Mittwoch, 23. Dezember 2015

Special: Contramann – Nur noch kurz die Welt retten

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Aber auch einzelne Märkte ändern sich. Stellvertretend sei hier die Unterhaltungsindustrie genannt. Ihr wisst sicher schon was kommt – Amazon natürlich.
Vor dem Internetzeitalter gab es Schallplatten, dann CDs. Videos vor DVDs und Blue Ray. Bücher, Comics … Für all diese wunderschönen Dinge – Kultur, Baby – gab es Vertriebswege. Läden, Versandhäuser, Leihbüchereien etc.
Dann kam erst das Internet und irgendwann ebay und Amazon. Mit einem Mal ergaben sich hier vollkommen neue Vertriebsmöglichkeiten. Warum soll sich beispielsweise ein Branchenriese wie Media Markt oder auch Saturn mit den vielen notwendigen Nebenkosten allein eine goldene Nase verdienen?
Zur näheren Erklärung: Media Markt hat aktuell über 250 Filialen in Deutschland und kauft beispielsweise die neue CD von Helene Fischer en gros zu einem weit besseren Preis pro CD ein als die bisherige Konkurrenz kleinerer Plattenläden (Govi, ach war das schön…). Allein dieser logistische Vorteil hat die kleinen Läden vom Markt gefegt, da der Käufer natürlich lieber 9,90 € bei Media Markt als 10,90 € bei Radio Meier für die neue Helene Fischer bezahlt. Nennt sich Marktwirtschaft.
Und trotzdem gibt es noch Optimierungsmöglichkeiten; Hier kommen Amazon und Co ins Spiel. Die angemietete Ladenfläche nebst den dort tätigen Mitarbeitern kosten Geld. Da ist es optimaler, wenn die Ware aus dem großen Zentrallager direkt an den Endverbraucher geht, anstatt diese mühsam über eigene Logistik (kostet!) auf die einzelnen Filialen zu verteilen und überschüssige Ware von dort wieder abzuholen.
So neu und sensationell ist dieses Modell freilich nicht. Quelle, Neckermann und Otto betreiben schließlich schon seit Jahrzehnten Versandhandel per Katalog. Aber dank des Internets kann Amazon seinen „Katalog“ stündlich aktualisieren, ja sogar die Preise kurzfristig den Marktgegebenheiten anpassen.
Der gedruckte Katalog dagegen ist hier zu unflexibel. Die Preise müssen für ein Jahr beständig bleiben und sind deshalb in der Regel auch etwas höher gewesen als im Einzelhandel vor Ort. Dies sind Erfahrungen aus meiner Kindheit, denn meine Eltern waren gute Kunden bei Quelle.
Die Ironie besteht in der Tatsache, dass Quelle letztlich krachen ging, weil schlichtweg das Geld zum Drucken der neuen Kataloge nicht mehr da war. Auch Neckermann ist Geschichte, nur Otto hält sich noch. Denn Otto hat als Einziger der 3 verstanden, sein Geschäft mehr und mehr auf den Internetshop zu verlagern. Bei Quelle und Neckermann hatten die Manager die Zeichen der Zeit einfach nicht erkannt.
Dies gilt insbesondere in dem Maß, wie die Digitalisierung weiter voran schreitet. Aus gedruckten Büchern werden Ebooks und die neueste CD von den Stones gibt es natürlich auch als Download. Aber selbst das ist noch nicht das Ende der Fahnenstange, denn Dienste wie Spotify oder Deezer, seit Neuestem Apple höchstpersönlich, bieten eine Flatrate für Musik an.
Dann haben wir die Songs nicht mehr physisch auf einem Gerät, sondern „psychisch“ über Streaming via LTE immer parat – für 9,90 € im Monat. Die meisten Menschen haben in der Vergangenheit nicht so viel Geld in Musik investiert. Für die wird es jetzt teurer. Der geneigte Sammler (meinereiner z.B.) kommt da dann sogar noch günstiger davon als bisher.
Für Ebooks lässt sich dieses Beispiel problemlos fortführen. Was gibt es sonst noch an Unterhaltung? Die Flimmerkiste natürlich.
Da haben wir in Deutschland noch ein Oligopol aus öffentlich-rechtlichen Anbieter, die Pro7 Gruppe und RTL and Friends. Letztere komplett werbefinanziert, sind diese Sender kostenfrei über DVBT empfangbar. Kostenmodelle a la Sky oder auch Bezahlkanäle auf Satellit haben sich dagegen nicht durchsetzen können, weil sie einfach zu teuer sind. Im Kommen sind Dienste wie Maxdome oder Netflix, die auch mit einer Flatrate von ca. 8 – 9 Euro arbeiten.
Hier schießt auch wieder mal Amazon mit seinem Prime den Vogel ab, da sie noch billiger sind und sogar Serien selbst produzieren und exklusiv vermarkten. Bisher kann da nur Netflix mit eigenen Produktionen mithalten. Maxdome und Watchever werden bald Geschichte sein.
Wie das Fernsehen selbst, wenn die Leute mehr und mehr die qualitativ besseren Prime oder Netflix buchen werden. Aber selbst dann wird das TV, wie wir es kennen, nicht sterben. Richter Alexander Holt sowie Niedrig & Kuhnt werden die Kochshows auch weiterhin ergänzen.
Es schaut also so aus, als ob unsere gewohnten Unterhaltungsmedien wie Musik, Film oder auch Buch mehr und mehr per Streaming und Flatrate auf unsere Mobilgeräte kommt. Bei der Flut an Neuerscheinungen in den jeweiligen Bereichen und der zunehmenden Beliebigkeit des Geschmacks der Konsumenten ist dies die logische Konsequenz. Da wird Amazon höchstens noch mit Prime punkten können.
Und für die, die nach wie vor auf Hardware stehen (wie meiner einer), bleibt immer noch der Grabbeltisch bei Galeria Kaufhof. Und auch das wird nicht das Ende der Fahnenstange sein, weil es im Kapitalismus immer wieder Menschen geben wird, die eine Idee entwickeln, um an Kohle heranzukommen.
Ironie am Rande: Jetzt, wo Karstadt mal wieder auf der Kippe steht und selbst große Ketten, die die „Kleinen“ vom Markt gefegt hatten, momentan noch vor dem Internethandel durch Amazon zittern, gab es bei Amazon ernsthaft Überlegungen, Ladengeschäfte zu eröffnen, wo die Kunden ihre Pakete abholen und unerwünschte Ware umtauschen können. Spart halt das Porto, die Auslieferung der Pakete durch Drohnen liegt ja noch etwas auf Eis.
Zuletzt münden alle Wege in einen Monopolanbieter, maximal noch ein Oligopol, um den Schein des freien Wettbewerbs zu wahren. Der Unterschied zum sogenannten Staatskapitalismus im Ostblock des 20. Jahrhunderts besteht lediglich darin, dass man früher die Verantwortlichen und Nutznießer der „Firmen“ namentlich kannte und diese vorgaben, das sie im Sinne des Volkes entscheiden würden. Da der Wähler seinerzeit bekanntlich nicht wirklich frei wählen konnte, artete dies zur Farce aus.
Noch krasser finde ich es allerdings im heutigen Spätkapitalismus. Da sind die Verantwortlichen nicht bekannt. Da gibt dann auch niemand zumindest vor, den Willen des Volkes durchzusetzen.
Da gibt es nur noch Kunden.

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