Montag, 22. April 2019

Hartmudo: Mutter

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Der Wohnungsflohmarkt fand also am Samstag, den 26. November statt. Ohne mich, denn ich hatte Sunnys Tiraden am Vortag genutzt, um auch vor mir selbst einen Grund zu haben, dort nicht auftauchen zu müssen. Wenn wir also Sunny unterstellen wollten, das ihr aggressives Verhalten am Freitag Nachmittag dazu diente, Berta und mich von der Teilnahme am Flohmarkt abzuhalten oder auch uns von Nachfragen wegen des Notizbuches abzuhalten, dann kann man mit Fug und Recht ebenfalls behaupten, das mein Verhalten am Vortag das Kalkül zum Ziel hatte, am Samstag auf dem Wohnungsflohmarkt nicht erscheinen zu müssen.
Meine Löwin und ich hatten an diesem Samstag nichts weiter vor, so weit ich mich erinnern kann. Aber weder fragte ich bei Sunny oder auch Berta nach, wie es gelaufen ist, noch wurde ich angerufen. Für mich war es richtiggehend eine Befreiung, an diesem Tag nicht in Mutters Wohnung stehen zu müssen und Geschirr oder auch Schmuck verhökern zu müssen.
Ich brauchte an diesem Tag auch den Abstand von Sunny, um wieder klarzukommen. Die misslungene Vorbereitung des Flohmarktes am Vortag hatte mich einige Körner gekostet, und das nicht nur, weil ich mich wegen meines asozialen Spruches schämte. Sunny hatte durch ihr unangenehmes Auftreten in der Wohnung sämtliche eventuell noch vorhandenen Sympathien verspielt. Dies war jetzt bereits das dritte unangenehme Treffen nach Mutters Tod mit Sunny; lediglich bei Mutters Beerdigung war die Stimmung zwar angespannt, aber wenigstens noch ertragbar.
Beim Treffen am Freitag war das definitiv nicht der Fall. Und meine Löwin anzumisten, dass sie nichts zu sagen hätte, war schon kurz vor Liebenburg. Nein, selbst wenn wir uns jemals wieder auch nur halbwegs vertragen sollten, so dass wir bei einer Familienfeier an einem Tisch sitzen könnten, wird es niemals wieder so sein wie in den 80ern des letzten Jahrhunderts, als wir zusammen mit Vater nach Lanzendorf gefahren waren. Sunny ist mir so richtig unheimlich geworden. Ich möchte mich emotionell nicht mehr auf sie einlassen, auf gar keinen Fall.
So war der Samstag erfrischenderweise schön ruhig - erst am Sonntagmorgen klingelte das Telefon. Natürlich war Sunny in der Leitung und ätzte auch schon auf höchster Betriebstemperatur. „Warum habt Ihr gestern den Schmuck mitgenommen?" kreischte sie schrill. Ich wusste gar nicht, wovon sie da sprach, denn ich war weder dabei gewesen noch hatte ich zu diesem Zeitpunkt auch nur irgendwelche Informationen, wie der Wohnungsflohmarkt gelaufen war.
Sunny erzählte es mir noch nicht einmal! Sie plusterte sich nur tierisch auf, weil angeblich Gundula - also „wir" - irgendwelchen Schmuck wieder mitgenommen hätte. Wäre schön gewesen, wenn Sunny berichtet hätte, ob und wie viel sie verkauft hatte. Zwar wollte ich nichts von dem Geld haben, das hatte ich am Freitag in der Wohnung laut und deutlich gesagt, aber interessiert hätte es mich schon.
Zugegebenermaßen allerdings nicht so sehr, dass ich Sunny darauf angesprochen hätte. Die Blöße wollte ich mir nicht geben, dass sie mir dann noch mit „Hättest ja selbst vorbeikommen können!“ rüberkommt.
So aber sagte ich nur kurz in ihre Aufregung hinein, das ich nichts vom mitgenommenen Schmuck weiß. Ich erwähnte noch kurz, das wir uns wegen der Kündigung des Bankkontos bei Löbbecke treffen müssten, dann legte ich auf. Überraschenderweise hatte ich dieses Telefonat relativ emotionslos (von meiner Seite) führen können. Heute glaube ich, das der Termin am Freitag zuvor mich gelehrt hatte, das ich mich nicht auf Sunny's Emotionen einlassen sollte.Sicherlich hatte mein asozialer Spruch und mein Erschrecken ob dieser unangemessenen Pöbelei zu dieser Erkenntnis geführt.
