Mittwoch, 13. Juli 2011

Hartmudo: Dritte Plätze sind nur für Männer

So ist es. Letzten Samstag schied die deutsche Frauenfußballnationalmannschaft bei der Fußball WM im eigenen Land im Viertelfinale durch die 1. Niederlage in einer WM Endrunde seit 1999 aus. Die Niederlage gegen Japan – immerhin 4. der aktuellen Weltrangliste – war nicht unverdient.
Somit war für die Meisten Zuschauer in der 108. Minute des Spiels Deutschland gegen Japan das Turnier beendet. Schade eigentlich.
Eben ging gerade das Halbfinale USA gegen Frankreich glücklich für die USA aus – 3:1. Ich sah das bisher mit Abstand beste Spiel der WM. Wenig Fehlpässe, kein Ins-Aus-Dreschen der Bälle und schön herausgespielte Tore haben gezeigt, das der Frauenfußball nicht so schlecht ist, wie er sich häufig bei dieser WM präsentierte. Mir kam in den Sinn, das das Turnier jetzt erst richtig losgeht, wo die Deutschen ausgeschieden sind.

im Stadion bei Brasilien - Norwegen
Wie kommt denn sowas zustande?
Spätestens seit dem Frühjahr wurden uns die deutschen Nationalspielerinnen in den Werbeblöcken von Rewe, dem ePostbrief oder Hanuta – dem gesunden Pausensnack zwischen 2 Tüten – vorgestellt. Dank der Allianz erfuhr ich, dass bei Renate Lingor (die weibliche Beckenbauer) eingebrochen wurde. Vorbereitungsspiele wurden live übertragen. ARD und ZDF legten sich mächtig ins Zeug; Hatten die Sender doch viel Geld für die Übertragungsrechte gezahlt. Fanmeilen und ein Mega-Event wurden der Bevölkerung angedroht. Es gab wieder Fanartikel bei Real und Co.
Das WM Sonderheft hatte ich mir erspart, wollte aber die WM im TV verfolgen. Meine Löwin ist natürlich auch dabei. Let`s have some Fun!
Borke wollten wir zum Gucken einladen. Der hat aber abgewunken. Live im Stadion ja, aber im Fernsehen? Nöööööööööööö. Die können ja nicht spielen.
So dachten sicherlich die Meisten. Und wie zu erwarten, schauten dann auch nur bis zu 16 Millionen Zuschauer die deutschen Spiele. 1944 waren ja auch alle im Widerstand.
Schließlich ging die WM wirklich los. ARD und ZDF bauschten die Veranstaltung richtig auf. Vermarktung wie Airplay waren optimal. Die 3. Weltmeisterschaft hintereinander für Deutschland stand ja schon vorher fest. Das Sommermärchen 2011 konnte beginnen.
Zuerst Deutschland – Kanada 2:1. Mühsamer Auftaktsieg. Nachdem die Kanadierinnen den Anschlußtreffer erzielten, mußten die Deutschen 5 Minuten zittern. Aber letztlich verdient und eigentlich ungefährdet.
Und hier schon wie bis zum bitteren Ende: Sylvia Neid, zum weiblichen Beckenbauer hochsterilisiert, stehend an der Seitenlinie. Arme verschränkt.
Deutschland – Nigeria 1:0. Harte Gangart der Afrikanerinnen, die die deutschen Tugenden auf die Spitze trieben: Athletik und Kampfgeist. Das war so sehr unfair, aber die deutschen Spielerinnen lernten nun am eigenen Leib kennen, wie sich vorher ihre Gegnerinnen immer gefühlt haben mußten. Die Nigerianerinnen spielten die Spur härter, die die Unfairness ausmacht und niemand wirklich sehen will. Schade eigentlich, weil technisch waren sie gar nicht mal so schlecht. Besser als Kanada.
Irgendwann kurz vor Ende das erlösende Tor. Sylvia Neid mit verschränkten Armen; ruhig an der Seitenlinie.
Deutschland – Frankreich 4:2. Birgit Prinz draußen – die Schuldfrage wird halt immer auf eine Person konzentriert. Inka Grings, dauerhafte Torschützenkönigin der Liga seit Jahren, kam in die Mannschaft (Frauschaft?) und machte 2 Buden in dem Spiel. Trotz Platzverweis köpften die Französinnen nochmal ein. Enger als es aussah oder auch in den Medien dargestellt wurde.
Zwischendurch: 2. Halbfinale Japan – Schweden 3:1 und ein noch besseres Halbfinale als vorher. Zumindest, was die Japanerinnen angeht. Japan technisch sauber. Kaum Fehlpässe, schöne Ballstaffetten und immer gefährlich vorm Tor. Die Männer spielen nicht schöner als dieses Team!
Zurück zu Germany. Gegen Frankreich war es das beste Spiel der deutschen Mannschaft, die schon im Vorfeld gnadenlos in den Himmel gelobt wurde und in der Vorrunde diesen Erwartungen nicht gerecht wurde.
Aber das war ja nur die Vorrunde.
Sylvia Neid steuerte die Mannschaft ruhig von der Seitenlinie aus. Die Arme verschränkt.
Viertelfinale! Zur Halbzeit meinte der Reporter, Deutschland hätte das Spiel dominiert. Hier fragte ich mich – nicht zum ersten Mal in diesem Turnier, welches Spiel sieht der Idiot? Im Laufe der 2. Halbzeit räumte er irgendwann ein, dass die Japanerinnen sicherer am Ball sind. Wahrscheinlich merkte er, wie peinlich daneben seine deutsche Brille mit zunehmender Spieldauer wurde.
Und als dann in der 108. Minute die weltbeste Torhüterin zum 1. Mal im Spiel gefordert wurde und sich E-Jugendmäßig zur falschen Seite warf, war es passiert. Deutschland verlor gegen ein technisch besseres Team und war unerwarteterweise aus dem Turnier.
Seit der 108. Minute kam auch keine ePostbrief Werbung mehr.
Und Sylvia Neid mit verschränkten Armen an der Seitenlinie....
Welcher deutsche Nationaltrainer der Männer verhielt sich so? SIR ERICH!
Jetzt wird alles verständlich. Sir Erich, natürlich ist das der Vergleichsmaßstab. Wie weiland bei Sir Erich hielt Sylvia Neid die Fahne der kontrollierten Offensive fest. Mit Athletik und Kondition sollten die Spiele gewonnen werden. Kreativität stört da nur.
Und so spielte das deutsche Team dann auch im Turnier.Es beschränkte sich auf den Hrubesch-Style. Originalzitat:“Flanke Manni, ich Kopfball, Tor.“
Technische Schwächen wie das ewige Wegspringen des Balles bei der Annahme und der Ballverlust spätestens nach dem 5. Kontakt wurden nicht thematisiert. Kurz gesagt: Das deutsche Team hatte nicht die Klasse, um wirklich den Titel verteidigen zu können. Oder Taktik und Vorbereitung waren falsch, die Mannschaftsaufstellung sowieso.
Das jetzt hinterher die Jagd von RTL und Satt 1 auf Frau Neid und die Mannschaft eröffnet wurde, ist den Gesetzen des Medienmarktes geschuldet. So können sich die Privatsender auch noch in die Frauen WM Berichterstattung einklinken.
Jetzt freue ich mich aber erstmal aufs Endspiel Japan – USA am Sonntag. Meine Löwin und ich werden es genießen.

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