Carl Reiner Holdt - Gezeitenwechsel
Wäre es nicht schön, einen deutschen
Science Fiction Roman zu lesen, der im Schwarzwald spielt? Und –
booom – da isser auch schon!
Die R`rall haben die Erde erobert. Die
„Liga“, deren Mitglieder unerkannt unter den Menschen lebten,
haben verloren und verlassen die Erde – bis auf wenige Agenten. Die
R`rall erinnern übrigens stark an die Kzinti aus Nivens`
Ringweltuniversum. Sie haben ihr Hauptquartier natürlich im
Schwarzwald aufgeschlagen.
Und da kommt auch schon unser Held.
Major a.D. von Reuters ist Afghanistanveteran (so weit ist es schon)
und genießt im Schwarzwald seinen Ruhestand. Durch Zufall duelliert
er sich mit einem R`rall Warlord und nimmt ihm den Ring ab. Dieser
ist Statussymbol und birgt gewisse Kräfte.
Der etwas schüchterne von Reuters
verliebt sich im Laufe der Story in Marcella, eine Agentin der Liga.
Um es vorwegzunehmen: Es wird geheiratet und im allerletzten Absatz
des Romans wird der drohende Koitus angekündigt.
Der Autor ist in Rom geboren,
verbrachte 20 Jahre im Kloster und lebt heute – verheiratet – in
der Nähe des Schwarzwaldes. 20 Jahre Kloster – was sich da für
ein Druck aufbauen muß zwischen den Lenden...
Der adlige Held des Romans erinnert
leider an die Offiziersgarde der deutschen Wehrmacht. Der heroische
Schreibstil, kurz und knapp, verstärkt leider den leicht
faschistoiden Gesamteindruck des Romans. Schade.
Trotzdem glaube ich, das dieser
negative Eindruck aus den fehlenden Erzählerqualitäten des Autors
resultiert. Kein Vergleich zu Brandhorst.
Charles Sheffield – Das dunkle
Universum
Aaah, was für eine Erlösung.
Sheffield ist ein Profi. Da wird eine Geschichte erzählt und nicht
abgearbeitet. Die Spannung wird stetig erhöht und Du willst das Buch
nicht mehr aus der Hand legen. Herr Holdt – so geht’s !
Das dunkle Universum umfaßt 3 Romane;
mehr hat Sheffield bis zu seinem Tod 2002 nicht mehr schreiben
können. Die Romane spielen ca. 50 bis 60 Jahre in der Zukunft. Die
Menschen haben das Sonnensystem bis zum Jupiter und seinen Monden
kolonialisiert. Mitte der 60er Jahre des 21. Jahrhunderts kommt es
dann zum großen Krieg zwischen dem Asteroidengürtel und den inneren
Planeten (Mond, Mars und Erde). Milliarden sterben, die nördliche
Erdhalbkugel ist verwüstet. Aber die Menschen etablieren nach der
Niederlage des Asteroidengürtels das gute alte kapitalistische
System.
Hatte ich erwähnt, dass Sheffield Ami
war? In allen 3 Romanen, die jeder für sich allein stehen, ist
lediglich eine Hauptfigur immer präsent: Rustum Battachariya,
genannt Bat. Alias Megachirops (große Fledermaus). Menschenhasser
und großer Meister des Puzzlenetzwerkes. Er erinnert an Rex Stouts
Nero Wolfe und löst die kniffligsten Rätsel – deshalb
Puzzlenetzwerk. Es gibt keinen Archie Goodwin und statt
Orchideenzucht sammelt er Reliquien des großen Krieges. Aber sonst …
… ist er nur eine von vielen
Hauptfiguren. Überhaupt sind die 3 Romane sehr nah an der
Kriminalliteratur. Zwar ist auch hier der „Sense of Wonder“
spürbar, löst sich aber gegen Ende der Romane jeweils auf. Der
kriminalistische Aspekt steht hier doch im Vordergrund.
Dank der gesponnenen Intrigen und der
Vielzahl an Charakteren ist das geschilderte Universum gut
vorstellbar. Die Problemlösungen, um die Habitate auch auf den
unwirtlichsten Planetoiden noch wohnbar zu halten, sind alleine schon
lesenswert. Das ist weniger Science Fiction als vielmehr eine
realistische Zukunft.
Und es gibt hier – im Gegensatz zu
Holdt – Schmuddelsex. Er war ja auch Mathematiker und eben nicht im
Kloster. Die Romane sind lesenswert und insbesondere für Krimifans
ein guter Einstieg in Science Fiction.
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