Samstag, 19. März 2016

Udorallala: Top Songs 1/?

Im Dudel-Radio spielen sie gerne die Hits der 70er oder 80er, doch „meine“ Hits sind da nie dabei. In loser Folge schreibe ich deshalb über einzelne Songs und warum sie so wichtig, bahnbrechend oder anders wie bedeutend sind. Für mich, für Dich, für uns alle.
Ding Dong – That`s my Song!

Sex Pistols – God save the Queen
Meines Wissens war dies der erste Song der Popgeschichte, der es trotz Radioboykotts 1977 schaffte, sich sofort mit der Veröffentlichung in den britischen Verkaufscharts an die Spitze auf Platz 1 zu setzen. Allerdings musste ich soeben auf Wikipedia lesen, das „God save the Queen“ am 2.6.1977 auf Platz 2 der Charts eingestiegen sei. Böswillige Gerüchte behaupten wiederum, dass der Song auf Platz 2 trotz besserer Verkaufszahlen als „First Cut is the Deepest“ (na, wer hat`s gesungen?) gesetzt wurde, um die Queen anlässlich ihres 25jährigen Thronjubiläums nicht zu brüskieren.
Anyway, allein diese Story zeigt, dass die Pistols mit jenem Song am besten gezeigt hatten, dass Rock & Roll als Lebenseinstellung durchaus auch ein politisches Statement braucht, selbst wenn sich die meisten Fans der damaligen Punk Bewegung heutzutage nicht mehr hinter diese Parolen stellen möchten:
„God save the queen
The fascist regime
They made you a moron
A potential H bomb”
Derart direkte und aggressive politische Ansagen war die seinerzeit schon weichgespülte Welt des Rock & Roll Circus nicht gewohnt. Überhaupt war ja Mitte der 70er Jahre der einstmals revolutionären und den allgemeinen Lebensstil bedrohenden „Hottentotten“ Musik der 50er und 60er Jahre die Kraft abhandengekommen und sie wurde zur profitablen Geldmaschine der Unterhaltungsindustrie. Gruppen wie Pink Floyd oder Genesis, ELP oder selbst Deep Purple frönten einem Bombast Rock (Led Zep nicht zu vergessen), dem bei aller zugestandener Qualität etwas Entscheidendes fehlte:
Die Kürze des Songs. Strophe Refrain Strophe Refrain Solo Strophe Refrain. Mehr brauchte es seit Bill Haley nicht und auch die Beatles oder Stones erarbeiteten sich so ihren Weltruhm. Der Punk der Endsiebziger besann sich dieser Tradition und gab als letztes Lebenszeichen einer ehemals rebellischen Jugendkultur noch provokante politische Statements ab.
Die Sex Pistols galten da als Speerspitze dieses letzten großen Aufbäumens mittels Rockmusik. Nicht nur „God save the Queen“, sondern auch „Anarchy in the UK“ oder „Holidays in the Sun“ spuckten dem Zuhörer die blanke Verachtung für das politische System ins Gesicht.
Gut, singen konnte Johnny Rotten nicht wirklich, aber vielleicht wirkte sein Gesang gerade deshalb authentisch. Das Sid Vicious bei „God save the Queen“ zwar schon Mitglied der Pistols war, aber bei der Aufnahme nicht mitwirkte, fällt nicht wirklich auf. Aus heutiger Sicht ist sicherlich die Gitarrenarbeit von Steve Jones erwähnenswert, der sich in späteren Jahren zu einem Top Gitarristen mausern sollte.
Streng genommen ist dieser geniale Song kein Punk, sondern eher dem Hard Rock zuzuordnen. Nur der nölig-schnoddrige Gesang von Rotten und das Image der Band machten es zu dem strahlenden Beispiel einer Musikrichtung, die in dem Moment tot war, in dem die ersten Musiker Erfolge feierten.
Die Pistols beherrschten die Gazetten für vielleicht eineinhalb Jahre, da waren sie heißer als Ochsenfett. Wie wir heute wissen, war die politische Aussage hinter den Songs eher aufgesetzt statt Programm – die Musiker, allen voran Vicious, der tragischen Figur des Punk, waren hierfür eh zu hohl im Schädel. Malcolm McLaren, ehemals auch Manager der New York Dolls, hatte die Pistols durch geschicktes Marketing gepuscht.
Bereits 1978, anlässlich einer Tour in den USA, kam mit dem Ausstieg von Rotten das Ende. Der erhoffte Erfolg mit der Tournee blieb aus, der Rest der Band brachte noch „the great Rock n Roll Swindle“ auf Vinyl, konnte damit aber nicht an den Erfolg der einzig wahren LP der Pistols – „never mind the Bollocks, here`s…“ – anknüpfen.
Aber für einen kurzen Moment der Musikgeschichte zeigte „God save the Queen“ (eigentlich sollte der Song ursprünglich „no Future“ heißen), wie machtvoll ein Song das Gefühl von Millionen von enttäuschten Jugendlichen auszudrücken vermag.

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