiegend wohl Handys. Bislang wurden 26 Leute festgenommen. Etwa jeder zweite bislang Festgenommene hat einen deutschen Pass, unter ihnen haben mehrere einen Migrationshintergrund. ( entnommen aus folgender Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-06/krawalle-stuttgart-festnahme-tatverdaechtiger )
Landesinnenminister Strobl (CDU) kündigte für das folgende Wochenende eine höhere Polizeipräsenz an. So weit die Zusammenfassung der Geschehnisse, die mich dann doch geschockt und geärgert hatten. In dieser Sekunde ist mir immer noch nicht klar, wie es zu diesem Ausbruch an Gewalt kommen konnte. Bei der Zusammensetzung der „Event-Szene“ bleiben die Berichte der Medien als auch der Politik bewusst vage, um der AfD keinen Aufschwung zu geben.
Für Alice Weidel von der AfD war jedenfalls sofort klar, dass „Antifa und Migrafa“ hinter der Randale steckten. Die Rumeierei der Pressevertreter stärkt leider diese Position, was ich als ärgerlich empfinde, weil es hierbei meiner Ansicht nach nicht um Politik geht, sondern eher um Desinteresse an derselben. Ich würde die Gruppe der Randalierer eher als desillusioniert und degeneriert beschreiben.
Antifa war schon in den 80ern, aber da waren „wir“ noch politisch interessiert. Da gab es den Spruch aus einem Seyfried Comic: „Haut die Bullen platt wie Stullen“. Trotzdem hätten wir uns nicht zusammengerottet, um die „Bullen“ platt zu machen. Eine gewisse Ethik und eben auch Interesse an Politik war da noch vorhanden gewesen. Dies trifft auf die Randalierer von Stuttgart sicher nicht zu.
https://www.nzz.ch/meinung/krawall-in-stuttgart-deutschlands-polizei-als-boxsack-ld.1562429
Es ist häufig angezeigt, sich Meinungen aus der Neuen Züricher Zeitung durchzulesen. Dieser Blick von außen auf Ereignisse in Deutschland ist oft erhellend. In diesem Fall sogar noch objektiv, denn es werden die richtigen Fragen gestellt. Auch in Deutschland schlossen sich viele Menschen den „Black Lives Matter“ Demos an, die gegen die Tötung von George Floyd in Minneapolis durch einen Polizisten auch in Deutschland ins Rollen gekommen war.
Im Zuge dieser Demos wurde ebenfalls von verschiedenen Politikern der Rassismus innerhalb der deutschen Polizei angeprangert. Dies überwiegend leider aus den eher links verorteten Parteien. Das Ganze gipfelte dann in der Woche vor dem Stuttgarter Krawall in der unsäglichen Kolumne in der TAZ, die hinterher nur müde als Satire dargestellt wurde, als von mehreren Seiten eine Strafanzeige gegen die Verfasserin angestrengt wurde:
https://taz.de/Abschaffung-der-Polizei/!5689584/
Von wegen Satire. Hier wurde nicht die Polizei als Organisation aufs Korn genommen, was als Satire durchgehen könnte. Nein, hier wurden Menschen, die sich für diesen Beruf entschieden haben, als „reif für den Müll“ bezeichnet. Das ist übelste Verunglimpfung, man ersetze den Begriff „Polizist“ durch „Flüchtling“ oder gar „Jude“, dann könnte diese Kolumne auch im Stürmer gestanden haben.
Ich habe wohl mit Hengameh Yaghoobifarah nach Carola Rackete eine zweite Ätztussi gefunden, die in ihrer verblendeten „richtigen“ Meinung nicht mehr schnallt, dass sie genau den Faschismus predigt, den sie bei anderen anprangert. Solche Leute wie Hengameh Yaghoobifarah sind erbarmungslos in ihrer Mediengeilheit.
Da hilft es auch nicht, dass die Chefredakteurin der TAZ nach dem großen und eher negativen Medienecho zu beschwichtigen versucht. Dass sie ihre freie Mitarbeiter entschuldigt und sie nicht in die Pfanne haut, ehrt sie. Die folgende Veröffentlichung verschiedener Beiträge zum Thema Polizei in der TAZ durch diverse Redakteure soll den Schaden begrenzen, geht aber am wahren Ärgernis vorbei.
