Montag, 23. August 2021

Hartmudo: Mutter

73 Anhang 2 - Nachtrag 2021
Leicht und locker plauderte sie mit Oskar und Miriam, scherzte dazu noch mit deren Sohn Knut, welcher freudestrahlend seine Ninjago Sammelkarten präsentierte. Souverän halfen meine Löwin und sie mir beim Umgang mit dieser unangenehmen Spannungslage, während ich wie das Kaninchen vor der Schlange saß und stellenweise richtig gelähmt war.
Schließlich wurde in etwas entspannterer Atmosphäre der Tisch gedeckt. Reiner schmollte nicht mehr, er verhielt sich angenehm ruhig und bedankte sich sogar, als ich ihm den Senf reichte.
Oskar nannte es bayrische Burger, für mich sind das aber immer noch Leberkässemmeln. Ein aufgeschnittenes Weißmehlbrötchen, dazwischen eine dicke Scheibe frisch gebackener Leberkäse mit Händlmaier. Wie bei Eberhofer halt.
Sunny bekam ihre Semmel nach nebenan gebracht, so musste sie die Küche nicht betreten und konnte die angespannte Situation besser durchhalten. Das von Oskar gleich am Anfang angebotene Bier hatte ich abgelehnt. Ich wollte nüchtern bleiben und später am Nachmittag selbst zurückfahren.
Sicherlich hätte ich die Beerdigung von Tante Marga besoffen oder zumindest angesäuselt besser durchstehen können, aber das wäre lediglich eine Flucht gewesen. Und eigentlich wollte ich diesen Tag um jeden Preis cool und locker verbringen, denn schließlich habe ich es beruflich schon mit schwierigen Menschen zu tun. Irgendwann muss diese leidige Sache mit dem Geschwisterstreit mal abgeschlossen sein.
Außerordentlich positiv bei diesem Intermezzo vor der eigentlichen Beerdigung erwies sich die Anwesenheit der Eltern von Miriam, die vom Schliersee angereist waren. Der lockere Smalltalk mit den beiden befeuerte mich zusätzlich, sodass ich meine Verkrampfung auflösen konnte.
Ein weißes Hemd und den schwarzen Schlips hatte ich übrigens schon beim Bäcker auf der Toilette angezogen, denn auf der Fahrt wären diese Accessoires hinderlich gewesen. Die Trauergesellschaft geht normalerweise zu Fuß zum Gottesdienst, das heißt: Durch das Dorf und den Hügel zur Kirche mit dem Friedhof hinauf. Für Bertas schwaches Herz wäre dies nichts gewesen, so dass wir drei mit der Tradition brachen und mit dem Auto dorthin fuhren.
Gern überließen wir Sunny das Feld, die mit Oskar und seiner Familie zu Fuß aufbrach. Miriams Eltern folgten uns mit ihrem Auto, vor der Kirche sprach ich noch kurz mit Margas Schwester, die schon seit Urzeiten im Haus neben ihrer Schwester gewohnt hatte. Ihre Tochter und sie kannte ich noch aus der Kindheit, hatte sie aber seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr gesprochen.
Zum Geläut gingen wir alle in die Kirche und suchten uns Sitzplätze. Innen war alles coronagerecht ausgestattet, selbst an den Plätzen durften wir die Masken nicht abnehmen. Stört zwar beim Singen, aber die Coronavorschriften nehmen bekanntlich keine Rücksicht auf Traditionen, selbst bei religiösen Feiern.
Hinterher wurde die Urne von Marga draußen neben die ihres Mannes eingesetzt, dort traten die Trauernden noch einmal vor das Grab, um der Toten mit gefalteten Händen zu gedenken und eine Schaufel Erde hinein zu schütten.
Oskar bat dann den Pastor und seine Orgelspielerin zum anschließenden Beisammensein im nahe gelegenen Gasthof hinzu. Es ist wohl unnötig zu erwähnen, dass Sunny dort an einem anderen Tisch saß. Zu Zuckerkuchen und Wurstbrötchen unterhielt sie sich angeregt mit Dieter, unserem Cousin aus Plößberg. Ein weiterer Verwandter also, den ich schon sehr lange nicht mehr gesprochen hatte.
Und während sich Sunny und Reiner bereits bestens unterhielten, saßen meine Löwin, Berta und ich alleine an einem großen Tisch. Aber erfreulicherweise setzte sich Oskar, der ja als Sohn der Verstorbenen quasi Gastgeber war, alsbald auf seiner Runde durch die bunte Gästeschar zu uns.
Und überhaupt fühlten wir uns bemüßigt, Oskar für sein Engagement und die Souveränität seines Auftritts während der gesamten Trauerveranstaltung ein großes Lob zu zollen. Dies war vor allem Berta und mir wichtig, da wir Oskar ja bereits als Kind bzw. jungen Erwachsenen kannten.
Ich muss an dieser Stelle gestehen, dass wir alle, inklusive Sunny, Oskar vor 30 Jahren dies nicht zugetraut hätten. Außerdem glaube ich, dass wir uns alle einig sind, dass Miriam ihn noch ein großes Stück weiter gebracht hat. Es ist halt immer wieder schön zu beobachten, dass Menschen sich auch positiv entwickeln können.
Apropos Sunny: Sie war aus dem Arbeitsspeicher meines Hirns spätestens in dem Moment verschwunden, als sich der Cousin aus Plößberg zu uns gesellte. Berta konnte sich noch genau erinnern, dass er Krippenfiguren geschnitzt hatte. Mir war das nicht mehr geläufig, aber sie fragte ihn danach.
Er erzählte etwas von einer alten Dame, um die er sich als Betreuer gekümmert hatte und die ihm nicht nur ihre Krippenfiguren, sondern auch ihr Haus vermacht hatte. Dies sollte eigentlich so nicht möglich sein, aber er hat wohl beste Kontakte zu Amtsgericht und Kreisverwaltung.
Weiter möchte ich dies hier nicht vertiefen, ich habe sowieso Schwierigkeiten gehabt, ihn akustisch zu verstehen. Seine fränkische Mundart ist noch stärker ausgeprägt als bei Oskar gewesen. Dennoch hatte ich mich gefreut, auch ihn wiederzusehen und etwas mit ihm zu plaudern.

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