Dienstag, 23. April 2019

Hartmudo: Mutter

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Etwas Neues wusste Reiner dann noch zu berichten. Er hatte einen Preis von 145.000,- € für Mutters Wohnung ermittelt. Weiß der Geier, wo er diesen Wert her hatte. Wahrscheinlich las er diesen Traumpreis auf irgendeiner Internetplattform. Schon als er diesen Preis nannte, hielt ich denselben für einen Mondpreis. Mutter hatte seinerzeit wohl 180.000,- DM für die Wohnung gezahlt. Natürlich wusste ich auch, dass die Wohnungspreise gerade in Braunschweig in letzter Zeit angezogen hatten, da die Leute gar nicht mehr wissen, wo sie mit ihrem Geld nach der Finanzkrise und der derzeitigen Niedrigzinsphase hinsollen.
Trotzdem waren 145.000,- € einfach zu hoch gegriffen. Reiner, wie auch Sunny, wollten verhindern, das wir die Wohnung für nen Appel und nen Ei - Reiner nannte da als Summe 90.000,- € - verschenken würden. Diese Ängste..., für wie dumm hielt Reiner uns eigentlich? Er bzw. Sunny und er hatten da irgendeinen wilden Betrag im Netz gesehen und meinten, das dieser Preis von uns beim Verkauf von Mutters Wohnung erzielt werden muss. Für eine Wohnung im dritten Stock ohne Fahrstuhl? Ich glaube eher, das Reiner und Sunny mal wieder die Glocken, sprich die Kasse beim Klingeln vernommen hatten. Da war dann der Wunsch Vater des Gedankens.
Das wir die Wohnung nicht blind für 90.000,- € verkaufen sollten, war natürlich auch meine Meinung. Da gab ich Reiner ja Recht. Ich schlug ihm aber auch gleich vor, dass Berta den Steuerberater von Mutter und Berta einschaltet und darüber den Makler aktiviert. Bereits im Vorfeld hatten wir dies Möglichkeit ins Auge gefasst, jetzt war der Moment dazu gekommen, zumal der Makler über die Freundin von Dörte mangels Marktkenntnis (der vertickt nur geschäftliche Objekte) ausfiel. Will sagen: Die Freundin traute es sich wohl nicht zu.
Ich denke heute, also Monate später, das Reiner und Sunny einfach nur die Maklercourtage einsparen wollten. Diese Gierlappen hatten offenbar zu kurz gedacht, zum Glück hatte Dörtes Freundin wohl gleich abgewunken. Und kann es sein, das der Betrag von 145.000,- € auch aus dieser Ecke kommt? Ohne die Wohnung gesehen zu haben?
Anstatt sich mit solchen Phantasiepreisen zu beschäftigen, sollten wir einfach einen Makler einschalten. Und der Makler über Mutters Steuerberater ist genauso gut oder schlecht wie irgendein Anderer. Der sollte einen Preis schätzen, denn es ist schließlich in seinem Interesse, das der Preis hoch ist. Bekanntlich wird die Courtage prozentual berechnet.
Ich weiß genau, das unser Vater dies so und nicht anders gehandhabt hätte. Auch Mutter hätte garantiert nichts dagegen gehabt. Und das allein reichte mir, um zu wissen, das es die richtige Entscheidung ist. So wie unsere Eltern es selbst gemacht hätten - und nicht anders. Kein Pokern um einen Preis, der nicht zu erzielen sein dürfte. Wir drei Geschwister sind keine Kenner der Immobilienpreise, und Reiner garantiert auch nicht. Mit einem Makler ist es am Besten und gut ist.
Wollte sich Sunny etwa mit irgendwelchen Interessenten, die die Wohnung auf Immoscout entdecken würden, auseinandersetzen? Um jeden Euro feilschen, bloß um festzustellen, das die Wohnung bei einem derart hohen Preis nicht zu verkaufen ist? Also ich hatte zu solchen Späßchen jedenfalls keine Lust und erst recht keine Zeit, vielleicht über Monate ein bis zweimal pro Woche nach Melverode zu eiern, um zusammen mit meinen Schwestern Interessenten für die Wohnung durch selbige zu schleusen.
Berta dürfte es ähnlich gegangen sein. Denn eines sollte ebenfalls klar sein: Wir würden alle gleichzeitig anwesend sein müssen, damit sich ja keiner hintergangen fühlt oder jemand Versprechungen macht, die dann nicht gehalten werden können, weil irgendeiner wieder quer schießt..