Selbst wenn es nur in den letzten Sätzen direkt sichtbar wird: Es geht um die Verunglimpfung von Menschen einer Personengruppe - der Polizei. Diese Menschen auf den Müll schreiben zu wollen, ist eben keine Satire. Dazu hätte die Autorin das sanfter (z.B. als Frage oder in Gänsefüßchen) formulieren müssen.
Es bleibt eine menschenverachtende Aussage. Ich nenne Leute, die solche Aussagen treffen, Faschisten. Mir rutscht evtl. gelegentlich auch mal ein Scheißspruch raus, aber ich schreibe keine Kolumnen in einer großen bundesweit erscheinenden Tageszeitung.
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/diemar-bartsch-solidarisiert-sich-mit-polizisten-wie-viel-law-and-order-vertraegt-die-linke-a-238444fb-4f75-413e-841d-68983686a7cd
Der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, stellte sich in der Woche nach der Randale demonstrativ hinter die Polizisten. Teile seiner Partei fanden das gar nicht gut. Ich zitiere hieraus einen Mitarbeiter von Niema Movassat: „Deine Aufgabe ist es, an der Seite der Menschen zu stehen, die von Rassismus, Sexismus und Diskriminierung betroffen sind, nicht an der des Staates.“
Es sind solche Genossen wie dieser Mitarbeiter, die es mir verleiden, diese Partei zu wählen. Nun steht mir ein Dietmar Bartsch auch schon sehr nah an SPD Positionen, die schon in Zeiten eines Helmut Schmidts die Konterrevolution des Neoliberalismus eingeleitet hatte. Aber wo er Recht hat, hat er Recht.
Als Linker darf und soll man Polizeieinsätze kritisieren, denn solche Kritik richtet sich vor allem gegen diejenigen Politiker und nachgeordnete Verantwortliche, die solche angeordnet haben. Die plumpe Herabwürdigung von Menschen als Müll oder mutwillige Tritte gegen Menschen - nichts anderes ist da in Stuttgart passiert - ist in erster Linie von den Linken zu verurteilen.
Man kann nicht fehlenden Humanismus beklagen und dann in gleicher oder gar noch stärkerer Aggression agieren als der Klassenfeind. Das war schon immer ein Problem von Teilen der Linken gewesen, auch in den unglücklichen 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Eine Partei der Linken, die noch vor 10 Jahren von Gysi oder Lafontaine zusammen gehalten wurde, existiert wohl nicht mehr. Riexinger und Kipping mit ihren wachsweichen Positionen halten das Schiff auf klaren Kurs in die Eisberge hinein. Bartsch und Ramelow sorgen dafür, dass das kleine und illusionäre Licht der Hoffnung auf eine gerechtere Welt für die Menschen nicht komplett erlischt.
Update 25. Juni abends:
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_88119444/krawalle-in-stuttgart-polizei-erhebt-schwere-vorwuerfe-gegen-die-stadt.html
„Probleme besonders mit "jugendlichen und heranwachsenden Tätern mit überwiegendem Migrationshintergrund" hätten die Polizei in den vergangenen Wochen vermehrt beschäftigt und seien der Stadtverwaltung seit langem bekannt gewesen.“ So weit der Kommentar der deutschen Polizeigewerkschaft.
Die Stuttgarter Stadtverwaltung wies den Vorwurf natürlich zurück. Jetzt, einen Monat später Mitte Juli, ist das Thema schon wieder raus aus der Presse. Erhellung bringt hier vielleicht folgender Artikel: https://www.suedkurier.de/baden-wuerttemberg/was-laeuft-schief-in-stuttgart-wie-die-stadt-schnelle-loesungen-fuer-die-krawall-probleme-sucht;art417930,10565353
Es sieht also ganz danach aus, dass man hier jahrelang weggesehen hat, als frustrierte Kids ihre Parties mit Drugs und Alkohol abfeierten. Die Polizei vor Ort durfte es richten - im Sommer 2020 dann also die sich abzeichnende Eskalation.
Stattet die Polizei mit mehr Personal aus und kümmert Euch um ausgegrenzte Jugendliche. Taten statt Worte; gerade grüne Politiker achten wohl mehr auf Political Correctness statt auf Lösung von Problemen, weil dabei die eigene Weltanschauung nicht beschädigt werden darf.
Das passiert in Stuttgart so. Und das passiert überall in der Republik so.

