Dienstag, 29. November 2016

Contramann: Was soll schon sein, eine Polemik 1/2

Anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Wiedervereinigung am 3. Oktober kam es in Dresden wohl zu Pöbeleien. Die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident waren dort bei der Hauptkundgebung zu diesem Ereignis zugegen und sprachen wohl die üblichen gesalbten Worte. Pfiffe, Buhrufe und "Wir sind das Volk" schallte ihnen von einer Gruppe Unzufriedener entgegen.
Für die Medien waren dies Pegida- und AfD-Anhänger, vielleicht noch Wutbürger. Der Begriff des „Völkischen", den die AfD Vorsitzende Petry von der Nazivergangenheit entstauben und positiv besetzt wissen wollte, wurde diesen Leuten von den Medien gleich um die Ohren gehauen. Auch ich bin der Meinung, das das „Völkische" aufgrund der unsäglichen deutschen Geschichte gar nicht geht. Daran hätte sich Frauke Petry nicht die Finger verbrennen sollen, weil derart rassistische Begriffe nicht mehr in die heutige Zeit passen.
Denn durch die Verwendung dieser faschistischen Begriffe wird vollkommen vergessen, das es den „Krakeelern" in Dresden am Feiertag wie auch den vielen anderen Unzufriedenen in diesem Land weniger um die Überfremdung als um soziale Gerechtigkeit geht. Die wenigen richtigen Nazis, die zugegebenermaßen bei solchen Veranstaltungen die Klappe ganz weit aufreißen, „kannst Du ruhig vergessen, die sind wie ihre Alten".
Dieses Zitat von Peter Hein musste an dieser Stelle sein. Diese Schreihälse sind genau das, was unsere Regierungsparteien wie auch Medien und obere Zehntausend brauchen. Es lenkt von den wirklich wesentlichen Kritikpunkten an den derzeitigen Zuständen in diesem Land, also nicht diesem Volk, ab. Daher kann ich zur Aufregung über diese Zwischenrufer nur sagen: Was soll schon sein?
Eines Morgens Anfang Oktober ist mir auf dem Weg zur Arbeit kurz vor der Bushaltestelle eingefallen, das die ganze Misere und Aufregung über die ungebildeten und uninteressierten Menschen gekünstelt ist. Denn die „Idioten", die den Faschisten hinterherlaufen sollen, fallen ja nicht einfach so vom Himmel. Das Problem ist hausgemacht.
Kurz nach der Geburt geht es los. Die Kinder werden in einen Kindergarten auf die Schule vorbereitet und in einem Hort aufbewahrt, falls beide Eltern oder die Alleinerziehende arbeiten müssen. Bei Arbeitslosigkeit oder Aufgabe der Erwerbstätigkeit zugunsten der Kindererziehung kommt ein Kind natürlich trotzdem in den Kindergarten, obwohl die Mutter vielleicht den eigenen Job wegen der Kindererziehung aufgegeben hat.
Was macht Mutti dann am Vormittag, wenn das Kind im Kindergarten ist? Da ist doch gar keine Erziehung. Und wenn der Staat es hinbekommen hätte, Ganztagsbetreuung für Kinder flächendeckend anzubieten? Würden solche Mütter dann etwa weiterarbeiten? Ich glaube nicht. Bei Arbeitslosigkeit könnte man zudem noch einwenden, das Mutti dann wenigstens etwas Sinnvolles zu tun hätte, wenn sie das Kind betreuen würde und eben nicht in den Kindergarten abschieben würde.
Nicht das wir uns jetzt falsch verstehen, ich bin schon für den Besuch ALLER Kinder im Kindergarten, weil es besser für die Sozialisation der heranwachsenden Neubürger ist. Heute gibt es leider zu wenig Kinder, auf der Straße sind kaum welche zu entdecken. Und ehe sie zu Hause versauern oder Mutti sie durch die Gegend zum nächsten Event schippern muss, lernen sie im Kindergarten schon früh eigenständig zu sein.
Wäre zumindest schön, aber ich habe da so meine Zweifel. Aufgrund der schlechten Personal- und Raumausstattung werden die Kinder dort doch eher aufbewahrt und hinterher in die Obhut der überlasteten Eltern gegeben. Diese sind dann entweder degeneriert vom ganztägigen Fernsehkonsum, weil arbeitslos, oder gestresst, weil im Job mal wieder so viel los war. Dann werden die Kinder vor dem Fernseher abgeladen und gut ist.
Nach dem Kindergarten folgt die Schule. Lesen, Schreiben, Rechnen lernen, so war das mal gedacht. Und wer dies besonders gut konnte, ging später aufs Gymnasium und anschließend studieren. Für die Kinder aus ärmeren Familien gab es ab den 70ern finanzielle Hilfen wie Bafög, was zumindest einem Teil dieser Kinder den Besuch einer höheren Schule ermöglichte.
Und heute? Da ist der Leistungsdruck dermaßen hoch, weil ein simpler Realschulabschluss nicht mal mehr für eine Ausbildung reicht. Hauptschule ist ja quasi schon Sonderschule. Kinder aus einem entsprechenden Haushalt, in dem die Eltern schon längere Zeit ohne Arbeit sind, wenn sie überhaupt schon einmal gearbeitet haben, sind heutzutage relativ chancenlos, wenn wir über weiterführende Schulen sprechen.
Weil die Kinder so gut wie gar nicht mehr auf der Straße spielen, kommen sie miteinander auch immer weniger in Kontakt. Der finanzielle Status der Eltern bestimmt den Wohnort mehr als früher, es kam spätestens seit den 80ern verstärkt zu Ghettobildungen.
Ich hatte noch die Chance, in den 60er und 70er Jahren mit Kindern aus „besseren Kreisen" aufzuwachsen. Mein Vater hatte gearbeitet und meine Mutter suchte sich 69 noch Arbeit, weil ihr das Leben als Hausfrau zu öde war. Der Bildungsgrad meiner Eltern war Volksschule. Aber auch damit konnten die Menschen einen Job ergattern, mit dem sie eine Familie ernähren konnten.
Die Einkommensunterschiede waren - anders als heute - nicht so groß. Auch meine Eltern konnten sich ein Reihenhaus mit Akademikern als Nachbarn leisten, allerdings kein Auto mehr. Ich habe davon enorm profitiert. Dank Freunden wie Kroll oder auch Jopi war ich bildungshungrig genug, um in der Schule gute Leistungen zu zeigen und mein Abi zu machen. Das ich vor einem Hochschulstudium gekniffen habe, ist meiner Faulheit geschuldet.
Die Kinder heutzutage tun mir einfach nur noch leid. Sie werden durch die Schule gehetzt, immer auf der Jagd nach guten Noten, weil anschließend der Numerus Clausus, der eigentlich schon besiegt war, über den Studienplatz entscheidet. Da ist der Leistungsdruck enorm und viele Talente bleiben da einfach psychisch auf der Strecke.

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