Mittwoch, 30. August 2023

Hartmudo: Superwumms

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Ich hielt mich jedoch mit einer Gegenrede zurück, weil ich meiner Rheumatologin schon abnehme, dass sie wirklich an die Nützlichkeit einer Corona-Impfung glaubt. Negativ ausgedrückt: Gläubige kann man nicht überzeugen, man muss sie ignorieren. Und das tat ich dann auch, indem ich einfach die Fresse hielt.
Nach dem üblichen weiteren Procedere, also vier Kanülen Blut abnehmen lassen und hinterher die Spritzen fürs nächste Quartal aus der Apotheke nebenan holen, fuhr ich ohne weitere Umwege schnurstracks nach Hause, um meiner Löwin bei den letzten Vorbereitungen zum anstehenden Geburtstagsessen zur Hand zu gehen.
Kurz nach 13.00 Uhr tauchten Dora und Herbert bei uns auf. Meine Löwin kredenzte ein sehr leckeres Dorschfilet; dazu gab es Süßkartoffelstampf. Letztere kannte Herbert noch nicht, da Dora sich bislang geweigert hatte, Süßkartoffeln auszuprobieren.
Sie selbst war nach diesem Essen auch von der Schmackhaftigkeit dieser alternativen Sättigungs- bzw. Kohlenhydrat-Beilage überzeugt, so dass Herbert auf diese Köstlichkeit zukünftig nicht verzichten muss.
Nach dem Essen holte meine Löwin die Solokarten raus. An diesem Nachmittag spielten wir die eine oder andere Runde; erfreulicherweise füllten wir damit unsere Spielkasse weiter auf. Für mich hatte das einen mehr als schönen Nachmittag zur Folge. Wenigstens kurzzeitig verschwanden die düsteren Gedanken aus meinem Hirn.
Ein bisschen Lachen während kurzweiliger Gespräche und die Konzentration auf dieses zwar einfache, aber dennoch herausfordernde Spiel, reichte denn schon aus, um mein seelisches Gleichgewicht an diesem Tag wiederherzustellen.
Bis der Abend dämmerte und Dora und Herbert in Richtung Heimat aufbrachen. Nach viel zu kurzer Zeit drehte mein Kreislauf wieder hoch und die allgegenwärtige Angst drohte mich zu überwältigen.
Dieses ständige Wechselbad meiner Stimmungen zerrte gewaltig an meinen Nerven; lediglich der Termin beim Psychologen am 13. Februar hielt mein Fünkchen Hoffnung am Leben. Zum Einschlafen zog ich mich wie gewohnt zum Fernseher zurück.
Archer lief immer häufiger quasi nur noch im Hintergrund, lieber konzentrierte ich mich aufs Spielen am Tablet. Das beruhigte mich irgendwie besser, bis ich mich mit einem Buch hinlegte und danach das Licht löschte.
Mittwoch, 01. Februar. An diesem Morgen kam die Gipsschiene endgültig ab. In der Vorwoche hatte der Orthopäde lediglich den Heilungsfortschritt kontrolliert und für gut befunden. Danach machte er die Schiene wieder fest - um sie diesen Mittwoch auf Dauer zu entfernen.
Allerdings schärfte er mir ein, den Gips wieder anzulegen, falls mir mein Handgelenk Schmerzen bereiten sollte. Also wenn ich es überlasten würde. Auf jeden Fall sollte ich mir nachts den Gips anlegen, weil ich dann im Schlaf durch eine unbedachte Bewegung....
Ich mache es kurz: Irgendwann am folgenden Wochenende hatte ich mich dazu durchgerungen, den Gipsverband nachts nicht mehr anzuschnallen. Tagsüber hatte ich es noch nicht mal überlegt, das hätte eh keinen Sinn gemacht. Natürlich schonte ich das rechte Handgelenk; eine Entzündung aufgrund des Schreibens mit einem Stift hätte ich nicht riskiert.
Jedenfalls verließ ich den Orthopäden anschließend mit besserer Laune, als ich sie noch am Abend zuvor verspürt hatte. War ja auch hell draußen; und in Bewegung ging es mir sowieso erheblich besser.
Mein HNO hatte mir empfohlen, ausgiebig spazieren zu gehen. Morgens eine Stunde und nachmittags eine Stunde, so seine Empfehlung. Dem war ich gerne nachgekommen, bloß weiß ich nicht mehr, ab wann.
Denn jetzt, wo ich dies schreibe, ist bereits mehr als ein halbes Jahr ins Land gegangen. Einige Termine kann ich zwar noch aus meinem Google Kalender heraus rekonstruieren, aber eben nicht alle. Auf meine Spaziergänge möchte ich ein wenig später näher eingehen, weil es da von der Sache her eher hineinpasst.
Der Gips war ab - normalerweise hätte ich vor Freude Purzelbäume schlagen müssen, oder nicht? Von der gebrochenen Nase merkte ich gar nichts mehr, ich konnte sogar frei atmen und auch schnauben. Rationell betrachtet hatte ich keine Veranlassung mehr, mich zu ängstigen oder sonstwie in Depressionen zu verfallen.
Doch pünktlich zur Dämmerung holten mich die Angstzustände wieder ein. Das dazugehörige Kopfkino blieb mir ebenfalls nicht erspart.
Die meisten Menschen, die ich kenne, konnten es tatsächlich nicht verstehen, warum es mir so schlecht ging. Einige hatten ebenfalls schon Unfälle mit Knochenbrüchen überstehen müssen , ohne dass es ihnen mental schlecht ging.
Die meisten meiner Freunde und Verwandten baten um eine Beschreibung, auf welche Weise sich meine Beklemmungen bemerkbar machen würden. Außer, dass mein Puls dazu neigte, urplötzlich mit dem Rasen anzufangen, fiel mir auf diese Fragen nicht viel ein.
Dass dies insbesondere beim üblichen nächtlichen Wachwerden, wenn ich mich umdrehte und den Schlauch mitführen musste, störte und mich mit großer Angst vor zu wenig Schlaf über eine Stunde lang durchs Zimmer laufen ließ, ich danach kämpfen musste, um beim Einschlafen nicht an die Schlafstörungen zu denken, konnte ich zumeist nicht mehr übermitteln.
Bloß weil ich so genervt war, dass mein jeweiliges Gegenüber mich nicht verstanden hatte, fing ich an rumzublaffen. Dies war natürlich die absolut falsche Reaktion, doch ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt.
Wenigstens fiel es mir relativ schnell selber auf und ich mäßigte meinen Ton. Meistens jedenfalls. Zumindest hatte mir niemand die Freundschaft gekündigt. Auf der anderen Seite durfte ich erstaunt feststellen, dass der Eine oder die Andere selber schon vergleichbare Malaissen erlebt hatte.
Gerade auch mit Psychopharmaka - was mir noch bevorstand. Mehr dazu später. Diesen Leuten brauchte ich nicht viel zu erklären; die verstanden mich sofort. Diese unerquickliche Phase in meinem Leben war somit noch nicht abgeschlossen.
Die Psychokacke fing jetzt gerade erst richtig an. Archer streamen, Schlaftablette und Baldrian. Im Bett noch etwas lesen, dann Licht aus und wegdämmern.

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