Mittwoch, 8. Juli 2020

H. Lecter: Alf

17
Im Jahr 2002 fuhr ich dann zum letzten Mal in dieser Reisegruppe mit – es ging wieder nach Gran Canaria. Nach den Erfahrungen aus dem Jahr zuvor hatte ich mir ausgebeten, das Zimmer nicht mit Alf teilen zu müssen. Jetzt sollte mal jemand anders leiden.
2002 – ebenfalls das Jahr, in dem ich meine Löwin kennengelernt hatte. Und dann musste auch noch Moritz kurzfristig absagen, weil er sich eine schwerwiegende Erkältung zugezogen hatte. Da er die Reise schon bezahlt hatte und wir leider über keine Reiserücktrittskostenversicherung verfügten, war der Platz noch frei.
Moritz sein Geld, er bestimmte den Ersatzmann. In diesem Fall dann doch seine Freundin, die anstatt seiner mitkam. Eigentlich war das Mädel sehr nett, schien jedoch stark erkältet zu sein. Aber zum Rückflug konnte sie sich nicht durchringen, auch fehlte ihr das Geld. Ich war noch so freundlich, ihr den Koffer ins Hotel zu tragen.
Und damit kam ich zu spät an die Rezeption, da hatten meine Mitreisenden die Zimmer schon aufgeteilt. Die Ärsche! Buck würde mit Klaus-Ewald nächtigen, während Max und Alf das zweite Zimmer belegen würden. Und das dritte Zimmer… dann für mich und die kranke Freundin von Moritz.
Meine dringenden Appelle, die Aufteilung zu ändern, weil ich ja gerade mit meiner Löwin frisch liiert war, blieben unerhört. Stattdessen kam der wohlgemeinte Rat: „Du brauchst es ihr doch nicht zu erzählen.“ So ein Rumeiern war für mich natürlich keine Option; gleich beim ersten Telefonat hatte ich meiner Löwin die Situation geschildert.
Was hätte ich da machen sollen? Max bot mir sogar an, mit ihm zu tauschen und dafür erneut mit Alf auf ein Zimmer zu gehen. Dass ich dies trotz möglicher Schwierigkeiten mit meiner Löwin abgelehnt hatte, lässt erkennen, wie schlimm die Nächte mit Alf im Urlaub zuvor gewesen sein mussten.
Am ersten Tag zogen wir dann gleich wie üblich los, um vor einer Bar in der Sonne die ersten Drinks zu genießen. Wie üblich beschäftigte sich Alf mit einem Sangria, Bier trank dort keiner. Die Freundin von Moritz kam hier nicht mit, da es ihr nicht gut ging. Die schwere Erkältung fesselte sie ans Zimmer.
Wie ich später feststellen musste, hatte sie sich wohl eher eine Grippe eingehandelt. Schüttelfrost, Migräneanfälle und eine starke Lichtempfindlichkeit legten diesen Schluss nahe. Ich riet ihr, einen Flieger zu buchen und nach Deutschland sofort zurückzukehren. Neeeeein, das wird schon. Und ansteckend wäre es auf keinen Fall!
Ich kürze es mal ab: Nach einer unruhigen Nacht rief sie am nächsten Morgen Moritz an, der ihr Geld für den Rückflug per Postanweisung schickte. Und so schnell wie sie in unser Leben am Vortag getreten war, so schnell war sie gleich wieder weg. Zum Dank konnte ich mich den Rest des Urlaubs mit einer fiesen Erkältung abplagen.
