Mittwoch, 8. Juli 2020

H. Lecter: Alf

17
Im Jahr 2002 fuhr ich dann zum letzten Mal in dieser Reisegruppe mit – es ging wieder nach Gran Canaria. Nach den Erfahrungen aus dem Jahr zuvor hatte ich mir ausgebeten, das Zimmer nicht mit Alf teilen zu müssen. Jetzt sollte mal jemand anders leiden.
2002 – ebenfalls das Jahr, in dem ich meine Löwin kennengelernt hatte. Und dann musste auch noch Moritz kurzfristig absagen, weil er sich eine schwerwiegende Erkältung zugezogen hatte. Da er die Reise schon bezahlt hatte und wir leider über keine Reiserücktrittskostenversicherung verfügten, war der Platz noch frei.
Moritz sein Geld, er bestimmte den Ersatzmann. In diesem Fall dann doch seine Freundin, die anstatt seiner mitkam. Eigentlich war das Mädel sehr nett, schien jedoch stark erkältet zu sein. Aber zum Rückflug konnte sie sich nicht durchringen, auch fehlte ihr das Geld. Ich war noch so freundlich, ihr den Koffer ins Hotel zu tragen.
Und damit kam ich zu spät an die Rezeption, da hatten meine Mitreisenden die Zimmer schon aufgeteilt. Die Ärsche! Buck würde mit Klaus-Ewald nächtigen, während Max und Alf das zweite Zimmer belegen würden. Und das dritte Zimmer… dann für mich und die kranke Freundin von Moritz.
Meine dringenden Appelle, die Aufteilung zu ändern, weil ich ja gerade mit meiner Löwin frisch liiert war, blieben unerhört. Stattdessen kam der wohlgemeinte Rat: „Du brauchst es ihr doch nicht zu erzählen.“ So ein Rumeiern war für mich natürlich keine Option; gleich beim ersten Telefonat hatte ich meiner Löwin die Situation geschildert.
Was hätte ich da machen sollen? Max bot mir sogar an, mit ihm zu tauschen und dafür erneut mit Alf auf ein Zimmer zu gehen. Dass ich dies trotz möglicher Schwierigkeiten mit meiner Löwin abgelehnt hatte, lässt erkennen, wie schlimm die Nächte mit Alf im Urlaub zuvor gewesen sein mussten.
Am ersten Tag zogen wir dann gleich wie üblich los, um vor einer Bar in der Sonne die ersten Drinks zu genießen. Wie üblich beschäftigte sich Alf mit einem Sangria, Bier trank dort keiner. Die Freundin von Moritz kam hier nicht mit, da es ihr nicht gut ging. Die schwere Erkältung fesselte sie ans Zimmer.
Wie ich später feststellen musste, hatte sie sich wohl eher eine Grippe eingehandelt. Schüttelfrost, Migräneanfälle und eine starke Lichtempfindlichkeit legten diesen Schluss nahe. Ich riet ihr, einen Flieger zu buchen und nach Deutschland sofort zurückzukehren. Neeeeein, das wird schon. Und ansteckend wäre es auf keinen Fall!
Ich kürze es mal ab: Nach einer unruhigen Nacht rief sie am nächsten Morgen Moritz an, der ihr Geld für den Rückflug per Postanweisung schickte. Und so schnell wie sie in unser Leben am Vortag getreten war, so schnell war sie gleich wieder weg. Zum Dank konnte ich mich den Rest des Urlaubs mit einer fiesen Erkältung abplagen.
Viel mehr gibt es von diesem Urlaub eigentlich nicht zu berichten. Hauptsächlich bei mir war irgendwie die Luft raus. Die Hitze war eh nicht meins und ewig Wodka Lemon… Ich konnte es schon nicht mehr sehen. Und nicht nur die Freundin von Moritz war in diesem Urlaub absent, sondern auch Alf.
Nach dem ersten Abend ward er nicht mehr gesehen. Nicht einmal zum Frühstück durften wir ihn erblicken, laut Max hatte er wohl mit Kreislaufproblemen zu kämpfen. Zum Glück fand er einen Arzt, der ihm entsprechende Tabletten verschrieben hatte. Sein letzter Auftritt fand an der Hotelbar statt. Soweit ich mich heute daran erinnern kann, kam er wenigstens allein auf sein Zimmer, bei ihm ist das schon erwähnenswert.
Wir anderen spulten unser gewohntes Programm ab. Soffen uns zu – bis auf Klaus-Ewald natürlich - und gingen von einer Bar zur nächsten Theke. Die Euphorie war uns aber mit den Jahren abhanden gekommen. Irgendwie war die Luft aus dem Team raus. Eventuell hätte Alf mit all seinen Eskapaden dem Ganzen nochmals Leben einhauchen können, aber ich denke eher, dass sich unsere Touren totgelaufen hatten.
So stand dann nach einer Woche die Rückreise an. Hier erlebte Max ein großes Hallo, weil das Hotel gerne noch den Room Service von Alf bezahlt bekommen hätte. Es waren über 300,-€, die Alf da auf dem Deckel hatte.
Wie sich nun herausstellte, hatte er sich die ganze Zeit den Sangria (und einige Wodka Lemon) aufs Zimmer kommen lassen, als wir anderen unterwegs waren. Max hatte er davon nichts erzählt, die leeren Karaffen Sangria hatte er wohl wieder abholen lassen. Da musste Max den Deckel von Alf an der Rezeption übernehmen, weil Alf diese Summe nicht mehr hatte. Woraus man schließen könnte, dass er zunächst an der Hotelbar gesessen oder aber die ersten Lieferungen bar gezahlt hatte.
Max hat sein Geld später in Deutschland bekommen, gar keine Frage. Doch so eine Nummer war wirklich sehr schräg. Alleine und heimlich im Hotelzimmer saufen – das war schon ein übler Abstieg.
Als wir dann in der Schlange zum Einchecken am Flughafen vor dem Rückflug standen, konnte er noch nicht einmal mehr seinen Koffer tragen. Mit hochrotem Kopf und wie in der Sauna transpirierend, hatten wir echt Angst um ihn. Wir wollten ihn überreden, dass er zum Arzt geht, aber keine Chance. Heute weiß ich, dass dies die ersten Anzeichen für eine Diabetes sind. Meine Güte, er hätte dabei hops gehen können.
Inbrünstig hoffte ich am Flughafen, dass die Fluggesellschaft ihn nicht mitnimmt. Er sah nun wirklich todkrank aus. Mit Ach und Krach konnte er sich auf den Beinen halten, doch die Spanier ließen ihn kommentarlos das Flugzeug betreten. Entweder waren die (noch) schlimmeres gewöhnt oder die wollten ihn einfach nur loswerden.
So endete mein letzter Törn mit dieser Reisegruppe mit einem schalen Beigeschmack. Heute vermisse ich diese Touren – zumindest die guten, also die ersten. Doch 2002 war mir das zu viel. Mit meiner Löwin wollte ich auch etwas unternehmen und die BiRe konnte ich einfach nicht aufgeben, denn das war schon immer ein noch intensiveres Trinken.

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