Erinnerungen
eines Musikjunkies Teil 2
Einer
der besten Fundorte für Platten aber war der Flohmarkt. Mitte der
80er, als ich mit Pocke zusammenwohnte, hatten wir ein bestimmtes
Ritual: Samstags früh fuhren wir nach Hannover zum Flohmarkt am
Leineufer. Die Karre parkten wir am Raschplatz und kämpften uns an
den Junkies vorbei in die Plattenläden. Zuerst galt es natürlich,
bei den Neuheiten und Sonderangeboten anzugreifen. Schwer bepackt
ging es von dort durch die Innenstadt zum Leineufer. Dort trennten
wir uns meist. Da Pocke auf Metal und ich auf Punk/Wave stand, kamen
wir uns zwar selten in die Quere, aber wir liefen natürlich
unterschiedliche Stände an. Mittags trafen wir uns dann im
Flohcircus, wo meist eine Band spielte. Ein Bierchen mußte ja auch
noch rein.
Ich
weiß noch, wie ich vor dem Kauf die Platten vorsichtig aus der Hülle
nahm und sie kritisch beäugte. Waren Kratzer zu sehen? Wurde sie
etwa naß abgespielt? Schließlich wirkte sich dies preismindernd
aus. Mengenrabatt? Mein persönlicher Rekord waren 30 Platten an
einem Tag in Hannover!
Auf
der Lister Meile war da noch der 2001 Laden. Da gab es ja auch immer
noch Billig. Irgendwas fand ich da immer, selbst wenn es Bücher
waren. Auf der Rückfahrt waren Pocke und ich schon ganz fiebrig, es
galt, die Platten anzuhören. Zur Beruhigung Bierchen.
Dann,
endlich, zu Hause in unserer Wohnung, konnten wir zum gemütlichen
Teil übergehen. Aber Halt: Erst einmal der wöchentliche Hausputz!
Ich saugte die Bude durch und Pocke wischte Klo und Dusche. Mit
diesen hocherotischen Gummihandschuhen! Wenigstens rutschte da die
Bierpulle nicht durch. Danach spülte Pocke das Geschirr (mit
denselben Handschuhen) und ich trocknete ab. Spätestens da war der
10er Träger alle.
Zum
Glück hatten wir damals 3 Kühlschränke. Der erste für Nahrung,
der zweite für vergammelte Nahrung. Beide in der Küche. Der dritte
Kühlschrank stand da, wo er hingehört: Im Wohnzimmer unterm
Fernseher. Dort kam ausschließlich Bier rein. Samstags war er dann
natürlich voll, so das der leere Träger zu verschmerzen war.
Die
Platten wurden abwechselnd gehört, häufig auch nur angespielt. Erst
eine von Pocke, dann eine von mir. Und – plopp! - Prösterchen. So
starteten wir immer sehr entspannt in den Samstag Abend. Vorglühen
war ja auch wichtig, ging es doch hinterher ins Jolly oder Pano.
Konzerte waren natürlich auch noch machbar. Und wenn es schnell
gehen mußte, gab es Wodka-O oder Wodka-Tonic. Natürlich waren das
dann die Nachmittage, die etwas länger wurden und wo die Platten
mehr oder weniger durchgehört wurden.
Und
natürlich gab es noch die Rocknächte auf der ARD. Vor Mitternacht
gings los, bis in den Morgen. Einmal habe ich mich mitten von der
Party nach Hause geschlichen, um allein und in Ruhe den Auftritt von
John Cale sehen zu können. Ich war beim Bund und John Cale passte
prima dazu. Mercenaries – Ready for War von John Cale ging mir
durch den Kopf, als ich am 8.Mai.1985 zum Nachtschießen auf der
Standortschießanlage rumballern mußte. Es war ja schließlich der
40. Jahrestag des Endes vom 2. Weltkrieg.
Und
noch nen Song: Auf der Panzerstraße in Bergen/Hohne sangen wir „Road
to Nowhere“ von den Talking Heads. Ich hatte Pocke noch angerufen,
damit er die Platte kauft. Damit sie zuhause ist, wenn ich nach 1
Woche Truppenübungsplatzaufenthalt wieder da bin. Und dann saß ich
nach überstandener Tortur in unserem Wohnzimmer mit dem Kanonier und
wir summten andächtig mit. Der Kühlschrank war nicht leer.
Ob
vor Konzerten oder Parties, Warmtrinken war bei Pocke und mir immer
angesagt. Noch nen Tütchen dazu und Volume aufdrehn. Aber zu jeder
Zeit waren wir bereit, über die neuesten Scheiben fachzusimpeln. Die
Mucke war einfach nicht nur Unterhaltungsprogramm, sie wirkte auch
stimmungsfördernd und nahm einen wesentlichen Teil unseres Lebens
ein.
Man
kann mit Fug und Recht behaupten, dass wir uns damals alle, auch
Urmel, Kroll, Tesla und all die Anderen, über die Mucke definiert
hatten.
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