Viel mehr gibt es von diesem Urlaub eigentlich nicht zu berichten. Hauptsächlich bei mir war irgendwie die Luft raus. Die Hitze war eh nicht meins und ewig Wodka Lemon… Ich konnte es schon nicht mehr sehen. Und nicht nur die Freundin von Moritz war in diesem Urlaub absent, sondern auch Alf.
Nach dem ersten Abend ward er nicht mehr gesehen. Nicht einmal zum Frühstück durften wir ihn erblicken, laut Max hatte er wohl mit Kreislaufproblemen zu kämpfen. Zum Glück fand er einen Arzt, der ihm entsprechende Tabletten verschrieben hatte. Sein letzter Auftritt fand an der Hotelbar statt. Soweit ich mich heute daran erinnern kann, kam er wenigstens allein auf sein Zimmer, bei ihm ist das schon erwähnenswert.
Wir anderen spulten unser gewohntes Programm ab. Soffen uns zu – bis auf Klaus-Ewald natürlich - und gingen von einer Bar zur nächsten Theke. Die Euphorie war uns aber mit den Jahren abhanden gekommen. Irgendwie war die Luft aus dem Team raus. Eventuell hätte Alf mit all seinen Eskapaden dem Ganzen nochmals Leben einhauchen können, aber ich denke eher, dass sich unsere Touren totgelaufen hatten.
So stand dann nach einer Woche die Rückreise an. Hier erlebte Max ein großes Hallo, weil das Hotel gerne noch den Room Service von Alf bezahlt bekommen hätte. Es waren über 300,-€, die Alf da auf dem Deckel hatte.
Wie sich nun herausstellte, hatte er sich die ganze Zeit den Sangria (und einige Wodka Lemon) aufs Zimmer kommen lassen, als wir anderen unterwegs waren. Max hatte er davon nichts erzählt, die leeren Karaffen Sangria hatte er wohl wieder abholen lassen. Da musste Max den Deckel von Alf an der Rezeption übernehmen, weil Alf diese Summe nicht mehr hatte. Woraus man schließen könnte, dass er zunächst an der Hotelbar gesessen oder aber die ersten Lieferungen bar gezahlt hatte.
Max hat sein Geld später in Deutschland bekommen, gar keine Frage. Doch so eine Nummer war wirklich sehr schräg. Alleine und heimlich im Hotelzimmer saufen – das war schon ein übler Abstieg.
Als wir dann in der Schlange zum Einchecken am Flughafen vor dem Rückflug standen, konnte er noch nicht einmal mehr seinen Koffer tragen. Mit hochrotem Kopf und wie in der Sauna transpirierend, hatten wir echt Angst um ihn. Wir wollten ihn überreden, dass er zum Arzt geht, aber keine Chance. Heute weiß ich, dass dies die ersten Anzeichen für eine Diabetes sind. Meine Güte, er hätte dabei hops gehen können.
Inbrünstig hoffte ich am Flughafen, dass die Fluggesellschaft ihn nicht mitnimmt. Er sah nun wirklich todkrank aus. Mit Ach und Krach konnte er sich auf den Beinen halten, doch die Spanier ließen ihn kommentarlos das Flugzeug betreten. Entweder waren die (noch) schlimmeres gewöhnt oder die wollten ihn einfach nur loswerden.
So endete mein letzter Törn mit dieser Reisegruppe mit einem schalen Beigeschmack. Heute vermisse ich diese Touren – zumindest die guten, also die ersten. Doch 2002 war mir das zu viel. Mit meiner Löwin wollte ich auch etwas unternehmen und die BiRe konnte ich einfach nicht aufgeben, denn das war schon immer ein noch intensiveres Trinken.

