Freitag, 20. Dezember 2013

Contramann: Kaufen im Netz 2/2

Das alles hat nix, aber auch rein gar nix mit Internethandel zu tun. Diese kleinen, unabhängigen Einzelhändler sind ja sogar eher in den Großstädten zuerst eingegangen, weil die entsprechende Kaufkraft die Filialketten dort zuerst hingezogen hatte. Und erst in dem Moment, wo sich die Ketten in den Fußgängerzonen der Metropolen breit gemacht hatten, zogen sie aus, um die Provinzen zu erobern. Nur in der Provinz hatten die kleinen „Krauter“ wie das Schuhhaus Rose überhaupt noch eine Chance, mit innovativen oder wenigstens originellen Konzepten den Ketten ein Schnippchen zu schlagen und den Bankrott weiter nach hinten zu schieben.
In Braunschweig gibt es höchstens noch Rheingold, aber da kauft auch keiner. Und Graff oder Pfankuch, die beiden ehemaligen Platzhirsche im Bereich Buchhandel hier als Gegenbeispiel anzuführen, hat einen entscheidenden Haken: Die Buchpreisbindung.
Die Buchpreisbindung ist wohl noch die einzige „staatliche“ Deckelung der ansonsten üblichen Marktpreise. Und da, wo der Wettbewerb über den Verkaufspreis ausgeschlossen ist, da hat dann auch wieder der lokale Einzelhändler eine Chance und kann regional auf seine Kundschaft schneller reagieren.
Hieran sieht man somit auch, auf welche Art und Weise man erstmal das Sterben des lokalen Einzelhandels verhindern könnte. Ein einheitlich vorgeschriebener Endverkaufspreis läßt mich eben nicht sofort zum Billigheimer rennen. Bekomme ich lokal eine gute Beratung, werde ich auch lokal einkaufen.
Für die Mädels ist das wegen des Shoppens im ersten Moment vielleicht beängstigend, aber keine Panik, meine Damen. Bei der Vielfalt an Markenbekleidung gibt es überall noch Neues zu entdecken. Sagt mir Bescheid, wenn ihr pinke Lack …
Und gegenüber den Internethändlern hat dann der Einzelhandel wieder eine Chance, egal ob lokaler Krauter oder Kette. Wenn man es dann noch schafft, Mindestlöhne einzuführen, ist der betriebswirtschaftliche Vorteil von Ketten wie auch vom personaloptimierten Internethandel enorm zusammengeschrumpft.
Große Lagerhaltung sowie enorme Transportkosten fressen dann eingesparte Personalkosten auf. So einfach ließe sich die im Artikel betrauerte Vielfalt im Angebot wieder herstellen.
In der sich immer schneller drehenden Konsumwelt sollen wir doch kaufen, bis der Arzt kommt. Aber das Ganze doch bitteschön mit moderat steigenden Löhnen, wo kämen wir denn sonst hin? Hierüber schweigen sich die Autoren in dem Wirtschaftswochenartikel aus.
Dies verwundert mich nicht, denn insbesondere jetzt vor Weihnachten ist das Amazon Bashing allgegenwärtig. Dieses Jahr ist es die schlechte Bezahlung der Stammkräfte des amerikanischen Internetriesen und die Weigerung des Konzerns, einen Tarifvertrag mit den Beschäftigten zu akzeptieren.
Ja wenn es gegen Amazon geht, dann können auch Journalisten von Bertelsmann, Springer oder der Holtzbrinck-Gruppe auch einmal den Nutzen von Gewerkschaften lobpreisen. Da jedoch diese Medienkonzerne den Markt nicht nur bei den Printmedien oder im Privat TV dominieren, sondern auch über Beteiligungen bei Bol.de, Buch.de, Thalia.de sowie Weltbild etc. direkte Konkurrenten von Amazon sind, hat diese Kritik a wenig Gschmäckle.
Angeblich steht Amazon hier nur stellvertretend für den Internethandel insgesamt. Sischer dat! Verwerflich an Amazon.de finde ich höchstens, das der Firmensitz in Luxemburg angesiedelt ist und demzufolge dort die immensen Gewinne versteuert werden. Aber so etwas wird natürlich in den Medien nicht thematisiert. Wenn man damit erst mal anfängt, wer weiß, welcher „ehrenwerte“ deutsche Konzern da noch an dem Pranger stehen würde.
Nein, Amazon wird deswegen benannt, weil der Konzern so erfolgreich ist und Bertelsmann und Co große Schwierigkeiten haben, sich dagegen zu behaupten. Denn der deutsche Michel denkt bei Internethandel zurecht erst an Amazon und dann an Amazon; Bol oder Buch.de kennt er eh höchstens dem Namen nach. Dass die Konkurrenz von Amazon auch keine Wohlfühlarbeitsplätze anbietet und wohl auch nicht wesentlich besser bezahlt, kriegt Michel dann auch gar nicht mit.
Selbst wenn der Michel durch solches Bashing den Internethandel meiden sollte, würde es eh nur Amazon treffen. Die anderen Händler keennt Michel eher nicht. Amazon dagegen kennt mittlerweile jeder; genau wie ebay oder google gehört ein Konto bei Amazon inzwischen zum guten Ton.
