(zuerst veröffentlicht 31.03.2008)
Donnerstag, 27.3.2008. Der Schlichtungsspruch in der Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst ist ausgesprochen – und die Gewerkschaften wollen ihn nicht annehmen. Kurze Zeit später lese ich in einem Leserbrief auf Stern Online folgenden Satz: „Auf den Bürgerämtern in Berlin üben doch tatsächlich Menschen hoheitliche Aufgaben aus, die mit ihren verwaschenen Jeans und ihren Proll-T-Shirts aussehen, als hätten sie sich soeben in der DRK-Kleiderkammer neu eingekleidet.“
Ich bin selbst Beamter und das ewige Beamten-Bashing gewöhnt. Aber diese Aussage liegt dann doch auf dem Level „Neger waschen sich nicht und stinken“. Solche Aussagen sind einfach nur krank. Aber was war da eigentlich los?
Frühjahr 2008. Es sind mal wieder Verhandlungen im öffentlichen Dienst anhängig. Die Gewerkschaften – Verdi und DBB/Tarifunion – fordern 8% Lohnerhöhung bzw. als Minimum
200,- € festen Erhöhungsbetrag. Die öffentlichen Arbeitgeber – hier sei stellvertretend Wolfgang Schäuble genannt – bieten im Gegenzug gigantische 5% über 2 Jahre bei einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden.
Die Gewerkschaften rechnen die zusätzliche Arbeitszeit sowie die über 2 Jahre gestückelten Erhöhungsbeiträge zu einer Nullrunde hoch und rufen zu Warnstreiks auf. Überraschenderweise war hier der Rückhalt in der Bevölkerung hoch – lediglich die neoliberale Presse von Bild bis Spiegel warnte angesichts drohender Rezession vor einem zu großen Schluck aus der Pulle.
Es plätscherte also mal wieder so vor sich hin. Die Abgeordneten des Bundestages genehmigten sich einen Inflationsausgleich von 9,8%. Einige Landessparkassen wie z.B. die SachsenLB kamen aufgrund der platzenden Hedgefond-Blase in Kalamitäten. 10, 20 Milliarden Euro als Zuschuß aus dem Staatssäckel waren schneller lockergemacht als Herr Schäuble Terrorismusfahndung sagen kann; Schließlich kann man ja die Landesbanken, ja selbst eine Privatbank wie die IKB nicht hängen lassen. Inanspruchnahme von Verantwortlichen - Fehlanzeige!
In diese Kerbe haut dann die Ablehnung des Schiedsspruchs durch die Gewerkschaften voll rein. Immerhin reden wir bei der Erhöhung der Gehälter der Angestellten von einem Volumen von knapp über 1 Milliarde Euro. Und da ist auch schon wieder die 5. Kolonne zuwege: Der unzufriedene Unternehmer mit der 60/gefühlten 80 Stundenwoche. Der Beschäftigte des kleinen Betriebes, der um seinen Arbeitsplatz fürchten muß und Solidaridät von Anderen dann einfordert, wenn es um seinen Arsch geht. Aber nicht vorher für Andere! So auch der ehemals bei Nokia/Opel/Elektrolux etc. Beschäftigte, der durch den „Kostendruck durch die Globalisierung“ seinen Arbeitsplatz verloren hat. Jahrelang fett verdient, jetzt Sozialplan. Über solche Beträge würde sich mancher Rentner oder Beschäftigte im öffentlichen Dienst freuen!
Die letztere Gruppe habe ich hierbei sicherlei zu Unrecht über einen Kamm geschoren – sorry, es ging nicht allen so bei Nokia und Co.
Überhaupt der Begriff „Beschäftigter im öffentlichen Dienst.“ Fälschlicherweise halten viele Menschen alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten für Beamte. Das ist falsch. Der Nicht-verbeamtete Mitarbeiter – und nur um die geht es bei den Tarifverhandlungen – zahlt dieselben Abgaben wie der Kollege in der Privatwirtschaft. Also auch AOK und CoKG, Deutsche Rentenversicherung sowie Beiträge zur Geldvernichtungsmaschine Bundesagentur für Arbeit.