Montag, 6. Juli 2020

Contramann: kurz gesehen im Juli

https://www.spiegel.de/politik/deutschland/corona-linken-spitze-geht-auf-distanz-zu-sogenannten-hygienedemos-a-9a32079c-fa68-480c-989f-879531b36b25
Vor 5 Jahren war es Pegida, jetzt sind es die samstäglichen Hygienedemos, die ab Mai in ganz Deutschland stattfanden. Der Fraktionsvize der Linken, Andrej Hunko, nahm Mitte Mai an einer solchen Demo in Aachen teil. Damit begab er sich auf die Spuren von Sahra Wagenknecht und handelte sich einen dementsprechenden Rüffel seiner Parteispitze in Person von Parteichefin Katja Kipping ein.
Da bei diesen Demos laut Definition der etablierten Parteien nebst der staatstragenden Medien Verschwörungstheoretiker, Spinner und AfDler unterwegs sind, wurde Hunko natürlich sofort von allen Seiten in diese Schublade verpackt. Seine Parteivorsitzende hackte wie vor Jahren gegen Wagenknecht auch noch mit drauf. Wer solche Freunde hat...
Aber eigentlich ist Kipping eh ein U-Boot der „herrschenden Klasse“, um mal im Jargon eines linken Idealisten zu bleiben. Dieser Idealismus ist Frau Kipping und anderen in der Linkspartei schon seit längerem abhanden gekommen. Ein möglicher Griff an die Macht ist da wohl zu verlockend. Ist Kipping schon Mitglied der Atlantikbrücke?
Bei der letzten Wahl hatte ich die Linke noch gewählt, weil sie sich als einzige Partei gegen die fortgesetzte Militarisierung und den fortdauernden Abbau von Arbeitnehmerrechten eingesetzt hatte. Dazu kam auch noch Schutz der Grundrechte hinzu. Und genau darum geht es eben auch bei den Hygienedemos.
Es ist eben nicht wahr, dass dort nur Spinner unterwegs sind; zudem sind diese dort auch nicht in der Mehrheit. Es ist schlimm genug, wenn unsere „Qualitätsmedien“ undifferenziert auf die Demonstrierenden draufhauen und die „4. Gewalt“ ad absurdum führen, indem sie sich zum kritiklosen Sprachrohr der Regierungsparteien degradieren lassen.
Aber wenn sich die meiner Ansicht nach einzige ernstzunehmende Oppositionspartei in Person ihrer Vorsitzenden ebenso instrumentalisieren lässt, ohne darauf hinzuweisen, dass die „sozial Schwachen“ nicht nur durch Corona stärker als „Besserverdiener“ betroffen sind, sondern vielmehr dank der getroffenen Schutznaßnahmen die wirtschaftlichen Folgen hart spüren werden, dann mißachtet sie ihren Stammwähler - den „kleinen Mann“. Die sozialen Folgen der Pandemie sollte Thema einer Linkspartei sein.
Stattdessen überlassen Kipping und ihre Anhänger der AfD diese Baustelle. Da kann man nur befürchten, dass sich Geschichte wiederholt.

https://www.heise.de/tp/features/Corona-Massnahmen-Fehlende-inhaltliche-Auseinandersetzung-4718119.html?seite=all
Ein ebenfalls wunderbarer Beitrag auf Telepolis, der zur Ausgrenzung der „Corona-Leugner“ eine passende Stellungnahme bietet. Auf den „Hygienedemos“ sind eben nicht nur AfDler und Spinner unterwegs. Diesen Eindruck wollten sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien, auch die Linke und sogar die AfD, vermitteln. Die Leitmedien assistierten dies im Mai kritiklos.
So bleibt es Telepolis, den Nachdenkseiten oder den Neustadtrebellen vorbehalten, der in diesen Demos geäußerten Kritik an den Grundrechtseinschränkungen eine Plattform zu geben, damit sich jeder eine unvoreingenommene Meinung bilden kann. Dies ist wichtig, vor allem für Menschen wie mich, die den Coronavirus ernst nehmen, aber die Einschränkungen der Grundrechte nicht auf Dauer hinnehmen wollen.
Da heißt es nämlich achtsam zu bleiben.

https://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/buerotuerm-in-der-corona-krise-durch-homeoffice-boom-gefaehrdet-a-a38d96b0-6462-4fea-8900-5144e8f87c1e?sara_ecid=soci_upd_wbMbjhOSvViISjc8RPU89NcCvtlFcJ
Hhm. Ich weiß nicht... Es gibt sicherlich viele Bereiche, wo eine ausschließliche oder wenigstens überwiegende Tätigkeit im Homeoffice vorstellbar ist. Viele Leute schwärmen also davon, dass sie zuhause konzentrierter arbeiten können, weil nicht dauernd irgendein Kollege in der Tür auftaucht und ein Schwätzchen heraufbeschwört.
Mir geht das im Büro zwar auch oft so, aber im Gegensatz zu den „konzentrierten“ Mitarbeitern will ich dennoch nicht auf das zwischenmenschliche Miteinander verzichten. Oder, um es auf den Punkt zu bringen: Wer lieber allein zu Hause arbeitet, ist nicht teamfähig.
Sicherlich kann ein Teamwork durch geeignete Software funktionieren, aber die Fans derartiger Lösungen verkennen die Macht eines Witzes oder der langweiligen Erzählungen aus dem Leben der ungeliebten Kollegin. Es geht nicht darum, ob ich etwas gern oder ungern höre. Allein der Umstand, dass etwas Nicht-Arbeitsmäßiges erzählt wird, hilft, Denkblockaden oder Sackgassen zu überwinden. Allein zu Hause, griesgrämig grummelnd, weil ich an einem Problem verzweifle, komme ich nicht von der Stelle.
Zu platt? O.K. dann so: Ein Gegenargument zum Homeoffice ist, dass dies nur etwas für disziplinierte Mitarbeiter sei. „Low Performer“ würden das Arbeitspensum nicht in adäquater Zeit schaffen. Dagegen behaupte ich, dass Homeoffice per se ein Anzeichen von Low Performance ist. Menschen, die im Büro generell lieber alleine arbeiten, sind nicht so kreativ, weil ihnen die Reize von Außen fehlen.
Aber warten wir es ab. Vielleicht irre ich mich ja mit meiner negativen Einstellung dem Homeoffice gegenüber. Jedoch werde ich dies in meinem restlichen Berufsleben wohl nicht mehr mitmachen müssen. Von daher: Haut rein, Jungs und Mädels!

