Montag, 1. Oktober 2012

Contramann: Helmut Kohl

Heute sind es genau 30 Jahre her, dass Helmut Kohl per Mißtrauensvotum vom Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Dieser Tage wurde dies schon ausgiebig in den Medien gewürdigt. Meinem „Freund“ Jakob Augstein blieb es allerdings vorbehalten, mich wachzurütteln und meinen Senf zum unsäglichen Geschreibsel von Augstein hinzuzufügen. Hier ist der Artikel von Augstein:
Zitat Augstein: “Kohl ist der bisher erfolgreichste deutsche Bundeskanzler – gemessen am einzig gültigen Maßstab, nämlich der Dauer seiner Amtszeit.“ Geht`s noch, Augstein?
Im Zweifel links – unter diesem Motto schreibt Augstein seine Kolumnen auf Spiegel Online. Sein Vater hatte als Spiegelchef gegen Kohl jahrelang angeschrieben und dreht sich jetzt wahrscheinlich mit 3000 U/Min im Grab. Gerade junge Leute, die nach Kohls Inthronisierung geboren wurden, sollten hier genau aufpassen. Kohl als Einiger von Europa? Lächerlich. Eher Totengräber.
Kohl betrieb die Wiedervereinigung, zu deren Zeitpunkt er zufällig Kanzler war, als Ausverkauf Ost zugunsten westdeutscher, auch westeuropäischer Konzerne. Leuna und der französische Mineralölkonzern Elf seien hier als Beispiel genannt.
Die dadurch startende Orientierung des vereinten Deutschlands (und eben nicht Europas) an den Welthandelsmächten USA, Japan und China bzw. der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zog ausgerechnet Europa nicht mit. Das vorher in Europa vorherrschende Gleichgewicht zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland wurde unter der Regierung des Dicken aus Oggersheim zerstört. Das wirtschaftliche Wachstum des vereinten Deutschlands wurde auf Pump und durch Verzicht auf Lohnzuwächse erzielt. Europa als politische Einheit, wie sie u.a. Mitterand vorschwebte, wurde als Folge durch den Euro zu einem reinen Wirtschaftsverbund umgedeutet. Jetzt, wo die südlichen Länder vor der Pleite stehen, rächt sich das.
Tag des Mißtrauensvotums
 Augstein meint, dass Kohl Grenzen eingerissen hätte. So ein Quatsch. Deutsche Fahnen brennen in Athen und hier beklagen die Menschen die Mentalität der Griechen – alle faul. Das sind für mich neue Grenzen. Eingerissen wurden lediglich die Grenzen durch eine maßvolle Gewinnmaximierung. Gegeneinander statt Miteinander – dafür steht die Ära Kohl.
Zu meiner Schande muß ich gestehen, dass ich 1983 Helmut Kohl bzw. die CDU gewählt habe ! Danach ist mir dieser Fehler nicht mehr passiert. Ich weiß noch, dass Helmut Kohl damals in einer Fernsehsendung in einer holländischen Uni im Hörsaal vor mehr als 100 Studenten saß. Sie hatten ihn angepöbelt, gar als Nazi beschimpft. Und Helmut Kohl tat das, was er am besten konnte und wofür er später berühmt werden sollte: Er saß es aus. Sämtliche Kritik prallte an ihm ab. Damals fand ich das toll, heute weiß ich es besser. Wenn man aktuell sein „Mädchen“ als Teflon-Kanzlerin bezeichnet, so hat sich Kohl den Titel des Villeroy und Boch-Kanzlers verdient. Ihr kennt doch noch die Werbung mit der Kloschüssel, wo nichts drauf haften bleibt.
Von Anfang an wurde er wegen seiner Provinzialität als „Birne“ verspottet; Dies war – rückblickend betrachtet – wohl gemein und nicht korrekt. Was er tatsächlich auf den Kasten hatte, wurde gegen Ende seiner Regierungszeit deutlich. In der Flick-Affäre war er auch involviert. Als Krönung des Ganzen weigerte er sich seinerzeit, dem Untersuchungsausschuß die Namen der unbekannten Spender in die CDU-Kasse zu nennen. Er hatte sein Ehrenwort gegeben!
Zurecht wurde ihm anschließend der Ehrenvorsitz der CDU entzogen. Sein damaliges Verhalten finde ich heute noch unerträglich und wesentlich verwerflicher als alle Affären von Willy Brandt und Bill Clinton zusammen. Nur Berlusconi hat dies noch toppen können.
Apropos Mafia: Am schönsten bei der Flick-Affäre fand ich die Szene mit Walter Wallmann, seinerzeit CDU-Schatzmeister. Bei irgendeiner Bank – Ob Deutsche Bank, Commerzbank oder gar Dresdner weiß ich nicht mehr – holte sich Wallmann die Parteispende in Bar ab und stopfte sich die Geldbündel in seine Jacke, weil der Koffer schon voll war. So äußerte er sich damals vor dem Ausschuß. Und so und nicht anders stelle ich mir Mafiageschäfte vor.
„Hier ist meine Heimat, hier bin ich zu Hause“ sagt Kohl in Bild:
Unerträglich. Dieser Mann wird jetzt wieder hofiert und gelobt für Sachen, für die er selbst nichts kann. Vergessen sind die negativen Seiten seines Tuns.
Und dass Jakob Augstein als angeblich Linker auch noch in diesen Tenor verfällt, macht wieder erschreckend deutlich, wie schlecht es in unserer Medienlandschaft um kritischen Journalismus bestellt ist.
Das Ganze liegt aber vielleicht mit an der unter Kohl und Schwarz-Schilling begonnenen Privatisierung des Rundfunk und Fernsehens. Angeblich zur Meinungsvielfalt, im Ergebnis aber zum Spielball wirtschaftlicher Interessen und Beeinflussung der öffentlichen Meinung.
Viele der jüngeren Deutschen sind mittlerweile von Kindesbeinen an bei den politischen Prozessen in Berlin und in den Bundesländern nicht mehr zugegen. Desinteressiert.
Da passt es wunderbar ins Bild, wenn sich die junge Union stolz als „Generation Kohl“ outet. Als Kohl kürzlich bei der jungen Union eine Rede hielt, sang der ganze Saal:
„Und wir haben ein Idol, Helmut Ko – ohl !“
Autsch.
Nein – Der „Bimbes“kanzler Kohl verdient unseren Respekt eben nicht. Vor Freude singen können nur die ein Prozent, vielleicht auch zehn Prozent, die dank seiner Politik heutzutage die Früchte einfahren. Auf Kosten der restlichen Mitbürger.
Ich würde mir wünschen, dass nicht nur bei uns Älteren die Erinnerung an diesen Kanzler nicht durch die verlogene Verklärung der Ära Kohl durch die Medien bestimmt wird.

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