Montag, 23. April 2018

Hartmudo Spezial: Mutter

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Zwei schöne Tage blieben wir bei Kroll und Jenny. Abends spielten wir Doppelkopf und tagsüber verließ zumindest ich die Wohnung nicht, zu schlaff. Nur meine Löwin brauchte frische Luft und einen Spaziergang, ich selbst war dazu viel zu kaputt. Eintracht Sieg in Aue konnten wir noch bewundern, am Montagmorgen fuhren wir dann über den Super U in Frankreich zurück nach Braunschweig.
Am Mittwoch um 11.45 Uhr stand ja die Seebestattung von Mutter in Travemünde an. Danach würde ich endlich etwas Ruhe finden können, die ich dringend benötigte, da der Urlaub bisher auch anstrengend war. Im Job war zu der Zeit auch mächtig viel los, zwei Langzeitkranke im Team mussten meine Kollegas und ich ersetzen.
Schon bei der Abfahrt nach Travemünde Mittwoch früh war ich schwer genervt. Von der Fahrt nach Laboe hatte ich noch die ewig langen Baustellen in Erinnerung. Ebenso das ständige Granteln von Bud über das Navigationsgerät. Die Zankereien zwischen Berta und Bud wollte ich mir nicht antun, also setzte ich mich freiwillig zu meiner Löwin nach hinten auf die Rückbank des Daimlers.
Die Vorfreude auf die Begegnung mit Sunny hielt sich ebenfalls in Grenzen. Dazu hätte ich am Abend zuvor auch lange mit Berta wegen dieser Angelegenheit telefoniert. Ich hatte das Gefühl, das ich in diesem Jahresurlaub bisher gar nicht zur Ruhe gekommen war. So oder so, meine schlechte Laune war mir anzusehen und nervte meine Löwin sichtlich.
Ich steigerte das „Vergnügen" noch während der Fahrt, weil ich irgendwann nicht mehr richtig sitzen konnte. Das rechte Knie schmerzte und ich schaute dementsprechend leidend und vorwurfsvoll. Aber das mal zu sagen, das ich so nicht mehr sitzen konnte, kam ja gar nicht in die Tüte.
Da waren sie wieder, die Gene meiner Mutter. Wenn es mir schlecht geht, sollen die anderen wenigstens unter meiner miesen Laune leiden müssen. Nach einer Pinkelpause war es meiner Löwin zu bunt geworden. Schon leicht fauchend fragte sie mich, was denn los sei. „Sag doch was!"
Kleinlaut erzählte ich von meiner Malaise mit dem Sitzen, denn ich wusste ja, das sie Recht hat. Außerdem hatte ich gar keine Lust auf die ganze Aktion, sie war mir sogar zuwider. Berta und ich tauschten die Plätze, so das ich jetzt neben Bud saß. So langsam kam ich besser drauf, hielt mich mit meiner sauertöpfischen Miene etwas zurück und redete ein wenig mit Bud und unseren Frauen.
So verging die Fahrt nach Travemünde doch noch erträglich, zumal wir nur an einer Stelle kurz mal in einen Stau gerieten. In Travemünde parkten wir auf einem bewachten Parkplatz in Nähe am Kai, mussten aber noch das Bäckereicafe, also den Treffpunkt, finden. Meine Löwin und Berta wollten die Gelegenheit nutzen und noch ein wenig in den Geschäften stöbern. Im Schlepptau hatten sie zwei missmutige und fußlahme Kerle an der Backe.
Und es kam, was kommen musste. Die Strecke bis zum Cafe zog sich hin, denn wir wussten nicht genau, wo das sein sollte. An der Stelle, wo der Platz zwischen der Strandstraße mit den Geschäften und dem Kai so breit wurde, dass sogar eine weitere Häuserreihe dazwischen passte, geschah es.
Bud und ich sollten vor einem Bäcker warten, während Berta und Bud über die Straße Richtung Kai gingen, um dort nach dem Schiff zu suchen. Denn hinter dem Kleiderladen an der Ecke der Häuserreihe vor dem Kai war nichts mehr vom Wasser und möglichen Schiffen zu sehen. Und da Bud und ich eh im Tempo der Galapagos Schildkröten unterwegs waren, machte das auch Sinn.
Wahrscheinlich waren die Mädels auch froh, die beiden Trauerklöße endlich los zu sein. Als die Mädels dann aber nach ner halben Stunde immer noch nicht zurück waren, wurden Bud und ich unruhig. Ich bin bis heute fest davon überzeugt, das meine Löwin und Berta nur an den Kai vorgehen und dort gucken wollten, ob sie das Schiff sehen. Das sie dann um die Ecke gegangen sind, ist ja auch noch o.k., weil man dann gleich zum Schiff vorpreschen kann.
Meine Löwin meinte später im Auto dazu, das sie eigentlich bis zum Schiff selbst laufen und erst dann zurückkommen wollten. Hier lag wohl ein Kommunikationsproblem vor, denn genau das hatten Bud und ich anders verstanden, sonst hätten wir uns beim Bäcker hingesetzt und einen Kaffee getrunken. Was wir nach Meinung unserer Frauen hätten machen sollen.
