Sonntag, 16. April 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

7
Der Dienstag startete mit viel Schreibkram auf der Arbeit. Dann erhielt ich von Sunny eine Whatsapp Nachricht, die mich unwillkürlich stutzen ließ. Berta sei auf dem Weg nach Hause und würde zum Termin im Augustinum kommen. Das wusste ich ja bereits. Dazu bedankte Sunny sich höchst ironisch, dass ich zurückgerufen habe. Hatte ich ja nicht, sollte ich? Wieder war ich irritiert und schrieb ihr zurück, dass ich von einem Rückruf nichts mitbekommen habe. Hätte ich stattdessen etwas nachgedacht….
Jetzt, Tage später, hätte ich mich einfach entschuldigt, dass ich nicht zurückgerufen habe. Doch ich war an dem Montagabend durch, die ganze Telefoniererei war nervig genug und für Hamburg musste ich nebenbei auch noch was regeln. Richtigerweise hätte ich zurückrufen und Sunny sagen müssen, dass Berta doch mitkommt. Und/oder fragen, warum der Termin ohne Berta platzen sollte? Das hatte ich am Vorabend nicht verstanden.
Egal, so motzten wir uns via Whatsapp für nichts und wieder nichts an. Hinterher ging es mir sehr schlecht; Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Sunny wollte noch eine Einrichtung in Stöckheim checken und war sauer, weil sie zum Ohrenarzttermin von Mutter mit ihr ohne Berta hinfahren und den halben Tag dort genervt sitzen musste. Diesen Nerv kenne ich selbst zur Genüge und konnte es mir nicht verkneifen, dies Sunny auch zu schreiben. Völlig unnötig, die ganze Aufregung, wie sich später zeigen sollte.
Aber der Reihe nach. Innerlich noch etwas aufgewühlt, stieg ich eine halbe Stunde vor dem Termin vor dem Augustinum vom Fahrrad. Ich meldete mich beim Empfang an und erzeugte bei der Empfangsdame ein Gefühl von Unverständnis, das ich sie anspreche, weil ich ja viel zu früh (eine halbe Stunde) da war. Leicht angesäuert erklärte ich der Frau, dass ich ihr einfach nur sagen wollte, wer sich warum dort aufs Sofa in der Lounge hinsetzt.
Nach ein paar Seiten in meinem Buch kam Mrs. T um die Ecke und verwickelte mich sogleich in ein Gespräch. Zum Glück kamen draußen Berta und Sunny gerade vorgefahren, jetzt konnte die Show beginnen.
Mrs. T zeigte uns zuerst zwei Appartements im Haus. Das eine davon, 35 qm groß, könnte das von Mutter sein. Das wäre das momentan einzig freie Appartement. Ein Balkon, wie ich ihn von Walter her noch kannte. Mit einem Schiebevorhang wird ein Teil des Zimmers mit dem Bett vom Raum verborgen. Praktisch, wenn Mutter mal Besuch haben sollte. Selbst eine kleine Küche ist vorhanden, Bad sowieso.
Anschließend sprachen wir im Büro von Mrs. T über das Finanzielle. Mrs. T erwähnte nochmals, das sie normalerweise Mutter mit ihren 92 Lenzen ablehnen müssten, da die Einrichtung an langfristigen Bewohnern interessiert sei. Auch wäre das Ganze mit einem zweiwöchigen Probewohnen gekoppelt, einen Prospekt dazu drückte sie uns nebenbei in die Hand. Und sie wollte sichergehen, dass Mutter nicht dement sei. Dies wäre ebenfalls ein Hinderungsgrund der Anmietung, weil Demente vollkommen verwirrt das Haus verlassen, in der Stadt umherirren und die Einrichtung für ihre Sicherheit nicht garantieren kann.
Hierzu äußerte ich mich nicht. Noch – ich betone: noch! – konnte ich mich zurückhalten.
Laut den mir zugeschickten Prospekt würde das Zimmer 1560,- € kosten, dachte ich bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls. Mrs. T startete aber bei 1700,- € (ich blieb stumm) und rechnete dann immer mehr dazu. Frühstück und Abendessen, Versicherungen wie Haftpflicht etc. (60,-€ für Versicherungen pro Monat – Ruuuhig, Brauner…) und jede Menge anderer Kosten. Telefonflatrate, Putzen von Fenstern, das Bringen von Essen aufs Zimmer (2,-€ zusätzlich…) Müll wegbringen, Reinigung des Zimmers…
Bei 2400,-€ pro Monat machte sie einen Zwischenstopp und erklärte uns dann das mit der Pflege. Bieten sie alles – ambulant. Preiswerter als die Konkurrenz, da keine Fahrtkosten entstehen. Leider zahlt die Pflegekasse nicht alles… Pflege im Zimmer bis zum Tod. Und bis zu 5000,- € und jetzt musste ich mich äußern, ich konnte es mir diese Litanei nicht mehr anhören. So eine arrogante Ziege!
