Donnerstag, 1. Dezember 2016

Contramann: Was soll schon sein, eine Polemik 2/2

Die „Abgehängten" aus den bildungsfernen Schichten haben zugegebenermaßen weniger Stress. Da sie es sowieso kaum aufs Gymnasium schaffen, lassen sich viele richtig hängen und ziehen dies Verhalten bis zum Schulabschluss durch. Nun darf der Staat versuchen, diese Kids über Bildungsmaßnahmen an das Arbeitsleben heranzuführen. Und egal, welche Bildungsmaßnahme so ein Kind dann durchläuft, ein dem Abitur gleichwertiger Abschluss ist nicht vorgesehen. Und selbst ein Realschulabschluss hilft nicht wirklich weiter.
Also bleibt diesen Kids nur noch die Chance, bei McDonalds anzuheuern (die bezahlen sogar noch halbwegs ordentlich) oder andere Tätigkeiten im Niedriglohnsektor wahrzunehmen. In der Autowaschanlage, beim Gyrosbräter oder als Security Mann. Diese Liste ist natürlich beliebig erweiterbar.
Das diese Menschen, egal ob sie diese beschriebenen Karrieren noch vor sich haben oder schon mittendrin sind, nicht gerade jubeln, wenn unsere Kanzlerin die Grenzen öffnet und über eine Million Flüchtlinge ungeprüft ins Land lässt, sollte eigentlich auch jedem Abiturienten einleuchten. Wenn diese Flüchtlinge darüber hinaus pauschal noch als „Segen" für den deutschen Arbeitsmarkt wegen des angeblichen Facharbeitermangels bezeichnet werden, obwohl von Anfang an klar sein musste, dass die allermeisten dieser Flüchtlinge noch nicht einmal in ihren Heimatländern eine dem deutschen Hauptschulabschluss vergleichbare Schulbildung genießen durften, dann sind die Ängste der Angehängten dieses Landes mehr als nachvollziehbar.
Und keiner aus den etablierten Parteien stellt sich hin und fordert eine Bildungsoffensive zumindest für die Kiddies des Prekariats, denn bei den Erwachsenen würde das eh nicht mehr fruchten. Nur die Linken fordern dies vehement, aber es ist ja die bekannte Tragik der deutschen Geschichte, das ausgerechnet die Zielgruppe der Linken, das Prekariat, diese Parteien nicht wählt und lieber darauf wartet, dass sich die braunen Horden wieder aufstellen.
Und wie seinerzeit in der Weimarer Republik machen sich heuer die Medien mit daran schuldig, die Links orientierten Parteien zu diskreditieren, um den etablierten Parteien die Macht zu erhalten und damit den „oberen Zehntausend" ihre Pfründe zu sichern. Ja, sie haben gelernt, unsere Journalisten. Heutzutage werden rechte Kräfte wie NPD oder erzkonservative wie die AfD fast noch stärker bekämpft als die Linke.
Aber sie begreifen nicht, das sich mittlerweile selbst ein ungebildeter Mensch im Internet bei einer Vielzahl von Quellen selbst informieren und dann die bisher seriösen Quellen wie Tagesschau und Heute als Medien wahrnehmen kann, die bewusst Informationen verfremden, verkürzen oder sonst wie durch den Wolf drehen, bis das gewünschte Ergebnis steht.
Zu den abgehängten Kids gesellen sich noch die Erwachsenen, welche die beschriebene Sozialisation bereits hinter sich haben und sich zur Zeit vielleicht von einem zum anderen Gelegenheitsjob hangeln. Oder die nach langjähriger Erwerbstätigkeit in die Arbeitslosigkeit rutschen, weil der Betrieb pleite geht oder Personal abbauen muss, um die restlichen Arbeitsplätze erhalten zu können. Oder, oder, oder.
Allen diesen Menschen ist gemeinsam, das sie von der Hand in den Mund leben und keine Ersparnisse „fürs Alter" zurücklegen können. Sie werden über Hartz IV und andere soziale Sicherungssysteme alimentiert und haben gefälligst ruhig zu sein, denn „fast überall in der Welt müssen die Leute für die Kohle, die so ein Faulenzer kriegt, auch noch arbeiten."
So ist häufig die Meinung derjenigen, die einen festen und vernünftig bezahlten Job ihr Eigen nennen dürfen. Wobei es selbst bei diesen Menschen mehr und mehr dämmert, das ihr lieb gewonnener Lebensstandard nicht so sicher ist, wie es scheint. Die immer weiter gehende Automatisierung der Arbeitswelt setzt immer mehr hochqualifiziertes Personal frei, als nächstes in den klassischen Büroberufen. Einen ausgebildeten Verkäufer braucht man bei Amazon nicht, nur nen Lagerarbeiter. Der ist billiger.
Diese ganzen Menschen treten auf der Stelle und sie wissen, was ihnen später im Rentenalter passiert. Sie werden dank sinkender Renten und schlechter Erwerbsbiographien zum Sozialamt Rennen müssen. Dann werden sie im Endeffekt genauso alimentiert wie „der Säufer vom Kiosk, der noch nie in seinem Leben gearbeitet hat". Die Horrorvorstellung des deutschen Bürgers schlechthin.
Dank dieser ganzen Ängste sind diese Leute nicht mehr bereit, den etablierten Parteien zuzuhören. Und wie in der Weimarer Republik lassen sie sich zuerst von diesen Parteien überreden, den Parolen „linker" Parteien nicht zu glauben. „Wer soll all die sozialen Segnungen bezahlen" ist das gängige Totschlagargument.
In Deutschland interessiert sich die Mehrheit der Bevölkerung eben nicht für Politik, ein rascher Überblick mittels der Tagesschau muss da reichen. Damit man mitreden kann - nur darum geht es. Niemand möchte als dumm oder uniformiert erscheinen, obwohl die Menschen zumeist nur die Überschriften kennen. Inhalte Fehlanzeige.
Dabei kann man sich im Netz hervorragend informieren, wenn man es möchte. Aber wer geht denn schon das Risiko einer Kindermeinung ein? Man könnte sich ja „lächerlich" machen oder Schwierigkeiten bekommen. So ist er, der deutsche Michel.
Das nützen die AfD wie auch noch üblere Gestalten für sich aus. Einfache Parolen, die alles versprechen, und die Angehängten laufen ihnen hinterher. Sieht man in das Programm der AfD, stehen durch neoliberale Phrasen wie die Privatisierung der Krankenversicherung oder Wegfall des Kündigungsschutzes drin, die diese Leute garantiert nicht umgesetzt haben wollen.
Das die Leute stattdessen nicht die Linken wählen, kann ich mir nur so erklären, das sie sich zwar abgehängt fühlen, weil sie es ja auch sind, andererseits aber nicht bereit sind, die sprichwörtliche soziale Hängematte zu verlassen.
Wenn wir nicht alle aufpassen, haben wir uns wieder ein faschistischen Regime angelacht. Und das nicht zuletzt dank der Intellektuellen, die ihrerseits blind und fanatisch jeden in die rechte Ecke drückt, weil er aus Unwissenheit den richtigen Parolen, aber den falschen Leuten nachläuft.
Es ist doch ganz einfach, liebe Politiker der etablierten Parteien, liebe Medienvertreter und andere meinungsbildende Gruppierungen. Sorgt wieder für mehr politische Bildung der Kinder, wie damals in den 70er Jahren, und gebt allen Menschen eine Perspektive für ihr Leben. Ein stumpfes „weiter so", wie wir es des Öfteren von unserer Kanzlerin hören, kann es doch nicht sein.

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