Sonntag, 1. August 2021

Udorallala: Top Songs 14/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Abwärts - Computerstaat
Wir schreiben das Jahr 1980. Deutschland kurz vor Ende der sozialliberalen Koalition. In Hamburg, neben Düsseldorf eine weitere Hochburg des deutschen Frühpunks, schreit Frank Z. mit Abwärts die herrlichen Phrasen ins Mikro, die gerade heute (Covid-19 Pandemie, Russland und China Bashing) wieder aktuell sind.
„Montag klopft es an der Tür
Und Arafat steht neben dir
Dienstag gibt es Probealarm
Paranoia in der Straßenbahn
Mittwoch ist der Krieg sehr kalt
Breschnew lauert in der Badeanstalt
Donnerstag, du weißt es schon
Tausend Agenten in der Kanalisation
Freitag gehört der Mafia
Das Ravioli kommt aus Florida
Samstag Abend Irrenanstalt
Der KGB im deutschen Wald
Sonntag, da ist alles tot
Im Golf von Mallorca der Weltkrieg droht
Stalingrad, Stalingrad
Deutschland Katastrophenstaat
Wir leben im Computerstaat“
Diese Zeilen hatten mich seinerzeit durch die Ausbildung begleitet. An der (damals noch) Fachhochschule schrieb ich den Text während eines langweiligen Vortrags des Dozenten im Staatsrecht wie ein Mantra in meine Kladde. Das dieser Text knapp 40 Jahre später so schwer aktuell werden würde, hätte ich seinerzeit nicht gedacht.
Ist aber auch ein mächtiger Song. Der Einstieg mit dem Drumwirbel, danach der schnell gespielte Basslauf. Die Gitarre von Frank Z. steigt mit Rückkopplungen ein, anschließend hackt der Gitarrist den Rhythmus rein, um danach einen passenden Lick zu servieren. Erst sehr spät beginnt Frank Z. mit seinem Gesang. Der Text wiederum ist brutal kurz, dadurch aber leicht zu merken.

 

Nach heutigem Verständnis würde man Frank Z. als Wutbürger charakterisieren. Er schreit die Worte anklagend ins Mikro; der Text besteht aus Parolen, die die Punks seinerzeit wie eine Fahne vor sich hertrugen. Du kanntest den Text, Du wusstest Bescheid. Was so läuft, politisch gesehen. Die andere Seite der Friedensbewegung halt. Kein Birkenstock, sondern Hass auf Skins und die Staatsmacht.
Rockmusik mit deutschen Texten - nicht Lindenberg, Westernhagen oder Achim Reichel haben deutschsprachige Musik von den anglo-amerikanischen „Originalen“ emanzipiert, sondern Frank Z. und Abwärts mit diesem aggressiven Song. Die Erstgenannten waren auch prägend, keine Frage, aber wirklicher „Riot“ war 1979 Abwärts.
Auf der 1980 beim legendären ZickZack Label veröffentlichten EP befanden sich 5 Songs, u.a. ein Cover von „Moon of Alabama“.Innerhalb eines Jahren wurden 22.000 Exemplare verkauft, was für die damalige kleine Szene des deutschsprachigen Punk sensationell war. Udorallala war einer dieser 22.000, worauf ich heute noch stolz bin.
Und was war seinerzeit in den Hitparaden in Deutschland vorn? Die EP wurde im Februar 1980 aufgenommen; das genaue Veröffentlichungsdatum ist mir nicht bekannt. Sei es drum, nehmen wir die deutsche Hitparade im April 1980. Laut musikhimmel.de war da die Goombay Dance Band mit „Sun of Jamaica“ (würg!) auf Platz 1.
Bester deutscher Song auf der 12 war „Wie frei willst Du sein?“ von Howie. Meine Antwort: So wie Abwärts! Der Nippel von Mike Krüger auf 19, knapp vor „Touch too much“ von Atze Datze. „Computerstaat“ fehlt hier, keine Frage.
Auch in der „Szene“ erhielten Abwärts fortan nicht die verdiente Aufmerksamkeit; eine (nicht bestehende) Nähe zu rechten Kreisen wurde vermutet. Dieser Stempel reichte, um Abwärts ins Abseits zu schieben. Trotz weiterer guter Songs (2. LP, geil!) wird Abwärts nicht der verdiente Dank aus Kritikerkreisen gewährt.
„Sonn-tag-da-ist-al-les-tot“. Unerrreicht.

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