Samstag, 8. März 2014

H Lecter: Weg nach Salzgitter 1/5

Ende der 80er Jahre ging es nicht nur mit der DDR zuende. Bei mir war dann auch irgendwann mit der Partystimmung Schluß. Es war an der Zeit, erwachsen zu werden.
Da heute wieder Weltfrauentag ist und Ulli auch noch Geburtstag hat, beginne ich meine Schilderung mit jenem Tag, als ich es mir mit der Stadt Braunschweig verscherzte.
In jenem Frühjahr 1989 absolvierte ich gerade mein Amtspraktikum im Jugendamt bei der Stadt. Ich war seinerzeit ein mehr oder weniger eifriger Student der Sozialpädagogik an der FH Braunschweig / Wolfenbüttel, heute Ostfalia.
Ich saß am Eiermarkt bei einer Sachbearbeiterin in einem großen Büro und hatte einen Schreibtisch ganz für mich allein. Zum weiteren Verständnis muß ich jetzt allerdings doch noch ein paar Wochen weiter zurückgehen.
Zu Beginn meines Amtspraktikums war ich auch schon in dieser Abteilung eingeteilt, in der Kinder aus unschönen Familienverhältnissen in ein Heim untergebracht werden mußten. Die für meine Betreuung zuständige Sachbearbeiterin war kurz vor der Pensionierung und da kam es den für die Fortbildung der Amtspraktikanten zuständigen Leuten ganz recht, das ein fertig ausgebildeter Verwaltungsfachwirt FH quasi umsonst zur Verfügung stand.
Denn die von mir 1984 abgeschlossene „Beamtenausbildung“ befähigte mich zur Laufbahn des gehobenen Dienstes in der Kommunalverwaltung und damit auch zur Tätigkeit der älteren Sachbearbeiterin. Diese war auch sehr nett und hatte mich gut eingearbeitet, so das ich ihr bereits nach 1-2 Wochen bei der Fallbearbeitung helfen konnte.
Wir reden hier über Sachbearbeitung und nicht Sozialarbeit. Ich betone diesen Unterschied, weil ich als Sozialpädagogikstudent eigentlich keine Sachbearbeitertätigkeit ausführen durfte geschweige denn dazu fähig sein sollte.
Warum es mich nach der „Beamtenausbildung“ zur Sozialpädagogik verschlug, erzähle ich wann anders mal. Jedenfalls war die ältere Sachbearbeiterin irgendwann dauerkrank und ich habe dann noch dringende Fälle bearbeitet, ich saß nur bei der anderen Sachbearbeiterin. Einer Frau Stoffregen.
In jenem Frühjahr 1989 halt.
An dem schicksalsträchtigen Tag hatte ich mit mittags mit Ulli zum Billardspielen verabredet. Ulli fuhr mittlerweile am Tage City Car, während ich des Nächtens dreimal wöchentlich unterwegs war.
Eine ganze Stunde lang spielten wir in Spitzes Cafe in der breiten Straße. Schön mit Kaffee, kein Alkohol. Als ich dann ins Büro nach vielleicht eineinhalbstündiger Abwesenheit zurückkam, sagte Frau Stoffregen mit spitzer Zunge: „Hartmudo, Sie wußten es vielleicht noch nicht, aber wir haben nur eine halbe Stunde Mittagspause!“
Hierzu muß man natürlich wissen, das seinerzeit bei der Stadtverwaltung Arbeitsbeginn und -ende stets mit der Hand eingetragen worden sind. Halbe Stunde Mittag wurde ja nie genau gemessen, d.h. meine eineinhalb wären auch nur als halbe Stunde ….
Die Art, wie sie es sagte. Das brachte mich zur Weißglut. Ich polterte gleich los und schrie sie förmlich an.
„Was soll das denn mit der Mittagspause? Die anderen Praktikanten in der Jugendgerichtshilfe kommen und gehen wann sie wollen und tragen irgendetwas ein. Ich mach hier richtige Sachbearbeitung und muß nebenbei noch drei Nächte lang City Car fahren, um das Studium finanzieren zu können.
Immerhin arbeite ich hier ja für umsonst, da spart die Stadt ne Menge Geld. Oder haben Sie an meiner Arbeitsleistung irgendetwas auszusetzen?“
Hierauf wußte Frau Stoffregen nichts zu erwidern. „Na also.“ Setzte ich noch hinterher und machte mit der Aktenbearbeitung weiter. Von da an war das vorher freundliche Miteinander irgendwie gestört.
Als ich mich dann am Ende des Praktikums von Frau Stoffregen verabschiedete, sagte sie nur mit eisiger Stimme:
„Hartmudo, wenn Sie nach dem Studium sich bei der Stadt Braunschweig bewerben sollten, wird es erfolglos sein. Sie werden wir nicht beschäftigen.“
Viele Freunde und Kollegen haben mir in all den Jahren seitdem immer wieder erklärt, das dies natürlich Humbug sei. Schließlich bestimmt Frau Stoffregen nicht über Einstellungen der Stadt Braunschweig.
Aber ich seh das auch heute noch anders. Ich weiß ja, das es auch inoffizielle Personalakten gibt. Die gibt es in der Privatwirtschaft auch. Dagegen kommst Du nicht an. Außerdem war das gesamte achtwöchige Praktikum nur am Anfang gut gelaufen.
Anfangs kam ich auch mit Frau Stoffregen gut aus, bis dieser Fauxpas mit der Mittagspause passierte.
Denn bei der älteren Sachbearbeiterin, in deren Büro ich saß, war alles in Ordnung. Ich arbeitete gern in der „Heimunterbringung“ und strengte mich auch an, um die Sachberarbeiterin zu unterstützen. Frau Stoffregen war dagegen so ne tumbe Büromaus, die außer ihrem Büro und ihrem Zuhause wahrscheinlich vom Leben in dieser Stadt nichts mitgekriegt hatte.

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