Deshalb konnte ich es auch ziemlich locker nehmen, als Sunny sich wenige Zeit später per WhatsApp für ihren Wutausbruch gerade zuvor entschuldigte. Der Schmuck stand einfach nur an einer anderen Stelle. Reiner und sie waren da wohl gerade in Mutters Wohnung, um Strom und Wasser abzulesen.
Außerdem seien noch Leute in der Wohnung, die einige Gegenstände kaufen wollten. Hierauf reagierte ich erst einmal nicht. Wichtiger war mir die Feststellung, das wir alle 3 „runterkommen" müssten. Denn diese überhitzte Atmosphäre war nun nicht gerade zielführend. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass unsere Eltern dieses Verhalten gut geheißen hätten. Insbesondere Vater würde sich garantiert mehrfach im Grab umgedreht, hätte er mit ansehen müssen, wie seine Kinder sich gegenseitig zerfleischen.
Erneut erinnerte ich meine Sestra an den Termin bei Löbbecke zur Auflösung dieses Kontos. In ihrer Antwort ging Sunny darauf aber nicht ein. Ihr Fokus lag in der Wohnung; sie meinte, es wäre gut, wenn wir kommen könnten. Daraufhin rief ich doch tatsächlich Berta an, doch die war nicht zu erreichen. Und so lautete dann auch meine Antwort auf Sunny's Anfrage: „Ich kann nicht und Berta habe ich nicht erreicht".
Auf Sunny's Frage per WhatsApp, was sie machen soll, hatte ich dann nicht mehr reagiert. Die wollten wohl Möbel und die Küche (komplett?) und „vieles mehr" kaufen, aber ich war für dieses Wochenende komplett „durch" mit dem Thema. Nach einer halben Stunde wusste Sunny zu vermelden, das die Leute wieder gegangen sind.
An diesem Sonntagmorgen befanden sich der Flohmarkt vom Vortag und Sunnys Befindlichkeiten eher nicht im Fokus, da ich noch etwas vor hatte. Zweimal 45 Minuten mit dem Fahrrad, eine schöne Strecke. Und zwischen Hin- und Rückfahrt galt es noch, ein oder zwei Bierchen zu schütten. Das kann nur eins bedeuten: An diesem Sonntag war mal wieder Weihnachtsmarkt in Groß Schwülper, da musste ich natürlich noch hin. Aus diesem schönen Grundt fiel meine Reaktion auf Sunny auch so lustlos aus.
Dort angekommen, traf ich dann witzigerweise auf Berta und Bud, obwohl... Eine Überraschung war das sicherlich nicht, denn ich hatte im Vorfeld mitbekommen, das die Beiden auch dorthin wollten. Sofort erzählte ich Berta von meiner Konversation mit Sunny vom Vormittag und fragte sie, ob sie etwas von Gundula und Eveline gehört hätte.
Jawohl, jetzt interessierte mich der Verlauf des Wohnungsflohmarktes doch noch. Aber Berta wusste nichts wesentliches zu berichten. Der Verkauf war wohl nicht so großartig gelaufen, das hatten Berta und ich uns aber schon vorher gedacht. Sunny hatte selbstverständlich die Einnahmen mitgenommen, doch sie hatte weder Gundula noch Eveline die erwirtschaftete Summe genannt. Irgendwann später stand übrigens ein Betrag von knapp über 200 € im Raum, Sunny hatte dies geäußert. Ich weiß allerdings nicht mehr, bei welcher Gelegenheit dies war.
Später am Abend reichte mir meine Löwin zuhause zu meiner nicht geringen Überraschung nochmals den Hörer. Reiner war dran; Sunny war wohl doch knurrig ob meiner fehlenden Reaktion bei ihrer letzten Nachricht. Laut Reiner hätte da jemand 1000,- € für Möbel und Küche geboten, aber Sunny wollte ohne Bertas und meine Zustimmung nicht verkaufen.
Ich sagte Reiner, das sie das ruhig hätten machen können. Mir war das eh egal, die hätten das ebenso verschenken können. Von Berta sprach ich hierbei nicht. Überhaupt war mir das zu albern. Ich mochte nicht wegen jedem Furz und Feuerstein gefragt werden, denn meine Zustimmung einholen bedeutet ja auch das Abschieben von Verantwortung. Letztendlich waren Berta und ich dem Flohmarkt fern geblieben, da hatten wir uns bereits aus der Verantwortung gestohlen. Mit Fug und Recht hätte sie das selbst entscheiden können.
Und außerdem: Wenn ich nach Meinung von Sunny was „Falsches" entscheide, wobei ich das ja eh nicht beurteilen kann, dann bin ich der Buhmann und nicht meine Sestra. Ich kenne solchen Käse zur Genüge und habe da keinen Bock mehr drauf.

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