Montag, 18. April 2016

Contramann: von wegen unabhängig

http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/studie-staatliche-ueberwachung-fuehrt-zu-selbstzensur-im-netz-14150024.html
Interessant an diesem Artikel finde ich die Aussage, das sich auch unabhängige Blogger einer vorherrschenden Meinung, dem sogenannten „Mainstream“, anpassen, wenn sie die Gefahr einer Überwachung durch staatliche Stellen wittern. Sehr schön finde ich die Formulierung „ich habe nichts zu verbergen“.
Wie verwirrend (entlarvend) dies doch ist. Angesichts des Einheitsbreies, den die „Qualitätsmedien“ wie Spiegel, Stern, FAZ, Süddeutsche und Welt, ja sogar die TAZ mittlerweile, verkaufen, war Contramann der Meinung, dass eine kritische Presse lediglich noch im Internet existiert.
Auf die sicherlich real existierenden Ausnahmen möchte ich an dieser Stelle nicht eingehen. Wenn ich mal nur die Nachdenkseiten, Spiegelfechter oder adsinistram nehme – diese 3 stellvertretend für viele, ganz viele ernstzunehmenden Portale, sind gerade im Netz viele kritische Stimmen zuwege, denen man eine professionelle Arbeitsweise ohne Probleme unterstellen kann.
Das dort erreichte Niveau würde Contramann gern selbst erfüllen, wie so viele andere Blogger auch, die meinen, ihren Senf auch noch dazugeben zu müssen. Und nicht immer ist der Sermon, den solche Amateure absondern, genießbar. Selbst ich kann nicht immer das angestrebte hohe Niveau erreichen, das die wenigen Leser dieses Blogs erwarten (dürfen). Noch dazu muss ich mir den Platz auf dieser Seite noch mit hartmudo selbst, Uncle Fester und zu meinem großen Bedauern mit Udorallala teilen.
Dieser FAZ Artikel spricht mich natürlich selbst auch an, da ich mich unter den Bloggern wähne, von denen die FAZ spricht. Denn ob ich meine Meinung im Blog oder über Facebook und Twitter in die Welt hinaus posaune, ist zweitrangig. Es geht um die Meinungsäußerung von „einfachen Bürgern“, die dank der Technik eben öffentlich erfolgen kann.
Und im ersten Moment sollte man ja auch glauben, das abseits jeglicher Professionalität die extremen Äußerungen nur so sprießen müssten. Denn die Profis von den Nachdenkseiten beispielsweise recherchieren gründlich und vermeiden sprachliche Entgleisungen. Hier stehen sie den Qualitätsmedien in nichts nach. Handwerklich ist da also alles in bester Ordnung.
Bei meinen Beiträgen ist das nicht immer der Fall. Manchmal geht es da mit mir durch, auch grammatikalische Fehler treten da wegen der fehlenden Kontrolle von Lektoren gehäuft zu Tage. Doch ich hüte mich – so gut es geht – davor, bei aller emotionalen Erregung rüde Schimpfkanonaden und Fäkalsprache außen vor zu lassen. Ihr wisst, dass mir das nicht immer gelingt.
Doch in der Studie geht es nicht um Beleidigungen oder Qualität der Beiträge, sondern um eine Selbstzensur aus Angst vor staatlichen Repressalien. Das Ergebnis überrascht mich nicht, denn dieser Effekt ist mir in den letzten Monaten nicht nur in allen möglichen Medien, sondern auch in meinem persönlichen Umfeld – Arbeit, Freunde, Familie – aufgefallen.
Es geht da konkret um das Vorgehen in der Flüchtlingskrise. Woll`n mer se reilasse oder nicht?
Ich selbst als ansonsten eher Altlinker habe mich da Monat für Monat trotz einiger Bauchschmerzen zu einer kritischen Haltung gegenüber einer undifferenzierten Aufnahme von Flüchtlingen positioniert. Wenn ich meine Beiträge der vergangenen Monate jetzt noch einmal gezielt durchlese, fällt mir eine Annäherung an politischen Ansichten auf, die ich in der Vergangenheit vehement abgelehnt hatte.
Meinen „inneren Kampf“ ob des Widerspruchs zwischen meiner allgemeinpolitischen „linken“ Gesinnung und der von mir gemachten (beruflich bedingten) Erfahrungen könnt Ihr über Monate verfolgen, ich habe da nichts gelöscht und werde dies wohl auch nicht tun. Eine Selbstzensur hat bei mir ergo (bisher) nicht stattgefunden.
Die Stimmen in den Medien wie in meinem Umfeld, die eine ungebremste Einreise für Flüchtlinge vehement unterstützt hatten und jeden, der die „Einladung“ von Frau Merkel letzten Sommer kritisch sah, in die rechtsradikale Ecke drängten, sind spätestens nach der Silvesternacht und den Anschlägen in Brüssel leiser geworden.