https://www.spiegel.de/auto/italien-kaufpraemie-fuer-radler-ferrari-land-wird-fahrrad-land-a-bda46119-4f1d-49d7-95e3-6e159928513b
Schau an, die Italiener. Sicherlich ist in Italien das Fahrradfahren populärer als bei uns, aber trotzdem meine Hochachtung für diese Entscheidung.
Wobei natürlich 500,- € Prämie für ein Fahrrad auch nicht gerade die Welt sind. Aber immerhin. Viel teurer ist ein Rad ja auch nicht. Wichtiger ist vielmehr der Symbolcharakter. So wird eine abgasfreie Mobilität unterstützt statt Ressouren fressende Automobile zu finanzieren.

https://www.focus.de/politik/deutschland/kurs-der-parteifuehrung-sei-linkspopulistisch-gewerkschaften-attackieren-die-spd-kann-sich-als-volkspartei-nicht-halten_id_12098434.html
Was ist denn hier los. Normalerweise sind Gewerkschaftler (fast) komplett auch SPD Mitglieder. Jedoch hat die Verhinderung einer Autokaufprämie für Karren mit Verbrennungsmotoren durch die SPD Parteispitze einen Graben zwischen der IG Metall und der Partei geschaffen. Gewerkschaftler haben Angst um Arbeitsplätze in der Autoindustrie.
Prinzipiell unterstütze ich als „Linker“ Arbeiterinteressen gegen die „Bonzen“, aber... Betrachten wir das Ganze doch einmal unaufgeregt.Vor über 10 Jahren hatte die Autokaufprämie ja lediglich für vorgezogene Käufe der Verbraucher gesorgt. Seitdem glänzten die deutschen Konzerne lediglich über den Absatz fetter Karren; all die SUVs, die sich da auf den Straßen rumtreiben, sind mit einer Prämie von 3000 oder 6000 Euro auch kaum billiger, zumal die Konzerne die Abwrackprämie damals auch gerne gegen eine Rabatte verrechnet hatten.
Und weiter gehts: So eine Prämie bringt es also eh nur bei Kleinwagen, also bei den Leuten, die es nicht so dicke haben. Und in dem Segment sind KIA, Hyundai oder auch Dacia preislich auch so schon weit vorne, dass sich die Absatzzahlen von VW oder Opel in dem Segment unwesentlich erhöhen dürften.
So leid es mir tut, aber die Gewerkschaften sollten lieber aktiv daran mitarbeiten, dem Umbau der Autoindustrie von Verbrennungsmotoren hin zu neueren Konzepten (hier favorisiere ich den Wasserstoff) zu unterstützen. Sonst bekommen ihre Mitglieder ihr Gehalt bald eher vom Arbeitsamt oder dem Jobcenter.