So jedenfalls wurden Bud und ich mit der Zeit immer unruhiger. Wir hatten zwar noch Zeit bis um 11.45 Uhr, der Zeit, um die das Schiff mit unserer Trauergemeinde ablegen sollte. Und die Mädels wollten ja eh den Aufenthalt in Travemünde nutzen, um sich in den vielen kleinen Geschäften noch etwas umzusehen.
Nach ner halben Stunde war ich es, der Bud mit sich zog. Bud konnte sich noch erinnern, das das gesuchte Bäckereicafe noch ein Stück weiter die Straße rauf sein musste. Denn vor 3 Jahren, anlässlich der Seebestattung von Walter, waren wir schon einmal dort gewesen. Ich hatte diese Erinnerung zwar nicht, zog dann aber mit Bud in die grobe Richtung.
Unsere Frauen verorteten wir in den diversen Geschäften auf den Weg. Ich hätte meine Löwin auch angerufen, aber sie hatte auf ihrem neuen Handy auch noch eine neue Nummer, ihre alte war noch nicht umgeschaltet gewesen und die neue Nummer hatte ich natürlich nicht gespeichert.
Grummelig waren wir beide schon den ganzen Morgen gewesen, da passte das plötzliche Verschwinden unserer Frauen noch gut dazu. Wir gingen auf der Straße mit den Geschäften weiter in die vermutete Richtung, zumal wir unsere Frauen in irgendeinem Geschäft auf frischer Tat erwischen wollten. Den Kai selbst sahen wir daher nicht.
Nach 10 Minuten kamen wir zu einer Ecke, die ich wiedererkannte. Das Bäckereicafe! Hier hörte die zwischen Kai und Strandstraße liegende Häuserzeile auf, so das ich wieder den Kai, den Ostpreußenkai, sehen konnte. Gleich als erstes fiel mir Wolfgang ins Auge, der draußen am Kai mit seiner Tochter auf dem Arm stand.
Als ich ihn fragte, wo der Rest aus Sunnys Truppe sei, zeigte er auf das Café, und jawoll, dort saßen sie auch und hatten Kaffee und Kuchen vor sich stehen. Ich selbst konnte nen Kaffee auch dringend gebrauchen, etwas hungrig war ich dazu.
Bud wollte partout draußen auf Berta und meine Löwin warten, denn die waren nicht zu sehen. Sollte er, ich hatte Schmacht. Ich zog mir einen Pott Kaffee und ein Hefeteil rein. Da ich großen Wert auf die Gemeinschaft trotz des heftigen Streits mit Sunny vor ein paar Tagen legte, setzte ich mich zu der Mannschaft an den Tisch.
Hätte ja auch irgendwie blöd ausgesehen, wenn ich mich woanders hingesetzt hätte. Zeichen setzen war sicherlich angesagt. Schön wäre es nur gewesen, wenn sich Sunny, Reiner und Dörte auch um ein konstruktives Gespräch bemüht hätten. So aber stocherte ich im Nebel der Erinnerungen, über welches Thema ich mit der Mannschaft ins Gespräch kommen könnte.
Sicherlich sprach ich das brisante Thema „Schmuck und Wertgegenstände" nicht an, es wäre kurz vor der Seebestattung von Mutter auch kontraproduktiv gewesen. Wenigstens in diesem Punkt schienen wir uns einig zu sein. Doch diese Einsilbigkeit von Sunny und Reiner ging mir auf den Senkel, da bin ich leider ein gebranntes Kind.
Ich fühle mich in Gesellschaft immer dann unwohl, wenn keiner was sagt. Wenn die Atmosphäre sichtlich angespannt ist, versuche ich krampfhaft, die Runde in ein Gespräch zu zwingen. Das wird und wurde mir als Schwäche ausgelegt, es ist ja auch viel cooler, zu schweigen und in Ruhe den Anderen, also mich, stottern zu lassen, weil der sich allein auf weiter Flur um ein flüssiges Gespräch abquälen darf.
Schließlich wurde ich erlöst. Irgendwann erschienen Berta und meine Löwin, Bud kam auch gleich mit rein. Sie setzten sich an den Nebentisch, denn bei Sunny war nichts mehr frei. Nach wie vor wollte ich beide Gruppen verbinden, der Graben zwischen uns war spürbar. Im Angesicht von Mutters letzter Fahrt hätte ich es bevorzugt, wenn wir uns wenigstens für einen halben Tag als zusammengehörig betrachtet hätten. Mutter hätte dies sicher so gewollt, da kann man auch mal über seinen Schatten springen.
Bitte nicht falsch verstehen: Meine Kritik bezieht sich nicht auf meine Löwin oder Berta, sondern ausschließlich auf Sunny und Co. Natürlich lebt jeder von uns seine nicht enden wollende Selbstgerechtigkeit aus, aber wenigstens einmal Mutter zuliebe... Na ja, vielleicht sehe ich das auch falsch oder zu eng. Reiner und Sunny stecken wohl zu sehr in ihrer eigenen Welt zwischen Pferdestall und Schützenverein fest.

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