Ich beherrschte mich nur mühsam und sagte ihr, dass wenn es nicht um unsere Mutter gehen würde, sondern um mich, dass ich mich dann auf diesen Deal nicht einlassen würde. Ich würde eine Wohnung im Erdgeschoss anmieten und ein ambulanter Pflegedienst würde in die Wohnung kommen. Wenn es irgendwann nicht mehr gehen würde, dann wäre ein Pflegeheim mit Vollpflege erste Wahl. Dort zahlt die Pflegekasse bekanntlich mehr Geld. Ich erwähnte noch, dass hauswirtschaftliche Verrichtungen wie Putzen, Einkaufen, Müll wegbringen etc. Bestandteil der Leistungen der Pflegekasse bei Pflegestufe 1 sind. Dass die Einrichtung daher bei der vorgestellten Serviceleistung wohl doppelt kassiert, erwähnte ich nicht, weil ich Mutter den Gang ins Augustinum nicht verbauen wollte.
Mrs. T entgegnete aalglatt, das die Pflegeheime auch nicht wirklich eine Vollpflege bieten. Da gibt es sehr viele Beschwerden (stimmt) und außerdem geht es darum, sich die letzten Jahre schön zu machen. Das sollte es einem doch wert sein.
Kurz danach verabschiedeten wir uns. Wir sollten das Ganze mit Mutter besprechen und dann noch einmal melden, wenn Mutter sich für das Augustinum entscheiden würde. Eigentlich wollte ich mit Berta und Sunny hinterher noch einen Kaffee trinken und dabei die Missverständnisse des Vormittags ausräumen, aber stattdessen standen wir auf dem Parkplatz noch eine Viertelstunde dumm herum und laberten.
Aber wir konnten so einiges aufklären. Berta hatte einen Anruf von mir gegen 21.00 Uhr am Vorabend nicht verstehen können, weil ich sie wohl fragte, ob sie und Bud mit nach Hamburg kommen würden zu irgendeiner Führung. Ich wirkte am Telefon wirr auf sie - und war in diesem Moment tatsächlich verwirrt. Wovon redete sie da eigentlich, was war passiert? Ich hatte doch nichts gesoffen! Die Gespräche über Hamburg hatte ich mit Patti, Urmel sowie Jenny und Kroll geführt.
Während dieser Telefonate sprach meine Löwin zeitgleich mit Berta übers Festnetz. Berta musste da irgendwie meine Stimme (ich sprach sehr laut ob der ganzen Aufregung) aufgeschnappt haben oder sonstwie in die Leitung geraten sein, eine andere Erklärung hatte ich nicht parat. Warum sollte ich auch Berta wegen Hamburg fragen, nie und nimmer würde ich sie in diesem Kreis mitnehmen. Alleine mit Bud gerne, aber mit den Zuckerpuppen? Merkwürdig.
Sunny wies noch einmal darauf hin, dass Mutter schon immer dazu neigte, uns gegeneinander auszuspielen. Meine Schwestern hatten sich nämlich mit Mutter nicht gestritten. Das mit dem gegeneinander Ausspielen sehe ich genau wie Sunny und Berta, da waren wir uns aus jahrelangem Umgang mit Mutter endlich mal einig.
Berta wollte sicherheitshalber noch einen Termin in Stöckheim machen, damit wir wenigstens eine Alternative für Mutter in Petto haben. Denn auch Berta und Sunny fanden die Show von Mrs. T und das Geschäftsgebaren der Einrichtung nicht in Ordnung. Ich würde auf alle Fälle am nächsten Tag zu Mutter in die Reuterstraße fahren und ihr von dem Gespräch mit Mrs. T berichten. Dabei würde ich versuchen, Mutter das Augustinum auszureden. Berta und Sunny würden Mutter zum Termin in Stöckheim blind abholen, dann könnte sie die Einrichtung dort gleich begutachten und wir sparen einen Weg.
Zuhause atmete ich anschließend erst einmal durch. War etwas viel gewesen an diesem Tag. Wenigstens waren sich meine Schwestern und ich über die weitere Vorgehensweise einig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen