(zuerst veröffentlicht 15.08.2008)
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gab am 13.5.2008 folgende Pressemeldung heraus: Chancen für Vollbeschäftigung – Das Konzept Bürgerarbeit ist realisierbar.
Jubel – endlich wieder Vollbeschäftigung. Und so stellt sich das BMWi das Ganze vor:
Als Gegenleistung für den Transfer staatlicher Lohnersatzleistungen – volkstümlich auch Hartz IV genannt – wird vom Arbeitslosen eine Gegenleistung in Form der Bürgerarbeit verlangt; als Anreiz, sich wirklich mal um Arbeit zu bemühen.
Laut IZA-Forschungsinstitut wird hierdurch ein „Beschäftigungseffekt“ von bis zu 1,4 Mio Arbeitsplätzen erzielt.
IZA.... ein privates unabhängiges (?) Forschungsinstitut der deutschen Post World Net; Präsident ist Dr. Klaus Zumwinkel, die ehrliche Haut.
Contramann ist begeistert und fand dann einen alten Artikel vom 17.12.2007 in der Welt:
„Erste Gemeinde schafft Hartz IV ab“.
Bad Schmiedeberg in Sachsen-Anhalt, September 2006: Jeder 6. Bürger ist arbeitslos; Erwerbslosenquote bei 15,6 Prozent ! Die Lösung hieß Bürgerarbeit. Konkret bedeutet dies, das Arbeitslose, die nicht im 1. Arbeitsmarkt vermittelt werden konnten, eine gemeinnützige Tätigkeit in Vereinen, der Kirche, in der Jugend- oder Seniorenbetreuung etc. angeboten bekamen. Es entsteht eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit, bei der zwischen 620 und 670 Euro netto kleben bleiben.
Nachdem alle 331 Arbeitslosen intensive Beratungsgespräche bekamen – sonst wohl nicht gerade die Regel – konnten einige in den 1. oder 2. Arbeitsmarkt vermittelt werden. „Einige meldeten sich lieber bei der Arbeitsagentur ab, statt eine Bürgerarbeit anzutreten.“
Aha. Wohl die üblichen Simulanten, Ausländer, Punker oder Alkoholiker? Aber das nur am Rand.
67 Menschen in der Bürgerarbeit waren es schließlich im November 2006.
Der zuständige Mann der Bundesagentur aus Halle versicherte,: „Arbeitsplätze in der Wirtschaft dürfen auf keinen Fall gefährdet werden.“
Und während Wolfgang Clement leise pfeifend dem Sonnenuntergang entgegenreitet....
Etwas Aktuelles war zu dem Modellversuch leider nicht zu finden; das Neueste ist das Folgende.
Eine Studie des Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) kommt im Dezember 2007 zu dem Ergebnis, das hier kein Beschäftigungswunder ausgelöst wurde, weil schlichtweg ergreifend die Jobs in der Region fehlen. Interessant ist hier die Einlassung, das bei einer bundesweiten Einführung der Bürgerarbeit eine Verdrängung regulärer Beschäftigung kaum vermeidbar wäre.
Und das ist letztendlich der Grund, weshalb Contramann Bürgerarbeit – in dieser Form - für den falschen Weg hält.
Denn gerade im öffentlichen Dienst wie auch bei gemeinnützigen Institutionen werden Arbeitsplätze kurzerhand wegrationalisiert. Legende ist hier die Geschichte über die exalminierte Altenpflegerin, die als Arbeitslose in einem Pflegeheim natürlich nur Hilfsarbeiten in ihrem Ein-Euro-Job verrichtete.
Informativ ist hier ein Blick nach Telepolis. Selbst der Bundesrechnungshof monierte, daß in 68% der untersuchten Fälle gegen gesetzliche Kriterien an Ein-Euro-Jobs verstoßen wurde, Merkmale wie Zusätzlichkeit und Integrationsförderung waren da offensichtlich vernachlässigt worden.
Wenn dann noch der Bundeswirtschaftsminister „unterm Dirndl wird gejodelt“ Glos Bürgerarbeit mit 39 Stunden pro Woche einführen will, um das lästige Problem mit dem Verstoß gegen die Kriterien an Ein-Euro-Jobs umgehen zu können, geht bei Contramann die Bierpulle von alleine auf.
Arbeitgeber wie Kommunen, freie Träger, Wohlfahrtsverbände etc. sparen mit den Mehraufwandentschädigungs-Kräften immer noch Lohnkosten, die Bundesagentur für Arbeit stockt ja das karge Gehalt bis zum SGB-Satz auf. Klasse! Weniger Beiträge für die Kranken- und Rentenversicherungen, geringere Ansprüche der Bürgerarbeiter aus der Rentenkasse – bei Arbeitslosengeld I im Falle einer möglichen Arbeitslosigkeit inclusive.
Wer da noch glaubt, das reguläre Arbeitsplätze an Alten- oder auch Krankenpflegern, Gärtnern und in letzter Konsequenz auch Sozialarbeitern bestehen bleiben, glaubt noch an die Zahnfee.
Auch wenn es im 1. Moment einleuchtend klingt, das es besser ist, Arbeitslose in gemeinnützigen Arbeiten zu beschäftigen als ihr Potential ungenutzt zu lassen, sind die Schäden größer als der Nutzen. Der Kostendruck zwingt die Träger solcher Beschäftigungen über kurz oder lang zum verstärkten Einsatz solcher Arbeitsverhältnisse, bis das Ganze ad Absurdum geführt wird.
Und wer möchte da noch freiwillig Altenpfleger oder Krankenschwester werden. Bei der Bezahlung....
Contramann sagt NEIN ! Guter Lohn für qualifizierte Arbeit ist das Ziel. Es kann doch nicht angehen, das die öffentliche Hand auf Steuergelder verzichtet, wo etwas zu holen ist und auf der anderen Seite dann seine Beschäftigten mit einem Hungerlohn abspeist. Da will Herr Glos das noch gesetzlich legitimieren anstatt das benötigte Geld dort zu sammeln, wo es verdient wird: Im Aktien-, Devisen- und Devotionalienhandel.
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