Heute
sind es genau 30 Jahre her, dass Helmut Kohl per Mißtrauensvotum vom
Bundestag zum neuen Bundeskanzler gewählt wurde. Dieser Tage wurde
dies schon ausgiebig in den Medien gewürdigt. Meinem „Freund“
Jakob Augstein blieb es allerdings vorbehalten, mich wachzurütteln
und meinen Senf zum unsäglichen Geschreibsel von Augstein
hinzuzufügen. Hier ist der Artikel von Augstein:
Zitat
Augstein: “Kohl ist der bisher erfolgreichste deutsche
Bundeskanzler – gemessen am einzig gültigen Maßstab, nämlich der
Dauer seiner Amtszeit.“ Geht`s noch, Augstein?
Im
Zweifel links – unter diesem Motto schreibt Augstein seine Kolumnen
auf Spiegel Online. Sein Vater hatte als Spiegelchef gegen Kohl
jahrelang angeschrieben und dreht sich jetzt wahrscheinlich mit 3000
U/Min im Grab. Gerade junge Leute, die nach Kohls Inthronisierung
geboren wurden, sollten hier genau aufpassen. Kohl als Einiger von
Europa? Lächerlich. Eher Totengräber.
Kohl
betrieb die Wiedervereinigung, zu deren Zeitpunkt er zufällig
Kanzler war, als Ausverkauf Ost zugunsten westdeutscher, auch
westeuropäischer Konzerne. Leuna und der französische
Mineralölkonzern Elf seien hier als Beispiel genannt.
Die
dadurch startende Orientierung des vereinten Deutschlands (und eben
nicht Europas) an den Welthandelsmächten USA, Japan und China bzw.
der Konkurrenz auf dem Weltmarkt zog ausgerechnet Europa nicht mit.
Das vorher in Europa vorherrschende Gleichgewicht zwischen
Großbritannien, Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland wurde
unter der Regierung des Dicken aus Oggersheim zerstört. Das
wirtschaftliche Wachstum des vereinten Deutschlands wurde auf Pump
und durch Verzicht auf Lohnzuwächse erzielt. Europa als politische
Einheit, wie sie u.a. Mitterand vorschwebte, wurde als Folge durch
den Euro zu einem reinen Wirtschaftsverbund umgedeutet. Jetzt, wo die
südlichen Länder vor der Pleite stehen, rächt sich das.
Tag des Mißtrauensvotums |
Augstein
meint, dass Kohl Grenzen eingerissen hätte. So ein Quatsch. Deutsche
Fahnen brennen in Athen und hier beklagen die Menschen die Mentalität
der Griechen – alle faul. Das sind für mich neue Grenzen.
Eingerissen wurden lediglich die Grenzen durch eine maßvolle
Gewinnmaximierung. Gegeneinander statt Miteinander – dafür steht
die Ära Kohl.
Zu
meiner Schande muß ich gestehen, dass ich 1983 Helmut Kohl bzw. die
CDU gewählt habe ! Danach ist mir dieser Fehler nicht mehr passiert.
Ich weiß noch, dass Helmut Kohl damals in einer Fernsehsendung in
einer holländischen Uni im Hörsaal vor mehr als 100 Studenten saß.
Sie hatten ihn angepöbelt, gar als Nazi beschimpft. Und Helmut Kohl
tat das, was er am besten konnte und wofür er später berühmt
werden sollte: Er saß es aus. Sämtliche Kritik prallte an ihm ab.
Damals fand ich das toll, heute weiß ich es besser. Wenn man aktuell
sein „Mädchen“ als Teflon-Kanzlerin bezeichnet, so hat sich Kohl
den Titel des Villeroy und Boch-Kanzlers verdient. Ihr kennt doch
noch die Werbung mit der Kloschüssel, wo nichts drauf haften bleibt.
Von
Anfang an wurde er wegen seiner Provinzialität als „Birne“
verspottet; Dies war – rückblickend betrachtet – wohl gemein und
nicht korrekt. Was er tatsächlich auf den Kasten hatte, wurde gegen
Ende seiner Regierungszeit deutlich. In der Flick-Affäre war er auch
involviert. Als Krönung des Ganzen weigerte er sich seinerzeit, dem
Untersuchungsausschuß die Namen der unbekannten Spender in die
CDU-Kasse zu nennen. Er hatte sein Ehrenwort gegeben!
Zurecht
wurde ihm anschließend der Ehrenvorsitz der CDU entzogen. Sein
damaliges Verhalten finde ich heute noch unerträglich und wesentlich
verwerflicher als alle Affären von Willy Brandt und Bill Clinton
zusammen. Nur Berlusconi hat dies noch toppen können.
Apropos
Mafia: Am schönsten bei der Flick-Affäre fand ich die Szene mit
Walter Wallmann, seinerzeit CDU-Schatzmeister. Bei irgendeiner Bank –
Ob Deutsche Bank, Commerzbank oder gar Dresdner weiß ich nicht mehr
– holte sich Wallmann die Parteispende in Bar ab und stopfte sich
die Geldbündel in seine Jacke, weil der Koffer schon voll war. So
äußerte er sich damals vor dem Ausschuß. Und so und nicht anders
stelle ich mir Mafiageschäfte vor.
„Hier
ist meine Heimat, hier bin ich zu Hause“ sagt Kohl in Bild:
Unerträglich.
Dieser Mann wird jetzt wieder hofiert und gelobt für Sachen, für
die er selbst nichts kann. Vergessen sind die negativen Seiten seines
Tuns.
Und
dass Jakob Augstein als angeblich Linker auch noch in diesen Tenor
verfällt, macht wieder erschreckend deutlich, wie schlecht es in
unserer Medienlandschaft um kritischen Journalismus bestellt ist.
Das
Ganze liegt aber vielleicht mit an der unter Kohl und
Schwarz-Schilling begonnenen Privatisierung des Rundfunk und
Fernsehens. Angeblich zur Meinungsvielfalt, im Ergebnis aber zum
Spielball wirtschaftlicher Interessen und Beeinflussung der
öffentlichen Meinung.
Viele
der jüngeren Deutschen sind mittlerweile von Kindesbeinen an bei den
politischen Prozessen in Berlin und in den Bundesländern nicht mehr
zugegen. Desinteressiert.
Da
passt es wunderbar ins Bild, wenn sich die junge Union stolz als
„Generation Kohl“ outet. Als Kohl kürzlich bei der jungen Union
eine Rede hielt, sang der ganze Saal:
„Und
wir haben ein Idol, Helmut Ko – ohl !“
Autsch.
Nein
– Der „Bimbes“kanzler Kohl verdient unseren Respekt eben nicht.
Vor Freude singen können nur die ein Prozent, vielleicht auch zehn
Prozent, die dank seiner Politik heutzutage die Früchte einfahren.
Auf Kosten der restlichen Mitbürger.
Ich
würde mir wünschen, dass nicht nur bei uns Älteren die Erinnerung
an diesen Kanzler nicht durch die verlogene Verklärung der Ära Kohl
durch die Medien bestimmt wird.
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