Nach dem Gespräch mit Reiner herrschte dann erst einmal für ein paar Tage Ruhe. Berta hatte über die Woche mit dem Bankhaus Löbbecke gesprochen und dem Bankangestellten von unseren Animositäten erzählt. Dieser kannte das wohl schon, denn er bot Berta sogleich an, das wir die notwendigen Unterschriften zur Auflösung des Kontos auch getrennt bei der Bank abgegeben könnten.
Wir müssten also nicht zusammen dort hinfahren, was für eine Erleichterung! Wenn wir alle 3 unterschrieben hätten, würde das Geld auf Mutters Konto überwiesen werden. Wieder war eine Etappe geschafft, die strittigen Punkte wurden immer weniger. Jetzt war vor allem das Wichtigste zu klären, nämlich der Verkauf der Wohnung.
Am Dienstag, dem 29. November, schrieb ich Sunny eine WhatsApp Nachricht. Neben dem Prozedere zur Kündigung des Kontos beim Bankhaus Löbbecke konnte ich ihr sogar schon einen Termin zum Treffen mit dem Makler nennen. Am folgenden Montag, dem 5. Dezember, sollte ein Treffen in Mutters Wohnung erfolgen - wo sonst. Berta hatte den Termin schnell und zielsicher für uns vorbereitet.
Hierzu bräuchte der Makler einige Papiere, die Berta vorher noch aus der Wohnung holen musste. Eingedenk der Streiterei wegen der Schmuckstücke schrieb ich Sunny auch gleich, das Berta wegen dieser Unterlagen in die Wohnung musste. Zumal Reiner und Sunny immer noch den Typen an der Hand hatten, der 1000,- € zahlen und darüber hinaus sogar die Wohnung räumen wollte. Daher müsste Berta auch noch private Papiere aus Mutters Wohnung entfernen, die dann zu schreddern wären. Private Briefe etc. möchte man ja ungern wildfremden Möbelpackern überlassen.
Groß war meine Erleichterung, dass Sunny keine Einwände gegen die Einschaltung des Maklers über den Steuerberater unserer Mutter vorbrachte. Wenn Sunny da quer geschossen hätte, dann hätte sie selber einen suchen müssen. Ich denke aber, dass Sunny wenig Misstrauen gegenüber diesen Makler hegte. Sie selbst hatte nämlich keinen weiter benennen können. Und da sie ja sowieso eine konkrete Preisvorstellung hatte (145.000,-€, das ich nicht lache), würde sie immer noch ihr Veto einlegen können, falls ihr irgend etwas nicht koscher vorkommen würde.
Nebenbei gesagt.... mit 145.000,- € rechnete selbst Sunny nicht; und auch Reiner bestand letztendlich nicht wirklich auf dieser Summe. Beide hatten wohl das Problem, dass ihnen über Dörtes Freundin diese Mondpreise vorgegaukelt wurden, obwohl die Freundin lediglich bei einem Makler arbeitete, ohne selbst Grundstücksgeschäfte abzuwickeln. Dazu war dieser Makler ja eher Spezialist für Geschäftsgebäude und kannte sich bei Eigentumswohnungen eben nicht aus. Ratschläge von unbeteiligten Dritten sollte man eben nicht zu ernst nehmen.
Am folgenden Tag kam Sunnys Antwort. Sie korrigierte sich dahingehend, das der Möbelmensch wohl keine 1000,- € zahlen wolle. Ich glaube, da hatte ich etwas dann doch falsch verstanden. Gut, dass Sunny mir dies mitteilte. Sie schrieb gleich darauf - kurz vor Sechs Uhr morgens! - von eingepackten Sachen im Flur, die sie irgendeinem Interessenten beim Flohmarkt noch aus den Fingern reißen konnte, weil der zu wenig Geld für den Inhalt zahlen wollte.
Gegen Abend dann kam Sunnys dritte WhatsApp des Tages. Der Typ würde zum Räumen der Wohnung lediglich 500,- € zahlen, dafür die Teppiche dalassen. Für den Teppiche wiederum hatte Reiner einen Kenner an der Hand. Am Sonntag, also einen Tag vor dem Treffen mit dem Makler, würde der die Teppiche in der Wohnung begutachten.

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