Das Feindbild – der Beamte – hat hiermit nichts zu tun. Als Beamter im Land Niedersachsen habe ich vor über 10 Jahren freudig erregt zur Kenntnis nehmen dürfen, daß meine wöchentliche Arbeitszeit quasi über Nacht von 38,5 auf 40 Stunden angehoben wurde. Ohne finanziellen Ausgleich versteht sich. Weihnachtsgeld hatte ich früher auch einmal – der Wegfall entspricht einer 8%igen Lohnkürzung. Eine Kürzung in dieser Höhe wurde in Deutschland zuletzt 1932 vom Reichskanzler Brüning vorgenommen. Außerdem wurden die spärlichen Lohnerhöhungen der Angestellten in den letzten 10 Jahren verspätet, gar nicht oder zu einem geringeren Teil für die Beamten umgesetzt.
In verschiedenen Foren habe ich in den vergangenen Wochen häufig das Argument gehört, daß der öffentliche Dienst ja gar nicht produktiv tätig sei und somit nichts mit dem Wirtschaftswachstum zu tun habe. Hallo? Geht’s noch?
Straßen werden geplant und gebaut, Kinder in Schulen unterrichtet und wenn es brennt, kommt nicht die mittlerweile privatisierte Müllabfuhr. Wenn mir einer in meinen Wagen fährt, möchte ich keinen Hedgefondbanker zur Unfallaufnahme kommen sehen. Die Beispiele lassen sich beliebig fortsetzen, aber eines sollte klar sein: Der öffentliche Dienst ermöglicht überhaupt erst ein Wirtschaftswachstum, indem die davor nötigen Regeln (Gesetze) umgesetzt werden.
Und das ein niedriger Lohn nicht gerade die Arbeitsmoral stärkt, weiß auch jeder Beschäftigte in der Privatwirtschaft. Das Menschen, die seit längerem erwerbslos sind, dies anders sehen, leuchtet mir zwar ein, ändert aber nichts daran.
Heute nun – am 31.3.2008 – haben sich die Tarifparteien geeinigt. In Kürze: 6% über 2 Jahre sowie einen Sockelbetrag für alle von je 50,-€ pro Monat. Verlängerung der Arbeitszeit auf 39,5 Std/Woche (Niedersachsen). Und sofort jammern die kommunalen Arbeitgeber und kündigen schon einmal Gebührenerhöhungen an.
So ist es recht: Erst Tafelsilber wie Stromerzeugung oder Müllabfuhr privatisieren, Gewerbegebiete zum Nulltarif und immer geringere Unternehmenssteuern dank der großen Koalition als würgiger Nachfolger von Gas-Gerd. Die eigenen Beschäftigten sollen es jetzt ausbaden und mal wieder den Sündenbock spielen. In den Foren melden sich schon die erzürnten Bürger (siehe oben).
Letztendlich ist es aber so, das gute Arbeit bzw. motivierte Mitarbeiter nicht für ein Almosen zu kriegen sind. Bereits anfangs der 80er des letzten Jahrhunderts wurde ich von meinem Freundeskreis mitleidig belächelt, weil der Job „dröge und schlecht bezahlt“ ist. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Der Abstand zur Privatwirtschaft – vergleichbare Jobs vorausgesetzt – ist größer geworden. Da soll doch keiner jammern, weil es heute schwieriger ist. Wenn es besser läuft, wird man als Idiot hingestellt, wenn man im öffentlichen Dienst arbeitet.
Leider gibt es in dieser Neidrepublik viel zu viele Leute, die nicht über ihren eigenen Tellerrand gucken und nicht merken, das einerseits immer mehr Einkommen und Vermögen bei wenigen landen und sie deshalb auch irgendwann an der Reihe sind, über die Wupper zu gehen.
Also auf geht’s, Buam und Mädels. Eine neue Politik braucht dieses Land. Oder, wie es Olli Kahn so schön sagte: „Was wir brauchen sind Eier.“ Und damit sind wir alle gemeint.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen