Donnerstag, 8. August 2019

H. Lecter: Alf


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Der Besuch des „Hofbrauhaus Latino“ bei unserem ersten Aufenthalt auf Malle war wirklich unvergesslich. Während unserer Urlaubswoche besuchten wir den Laden noch öfter, nicht zuletzt wegen der hübschen Kellnerin, doch so breit wie beim ersten Mal bekamen wir es nicht mehr hin. Wie das halt so ist mit Wiederholungen.
Ich kann mich aber noch an eine erwähnenswerte Begebenheit im Hofbrauhaus Latino anlässlich unseres letzten Aufenthaltes in El Arenal erinnern. Diese Reise dauerte schon keine Woche mehr. Buck war da in unserem Kreis bereits längere Zeit wohlgelitten integriert worden, aber der Elan war bereits verpufft. Vor allem Klaus-Ewald und ich hatten keine Lust mehr auf Malle und vehement darauf gedrungen, nur noch ein paar Tage zu fahren.
Es war das Jahr, in dem ich mich von der Gruppe tagsüber etwas abgesondert hatte, weil ich Pan und seine Familie besucht hatte. Pan arbeitete in dem Jahr als Koch in einem Restaurant eines Schweden und wohnte in Arenal um die Ecke; ich musste vom Hotel aus gar nicht mal so weit zu ihm laufen. Die Erlebnisse mit den Schweden erzähle ich aber lieber an anderer Stelle.
Zu den Kollegas: Da kam eigentlich nur noch Stimmung bei entsprechender Promillestärke auf. Am frühen Abend waren Buck und ich in der Happy Hour stets gut drauf, während Alf seine überschwängliche Phase beendet hatte. Er lachte zwar immer noch viel, hatte auch nichts von seiner Sprintstärke verloren, doch das Gebaren einer Rampensau hatte er abgelegt. Kein lautes Mitsingen mehr in den Bars, kein „Mach mit!“ mehr zu wildfremden Menschen.
Stattdessen kam urplötzlich dieser gläserne Blick ins Nirvana mit beschlagener Brille. Wie er dann so grenzdebil in die Gegend stierte und kurz vor dem Koma stand, war schon beängstigend. Und kurz vor diesem Zustand rauschten wir ausgerechnet ins Hofbrauhaus Latino ein. Der Laden war mittlerweile wohl nicht mehr so stark frequentiert und mit der Band hatte es sich wohl auch erledigt. Diese Bar gehörte für uns bei unserer letzten Malle Fahrt eigentlich nur zu einer leidigen Pflichtübung.
Die hübsche Kellnerin arbeitete schon längst nicht mehr dort. Müde setzten wir uns an den Tresen und bestellten eine weitere Runde Wodka Lemon. Statt lauter Ballermann Hits liefen langweilige Schlager im Hintergrund; eine gute Stimmung wollte so nicht aufkommen. Stattdessen kam, was kommen musste: Alf wurde der Kopf schwer und sank auf seine gefalteten Hände. Sanft fielen ihm die Äuglein zu. Alf hatte die Kommunikation eingestellt.
„Ey, Du! Hier nichts schlafen, Du!“ Der einheimische Kellner war sichtlich erbost und war kurz davor, stringente Maßnahmen zu ergreifen. Doch ehe er weiter nerven konnte, hatten wir reagiert und Alf mit einem zärtlichen Klopfer auf den Rücken wach bekommen. Wir versuchten ihm zu erklären, dass die Zeit der Ruhe noch nicht angebrochen war, doch anscheinend konnte er uns gar nicht verstehen. Wir verstanden sein sinnfreies Gebrabbel aber auch nicht, weil er offenbar seine Muttersprache verloren hatte.
Nun fiel mir die ehrenvolle Aufgabe zu, meinen Mitbewohner (wie immer teilte ich mit Alf das Hotelzimmer) ins Nest zu bringen. Der Kellner zeigte sich über die anstehende Entsorgung eines Schläfers begeistert und rief uns ein Taxi, denn Alf konnte nicht mehr zu Fuß ins Hotel, welches maximal einen Kilometer entfernt war, laufen. Und da er allein nicht ins Hotel gekommen wäre, weil er sich nicht mehr verständlich machen konnte, musste ich wohl oder über mitfahren.
Vor unserem Hotel angekommen, drehte ich den nunmehr fitteren Alf in Richtung des Hoteleingangs und schob ihn an, damit er ins Zimmer gehen könnte. Sofort stieg ich ins Taxi zurück, registrierte noch, dass Alf sich langsam in Bewegung setzte und war zufrieden. Alf war also versorgt.
Doch weit gefehlt. Wie wir hinterher erfahren mussten, wurde Alf beim Betreten des Hotels von der hauseigenen Security gehindert. Das die überhaupt eine Security hatten, ist uns entgangen. Das deutsche Jungvolk verhält sich bekanntlich auf Malle wie die alten Vandalen; Gröhlend rennen sie durch die Gassen und belästigen die Einheimischen. Und genau das wollten die Spanier nicht mehr.
Nun war Alf beileibe kein Jungspund mehr, wurde aber wohl wegen seines Breitheitsgrades abgewiesen, so dass ein Wort das Andere gab, bis schließlich die Fäuste flogen. In das Gesicht von Alf. Da lag er dann auf der Straße, die Brille war zerdeppert. Wie ein Maikäfer auf dem Rücken – selbst jetzt kann ich mir das bildlich vorstellen, obwohl ich nicht dabei war.
Ob Alf sich dann in die nächste Bar begeben hatte oder doch noch das Hotel betreten konnte, weiß ich nicht mehr. Ich war da schon längst wieder bei den Anderen im Latino und nippte an dem nächsten Wodka Lemon. Wir zogen weiter durch die Bars und irgendwie werden wohl auch wir an jenem Abend ins Hotel gekommen sein.

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