Eine merkwürdige, eine „unruhige“ Stille breitet sich aus, in meinem Umfeld beobachte ich dies mit großem Interesse, bei den Medien eher nicht. Die sind eh (fast) alle gleichgeschaltet und geben nicht die Meinung der Bevölkerung wieder, wie bei den letzten Landtagswahlen zu beobachten war.
Mein Eindruck ist, dass sich zur Zeit niemand mehr offen über dieses Thema äußern möchte. Jeder, auch ich, scheint abzuwarten, wie es weitergeht und möchte sich nicht auf eine Meinung festnageln lassen. Wer möchte hinterher denn auch auf der falschen Seite stehen?
Ich denke nicht mal, dass hier eine Selbstzensur aus Angst vor einer staatlichen Verfolgung vorliegt. Denn nicht nur in mir tobt der Kampf zwischen den alten linken Idealen und der grausamen Realität, die uns Menschen irgendwann einholt. Dann, wenn Entscheidungen zu fällen sind, die auf alle Fälle weh tun, egal, ob man dafür oder dagegen ist.
Die Althippies hatten dieses Erlebnis mit den Grünen in den 80ern und 90ern gehabt; Spätestens mit dem Kosovo Einsatz der Bundeswehr unter dem grünen Außenminister Joschka, dem ehemaligen Steinewerfer aus der Sponti Szene, war es vorbei mit der Unschuld. Die „Atomkraft, nein danke“ Aufkleber auf der Heckscheibe der S-Klasse sind für mich seither ein symbolhaftes Bild der gescheiterten Träume der 68er.
Und nicht nur ich, sondern eigentlich alle Leute, die mit der „Political Correctness“ aus der Endphase der Bonner Republik aufwachsen durften, mussten jetzt erkennen, dass Frau Merkel letzten Sommer urplötzlich diese political Correctness an den Tag legte, dass man sie dafür eigentlich knutschen müsste.
Das schmerzt. Und auf einmal gibt es dann nur noch schwarz und weiß, nichts ist mehr mit ruhiger Diskussion und Argumente austauschen, sich andere Meinungen anhören usw. Entweder bist Du ein Nazi oder ein Gutmensch, dazwischen gibt es nichts. Das alleine ist schon schlimm genug.
Aber diese Stille… Wir zensieren uns selber, trauen uns nicht mehr, mit unseren Freunden zu diskutieren. Daran erkenne ich vor allem, das „wir“ auch nicht besser sind als unsere Eltern, die „CDU Wähler“. Gerade und aufrecht, sich nicht verbiegen lassen - SO wollten wir sein, so haben wir uns seit Jahrzehnten gefühlt und verächtlich auf die „Normalos“ geschaut. Auf die Menschen – auch unserer Generation – die schon immer unpolitisch waren, so wie unsere Eltern halt.
Und jetzt verhalten wir uns selbst untereinander genauso. Bloß nichts Falsches sagen, was man hinterher vielleicht bereut. Nein, streiten wollen wir nicht. Nur wenn man weiß, dass der andere die gleiche Meinung hat, redet man über dieses Thema. Dafür sich selbst dann aber am liebsten stundenlang in Rage.
Erschreckt habe ich dies Verhalten an mir selbst entdeckt, werde es aber nicht ändern. Weil ich für mich selbst die Erkenntnis gewonnen habe, das das besser so ist. Denn Diskussionen bringen eh nichts, hier geht es tatsächlich eher um Glaubensfragen. Und in der Religion werden bekanntlich keine Gefangenen gemacht. Da überzeugst Du keinen.
Oder rede ich mir dies nur selber schön, um noch in den Spiegel schauen zu können? Der Selbstzweifel nagt in mir, mit großer Wahrscheinlichkeit geht dies den Meisten so. Zumindest, wenn Du diesen Beitrag liest, könntest Du für Dich selbst ins Grübeln kommen. Und abschließend noch zur Selbstzensur:
Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn der Staat bei „missliebigen“ Ansichten durchgreift und z.B. Berufsverbote oder gar Gefängnisstrafen verhängt. Aber was ich dank der Flüchtlingskrise gelernt habe, ist folgendes: Es geht ganz schnell und schon überlegt man sich, ob man seine Meinung offen kund tut. Zur Zeit äußere ich mich offen zu diesem Thema fast nur noch im Blog, ansonsten fahre ich mit gezogener Handbremse. Das ist mein Alibi, das ich ja was gesagt habe, wenn es später mal heißt: „Wo warst Du denn damals, als Mutti die Flüchtlinge integrieren wollte?“ Ich hoffe, das man mir das abnimmt, wenn ich auf meinem Gebetsteppich gen Mekka sitze.

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