Auch dieses Jahr hat der Sommer wieder im schönsten Deutschland aller Zeiten Einzug gehalten. Traditionellerweise wird dies in Deutschland auf eine besondere Art und Weise gefeiert: Mit Baustellen im Straßenverkehr, und das selbstverständlich nicht zu knapp. Da sich hierbei viele verschiedene Zuständigkeiten ergeben - Bund, Land, Gemeinde, das ist der Föderalismus, Baby, jeder kocht natürlich sein eigenes Süppchen.
Dass man die verschiedenen Arbeiten im Straßenbau aufeinander abstimmt, insbesondere im öffentlichen Nahverkehr, ist in Deutschland schon mal gar nicht möglich. Das klappt in anderen Ländern zwar auch nicht, aber die haben wenigstens nicht so eine große Fresse wie der normale deutsche Untertan.
Am deutschen Wesen soll die Welt genesen. Dieser alte Grundsatz aus der Kaiserzeit ist ja heute wieder en vogue, bei der woken Generation der Grünen Wähler natürlich nicht wortwörtlich. Das forsche Auftreten von Baerbock oder Habeck trägt zusätzlich dazu bei, dass man sich als Deutscher im Auslandsaufenthalt mittlerweile schämen muss.
Ihr merkt schon, dass ich im Moment gerade emotionell sehr stark aufgeladen bin. Das verlangt natürlich eine Erklärung.
Montag, 22 Juli. Mein ganz normaler Arbeitsbeginn am Wochenanfang in Salzgitter. „Dass Du um 17.00 Uhr auch ja da bist!" sagte meine Löwin noch zu Beginn des Tages. 17.00 Uhr; an diesem Termin fand eine kurze Eigentümerversammlung wegen der Balkonsanierung in unserem Haus statt. Dies stellte für mich kein Problem dar, ich musste nur pünktlich kurz vor 15.00 Uhr Feierabend machen; dann wäre ich auch zum Termin zu Hause.
Zum besseren Verständnis meiner augenblicklichen Verstimmung muss ich jetzt noch etwas ausholen. Für den Monat Juli ist der Zugverkehr zwischen Braunschweig und Salzgitter-Lebenstedt eingestellt worden, weil die Zwischenhalte Immendorf und Watenstedt barrierefrei umgebaut wurden.
Für mich stellte dies kein unüberwindliches Hindernis dar, weil ich sehr schnell eine alternative Busroute bis nach Lebenstedt gefunden hatte. Sicherlich musste ich mir pro Arbeitstag in Salzgitter geschlagene 20 Minuten ans Bein binden, da ich auf diese Weise entsprechend später im Büro auftauchen musste.
Was natürlich auch daran lag, dass passenderweise parallel hierzu eine Baustelle beim Rathaus in Lebenstedt eröffnet werden konnte, die zur halbseitigen Sperrung der Straße und damit zur vorübergehenden Schließung in der Haltestelle führen musste. Kurz gesagt, bedeutete dies für mich: morgens am Bahnhof aussteigen und 10 Minuten bis zum Rathaus zusätzlich latschen.
Das ist für einen Monat ja noch ertragbar, zumal ich nach Feierabend für die Rückfahrt auf der anderen Straßenseite in den Bus einsteigen konnte, welcher bis Braunschweig fährt. Dann noch einmal am Arbeitsamt umsteigen, schon war ich in Lehndorf.
Leider musste ich in diesem Monat auch noch aufs Fahrradfahren verzichten, da ich mein Fahrrad morgens beim Zustieg zum Bus nach Salzgitter nicht abparken konnte. Denn dort, wo sich der Fahrradständer für die Pendler befindet, war selbstverständlich auch eine Baustelle gewesen.
Also bin ich kurz vor 15.00 Uhr aus dem Rathaus raus; die Abfahrt des Busses war für 14.57 Uhr vorgesehen. So der Plan. In der flirrenden Hitze quälte ich mich zur Bushaltestelle, um dann schnell feststellen zu müssen, dass sich die Baustelle und damit die Fahrbahn verschoben hatte.
Kurz gesagt: Die Bushaltestelle wurde nicht mehr angefahren, nach kurzer Zeit machte ich Winke-Winke, als mein Bus an mir vorbeifuhr, ohne mich mitzunehmen. Stark verärgert lenkte ich meine Schritte zum Bahnhof, der nächsten Haltestelle, wohl wissend, dass ich dort noch eine Stunde auf den nächsten Bus warten müsste.
Die Eigentümerversammlung um 17.00 Uhr konnte ich somit knicken. Geistesgegenwärtig rief ich meine Löwin an, die selber noch im Bus unterwegs war, und bat sie, mich abzuholen. Dazu willigte sie ein und brauchte natürlich noch ein wenig, bis sie mich am Bahnhof in Lebenstedt einsammeln konnte.
Also soweit alles gut?
Da kennt Ihr mich aber besser, Ihr Turkey-Necks, oder? Dank meines Achtsamkeitstrainings musste ich jetzt diesen Ärger und meine Wut überwinden und dem Ganzen etwas Positives entgegensetzen. Für mich bedeutet das klassischerweise ein Bier zu trinken, idealerweise käme noch die Verarbeitung des negativen Erlebnisses mittels eines Blogbeitrages hinzu – also diesem hier.
Passenderweise hatte auch noch der einzige (!) Kiosk in der Lebenstedter „City“ Sommerferien, so dass eine kühle Bierdose ausfallen musste. Ersatzweise setzte ich mich ins Eiscafe Adria nahe der Bushalte, an der mich meine Löwin aufpicken würde.
„So junger Mann.“ Die Bedienung im weißen Kittel stellte mir nach einiger Zeit sogar ein zweites Krombacher (würg!) vor die Nase.
„Danke, schöne Frau.“ Man weiß ja, was sich gehört.
Während des ersten Bieres ordnete ich noch meine aggressiven Gedanken. Da hatten „die“ doch glatt an diesem Morgen die Baustelle verschoben, ohne dies vorher anzukündigen. Daher wurde auch der Ausfall der Haltestelle nicht angekündigt. Ein Service ist das; da fühlt man sich doch glatt ins südliche Algerien versetzt.
Service ist in Deutschland ja ein Begriff, der eher mit Porzellangeschirr in Verbindung gebracht wird. Und planvolles wie aufeinander abgestimmtes Handeln… da müsste man ja Mitdenken, das geht doch gar nicht.
Bus, Zug, Kiosk… heute ging aber auch alles schief. Unsere Gesellschaft ist schon stark abgerockt. Aber die meisten Menschen bekommen dies noch nicht einmal mehr mit, weil sie gedanklich wohl schon mit der Rettung der Menschheit beschäftigt sind.
Aber nur gedanklich. Und am deutschen Wesen soll die Welt genesen? Never Ever, alles Opfer. Zum Glück ging es mir von Minute zu Minute besser. Das Bier tat sein Übriges hinzu. Als meine Löwin eintraf, musste ich das zweite Pils sogar noch exen.
Wenigstens ging es mir schlagartig besser. Mein Zorn war wie weggespült. Das ging diesmal schnell. Ich merke daran, dass mir das Achtsamkeitstraining gut tut.
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