Donnerstag, 20. März 2014

Udorallala: Status Quo

Schon seit Monaten fieberte ich diesem Konzert entgegen. Quo in der Urbesetzung – sprich Rossi, Parfitt, Lancaster und Coghlan wieder zusammen auf der Bühne – nach über 35 Jahren (!). Die wahrscheinlich letzte Gelegenheit, die „Frantic Four“ live zu erleben.
Pocke hatte die Karten besorgt, meine Zusage kam ohne Nachzudenken. 18. März in der O2 Arena in Berlin, 62,- € Stehplatz Innenraum. Ohne meine Löwin – leider – ist aber auch früher schon nichts für Mädchen gewesen. Quo meine ich.
Nach der Arbeit stieg ich bei Pocke am frühen Nachmittag zu und ab auf die Bahn Richtung Berlin. Keine Pause jetzt, noch nicht mal für nen Boxenstopp. Das bedeutet nichts zu Essen oder zu Trinken, war zugegebenermaßen auch besser so, denn unsere Euphorie war auch so schon hoch und das Konzert wollten wir wirklich noch erleben.
Da saßen wir dann kurz vor 18.00 Uhr bei Urmel und Ilka bei Graubrot mit Wurst und Käse. Die ersten Halben wurden eingeatmet. So und nicht anders – schließlich war Quo diesen Abend angesagt. 1975 gab es bei uns zu Hause abends auch immer Brot; Döner oder CurryPommes aus`m Imbiss gehen vor jedem anderen Konzert, aber nicht bei Quo.
Ich hatte zur Feier des Tages Leinenturnschuhe angezogen. Die gehen nicht nur bei den Ramones (möge der Fährmann ihren Seelen gnädig sein), sondern erst recht bei Quo. Dunkelblaue Jeanshose und ein dunkelblaues Jeanshemd hatte ich zuhause extra raussuchen müssen. Leider nur Hemd statt Jacke, aber eine Jeansjacke besitze ich nicht mehr.
Und selbstverständlich habe ich nicht „Quo“ mit Kuli oder bunten Filzstiften auf den Rücken des Hemdes gemalt, das wäre dann doch etwas zuviel des Guten gewesen. Die obligatorische Haarbürste fehlte deshalb auch, da ich mein Haar eher kurz zu tragen pflege.
Noch als wir bei Urmel in der Küche saßen, gerieten wir ins Schwärmen. Urmel hatte seinerzeit mit einem Kumpel zu „In my chair“ die ersten Gehversuche auf der Gitarre unternommen. Pocke`s erste LP war von Quo. Ilka hatte keine Kindheitserinnerungen dran; Ich auch nicht, aber „Roll over lay down“, „Down down“ oder auch „Caroline“ zählten schon zu Beginn meiner „musikalischen Erweckung“ zu den wichtigen Songs.
Sicherlich – „Rockin` all over the world“ war eine meiner ersten LPs und sie ist auch gut. Aber schon ohne Lancaster und Coghlan und mit Synthie und überhaupt ….
Über Quo wurde schon immer viel gelästert. Einfallslos, Boogie-Geschrammel , A und B Hörnchen waren nur einige Verunglimpfungen, die der Band über die Jahre angelastet wurde. Das mag von einem gewissen Standpunkt aus betrachtet sogar stimmen.
Doch dieser gewisse Standpunkt ist nur etwas für Leute, die in den 70ern nie 15 Jahre alt waren und Bock auf Action hatten. Genesis oder Yes war etwas für die häßlichen Hippiefrauen oder die Zahnarztsöhne in unserer Klasse. Schnell und direkt, ruhig auch monoton zum frühen Headbanging mußte es sein. Pur und unpaniert halt, keine zukleisternden Synthies wie bei Pink Floyd oder anspruchvolles Songwriting wie Herr Springsteen.
So standen wir dann in der leider nur zu gut Zweidrittel gefüllten O2 Arena am Ostbahnhof und fieberten Quo entgegen. Die ersten Halben hatten wir schon in Ilkas Küche sowie, im Auto sitzend, im Parkhaus genossen. Letzteres übrigens auch eine Reminiszenz an längst vergangene Zeiten, genau wie meine Abwasserentsorgung im Parkhaus.
In der dunklen Halle hielten wir unsere Plastikbecher mit dem Bier umklammert. Maffay Gitarrist Carl Carlton eröffnete mit seiner Band den Abend mit nachgespielten Stücken aus der Woodstock Zeit. Gar nicht mal soo schlimm, aber „Pictures of Matchstick Men“ mußte nicht sein. Diesen allerersten Hit von Quo aus dem Jahre 1968 kann man nicht einfach so wie ein Stück von Jefferson Airplane runterknetern. Egal, noch`n Bier.


