Dienstag, 28. Februar 2023

Uncle Fester: grad gelesen Februar 2023

Karsten Dusse - Achtsam morden
Es war meine gute alte Freundin Jenny, die mir diesen Roman in die Hand drückte und mir befahl, ihn zu lesen. Dem kam ich gerne nach, denn der Plot versprach eine Szenerie a la "Breaking Bad" und "Better call Saul".
Björn Diemel ist zwar ein erfolgreicher Anwalt, aber in seiner Kanzlei nicht gerne gesehen und nur ein kleines Licht. Denn sein einziger Klient ist Dragan, der große Gangsterboss der Stadt, dem Björn immer wieder aus allen möglichen Schwierigkeiten heraushelfen muss. Da so ein Job auch Gift für ein erfülltes Familienleben ist, streitet sich Björn dauernd mit seiner Frau, welche seinen Job verabscheut.
Damit er mit seiner Frau und Tochter wieder klar kommt, gibt er dem Wunsch seiner Frau nach und besucht ein Achtsamkeits-Coaching bei Joschka Breitner. Und zu seiner großen Überraschung helfen ihm die dabei gewonnenen Fähigkeiten, mit den sich gerade anbahnenden Schwierigkeiten fertig zu werden.
Denn Dragan hat auf einem Autobahnparkplatz einen vermeintlichen Verräter in seinen Reihen tot geschlagen. Schade nur, dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ein Schulbus mit dutzenden Kindern das Ganze beobachtet hatte. Dank der existierenden Videoaufnahmen muss Dragan schnell untertauchen.
Björn soll ihn im Kofferraum seines Autos aus der Stadt schaffen. Doch dies ist nicht genug für den mittlerweile getrennt lebenden Björn. Denn Björn wollte doch gerade an diesem Wochenende eine schöne Zeit mit seiner Tochter in Dragans Haus am See verbringen. Und da er im Coaching gelernt hatte, sich stets auf das Wesentliche zu konzentrieren, nimmt das Schicksal seinen unaufhaltsamen Lauf.
Während Björn mit seiner Tochter Würstchen grillt oder über den See schippert, liegt Dragan im schalldichten Kofferraum des Autos, während die Sonne zwei Tage lang mit voller Kraft auf den Wagen knallt. Die sarkastische Schilderung, wie Dragan im Kofferraum elendig zugrunde geht, ist das Highlight dieses Romans.
Genau wie Saul Goodman verstrickt sich Björn im Verlauf des Romans immer tiefer in das kriminelle Gestrüpp zwischen den beiden rivalisierenden Gangs der Stadt. Am Ende des Romans fährt Björn wieder zum See, der eigentliche Verräter liegt im Kofferraum und wähnt sich auf den Weg in die Freiheit.
Mit seiner Frau Katharina konnte er sich aussöhnen, der korrupte Bulle Möller stolperte über eine geschickt gestellte Falle. Nun ist es Björn, der die Geschicke des Gangstersyndikats leitet. Karsten Dusse hat hier einen wirklich sehr kurzweiligen Roman verfasst, zu dem noch drei Folgebände existieren.
Auch wenn wesentliche Teile des Plots sehr dreist von „Breaking Bad" und „Better call Saul" abgekupfert sind, ist das Storytelling stark genug, um auch die anderen Bände lesen zu müssen. Ich freue mich drauf.

Domenico Müllensiefen - Aus unseren Feuern
Endlich ist es so weit: Ich lese den Roman, den Kroll mir geschenkt hatte. Allerdings dauert es ca. 80 Seiten, bis die Story so richtig in Schwung kommt. Bis dahin zweifelte ich an den überschwänglichen Kritiken auf dem Umband des Buches, doch selbst danach konnte ich es immer noch nicht nachvollziehen, weshalb „dieser Roman den deutschen Literaturbetrieb ordentlich aufmischen" sollte.
Heiko Persberg aus Leipzig, genannt Heike, ist der typische Zonendödel. Nach der Wende sozialisiert, fristet er während der Fußball WM 2014 ein trostloses Dasein als Beschäftigter in einem Bestattungsunternehmen. Während sein großspuriger Chef ständig neue Geschäftsideen hat und eine dicke Karre fährt, haust Heiko in einer billigen Mietwohnung und ohne Auto in einem Leipziger Vorort.
Die Handlung beginnt, als Heiko die Leiche von Thomas, einem alten Jugendfreund, findet. Dieser hatte sich auf der Landstraße totgefahren. Die beiden schafften es nach all den Jahren, sich nur noch zum Fußballgucken zu treffen. Heiko wusste noch nicht einmal, was Thomas, der wohl stark abgedreht war, bis zu seinem Ableben gemacht hatte.
Aber er war es Thomas, dem Schlachtersohn, schuldig, ihn bei der Beerdigung zu begleiten. Und Parallel hierzu wird noch die Kindheit der drei Jugendfreunde Heiko, Thomas und Karsten erzählt. Dies bewusst immer mittendrin in der Handlung eingestreut, so dass der Leser etwas braucht, um die einzelnen Zeitsprünge nachvollziehen zu können.
Wenigstens wird die Kindheit chronologisch erzählt, so dass am Ende der Titel des Buches einen Sinn ergibt. Denn Karsten, der als junger Erwachsener in den USA sein Glück versucht, bastelt gerne Bomben, von denen „Aus unseren Feuern" eine sehr hohe Sprengkraft besitzt.
Thomas sollte sie verwalten und 2014 wird sie immer noch vermisst. Auch von der Polizei, welche Thomas des Extremismus verdächtigt. Am Ende wird sie von Karsten, welcher sich kurz vor Schluss der Handlung als in den USA Gescheiterter zurück meldet, verortet.
Sie detoniert in dem alten Schlachthof, den Thomas' Vater Anfang des Jahrtausends an einen westdeutschen Großschlachter abgeben musste und in dem sein Vater lohnabhängig beschäftigt war, um der Arbeitslosigkeit zu entgehen. Kein politischer Hintergrund also, sondern lediglich ein Vater - Sohn Konflikt.
Ganz am Ende bekommt der wortkarge Heiko sogar noch eine Frau ab. Die Bloggerin Juliane, mit der ihn seine Mutter verkuppeln wollte und die er eigentlich übelst verprellt hatte. Dazu ist Thomas unter der Erde, Karsten wieder da und irgendwie doch alles immer noch trostlos. Der Leser bleibt verstört zurück, genau wie die Figuren des Romans.
Wie schon eingangs erwähnt, ist dies ein guter Roman, wenn auch nicht der Page Turner, als der er angepriesen wird. Trostlose Jugend mit coolen Sprüchen kenne ich auch schon von „Fleisch ist mein Gemüse", um ein Beispiel zu nennen. „Jogginghosen Henry" fällt mir spontan noch ein.
Alles aus dem Westen, lediglich die Geschichte einer Jugend im Osten nach der Wende hatte ich bislang noch nicht gelesen. Kann ich jetzt also auch auf meiner To-Do-Liste abhaken.

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