Und warum auch nicht? Einmal habe ich eine bei Amazon für Dora erstandene Digitalkamera an Amazon zurücksenden müssen, weil sie defekt war. Innerhalb einer Woche erhielt ich kommentarlos das verbesserte Nachfolgemodell inklusive einer Gutschrift von 10,- €, weil sich der Marktpreis zwischenzeitlich dementsprechend verringert hatte. Mach das mal bei mediamarkt oder gar einem „kleinen“ Elektrohandel!
Und weiter geht’s: Einzelhandel kontra Internet. Beratung und Service im Einzelhandel vor Ort? Schön wärs. Die Servicewüste Deutschland ist nach wie vor allgegenwärtig zu spüren. Ob bei Karstadt oder Saturn: Gelangweilte Verkäuferinnen zuhauf und beim Thema Technik ist die Ahnungslosigkeit Programm. Sich vor Ort zu informieren, um dann im Internet billiger zu kaufen, ist ja gar nicht machbar bei soviel Inkompetenz im ach so armen Fachhandel.
Es ist – zumindest im technischen Bereich – eher üblich, sich online, durchaus auch bei Amazon, zu informieren und dann vor Ort zu kaufen, weil es dort (Media, Saturn) genauso viel wie bei Amazon kostet und man es vermeintlich leichter bemängeln kann.
Bücher, CDs und DVDs haben Amazon groß gemacht. Die Fachgeschäfte vor Ort sind gerade in diesen Bereichen mit qualifiziertem Fachpersonal erschreckend schwach besetzt. Ich erinnere mich noch, als meine Löwin mal ein Fachbuch zum Thema Jagd als Geschenk für Martina suchte und nur alten Schrott vom Fachverkäufer der Buchhandlung empfohlen bekam.
Hier kann ich bei Amazon bei den Kundenrezessionen mein Glück versuchen. Dies ist natürlich auch immer mit Vorsicht zu genießen und verwirrt manchmal eher mehr als das es nützt, aber bei Fehlkäufen brauche ich mich nicht noch über den Verkäufer zu ärgern.
Oft wird als Argument gegen Amazon der viele Verpackungsmüll als ökologisches Totschlagargument in den Ring geworfen. So ein Quatsch – die Müllberge des Einzelhandels krieg ich als Vergleich ja gar nicht zu sehen. Und Amazon verpackt ausnahmslos in Recyclingkartonagen. Zugegebenermaßen wird der Inhalt mit Folie fixiert.
Aber selbst wenn dieses Argument richtig wäre, wird doch andersrum ein Schuh daraus. Denn der Paketzusteller, der übrigens auch arbeitsplatzmäßig vom Internethandel profitiert, liefert beispielweise 100 Pakete mit einer Fuhre aus. Nehmen wir mal an, alles Amazon und alles Bücher. 100 Pakete an 100 Kunden. Um den Inhalt dieser Pakete im Laden zu verkaufen, müßten die Käufer erst im die Stadt fahren. Dazu kommen diejenigen, die nur gucken, aber nicht kaufen. Diese wiederum gleichen diejenigen mehr als aus, die nicht mit dem eigenen Auto ins Parkhaus eiern. Was da an Benzin unnütz verballert wird!
Wie eben schon angerissen, werden Arbeitsplätze verschoben und fallen nicht gänzlich weg. Ob für 1000 entlassene Verkäufer 1000 Leute mehr bei Paketdiensten oder andersweitiger Peripherie des Internethandels gebraucht werden, glaube ich zwar auch nicht. Aber die Qualifikation von Verkäufern zweifele ich eh an und überhaupt.
Die Zeiten ändern sich. Das Beispiel der Pferdedroschken zu Taxis ist zwar abgedroschen, ebenso die Schreibdienste in größeren Betrieben. Aber weggefallen sind diese auch mit der technischen Entwicklung. Die hält ja bekanntlich weder Ochs noch Esel auf.
Deshalb ist der Artikel insgesamt gesehen mal wieder nur heiße Luft. Am Ende zeigt selbst der Wirtschaftswoche Artikel noch Alternativen wie quicker.de oder hitmeister.de auf. Das einzelne Geschäfte somit zwar auch über das Internet präsent sind, mag den Geschäftsinhaber zwar vor einer Pleite bewahren, nicht aber sein Ladengeschäft vor einer Schließung.
Das hilft also auch nicht gegen leere Innenstädte wie in Bad. Da hilft den Innenstädten eh nur eins, die Rückbesinnung auf den Kernbereich einer Stadt als Gesamtkunstwerk. Will sagen, Shoppen als Freizeitspaß. Frauen brauchen Boutiquen zum Stöbern. Dazu Restaurationsbetriebe, Freizeitprogramme zur Bespaßung. Bierstände, Bratwurstbuden für die Männer. Halligalli anschnallen eben.
In Großstädten wie Braunschweig gibt es dazu auch Ansätze. In Gelnhausen stecken derartige Konzepte wohl noch in den Schubladen, also raus damit, ihr Einzelhändler. Nur Mut und ihr werdet Erfolg haben.
Den Kampf gegen das Internet kann man ohne Restriktionen des Staates nicht gewinnen. Und Restriktionen … welcher Händler möchte die schon?
Ich jedenfalls freu mich über die Weihnachtsmärkte aktuell und nächstes Jahr über Sonderaktionen in der City.
Ansonsten sehen wir uns bei Amazon und Co.

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