„Solange
Johnny Thunders lebt, solange bleib ich ein Punk“ sangen einst die
Toten Hosen. Johnny verstarb am 23.4.1991 in einem Hotel in New
Orleans. Kurz vorher, den Tag weiß ich nicht mehr, gab er sein
letztes Konzert. Dies fand statt in Braunschweig im Line vor ca. 20
Zuschauern. Und ich war dabei.
Ende
März oder Anfang April 1991 besuchte ich ein Konzert der Miracle
Workers im Line. Ja, der gute alte Line-Club. Barney würde sagen: Le
– gen – där ! Gregor und Rainer hatten da eine, nein DIE Top
Szenekneipe aufgebaut. So ab 3.00 Uhr morgens konnte man gut
hingehen. Bloß nicht früher, weil sonst war man alleiniger Gast in
dem schönen Laden ohne Fenster. Dafür gab es schwarze Wände und
eine weiß gekachelte Theke. Und jede Menge Konzerte.
Ein
Gig von Johnny Thunders mit Band war schon geplant gewesen. Ich weiß
noch, dass ich bei den Miracle Workers eine Ankündigung gesehen
habe, dass Johnny Thunders 3 Tage später im Line solo auf der Bühne
stehen sollte. Noch bevor die Miracle Workers anfingen, bin ich raus
und zur nächsten Telefonzelle gelaufen. Handys gab es damals ja noch
nicht. Ich hatte mehrere Leute angerufen. Johnny Thunders Solo auf
der Bühne – das kann man sich doch nicht entgehen lassen!
Weit
gefehlt. Als der Tag endlich kam, verloren sich ca. 20 Zuschauer im
Line. „Ach ne, der kommt ja noch mit Band.“ Oder: „Zweimal muß
ich ihn nicht sehen.“ Das waren die häufigsten Kommentare, als
ich in der Telefonzelle stand und total euphorisch ungefähr 10 Leute
angerufen hatte. Als Krönung war dann noch – nach Johnnys Tod –
die Beschwerde eines Mädels, das ich sie nicht angerufen hätte.
Selbst meinen Anruf hatte sie vergessen.
Genug
des Jammerns, zum Konzert. Die 20 Zuschauer drängten sich vor der
Theke. Thekendienst hatte wohl Jürgen. Zusätzlich anwesend waren
Pocke, Kroll und Ulli. Der harte Kern also, Lederjacken inclusive.
Das Warm-Up an der Theke zog sich in die Länge, weil Johnny auf sich
warten ließ. Kein ungewöhnlicher Vorgang im Line, starteten die
Konzerte doch selten vor Mitternacht.
Als
Johnny endlich, mit seiner Gitarre in der Hand, die Bühne betrat,
waren es immer noch ca. 20 Zuschauer. Pocke, Jürgen, Ulli und ich
nahmen sofort unsere Barhocker und pflanzten uns direkt vor die
Bühne. War ja auch peinlich. Der Rest des Publikums hielt nach wie
vor die Theke fest und traute sich nicht vor die Bühne. Wir wollten
Johnny nicht alleine da stehen lassen. Kroll hielt sich im
Hintergrund, weil er noch jemanden zum Quasseln gefunden hatte.
Irgendwie
sah Johnny kränklich aus. Meine Mutter hätte ihn als Tod auf
Latschen bezeichnet, so wie er da rumtorkelte. Wäre der Gitarrengurt
nicht um seinen Hals geschwungen gewesen, dann wäre sie ihm
garantiert aus den Händen geglitten, breit wie er war. Schön war
zwar, das er Wasser oder O-Saft trank. Besoffen wirkte er auch nicht
unbedingt – hatte aber schwerste Schlagseite. Er konnte sich nicht
gerade auf den Beinen halten. Bis heute weiß ich nicht, was er sich
eingepfiffen hatte. Wählerisch war er ja noch nie gewesen.
Fast
das gesamte Konzert lief folgendermaßen ab: Johnny drosch auf seine
Gitarre ein. Nach ein paar Akkorden erkannte Pocke den Song und sang
ihn an. Bei manchen Songs konnten wir Pocke noch unterstützen.
Wahrscheinlich nur durch dieses Ansingen konnte sich Johnny überhaupt
an den Song erinnern. Jetzt stieg er in den Text selber ein und
nöhlte ins Mikro, immer haarscharf am Stolpern und Hinfallen vorbei.
Den Refrain schaffte er meist gerade noch so. Zweite Strophe war
nicht angesagt – nächster Song! Johnny drosch auf die Gitarre,
Pocke hatte seinen Einsatz und so weiter …
Eigentlich
war es ein Trauerspiel. Johnny war ganz unten angekommen und mußte
noch von der Bühne geführt werden; Alleine schaffte er nicht mal
das.. Wenigstens hatten wir ihn nochmal gesehen. Der ganze Spuk
dauerte wohl nicht länger als ne Dreiviertelstunde, dann war es
vorbei. Wie das Ganze endete, weiß ich schon gar nicht mehr. Wir
waren hinterher nach Hause gegangen – bis auf einen.
Denn
es ging noch in der Kogge weiter! Mannis legendäre Kneipe, die erst
ab 5.00 Uhr morgens betreten werden durfte. Egal, ob nach dem Line,
Black Button oder nach der Nachtschicht. Egal ob Banker oder Nutte.
Hier traf man sich.
Und
in jener Nacht war auch Johnny Thunders in der Kogge. Ich weiß
nicht, wer es mir erzählt hatte, aber Johnny stand frühmorgens auf
dem Billiardtisch und gab noch eine Zugabe. Dies glaube ich gerade
deshalb, weil Jürgen mit dabei war. Ich glaube es nicht, weil Jürgen
mir dies erzählt hat. Hätte er es mir erzählt, hätte ich es auch
geglaubt. Nein. Jürgen lag besinnungslos unter dem Billiardtisch.
Und deshalb glaube ich, das der wirklich letzte Auftritt von Johnny
Thunders bei Manni in der Kogge stattfand.
Sicherlich
gab es etwas später in Berlin noch nen Auftritt. Urmel und „the
Man“ waren dort und haben mir von dem Abend berichtet. Dominiert
wurde jener Abend von einem Typen namens Sugardaddy, der so schlecht
war, das die Zuschauer ihn von der Bühne gepfiffen hatten. Johnny
Thunders betrat wohl noch die Bühne, krachte aber beim ersten Akkord
zusammen und stand nicht mehr auf. Sie mußten ihn von der Bühne
tragen.
Das
würde ich nun wirklich nicht als Auftritt bezeichnen. Ich bleibe
dabei: Johnnys letzter Gig fand statt im Line in BS. Der Special
Point geht an Manni und die Kogge. Über 20 Jahre ist das schon her.
Ruhe in Frieden, Johnny.
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