Montag, 29. Juli 2024

Uncle Fester: grad gelesen Juli 2024

Daniel Suarez - Critical Mass (Delta V Zyklus)
Für mich etwas überraschend erschien im Dezember letzten Jahres dieser Roman als Fortsetzung zu Delta-V. Und schwupps - schon ist ein neuer Zyklus geboren. Ein lesenswerter noch dazu, denn die Story spielt in der näheren Zukunft und arbeitet mit technischen Errungenschaften, die heute schon vorstellbar sind.
James Tighe, ehemaliger Höhlentaucher und neuerdings Weltraumpionier, will seine Freunde Adedayo und Isabel von der Station auf dem weit entfernten Asteroiden Ryugu retten. Er selbst hatte sich ja am Ende von "Delta-V" mit Priya Chindarkar und Jin Han mit einem selbst gebastelten Raumschiff zur Erde retten können.
Dort sind die 3 gern gesehene Weltraumhelden mit entsprechender Medienpräsenz, welche sie nutzen, um das Geld zum Bau eines Raumschiffs für die notwendige Rettungsmission nach Ryugu einzuwerben. Von staatlicher Seite war da keine Hilfe zu erwarten - was wohl daran liegen mag, dass unsere Helden eine eigene Firma gegründet hatten und die Schürfrechte am Asteroiden selbst behalten wollen.
Hier merkt man, dass Suarez ein Kind des amerikanischen Traums ist: Das Unternehmertum will zwar Gewinn generieren, handelt aber auch uneigennützig zum Wohle der Allgemeinheit. Das lernen die Kinder so in der Schule, wie in den USA, so auch bei uns. Früher hatte ich das auch mal geglaubt; Suarez mag sich anscheinend nichts anderes vorstellen können.
Unsere Helden bauen am Erde-Mond-Lagrange Punkt L2 ein riesiges Habitat bzw. eine riesige Weltraumstation, um dort das Schiff für die Rettungsmission zu bauen. Sie haben insgesamt nur knappe 4 Jahre Zeit, dann muss die Mission abgeschlossen sein. Denn lediglich dann ist Ryugu der Erde nahe genug, um dorthin gelangen zu können.
Sehr ausführlich schildert Suarez die Finanzierung des Projekt mittels Kryptoökonomie und Blockchains. Dazu geht es die meiste Zeit um den Bau des Habitats, hier hat sich Suarez ebenfalls tief in die Materie eingearbeitet. Man erhält so eine faszinierende Lektüre, verliert aber die eigentliche Grundfrage der Story (leben Adedayo und Isabel noch?) aus den Augen.
Als das Rettungsteam mit James Tighe Ryugu endlich erreicht, ist Isabel kurz zuvor mit einem Schiff Richtung Mars aufgebrochen, wahrscheinlich aber verstorben. Adedayo kann gerettet werden und ebenfalls die Nordkoreaner (!), welche im Prolog die Station bei Ryugu Jahre vorher besetzt hatten.
An diesem etwas kryptischen Ende kann man unschwer erkennen, dass Suarez die Story schnell beenden wollte, denn es ging ihm wohl eher um die Schilderung der technischen Machbarkeit einer ständigen Weltraumstation. Egal - ich warte jetzt auf den dritten Band.

Dennis E. Taylor - Himmelsfluss (Bobiverse 4)
Es ist schon merkwürdig. Einerseits hatte ich mich auf einen weiteren Bobiverse Roman gefreut, weil die ersten drei mir wohl nach meiner Erinnerung gefallen hatten. Andererseits brauchte ich bald 100 Seiten, um mich einzugrooven.
Doch dann war ich drin und voll begeistert. Taylor hat es hier hinbekommen, mit Himmelsfluss einen Handlungsort vergleichbar mit der Ringwelt oder der Flusswelt (falls das noch jemand kennt) zu kreieren. Überhaupt sind Reminiszensen an bekannte Science Fiction Serien die große Stärke des Bobiverse.
In den bisherigen Romanen hatten die Bobs die überlebenden Menschen von der atomar verseuchten Erde gerettet und ihnen Kolonien errichtet. Zuletzt hatten sie gegen „die Anderen", einer Alienrasse, gekämpft und dabei das Überleben der Paven, einer anderen Alienrasse, gesichert. Und wegen des großen Erfolges macht Taylor immer weiter.
In diesem Band geht es um den Bob-Klon Bender aus der zweiten Klongeneration des ursprünglichen Bob, der auch diesmal im Vordergrund steht und für die Tausende seiner Replikanten als Zusammenhalt dient. Doch die Bobs driften immer mehr auseinander; es bilden sich Fraktionen wie die „Sternenflotte" oder die „Skippys", welche mit den Kurzlebigen nicht mehr interagieren bzw. diese in Ruhe lassen wollen.
Doch anders als es der Klappentext suggeriert, liegt der Fokus dieses Romans nicht auf den sich anbahnenden Bürgerkrieg. Es geht um die Rettung von Bender, der seit mehr als 100 Jahren als verschollen galt und nach Himmelsfluss, einer Milliarden von Meilen langen Megastruktur a la Flusswelt, entführt worden war.
Diese wird von den Quinlanern bevölkert, die nicht nur wie Biber aussehen, sondern sich auch gerne in einen der vier durchgehenden Flüsse bewegen. Dank der "Mannys", Androidenkörper in Gestalt der Quinlaner, kann Bob mit Will und Bill, zwei seiner Replikanten, sowie Bridget, einer Frau, die sich ebenfalls digitalisieren ließ, unter das Volk mischen.
Bob's Mitstreiter müssen zwar zwischenzeitlich passen, aber der Skippy Hugh ist Bob bei der Befreiung von Bender behilflich und am Ende die Rettung, als sich Bob mit der Matrix von Bender in eine aussichtslosen Lage manövriert hatte.
So faszinierend die Gesellschaft der Quinlaner auch geschildert wird - da werden doch tatsächlich Erinnerungen an Peter F. Hamilton wach - so unwichtig ist Bobs Exkursion durch die Landschaft und Orte von Himmelsfluss. Entscheidend ist vielmehr, dass die in eine vorindustrielle Phase zurückgeworfenen Quinlaner von der Verwaltung, welche sich als KI herausstellt, gelenkt werden. Der Widerstand, scheinbar eine Freiheitsbewegung, ist dann doch nur Fassade.
Wie im richtigen Leben halt. Ohne Bob's Einverständnis schließt Hugh am Ende mit der Verwaltung einen Deal, der für alle Seiten nur Vorteile bringt, aber auch eine Zersplitterung des Bobiversums zur Folge hat. Die Verwaltung erhält Zugang zur Raumfahrttechnik und kann so das Überleben der Quinlaner sichern, ohne diese der Intelligenz zur Vermeidung von zerstörerischen Kriegen berauben zu müssen.
Und für die Menschen sind neue Siedlungsgebiete erschlossen. Die wollen zwar mit den Bobbis dank der Aktivitäten der Sternenflotte nichts mehr zu tun haben, aber das ist ein Nebenstrang in diesem Roman, der zum Glück nur innerhalb kurzer Kapitel abgehandelt wird.
Jetzt warte ich doch gespannt auf den fünften Teil. Unterhaltsam ist das Bobiverse schon, der erwähnte Nebenstrang ebenfalls - dann aber bitte "extra" und ausführlicher.

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