Sonntag, 23. April 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

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Dienstag, 23.8. Heute stand der Termin in Stöckheim an. Das Curanis Heim am Stöckheimer Markt ist noch sehr neu und hat einen tadellosen Ruf. Das war von Sunny gut ermittelt worden, und so hatten wir heuer den Termin um 15.00 Uhr. Ich fuhr mit der Straßenbahn vom Bahnhof aus direkt nach Stöckheim. Bei der Arbeit hatte ich etwas eher Feierabend gemacht und kam kurz nach dem Terminbeginn an.
Bei schönstem Wetter schlenderte ich in Richtung des Heims und sah als erstes Bud, der gerade an seinem Kofferraum rumwerkelte. Meine Schwestern und Mutter waren schon im Heim, wusste er zu berichten. Da musste ich ich mich wohl oder übel auf die Suche nach den Mädels machen.
Ich hatte vor diesem Treffen ein zwiespältiges Gefühl ob der Aktion von Gundula in der Woche vorher. Der Vorwurf, ich würde meine Familie quasi für unterbelichtet halten, nagte noch an mir. Erschwerend kam das Fehlen von Berta und Bud zwei Tage vor dem Besichtigungstermin im Curanis Heim beim Kegeln mit den Trantüten hinzu.
Am Kegeltermin fehlten nämlich nicht nur Ralle und Josie, sondern auch Berta und Bud. Hatte dies am Ende etwas mit meinem WhatsApp Dialog mit Gundula zu tun? An der Kegelbahn war ich mehr als verunsichert, weil Berta und Bud nicht auftauchten. Sie hatten sich nicht abgemeldet, das ist doch sonst nicht Bertas Art.
Meine Löwin riss mich glücklicherweise aus der Lethargie und forderte mich auf, bei Beiden zu Hause anzurufen. Da hätte ich ja mal von selber drauf kommen können. Berta war auch sofort am Telefon und auch ganz normal drauf. Sie hatte sich blöderweise den Kegeltermin nicht aufgeschrieben. Jetzt war ich erleichtert, das ich mich geirrt hatte. Mal wieder völlig ohne Not hatte ich mir einen Kopf gemacht. Obwohl natürlich ein leichter Zweifel blieb...
Und deshalb meine zwiespältigen Gefühle vor dem Termin im Curanis Stöckheim. Geschwind eilte ich unverdrossen in das Gebäude und fragte an der Rezeption nach meinen Verwandten. Die Damen am Tresen wussten natürlich von überhaupt nichts und empfahlen mir die Suche im 2. Stockwerk.
Leicht genervt nahm ich die Treppe, geht ja schließlich schneller. Nachdem ich das zweite Stockwerk komplett umrundet hatte, fand ich meine Schwestern samt Mutter im Büro der Hausdame im 1. Stock. Diese Frau war ganz anders unterwegs als die Trulla im Augustinum. Eine sehr sympathische und offene Art brachte sie uns entgegen. Ruhig und sachlich erklärte sie die Philosophie des Hauses.
Auffällig war hier vor allem der Umgang mit den dementen Bewohnern des Hauses. Anders als im Augustinum werden diese hier nicht versteckt, sondern können sich völlig entspannt und selbstständig im Haus bewegen. Zumeist sieht man diese leicht Dementen vor dem Haupteingang (wo auch sonst?) herumsitzen.
Die schwer Dementen dagegen, die man auch hier nicht alleine auf die Straße lassen möchte, haben eine komplette Etage (die Zweite) für sich. Sie haben einen eigenen Speisebereich, der zugleich als Cafeteria dient. Das ist übrigens auf allen Stockwerken so. Selbst auf dem Dachgarten haben sie einen eigenen, abgeschlossenen Bereich für sich.
Weiterhin verfügt der Komplex über einen schön angelegten Innenhof. Dort konnten wir von oben aus einen kleinen Teich und einen Minigarten entdecken. Einzelne Parkbänke laden zum Verweilen ein. Die Hausdame führte uns zwischenzeitlich durch das Haus und zeigte uns sogar ein Appartement im oberen dritten Stockwerk, welches eine dem Augustinum vergleichbare Qualität bot.
