Sonntag, 22. August 2021

Hartmudo Dienstjubiläum 1/2

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Super, jetzt ist es mal wieder passiert! Der Zug nach Braunschweig ist wieder mal ausgefallen, diesmal waren sie ehrlich: Kurzfristiger Personalausfall, so die Begründung. Heute ist Donnerstag, der 19. August 2021. Und heute ist - nein war - mein 30jähriges Dienstjubiläum bei der Stadt Salzgitter.
Rein rechtlich habe ich natürlich mehr Dienstjahre, aber heute zählt nur eins: Seit 30 Jahren arbeite ich nun im blauen Bock mit einer kleinen Unterbrechung von ca eineinhalb Jahren, in denen ich in Salzgitter-Bad gebettet war. Da wird man natürlich etwas rührselig, und der ausgefallene Zug passt auch hervorragend zu dieser Story.
Ich könnte mich in den Popo beißen, da ich eben schon in dem Bus nach Braunschweig saß. Den nehme ich immer nur für eine Station: Vom Rathaus bis zum Bahnhof. Wenn ich es mir mal angewöhnen könnte, die scheiß App zu benutzen, dann hätte ich mir diese Wartezeit ersparen können. Sei es drum. So kann ich euch ein wenig über die 30 Jahre erzählen.
1991 war ich ziemlich fertig. Ohne weitere soziale Absicherung hing ich bei City Car ab und fuhr meine Schichten ohne Aussicht, dass sich daran etwas ändern könnte. Es waren Freunde wie Uli und Jenny, die mich aus meiner Lethargie rissen und mich ermunterten, mir einen festen Job zu suchen. Oder Unternehmer zu werden, aber das wollte ich nicht.
Waitin' for the Train
Jetzt regnet es auch noch, ganz große Klasse! Wo war ich noch mal? Ach ja, 1991. Vor 30 Jahren. Ich bewarb mich also bei verschiedenen Behörden und wurde letztendlich bei der Stadt Salzgitter fündig. Dank meiner Vorgeschichte beim Braunschweiger Sozialhilfeverein ergatterte ich einen Job als Sachbearbeiter im Sozialamt, dies entsprach meiner Ausbildung.
Dank der Grenzöffnung waren seinerzeit sehr viele Mitarbeiter der Stadtverwaltung in den wilden Osten gewechselt, um Karriere zu machen. Für die ständig frei werdenden Jobs als Sachbearbeiter im Sozialamt gab es nie großartige Nachfragen, der Job war nicht gerade beliebt. Dies sollte ich in den nächsten Jahren am eigenen Leib erfahren.
Anders als heute bestand meine Einarbeitung seinerzeit lediglich aus der Vorstellung meiner Vorgängerin, die den letzten Tag da war. Kleiner Witz am Rande: Heute, 30 Jahre später, sitze ich in haargenau demselben Büro, in das ich damals von meinem Sachgebietsleiter hinein geführt wurde. "Pelzige Seegurke" war der Spitzname der Kollegin, mit der ich ein paar Jahre später auch mal nach Teneriffa geflogen war.
Detzer, der alte Schwerenöter, hatte ihr diesen Spitznamen verpasst. Aus meinen ersten Jahren bei der Stadt Salzgitter stammen auch meine beiden Spitznamen: Hartmudo und Udorallala. Vorher hatte ich nie Spitznamen, heute trage ich beide mit Stolz.
Apropos Detzer: In ihm und Alf fand ich sehr früh vertrauensvolle Ansprechpartner, auf alle Fälle trinkfest. Über beide wie auch andere nette Kollegen habe ich bereits an anderer Stelle mehrfach geschrieben, dass lasse ich jetzt mal aus. Anfangs war ich sehr gestresst und fuhr immer mit 80 km/h über die Autobahn nach Salzgitter, weil ich hier überfordert war. Ohne großartig eingearbeitet zu sein, musste ich schwierige Fälle entscheiden. Jeden Tag wurde mir ein anderer Ansprechpartner zugeteilt, eine geordnete Einarbeitung, wie sie heute üblich ist, konnte so nicht erfolgen.
Aber so nach und nach biss ich mich durch und wurde über die Jahre auch von den Kollegen akzeptiert. Mich mit Leuten herumzustreiten, ja andere Menschen überhaupt anzuschreien, das war mir zuvor nie notwendig erschienen. Ich konnte das vorher gar nicht, ich war immer ein ruhiger Typ. Für die Frauen zu ruhig, er schüchtern.
Dies hatte ich abändern müssen, andernfalls wäre ich untergegangen. Wenn du niemals in diesem Job gearbeitet hast, wirst du das eben Gesagte nicht verstehen können. Im Laufe der Jahre stumpfte ich zunehmend ab.
Als ich in meinem zweiten oder dritten Jahr in die Asylsachbearbeitung wechselte, war ich wahrscheinlich auf dem Höhepunkt meiner Leistungsfähigkeit und Akzeptanz bei meinen Vorgesetzten. Obwohl es da sehr stressig war, hatte ich bei dieser Tätigkeit meine schönsten drei bis vier Jahre im Sozialamt.
Sei es die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes oder die Betreuung der Bürgerkriegsflüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien, die Arbeit war anspruchsvoll und ich hatte die Chance, viel zu gestalten.
Als mir vom damaligen Amtsleiter die Federführung bei der Verwaltung der Unterkünfte angeboten wurde, lehnte ich ab, weil mir die Arbeit so viel Spaß machte und das Klima mit meinen Kollegen hervorragend war. Stattdessen bekam der mittlerweile stellvertretende Fachdienstleiter den Job, da kann man mal sehen, was für eine Karriere ich hätte machen können.
Heute trauere ich dem aber nicht mehr hinterher, denn wenn ich sehe, wie sich die Führungskräfte verbiegen müssen, da bin ich froh, lediglich Schütze Arsch geblieben zu sein. So kam es, wie es kommen musste: Bereits nach wenigen Jahren hatte ich meine Kräfte verschlissen, worunter dann auch die Arbeit litt.
Dank der Eskapaden in meinem Privatleben, durchaus auch gern mal mit den Kollegen, und dem zunehmenden Stress auf der Arbeit baute ich Rückstände auf, die aufzuarbeiten mir immer schwerer fiel. So hatte ich es mir Ende der 90er Jahre angewöhnt, an stressigen Donnerstag Nachmittagen auf dem Weg nach Hause an der Tanke zu stoppen und mir einen Zehnerträger mitzunehmen, welchen ich zu Hause allein und zügig leerte.

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