Ungefragt brachte Pocke mir ein kleines 0,4 mit, während er und Urmel in der Literklasse angriffen. Vielleicht war es aber auch Urmel und vielleicht spielte Quo da auch schon, da ist meine Erinnerung nicht mehr ganz präzise. Aber nen Liter wäre mir eh zuviel gewesen, insofern hatten die Jungs das korrekt erkannt.
Trotz der andauernden Druckbetankung hielt uns die Vorfreude aufrecht, wir fieberten dem Konzert entgegen. Und dann ging es endlich los. In einiger Entfernung zwar, aber dafür mit genügend Seitenabstand zur Nachschubversorgung und Entsorgung.
Nach den ersten zwei, drei Akkorden waren wir wieder wie aufgezogen nach dem Konfirmantenunterricht, bereit für Action und voller überschüssiger Energie, so dass der Kopf zum Rhythmus mitwippen muß. Ersatzweise ein Fuß. Denn eins muß man den älteren Herren lassen: Trotz 35 Jahre Trennung stand der Sound wie ne Wand.
Heute habe ich in der Kritik einer Berliner Zeitung gelesen, der Sound sei bis zu „Down Dowen“ holprig gewesen. Kritiker. Als Quo ihre beste Zeit hatten – ihre beste, nicht ihre kommerziell erfolgreichste wohlgemerkt – war der Kritiker wohl noch nicht geboren. Auf keinen Fall hatte er wie wir 3 – 4 Liter Schultheiß intus. Wie will so Jemand dann Quo beurteilen?
Ilka, die sich nun wirklich eisern an der Cola festhielt und ein paar Mal lächeln mußte ob der ganzen Typen, die gerade ihre verloren gegangene Jugend wiederentdeckten, hatte auch ohne Stoff den richtigen Drive. Weil sie auch cool genug drauf ist, um gute Musik zu erkennen, wenn sie sie hört.
Viel zu schnell verflog die Zeit. Dann waren auch die Zugaben durch und wir fuhren zu Ilka und Urmel zurück. Der Abend dauerte dann auch nicht mehr lange, aber wir waren`s zufrieden.
Dank der heutigen Tontechnik fand ich Quo sogar noch stärker als auf der 77er Live. Was wiederum verwundert, weil …. Schau Dir nur Fotos oder das Video an.
Ich bleibe auch trotz des mitleidigen Lächelns, das ich häufig in meiner näheren Umgebung ernte, dabei: Quo, bzw. die Frantic Four, waren Anfang/Mitte der 70er Jahre „die“ Band aus England, die den Rock `n` Roll am Leben erhielt und somit Feelgood oder auch Motörhead überhaupt erst ermöglichten. Die Beschränkung auf das Wesentliche – den Boogie Rhythmus – hatten sie perfektioniert und waren irgendwie auch Vorläufer des Punk, aber was nützt es, das hier zu schreiben.
Sie sind jahrzehntelang zu Unrecht belächelt worden. Punkt.
Anhören, Bier her und mitgrooven. Los, mach !

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