Die dort wohnende Dame, witzigerweise eine alte Bekannte von Sunny aus ihrem Dorf, zeigte uns bereitwillig ihr trautes Heim. Gleich rechts von der Eingangstür befand sich ihr Bett, dadurch getrennt vom großzügig ausgelegten Wohnbereich samt kleiner Küchenzeile. Das Bad war barrierefrei eingerichtet. Überhaupt hatte die Dame es sich richtig gemütlich eingerichtet, da war ich richtig begeistert.
Mir fiel allerdings auf, das sich Mutter das Zimmer nur sehr oberflächlich betrachtete. Sie wirkte auf mich eher desinteressiert, obwohl sie dies leugnete. Ich denke, sie log uns an, weil sie uns nicht enttäuschen wollte. Heute denke ich, das ihr da schon alles mehr oder weniger egal war. Ohne die Möglichkeit, noch weite Reisen zu unternehmen, sank wahrscheinlich ihr Lebensmut in unendliche Tiefen.
Ich sprach Mutter deshalb direkt auf ihre geringe Resonanz an. Schließlich hatte sie das Zimmer gerade mal betreten und fuhr mit ihrem Rollator nach nicht einmal einer Minute wieder raus. Sie hatte die Wohnung lediglich bruchstückhaft gesehen. Mehr als zwei, drei Meter rollte sie nicht in die Wohnung. Als Antwort fiel ihr dazu lediglich ein, das die dort wohnende Frau merkwürdig und etwas dement wäre.
Vollkommen abstrus und daneben, diese Antwort. Die Frau war sehr nett und kriegte noch alles mit. Auf keinen Fall war sie dement. Bei Mutter war ich mir da mittlerweile gar nicht mehr so sicher. Ich vergaß diesen Gedanken aber schnell wieder, war sicher auch besser so. Ich hätte eh nichts am weiteren Geschehen ändern können.
Auf dem schönen Dachgarten schwärmte uns die Hausdame weiterhin von dem Heim etwas vor. Sunny, Berta und ich waren auch voll begeistert. Mutter saß da leider etwas abseits und teilnahmslos auf einem Stuhl herum. Als wir sie fragten, ob sie das denn hier auch so schön finden würde, nickte sie nur mit einem gequälten Lächeln. Ich denke, sie war zu diesem Zeitpunkt innerlich schon zerbrochen.
Zurück im Büro, erklärte uns die Hausdame das Pricing für den Fall, das ein Appartement für Mutter frei werden würde. Was im Moment leider nicht der Fall war, aber für gewöhnlich würde in ca. 2 Monaten etwas zu machen sein. Die Hausdame bezog das allerdings wohl auf ein Einzelzimmer im Heimbereich.
Egal, denn die Preise waren andere als im Augustinum. Gleich welche Pflegestufe, der von Mutter zu tragende Teil würde immer unter 1400 € liegen. Das klingt im ersten Moment teurer als das Augustinum, aber dort müsste sie wie in einem Baukastensystem alles zusätzlich bezahlen und wäre sehr schnell bei einem höheren Eigenanteil. Und ab Pflegestufe 2... Schon der Gedanke an die arrogante Tusse vom Augustinum treibt mir die Zornesröte ins Gesicht!
Meine Schwestern und ich waren uns einig, Mutter nickte sanft dazu.... Wir ließen Mutter für einen Platz im Curanis am Stöckheimer Markt vormerken. Vor der Tür verabschiedeten wir uns voneinander. Beim Weggehen fuhr Sunny mich noch an, das ich bei meinem morgigen Besuch Mutter komplett auf Curanis einschwören möge.
Das Augustinum wäre nichts für sie. Ich wies sie auf Mutters freien Willen hin, darauf entgegnete Sunny, das sie das nicht mitmachen würde. Notfalls sollte ich Mutter belügen und sagen, das im Augustinum kein Platz mehr frei wäre. Dann liess sie mich konsterniert zurück und fuhr nach Hause.
Ein leichtes Grummeln ging durch meinen Schädel, als ich mit der Bahn nach Hause fuhr. Mutter wollte ich eigentlich nicht belügen. Also hoffte ich, das sie es von selbst einsehen würde, wenn ich es ihr am nächsten Nachmittag in der Reuterstraße erklären würde.

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