Donnerstag, 2. Juli 2020

Hartmudo: Am Ende kackt die Ente


Eintracht ist gestern abend aufgestiegen. Ich freue mich, dass das Team meiner Löwin ein so schönes Geburtstagsgeschenk gemacht hat. Gleichzeitig erinnere ich mich an diverse Gespräche mit Freunden in den letzten Monaten, auch an das endlose Geseiere im Eintracht Forum oder bei den Weblöwen.
Stellvertretend für alle hier der Kommentar von Comflag aus dem Eintracht Forum. Genau so sehe ich es auch:
„Dieser Aufstieg wäre nie passiert, wenn Corona nicht gekommen wäre und alle Fans ausgesperrt hätte.
Eventuell sollte das ALLEN Eintracht Fans einmal zu denken geben. Wir müssen / sollten eventuell unser Team ein wenig besser "supporten".
Es ist ja schon bemerkenswert das ein ME ohne Fans (die ja nun meistens bei jeder Aktion gestöhnt haben) eine Leistung aufs Feld wirft, die einem Stammtorhüter absolut würdig ist. Nur um mal ein Beispiel zu nennen.
Ich hoffe das WIR Fans eines wieder gewinnen: Geduld! Denn die hat sich im Nachgang absolut bezahlt gemacht (die Verantwortlichen waren zum Schluss geduldig... ja auch ich hätte unseren Trainer vor Corona entlassen.. auch ich muss mich in Geduld üben).
Es ist ein komisches Gefühl das Corona, das schlimmste was uns China bislang "schenken" konnte, unser Glück werden würde (rein fußballerisch gesehen).
Ich bin heute mega glücklich. Ich habe auch nach der schmerzlichen Niederlage an einen Sieg geglaubt. Zwar 3:0 und nicht 3:2, aber was solls.
Ich darf heute Telekom kündigen und mein Sky Abo (um eine günstige Verlängerung zu erhalten). Ich freue mich auf eine professionellere Spielübertragung, endlich wieder im TV
Besonders schön ist, das unser Ex Trainer der für diese SCH.. hier überhaupt verantwortlich war, indirekt für unseren Aufstieg beigetragen hat. In diesem Sinne nochmal DANKE Totte, das du wenigstens im Nachgang deinen Anteil am Wiederaufstieg hattest und so geringfügig Schaden wieder gutmachen konntest.“

