Montag, 5. November 2012

Contramann: Chef? Nein Danke! Eins

Wieder mal im Karrierespiegel fand ich einen interessanten Artikel:
Spricht mir aus der Seele. In anderen Artikeln versucht Spiegel Online, frustrierte Führungskräfte beim täglichen Kampf mit den Untergebenen aufzubauen. Aber dieser hier trifft es.
Der Reihe nach. Das Credo lautet: Wenn Du befördert wirst und zum Chef mutierst, bist Du von einem auf den anderen Tag nicht mehr der Kumpel unter den Kollegen. Du bist einsam, alle gehen auf Distanz und keiner will mehr mit Dir essen gehen.
Es ist halt so: In jungen Jahren sind alle karrieregeil. Gibt ja auch mehr Geld und – ganz wichtig – mehr Ansehen. Damit kann man im Freundeskreis und der Familie punkten. Ergo strengt man sich an. Sieht zu, das man nicht aneckt. Tut, was erwartet wird (frei nach Loriot). Und dann rückt man endlich in den Kreis der Führungskräfte auf. Vielleicht gibt es dafür auch nen Dienstwagen oder Diensthandy. Endlich kann man etwas bewegen, verkrustete Strukturen aufbrechen und so.
Doch was ist das? Die ehemaligen Kollegen gehen mehr und mehr auf Distanz. Die Gespräche stocken, wenn der Chef das Zimmer betritt. Schließlich wird die neue, hochmotivierte Führungskraft von Tag zu Tag einsamer.
Sicherlich gibt es mehr Geld, dafür ist aber auch nicht um 16.00 Uhr Feierabend. Mal eben zum Kindergeburtstag eher abhauen – ist nicht. Endlose Besprechungen, wo sich alle gegenseitig belauern. Und wenn der „Neue“ dann eine frische Idee anbringen will, wird er schnell daran erinnert, das er ja neu ist und die Zusammenhänge noch nicht versteht.
Da steht dann die neue Führungskraft ganz alleine da. Immer unter Dampf; Abschalten ist schwer möglich. Privatvergnügen sozusagen. 5 – 10 Überstunden werden natürlich vorausgesetzt. Und wo früher das Fachwissen gefragt war, sind es jetzt die Statistiken und Kennzahlen, die den Vorgesetzten beschäftigen. Und die niemals endenden Besprechungen zu den unmöglichsten Zeiten zehren an den Nerven.
Da ist es schon berechtigt, sich selbst zu überprüfen und zu fragen: Ist es das wert? Vfür die paar Kröten mehr so nen Streß? Mit dem Sachbearbeitergehalt ging es doch auch, vor allem entspannter. Statt dem neuen Passat fährt man halt ne alte Karre. Na und?
Dies merkt man allerdings erst im höheren Lebensalter, wenn alles nicht mehr ganz so leicht fällt. Und erst in diesem – hohen – Alter ist man normalerweise überhaupt in der Lage, jüngere Menschen zu führen und somit den „Chef“ zu spielen.
Bis in die 80er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein galt dies als Tatsache. Damals gab es keine Führungsseminare oder Smartphones wie heute. Nicht zu Unrecht vermutete man bei älteren Mitarbeitern kraft ihrer Lebenserfahrung, mithin Familie und Kinderaufzucht, die notwendigen Qualitäten einer Führungskraft. Das hieß damals Motivation, Organisation und Durchsetzungsvermögen. Punkt.
Heuer wird Lebenserfahrung in Führungsseminaren künstlich erlernt. Da ältere Mitarbeiter mit Smartphones nicht umgehen können, disqualifiziert sie dies natürlich als Führungskraft. Überhaupt ist das Lesen einer Statistik allein schon ein Qualitätsmerkmal.
Ich bin immer wieder amüsiert, wenn ich sehe, wie junge Menschen Mitte 30, sogenannte Führungskräfte, über Excel-Tabellen brüten und glauben, was für eine unglaublich schwierige Tätigkeit den Großteil ihrer Arbeitszeit in Anspruch nimmt. Und dann ins Schlingern kommt, wenn er zwischenmenschliche Konflikte unter seinen Mitarbeitern schlichten will/soll. Manche Sachen kann man nicht lernen.
Viele bleiben auch deshalb lieber Sachbearbeiter, weil für die paar Flocken mehr nur Statistikgedöns gemacht wird. Fachlich austoben kann man sich nur als Sachbearbeiter.

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