Donnerstag, 23. Februar 2017

Hartmudo Spezial: Mutter

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Kurz war sie, die Nacht nach der Biermeile. Der Tag gestern war so richtig schön gewesen und meine Löwin und ich nahmen uns für das Frühstück Zeit. Die 2 liefen als Begleitung im Fernseher, der Urlaub drohte somit entspannt zu werden. Irgendwann an diesem späten Vormittag telefonierte ich mit Berta wegen Mutter.
Ich hatte wohl noch während der Biermeile mit Berta gesprochen, auf jeden Fall ging es dabei um einen Fernseher. Mutter war wohl gut in der Reuterstraße angekommen und Berta konnte mir auch gleich die Zimmernummer geben. Sunny wollte mit Reiner wohl noch klären, ob sie einen hätten. Ich bot unseren Minifernseher aus der Küche als Ersatz an, falls Sunny keinen Fernseher zur Verfügung stellen könnte.
Beim Telefonat diesen Sonntag konnte mir Berta leider nur sagen, dass Sunny doch keinen Fernseher erübrigen konnte. Allerdings wollte ein Pfleger wenigstens ein Kabel für die Gemeinschaftsantenne bereit legen, so dass ich die Zimmerantenne wohl nicht benötigen würde. Dankenswerterweise stellte meine Löwin den Fernseher zur Verfügung – denn bei meiner Zusage vom Vortag hatte ich vergessen, sie um ihre Erlaubnis zu fragen. Jetzt konnte ich am frühen Nachmittag zu Mutter in die Reuterstraße fahren und ihr den Fernseher bringen.
Das besagte BBG Heim liegt gemütlich tief in der Reuterstraße drin. Diese geht von der Helmstedter ab, leicht erkennbar, da nebendran das Cafe „Zur Erholung“ liegt.
Wie passend, dachte ich unwillkürlich. Denn gegenüber vom Cafe, auf der anderen Seite der Helmstedter, ist der Hauptfriedhof. Und ganz genau gegenüber befindet sich das Krematorium. Trotz der sehr milden Temperaturen hatte ich mich zur Fahrt mit dem Auto entschieden. Klar, ich hatte ja den Fernseher dabei. Das ich relativ weit abseits vom Eingang parken musste, war an einem Sonntag nicht anders zu erwarten.
Dennoch war ich missmutig und schleppte den Fernseher samt Tüte mit der Zimmerantenne, die ich ja sowieso nicht brauchen würde, aber mitnehmen musste, weil mir meine Löwin das so befahl… In der Tüte war nur die Zimmerantenne… die Fernbedienung! Ich hatte sie vergessen, ich Idiot! Ohne Fernbedienung läuft die Kiste doch nicht, sch…
Wutentbrannt warf ich den Autoschlüssel auf die Straße. Immer wenn ich unter Stress stehe, neige ich zu derartigen spontanen Entladungen, rein emotionell betrachtet. Im Nachhinein war es wenigstens positiv, dass der Schlüssel dabei unter unser Auto segelte und nicht unter ein anderes oder gar in einen Gulli.
Schwer atmend angelte ich den Schlüssel unter dem Auto hervor und begann zu überlegen. Zurückfahren kam natürlich nicht in Frage (warum eigentlich nicht?), vielleicht klappt das ja auch so. Leicht beruhigt trat ich durch den Haupteingang und passierte die Schranke aus mehreren Demenzkranken im Rollstuhl, die auf was auch immer zu warten schienen.
Im zweiten Stock fand ich das Zimmer Zwo-Null-Vier auf Anhieb, stand ja auch Mutters Name drauf. Der Schlüssel steckte.
Beim Klopfen kam von Mutter keine Antwort, da stand ich nun mit dem Fernseher. Egal, ich schloss die Tür auf, um den Fernseher abstellen zu können. Mutter war doch tatsächlich nicht da, ich würde sie im Haus suchen müssen. Normalerweise ist das sehr ärgerlich, aber in diesem Fall freute es mich eher. Zeigt das doch, das Mutter sehr schnell den Anschluss an das Leben in einer Einrichtung gefunden hatte. In irgendeinem Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss fand ich Mutter schließlich, eine Sozialarbeiterin hatte wohl zum lockeren Gedankenaustausch geladen. Mehrere Heimbewohner saßen da auch herum und ich grüßte alle freundlich, als ich Mutter aus dieser Hölle befreite.
Denn die Hälfte der dort Anwesenden machte leider einen geistesabwesenden Eindruck, unwillkürlich fielen mir mehrere Zombiefilme ein. Mutter war richtig erleichtert, als ich sie dort herausholte. Mein Optimismus bezüglich ihrer Akklimatisierung war anscheinend verfrüht. In ihren Zimmer äußerte sie sich kurz darauf auch dementsprechend.
Den Fernseher hatte ich schnell in einer Schrankwand aufgestellt, aber das versprochene Kabel für die Gemeinschaftsantenne war natürlich nicht da. Hinzu kam, das sich an der Wand lediglich zwei Steckdosen befanden und in einer schon Mutters Radio angeschlossen war, auf welches sie nicht verzichten wollte.
Da für die mitgebrachte Zimmerantenne kein Platz im Regal war, schloss ich den Fernseher nicht an. Mutter fand dies nicht schlimm, sie fühlte sich nach wie vor noch ermattet und hörte im Moment auch lieber Radio. Ich denke, dass sie lediglich Rote Rosen und Sturm der Liebe vermisste. Zwei Telenovelas, die meine Löwin auch gern guckt, wie z. B. ein Udo Lindenberg auch. Viele Menschen schauen das ja heimlich.
Genug davon, wichtig ist das Zimmer. Das Bett steht neben der Tür in der Ecke, ansonsten ist lediglich ein Nachttisch, ein Beistelltisch mit Stuhl und eben diese Schrankwand im Raum. Alles farblich in zeitlosen „wie Holz“ Farben im später Möbel Boss Gotik aufeinander abgestimmt . Dazu ein kleiner Balkon, auf dem gar nichts stand.
Aus einem nahe gelegenen Aufenthaltsraum besorgte ich heimlich einen Gartenstuhl, damit Mutter bei dem momentan schönen Wetter wenigstens ab und zu auf dem Balkon sitzen konnte. Insgesamt schien sie mir besser drauf zu sein als im Krankenhaus, so dass ich sie, derart beruhigt, zufrieden verlassen konnte.
Im Gehen versuchte ich noch eine Lösung für das Kabel zu finden. Ein Pfleger namens Herbert sollte das Antennenkabel versprochen haben. Der erste (und einzige) Pfleger, den ich im Flur traf, hieß allerdings Peter. Peter betonte besonders deutlich, das Herbert nur eine Hilfskraft sei, während er ein exalminierter Altenpfleger ist. Bekanntlich sind diese Flitzpiepen ja die Herrscher aller Reusen.
Das mit dem Kabel würde der Hausmeister am Montag regeln, meinte er. Nun gut, die Fernbedienung hatte ich ja eh vergessen. Da war eh nichts zu beschicken und Mutter hatte ja noch ihr Radio zur Verfügung. So fuhr ich entspannt nach Hause, wohl wissend, dass ich am nächsten Tag wiederkommen würde.

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