Mittwoch, 1. Juli 2020

Hartmudo: Nur keine Panik 2/2


https://www.faz.net/aktuell/politik/wer-die-corona-app-hat-soll-zuerst-wieder-ins-restaurant-duerfen-16759932.html
Das mit den Anreizen für die App Benutzer und damit Ausgrenzung für diejenigen, die diese App eben nicht installieren wollen oder können, geht schon mal gar nicht. Da wiederhole ich mich gerne, aber der Faschismus kommt eben manchmal aus Ecken, von denen man es nicht vermutet.
Jetzt sind ab 22. Juni (ich schrieb dies am 18.) weitere Beschränkungen gefallen. Hiervon ist insbesondere der Wegfall der Höchstgrenze bei Treffen erwähnenswert. Waren es bislang maximal 10 Personen aus 2 Haushalten, so sind seit dem 22. Juni 10 Personen, unabhängig von der Haushaltszahl, erlaubt.
Dies war ja auch dringend geboten, da sich zuletzt eine gewisse Maskenmüdigkeit und Ignoranz den Beschränkungen gegenüber breit gemacht hatte. Die Leute trafen sich halt heimlich oder hielten wenigstens nach Ordnungshütern Ausschau. Zu diesem Phänomen möchte ich ein Gespräch mit einer Kollegin wiedergeben.
„Wenn ich in Braunschweig das Bahnhofsgebäude betrete, läuft dort schon keiner mehr mit einer Maske herum. Auf dem Bahnsteig wird die Maske gern unter das Kinn gezogen. Im Bus hatte eine junge Frau die Maske gar ganz entfernt“, ereiferte ich mich.
Die lakonische Antwort lautete: „Ich fahre nicht mit den Öffis.“
Ich habe dies schon bei sehr vielen Gesprächen mit bedingungslosen Befürwortern des Lockdowns feststellen können. Der Schutz der einschlägig bekannten Risikogruppen ist diesen Leuten heilig und das sei ihnen nach meinem Dafürhalten auch unbenommen. Etwaige Gegenargumente wie wirtschaftliche Schäden, drohende Arbeitslosigkeit oder eben die Unwirksamkeit dank zunehmender Ignoranz in der Bevölkerung werden unter Hinweis auf eine mögliche zweite Welle oder die niedrige Anzahl an Toten in Deutschland (oder hohe in den USA) abgewehrt.
Im Übrigen habe ich derartige Argumente fast ausschließlich von Leuten gehört, die in ihr persönliches Home Office geschickt wurden. Ob sie da viel arbeiten konnten oder nicht, spielte keine Rolle. Keiner hatte sich über das „Arbeiten“ auf der eigenen Couch beschwert. Kurzarbeiter standen immer dann (und solange) hinter den Beschränkungen, wie ihr Arbeitgeber das Kurzarbeitergeld auf 100% aufgestockt hatte.
Reiner Eigennutz ergo. Ich selbst musste anfangs einmal die Woche zum Notdienst nach Salzgitter eiern. Mit der Bahn natürlich. Ab ca. Mitte April fuhr ich dann jeden zweiten Tag zum Notdienst. Da ließ meine Begeisterung über die Beschränkungen schon etwas nach. Und seit ich ab 25. Mai wieder jeden Tag normal einstempeln muss, sehe ich die noch bestehenden Beschränkungen zunehmend kritischer.
Wie Marx bereits sagte: „Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. “ Ich selbst bin da so egoistisch wie meine Mitmenschen auch.
Egal ob es der lächerliche Spuckschutz in meinem Büro ist oder die widersprüchlichen Vorgaben. Als ich die Vorteile in Form von „bezahltem Urlaub“ genießen durfte, habe ich die Widersprüche geflissentlich übersehen. Ebenso die mürrischen Blicke der Angestellten im Supermarkt. Erst jetzt, wo ich wieder „normal“ zur Arbeit muss, dürfen sauertöpfische Verkäuferinnen mit meinem Verständnis rechnen.
Zur Ehrenrettung einiger Freunde und Kollegen, welche teilweise immer noch im Home Office ihre Fußnägel schneiden, sei aber gesagt, dass auch diese mehr und mehr ein Ende der Einschränkungen herbeisehnen. Zu viele Urlaubspläne mussten aufgegeben werden. Restaurantbesuche werden eingeschränkt, weil die Masken beim Gang aufs Klo nerven. Kneipe? Ich kenne keinen, der seit Wiedereröffnung in einer Kneipe (wir reden hier nicht von Biergärten) gesoffen hat.
Ich denke, dass die Situation unserer Regierung so nach und nach entglitten ist. Eventuelle Fehler in der Beurteilungen wurden nicht zugegeben, dass trifft sowohl auf Frau Merkel als auch auf Herrn Spahn zu. Erst waren Masken überflüssig und wurden nach China verkauft, dann wurden Mund- und Nasenbedeckungen vorgeschrieben.
Die Grenzen zu den Nachbarländern wurden meiner Ansicht nach zu spät zugemacht. Wobei… Kontrollen bei Einreise hätten auch ausgereicht. Und als Chinesen, Venezuela und Russen Ärzte und Hilfsmaterial nach Italien geschickt hatten, weil die eigenen Freunde aus der EU Hilfen zunächst verweigert hatten, da wurden den helfenden Ländern niedere Absichten unterstellt.
Sorry, Leute. Aber ich wurde christlich erzogen und ein derart schäbiges Verhalten wurde in meinem Elternhaus nicht gutgeheißen. Diese ganzen Ungereimtheiten und Fehler werden wohl bald vergessen sein. Mit einer Aufarbeitung von Fehlern zur Vermeidung derselben bei zukünftigen Pandemien dürfen wir eher nicht rechnen.
Dass bei diesem Durcheinander ausgerechnet der einzige Ministerpräsident der Linken, Bodo Ramelow in Thüringen, den Spuk beendet und dafür sorgt, dass die Beschränkungen erheblich schneller eingestellt wurden, als Frau Merkel dies eigentlich vorhatte, freut mich natürlich.
Dass es dafür auch noch Beifall aus eher konservativen Kreisen, auch in meinem persönlichen Umfeld, gab, ist ebenfalls als gutes Zeichen zu werten. Ich hege die Hoffnung, dass sich unser aller Leben weiter normalisieren wird und meine Befürchtungen, dass hier auf kaltem Wege und vor allem auf Dauer wichtige Grundrechte eingeschränkt wurden, ins Reich unbegründeter Verschwörungstheorien verschieben lassen.